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Homosexualität im Lehrplan

geschrieben von Mickey2 
Homosexualität im Lehrplan
20. Januar 2014 18:22
Im Zuge der Diskussion, ob und wie Homosexualität im Lehrplan von Schulen verankert werden soll, fällt mir immer mehr auf, daß Gegner und Befürworter offenbar nicht von denselben Vorstellungen sprechen. So argumentieren Gegner mit Fällen, bei denen 10 - 12jährige Kinder im Sexualkundeunterricht haufenweise in Ohnmacht fielen, als diese irgendwelche Bilder von einer Vagina ausmalen mussten oder so ähnlich (stand neulich u.a. in der "Welt"winking smiley. Die Frage ist natürlich, ob der Sexualkundeunterricht - mal von den biologischen Fakten abgesehen - tatsächlich in die Richtung gehen sollte, daß 12jährige in sexuelle Techniken eingewiesen werden oder ob es einfach nur darum gehen sollte, zu informieren und die Fakten zu nennen.

Warum ich mich das frage? Ich lese dann, ausgehend von obigen Stories, daß viele Eltern darüber besorgt seien, wenn zuviel über schwule Sexualität im Unterricht gelehrt werden solle?
Ist hier nicht ein Mißverständnis? Ich sehe es nicht so, daß 12jährige in der Schule sexuelle Praktiken erläutert bekommen sollten, sondern daß sie darüber aufgeklärt werden sollten, was es für verschiedene Möglichkeiten der sexuellen Orientierung geben kann - sicher auch ausgehend von der heterosexuellen Liebe. Es sollte darum gehen, daß es neben der am häufigsten vorkommenden heterosexuellen Liebe eben auch andere Formen gibt, und daß diese nicht negativ besetzt sondern vielmehr gleichwertig sind. Dabei muss den Kids ja nicht erläutert werden, welche unterschiedlichen sexuellen Praktiken es da gibt.

Mir scheint aber, daß so mancher Gegner genau dies denkt und davor Angst hat.

Ebenso erscheint es mir, daß es so wirkt, als würde man für Homosexualität "werben" wollen in dem Sinne: Suche es Dir aus, was Du lieber magst. Auch hier wirkt es auf die Gegner so, als solle sich Jede und Jeder aussuchen KÖNNEN (!), was ihr/ihm besser behagt und daß es ggf. "cool" sei, lesbisch oder schwul zu sein.
Diese Gegner sehen nicht, daß sich die Menschen NICHT aussuchen können, was sie sind, sondern daß sie nur HERAUSFINDEN können, was sie sind. Die wenigsten Lesben und Schwulen wählen ja wohl ausgerechnet die schwierigere Variante aus lauter Jux und Dollerei aus! Sie wählen doch nicht Jahre des Grübelns, der Verzweifels, der Verstellung etc. freiwillig aus. Sie finden es vielmehr irgendwann einmal heraus und DANN versuchen sie so zu leben.
Glaubt man aber manchen Gegner, so hätte man eine Wahl.

Ausgehend von diesen Gedanken scheint mir aber, daß man nicht nur auf die Gegner einschlagen sollte, sondern genau diese Irrtümer vermitteln sollte. Ich glaube, hier liegt der Knackpunkt. Begegnet man den Gegnern, indem man nur noch aggressiver das Schwulsein und das Leben als Lesbe propagiert, nährt man nur noch die Vorurteile.

Ich denke, daß in den letzten Jahren viel erreicht wurde für Schwule und Lesben, ABER nicht zwingend MIT der Gesellschaft, sondern eher TROTZ sie. Und es ist "chic" geworden, Toleranz zu heucheln für viele Menschen, weil sie von der Entwicklung überrollt wurden. Aber darunter schlummern viele Fragen, Ängste und Vorurteile, und sobald es ein Ventil gibt (wie eine Pedition), dann kommen diese zum Ausdruck.

Das besorgt mich zum Teil, weil ich ein besser gewordenes Klima gegenüber Lesben und Schwulen gefährdet sehe. Ich denke, man muss die "Gegner" verstehen lernen, um deren Ängste und Vorurteile abzubauen.

Liebe Grüße,
sendet
Mickey2.
Re: Homosexualität im Lehrplan
22. Januar 2014 12:47
Hallo,

danke für den Beitrag!!!

Quote

Ich denke, daß in den letzten Jahren viel erreicht wurde für Schwule und Lesben, ABER nicht zwingend MIT der Gesellschaft, sondern eher TROTZ sie. Und es ist "chic" geworden, Toleranz zu heucheln für viele Menschen, weil sie von der Entwicklung überrollt wurden. Aber darunter schlummern viele Fragen, Ängste und Vorurteile, und sobald es ein Ventil gibt (wie eine Pedition), dann kommen diese zum Ausdruck.

aus meiner Sicht wird am "Symptom" gedoktert ... nicht das Adoptionsrecht oder die Verpartnerung ist das, was Schwule benötigen, sondern die Akzeptanz (nicht nur Toleranz), dass man sein Privatleben so gestalten kann wie man möchte, und mit dem gestalten kann, wie man möchte.

Dazu gehört auch der "öffentliche" Teil des Privatlebens, jemanden umarmen, küssen, sich freuen, sich verabschieden, zusammen eine Veranstaltung besuchen, vom Wochenende erzählen, Liebeskummer oder Freuden einander mitteilen und darüber reden ...

Erst, wenn es nicht mehr "abstoßend" oder verwunderlich ist, dass ein Kerl mit einem Kerl zusammen ist, DANN sind wir weiter :-))))

Leider vermitteln die Medien immer noch den Eindruck, schwul sei "anderes", "besonders" oder "Dauerkarneval" (Party, CSD etc.). Und wenn dann noch über jemanden hergezogen wird, der (aus Versehen) mal eine Freundin oder Frau hatte (ggf. sogar Kinder) und dann endlich merkt, dass er auf Männer steht ... welcher Jugendliche möchte denn sowas sein, oder sowas über sich lesen ...

(Auch Westerwelle oder Wowereit sind aus meiner Sicht noch weit davon entfernt, ermutigende Beispiele zu sein)

Trotzdem scheint es nur eine Strategie zu geben ... je mehr "herauskommen", desto besser ... und desto normaler werden WIR wahrgenommen :-)))))

lg.
Victor
Re: Homosexualität im Lehrplan
16. Februar 2014 01:27
Hallo Leute,..

ich komme aus Österreich und wir sind in diesem Bereich noch nicht annähernd soweit darüber zu sprechen, was in Schulen im Bereich Sexualunterricht bzw. sexueller Ethik unterrichtet wird.
Mir als Frischling tut es immer noch sehr weh, wie emotional die Debatte auf "beiden" Seiten geführt wird, sicher wäre ich froh wenn Kinder schon in der Schule lernen, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, sondern auch Farben, aber ein Sexualunterricht ist zwar ein Anfang, aber nicht die Lösung. Es gehören auch Eltern aufgeklärt, denn viele Eltern meinen ja nach wie vor, dass Homosexualität ansteckend ist, wenn man nur darüber spricht. Meiner Meinung nach und ihr stimmt mir sicher zu. Haben Eltern den größeren Einfluss auf ihre Kinder als irgendwelche Sexualtherapeuten oder Lehrer (Aufklärungsunterricht). Die Debatte wird immer sehr einseitig geführt, mir ist sehr wohl bewusst, dass wir zu einer Minderheit gehören, die auch Gehör finden will...

Ich lasse den letzen Satz bewusst unbeantwortet stehen.
Wir sind alle Menschen und Menschen haben Angst, dass sich ihr gewohntes Umfeld oder ihre Umgebung verändert, es will jeder in seiner heilen Welt leben, da passen wir Homosexuellen nicht in die Heterowelt hinein und in unsere Welt passen die Heterosexuellen nicht hinein. Wir müssen alle Rücksicht aufeinander nehmen, natürlich kann ich jetzt sagen ich würde gerne endlich einmal bei uns im Ort mit meinem Schatz Hand in Hand spazieren, aber wenn die Leute nicht so weit sind, dann muss man ihnen halt Zeit geben. Wenn man sich die geschichtliche Situationen von diversen Gruppierungen (Frauen - Wahlrecht, Sklaverei, Judentum) ansieht, kann man erkennen, dass es nicht nur Zeit braucht bis die Normalität eintritt, sondern auch emotionslose Diskussionen ohne Polemik und Heuchlerei benötigt.

Es ist noch ein weiter Weg, der steinig und unwegsam sein wird, aber es braucht Zeit am Ende werden wir Siegen und das Ziel erreichen. Gleichberechtigt heiraten, adoptieren und was sicher jedem wichtig ist, sich auf der Straße mit seinem Schatz so geben wie in den eigenen vier Wänden - Zuneigung zeigen, sich liebkosen und die Tage genießen, die wir auf diesem Planeten (sehr philosophisch) verweilen.

Wir schaffen diesen Weg, aber nicht auf biegen und brechen... nachhaltig und anhaltend.

Liebe Grüße euer Martin
Re: Homosexualität im Lehrplan
16. Februar 2014 14:16
Hallo Martin,
aus meiner Sicht ist es schon wichtig, dass Schule auch sexuelle Vielfalt auf den Lehrplan setzt. Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen, das es für mich wichtig war. In meinem Elternhaus und auch in der Schule war Sexualität kein Thema, bis auf einmal in der siebten Klasse im Aufklärungsunterricht, der einfach nur zum Davonlaufen war.
Aber und das war viel wichtiger an der Schule meines Bruders wurde ein Buch gelesen, wo es um einen schwulen Jungen ging. Das hat dann erst mal große Diskussionen dort ausgelöst. Elternbriefe, aber auch die Reaktion des Lehrers, der fest zu dem Buch stand und den Eltern erklärt hat, warum dieses Buch wichtig ist. Ich habe das Buch dann heimlich (ich war zu der Zeit komplett ungeoutet und habe meine Sexualität verdrängt, auch wennn das natürlich nicht möglich ist) gelesen und es war gut für mich, dass in dem Buch ein Mensch war, der ähnlich fühlte wie ich.
Sicher meinem Bruder hat das Buch, dann auch nicht seine Homophobie genommen, aber für mich war es stärkend. Ein Rollenvorbild auf das ich zurückgreifen konnte.
Aber wenn auch mal etwas in der Zeitung über Schwule stand, dann hat mir das Mut gemacht.
Insofern finde ich es gut, wenn es mutige Lehrer gibt, die das Thema aufgreifen und die dann auch Rückendeckung durch den Lehrplan bekommen. Im übrigen hilft es ja nichts, wenn ein Lehrer nur aufgrund des Lehrplans irgendetwas macht, dann kommt dann so ein vermurkster Sexualkunde Unterricht raus, wie ich den dann erleben durfte.

Es hat dann sehr lange bei mir gedauert, bis ich mich in der Familie geoutet habe. Und sowohl mein Bruder als auch meine Mutter haben damit anfangs recht wenig anfangen können. Aber so wie ich mich langsam an die "schwule Welt" herangespirscht habe und sicher viele Dinge erst absolut abgelehnt habe und auch erst langsam hier meinen Standpunkt finde, so ist es eben auch meiner Familie gegangen und sie haben durch mich auch einen anderen Blickpunkt auf die schwule Welt gewonnen.

Die derzeitige Diskussion ist irgendwie ganz schön verkehrt. Ich frage mich manchmal, warum ist es für Mattusek und all die anderen so wichtig ist, schwule Liebe als defizitär darzustellen. Und diese Behauptung geht ja nicht nur gegen Schwule, sondern auch gegen Heteros, die keine Kinder haben. Ich habe oft die Vermutung, dass gerade die Menschen sehr gegen Homosexualität streiten, die sich in ihrer eigenen Sexualität nicht klar sind und mit ihrer Homophobie eigene Zweifel bekämpfen. Unschön ist dabei, dass dieser Kampf auf Kosten anderer geht.

Insofern bin ich froh, dass es Aktivisten gibt, die diesen Ewiggestrigen entgegentreten und wir alle davon profitieren, dass der Wind sich dreht. Und sich derzeit mehr die Homophoben rechtfertigen müssen und nicht die Schwulen.

LG Finn

P.S. Stefan Niggemeier hat in der FAZ einen Artikel zur Diskussion um Toleranz und Akzeptanz geschrieben. Lesenswert!
[www.faz.net]



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.02.14 14:24.
Re: Homosexualität im Lehrplan
16. Februar 2014 23:12
Hallo Zusammen,

Um Mattussek zu zitieren:

Was für ein Eiertanz um die einfache Tatsache, dass die schwule Liebe selbstverständlich eine defizitäre ist, weil sie ohne Kinder bleibt. Der Philosoph Robert Spaemann hatte es in einem Interview mit der "Welt" so ausgeführt: "Das Natürliche ist auch moralisches Maß für die Beurteilung von Defekten. Nehmen Sie die Homosexualität: Die Abwesenheit der sexuellen Anziehungskraft des anderen Geschlechts, auf dem die Fortexistenz der menschlichen Gattung beruht, ist ein solcher Defekt. Aristoteles nennt das einen Fehler der Natur. Ich sage, es ist einfach ein unvollständig ausgestattetes Wesen, wenn es über die Dinge nicht verfügt, die zu einem normalen Überleben gehören."

Es ist zu einfach, einen Philosophen als letzte Instanz für ein Urteil zu zitieren. Spaemann springt mit seinem Argument zu kurz und Mattussek darum natürlich auch.

Nehmen wir den ersten Satz von Spaemann: „Das Natürliche ist auch moralisches Maß für die Beurteilung von Defekten.“

Es gibt wachsende Evidenz, dass das Entstehen von Homosexualität auf einem genetischen Vorgang beruht, der im Grundsatz aber noch nicht erschöpfend erforscht ist. Wir werden die Ergebnisse abwarten müssen. Die schlichte Tatsache, dass Homosexualität überhaupt auftritt, macht sie allerdings zu einem natürlichen Phänomen. Was auch sonst?

Wir wissen seit Darwin, dass die Natur Veränderungen ausselektiert, die dem Überleben der Art entgegen stehen. Die schlichte Tatsache, dass es Homosexuelle gibt, beweist, dass das Auftreten von Homosexualität dem Bestand der Art Homo sapiens in den letzen 2-3 Millionen Jahren nicht geschadet hat. In der Tat stellt sich die Frage, ob es einen Nutzen gibt, den wir bisher nicht erkannt haben oder nicht haben erkennen wollen? Die Tatsache, dass es Homosexualität gibt, weist darauf hin. Aber dann ist „die Abwesenheit der sexuellen Anziehungskraft des anderen Geschlechts, auf dem die Fortexistenz der menschlichen Gattung beruht“ (Spaemann), kein Defekt. Sie ist ein evolutionärer Vorteil.

Und Aristoteles hätte sich geirrt. Hat er an dieser Stelle ohnedies. Die Natur macht keine solchen Fehler.

Achso, ja: Aristoteles war der Lehrer Alexanders des Großen. Insofern sicher ein schlechtes Beispiel, was Philosophen angeht. Die alten Griechen hatten zu diesem Thema ein anderes Verhältnis. Und Alexander liebte vermutlich Hephaistion.

Schöne Grüße

Volker



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.02.14 23:39.
Re: Homosexualität im Lehrplan
17. Februar 2014 19:05
Hallo,

Quote
Matussek
Was für ein Eiertanz um die einfache Tatsache, dass die schwule Liebe selbstverständlich eine defizitäre ist, weil sie ohne Kinder bleibt.

Wo steht geschrieben, dass Kinder IMMER aus einer Liebesbeziehung stammen müssen.

Wieviele Kinder kommen aus einer flüchtigen Liebschaft, einem "Sturm und Drang", dem früher oder später Auseinanderleben, Trennung und wenn nicht gar Hass werden.

Wieviele Eltern suchen Wärme und sexuelle Erfüllung in den Armen einer anderen Person, als der des angetrauten Partners.

Ich bin schwul, HABE ABER KINDER und zwar leibliche Kinder ... was Matussek und Aristoteles zu denken geben sollte.

(und wo steht schon geschrieben, dass Philosophen mit ihrem "Geschwurbel" irgendeine Rechtfertigung auf Wissen oder Recht hätten ...)

lg.
Victor
Re: Homosexualität im Lehrplan
19. Februar 2014 11:07
Das hier passt sehr gut zum Thema:

Artikel "Homophobie gehört nicht in unsere Gesellschaft "

Schöne Grüße

Volker
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