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Zwei Welten

geschrieben von Manuel 
Zwei Welten
12. September 2023 09:10
Kann es sein, dass man über Jahrzehnte so gut wie nur homosexuelle Fantasien hat, in der "Realität" aber nicht das "Bedürfnis" nach einem Mann? Mir geht es so. Ist das "Verdrängung"? Mache ich mir da etwas vor? Und in welche Richtung?
Re: Zwei Welten
12. September 2023 14:53
Hallo Manuel!

Deine Frage kommt mir selbst sehr bekannt vor. Sie hat mich auch lange beschäftigt. Seit Jugendjahren hatte ich solche Fantasien aber in der Realität haben mich die Jungs damals und später Männer rein gar nicht interessiert. Als Teenager fand ich sie alle zu hormongesteuert und konnte mit ihren herablassenden Gespräche über Mädchen nichts anfangen.
Ich vermute, dass ich dieses Bild dann auch später auf Männer übertragen habe und daher kein wirkliches Interesse aufbauen wollte. Die Männer in meinen Fantasien waren da ganz anders. Reifer (?) - eben keine blöden Machos und so.

Bei mir hat aber auch mein generelles Misstrauen Männern gegenüber eine Rolle gespielt. Ich hatte keine wirklich guten männlichen Vorbilder.

Erst nach meinem Outing habe ich seeeeeeeeeehr langsam begonnen, Männer aktiv anzuschauen. Momentan kann ich aus der Ferne ganz gut beurteilen, ob sie mir gefallen bzw. was mir an ihnen gefällt. Aber mit einem fremden Mann einfach so ins Gespräch zu kommen, schaffe ich zurzeit noch nicht ^^

Du hast von einer möglichen Verdrängung geschrieben. Ist eine Möglichkeit, aber dazu weiß ich zu wenig über deine generelle Beziehung zu Männern. Hast du dich denn schon damit auseinander gesetzt?

Liebe Grüße smiling smiley
Re: Zwei Welten
12. September 2023 20:02
Hallo Manuel,
vielen Dank für Deine Frage. Auch ich habe mich damals hinter meinen Fantasien "versteckt". Habe es überhaupt nicht auf dem Schirm gehabt, das meine homoerotischen Fantasien überhaupt etwas mit schwulsein zu tun haben könnte. Ich glaubte, jeder Mann hat solche Fantasien. Man redet nur nicht darüber, da anderen glauben könnten man wäre schwul.
So habe ich es geglaubt und es mir noch zusätzlich "schön" geredet, das es z.b. viel anspruchsvoller ist, eine Gayzeitschrift zu lesen und sich an den hübschen Männer und ihren erotischen Geschichten zu erfreuen, als irgendeine "Mannerzeitschrift mit nackten Damen. Letzteres fand ich einfach zu plump und das die Damen oft so unterwürfig mir vorkamen.

Bis zu dem Zeitpunkt, als ich einen jungen Mann helfen wollte, da ich dachte er könnte schwul sein. Ich habe mich getraut
ihm von meinen Männerfantasien zu erzählen. Dann nahm er mich in den Arm und sagte: "Maks, dann bist du schwul, er nicht." Danach folgten immer mehr Erkenntnisse, das ich schon so viele Signale übersehen habe. Und es dauerte noch eine gewisse Zeit, bis ich es spürte, das ich wirklich schwul bin.

GLG Maks
Re: Zwei Welten
12. September 2023 21:09
Hallo Manuel,

glaubst du, dass es nur drei oder vier Kategorien für Sexualität gibt, in die man hineingepresst werden muss?
Jede Sexualität, die keine Schmerzen, Schäden oder rechtliche Probleme bereitet, ist doch ok? Du scheinst doch keine Probleme für dich zu haben, mit dem, wie es ist. Wem musst du denn entsprechen?
Genieße doch deine Fantasien. Und deine Bedürfnisse bestimmen dein Handeln. Es gibt kein Pensum oder keine Sex-DIN, die du erfüllen musst. Lasse dir da nur nichts vormachen.
Bleibe, wie du bist, wenn du dich damit wohlfühlst.

viele Grüße
Tom
Re: Zwei Welten
15. September 2023 12:00
Hallo Maks,

ja, tatsächlich habe auch ich immer geglaubt, jeder Mann hat solche "homoerotischen Fantasien". Zumindest hin und wieder, mehr oder weniger. Dass ich Gayzeitschriften gelesen oder zumindest Männerbilder sehr gern angesehen habe, hab ich eher für so etwas wie eine "Gewohnheit" gehalten
Re: Zwei Welten
15. September 2023 12:02
Hallo BlueHoodie,

kommt mir alles sehr bekannt vor.
Re: Zwei Welten
15. September 2023 12:03
Hallo Tom,

ich fühle mich ja eben nicht so besonders wohl damit, weil ich da irgendwie in zwei Welten lebe.
Re: Zwei Welten
15. September 2023 22:47
Lieber Manuel,
es ist völlig normal, was du beschreibst. Ich musste schmunzeln, als ich den Satz las, dass du damals dachtest, jeder Mann hätte solche Phantasien. Ich habe mich darin so wiedererkannt, und ich konnte damals überhaupt nicht verstehen, dass das offenbar nicht so war.
Ich habe gerade begonnen, das Buch Pageboy von Elliot Page zu lesen. Er schreibt: „Queersein ist nicht linear, ist ein verschlungener Weg. Zwei Schritte vor und einer zurück. Ich habe den Großteil meines Lebens damit verbracht, mich an meine Wahrheit heranzutasten, in ständiger Angst zusammenzubrechen, wenn ich ihr zu nahe komme.“
Auch diese Erfahrung kann ich nur unterstreichen.
Analysiere nicht zu viel, was dich bewegt, sondern nimm es an. Vieles wird dir erst später in einem Rückblick klar werden. Sieh es vielleicht als einen neuen Abschnitt deines Lebens an, in den du jetzt kommst, den du entdecken und ausgestalten darfst, der dich herausfordern und vielleicht auch ab und zu enttäuschen wird - auch das gehört dazu. Zwei Schritte vor, einen zurück. Dieser Weg ruft dich jetzt, warum erst jetzt, das ist es nicht wert, sich den Kopf zu zerbrechen. Nimm ihn an und lerne dich selbst kennen, deine Wahrheit, die du leben darfst. Und lege dich nicht zu schnell auf Schubladen fest. Ich war mit meinem Coming Out nach 19 Jahren Ehe in der festen Überzeugung gestartet, schwul zu sein, um dann am Ende meine Bisexualität zu verstehen und dann nach Monaten innerer Zerrissenheit endlich zu akzeptieren. Meine Frau ist diesen Weg tapfer mit mir gegangen und wir sind gerade dabei, unsere Beziehung neu zu gestalten mit dem Ziel zusammenzubleiben. Jeder hat seinen eigenen Weg und ich wünsche dir alles Gute auf deinem!

Liebe Grüße
Pascal



3-mal bearbeitet. Zuletzt am 15.09.23 22:55.
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