Im Zuge der Diskussion, ob und wie Homosexualität im Lehrplan von Schulen verankert werden soll, fällt mir immer mehr auf, daß Gegner und Befürworter offenbar nicht von denselben Vorstellungen sprechen. So argumentieren Gegner mit Fällen, bei denen 10 - 12jährige Kinder im Sexualkundeunterricht haufenweise in Ohnmacht fielen, als diese irgendwelche Bilder von einer Vagina ausmalen mussten oder so ähnlich (stand neulich u.a. in der "Welt"
. Die Frage ist natürlich, ob der Sexualkundeunterricht - mal von den biologischen Fakten abgesehen - tatsächlich in die Richtung gehen sollte, daß 12jährige in sexuelle Techniken eingewiesen werden oder ob es einfach nur darum gehen sollte, zu informieren und die Fakten zu nennen.
Warum ich mich das frage? Ich lese dann, ausgehend von obigen Stories, daß viele Eltern darüber besorgt seien, wenn zuviel über schwule Sexualität im Unterricht gelehrt werden solle?
Ist hier nicht ein Mißverständnis? Ich sehe es nicht so, daß 12jährige in der Schule sexuelle Praktiken erläutert bekommen sollten, sondern daß sie darüber aufgeklärt werden sollten, was es für verschiedene Möglichkeiten der sexuellen Orientierung geben kann - sicher auch ausgehend von der heterosexuellen Liebe. Es sollte darum gehen, daß es neben der am häufigsten vorkommenden heterosexuellen Liebe eben auch andere Formen gibt, und daß diese nicht negativ besetzt sondern vielmehr gleichwertig sind. Dabei muss den Kids ja nicht erläutert werden, welche unterschiedlichen sexuellen Praktiken es da gibt.
Mir scheint aber, daß so mancher Gegner genau dies denkt und davor Angst hat.
Ebenso erscheint es mir, daß es so wirkt, als würde man für Homosexualität "werben" wollen in dem Sinne: Suche es Dir aus, was Du lieber magst. Auch hier wirkt es auf die Gegner so, als solle sich Jede und Jeder aussuchen KÖNNEN (!), was ihr/ihm besser behagt und daß es ggf. "cool" sei, lesbisch oder schwul zu sein.
Diese Gegner sehen nicht, daß sich die Menschen NICHT aussuchen können, was sie sind, sondern daß sie nur HERAUSFINDEN können, was sie sind. Die wenigsten Lesben und Schwulen wählen ja wohl ausgerechnet die schwierigere Variante aus lauter Jux und Dollerei aus! Sie wählen doch nicht Jahre des Grübelns, der Verzweifels, der Verstellung etc. freiwillig aus. Sie finden es vielmehr irgendwann einmal heraus und DANN versuchen sie so zu leben.
Glaubt man aber manchen Gegner, so hätte man eine Wahl.
Ausgehend von diesen Gedanken scheint mir aber, daß man nicht nur auf die Gegner einschlagen sollte, sondern genau diese Irrtümer vermitteln sollte. Ich glaube, hier liegt der Knackpunkt. Begegnet man den Gegnern, indem man nur noch aggressiver das Schwulsein und das Leben als Lesbe propagiert, nährt man nur noch die Vorurteile.
Ich denke, daß in den letzten Jahren viel erreicht wurde für Schwule und Lesben, ABER nicht zwingend MIT der Gesellschaft, sondern eher TROTZ sie. Und es ist "chic" geworden, Toleranz zu heucheln für viele Menschen, weil sie von der Entwicklung überrollt wurden. Aber darunter schlummern viele Fragen, Ängste und Vorurteile, und sobald es ein Ventil gibt (wie eine Pedition), dann kommen diese zum Ausdruck.
Das besorgt mich zum Teil, weil ich ein besser gewordenes Klima gegenüber Lesben und Schwulen gefährdet sehe. Ich denke, man muss die "Gegner" verstehen lernen, um deren Ängste und Vorurteile abzubauen.
Liebe Grüße,
sendet
Mickey2.