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Schon früh geahnt - nur nicht von mir

geschrieben von FlorianW 
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
04. Januar 2023 08:48
BlueHoodie schrieb:
-------------------------------------------------------
> Vermutlich haben meine Worte keinen Effekt auf
> dich. Ich wollte dich auch nicht versteckt
> belehren oder sonstiges. Ich kann deine Situation
> und deine Gefühlswelt sehr gut verstehen. Falls
> du dich darüber austauschen willst, kannst du mir
> jederzeit eine PN schicken. Auch ich kämpfe
> weiterhin damit, ein Gefühl der Zugehörigkeit zu
> entwickeln. Wenn man sich so lange als "unwürdig"
> oder "falsch" oder "abnormal" bezeichnet, wird man
> das schwer wieder los.

Hallo BlueHoodie,

Ich bin in einer Umgebung aufgewachsen, in der es eigentlich keine wirklichen Grenzen gab. Zumindest keine gezeigten. Egal ob Paradiesvogel oder Spießer - was auch immer ich getan hätte, wäre Ok gewesen.
Hätte ich einen Jungen mit nach Hause gebracht hätte mir das viele peinliche Situationen erspart (mit meinen Eltern über Sex zu reden oder zu wissen, daß sie wissen, daß ich welchen hatte/habe war damals und ist heute recht - nun ja - unkomfortabel für mich), nachdem das Thema Homosexualität überhaupt keinen Ort in der Realität hatte. Das gab es nur im Fernsehen, hatte aber mit meiner eigenen Sexualität überhaupt nichts zu tun.

Das war das andere Extrem. Diese Lebensform war in meiner Umgebung nicht real. Dazu kommt, daß meine Großeltern aufgrund der Umstände meiner Geburt zeitlebens gewisse Probleme mit mir hatten. Es war mir gegenüber keine offene Ablehnung - ich war der erste und lange Zeit einzige Enkel - aber von einem herzlichen Umgang bis zum Schluss weit entfernt.

Aber als "unnormal" oder "abartig" wurde ich nie benannt oder beschimpft. Trotzdem hatte sich bei mir dieses Bestreben nach Unauffälligkeit festgesetzt. Und im Moment ist es tatsächlich so, daß ich in Online-Kontakten sehr viel von mir preisgebe und mich in der Realität aber in meine Eremitage zurückziehe (interessanterweise hat meine Mutter diesen Begriff schon in meiner Teenagerzeit für mein Zimmer verwendet - fällt mir aber auch erst gerade auf).

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
04. Januar 2023 16:37
Hallo Flo!

Ich habe vor Jahren eine Zeit lang den Spitznamen "Stiller Gast" von meinen Schwiegereltern (da waren sie aber noch nicht meine Schwiegereltern) bekommen. Alleine die Bezeichnung hat mich erst recht in diese Rolle gedrängt, weil ich mir eben sehr schwer tue, bei Leuten, die ich noch nicht kenne und - am allerwichtigsten - noch nicht einschätzen kann.
Ich bin, wie du, online sehr gesprächig und so offen, wie ich es im persönlichen Gespräch lange nicht wäre.

Habe erst gestern den Spruch gelesen: Erwachsene, die sich gerne zurückziehen, waren mal Kinder, die mit ihren Emotionen immer alleine zurechtkommen mussten.

Da kann die Kindheit noch so behütet gewesen sein - ich hatte auch zwei sehr liebevolle Eltern und ich weiß, sie lieben mich wie ich bin und sie wollten immer das beste für mich. Aber es ist nunmal so, dass Liebe wirklich blind macht. Sie haben nicht gesehen, wie sehr ich gute emotionale Vorbilder und eine gute emotionale Begleitung gebraucht hätte. Also habe ich mich selbst darum gekümmert und darum ist es sehr wahrscheinlich, dass ich deswegen heute ein emotionaler Einsiedler bin.

Die Situation mit deinen Großeltern hat sicherlich Spuren hinterlassen ...

Der "Vorteil" an der Unauffälligkeit ist, dass man meint, dadurch weniger angreifbar zu sein. Aber wenn es gesund wäre, würden wir jetzt nicht darüber schreiben.
Aus der Unauffälligkeit zu entkommen, ist wie der Versuch, aus Treibsand zu entkommen.

Ich lese bei dir heraus, dass es dir nicht wirklich hilft, wenn man dir sagt, dass du trotzdem besonders bist. Du bist auch in Ordnung wie du bist. Dazu muss ich dich nicht mal kennen, um das zu wissen. Du bist mit deiner Einzigartigkeit auf dieser Welt und das alleine reicht, um dich zu jemand Besonderen zu machen. Falls du das aber selber nicht siehst, dann bin ich oder jemand anderes sicher immer wieder bereit, dich daran zu erinnern.
Du bist wertvoll, wichtig und besonders.
(Und ja, sowas zu hören ist oft schwer anzunehmen und fühlt sich unangenehm an. Das ist aber kein Grund, es dir nicht zu sagen :-) )

Liebe Grüße!
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
04. Januar 2023 17:27
BlueHoodie schrieb:
-------------------------------------------------------
> Ich bin, wie du, online sehr gesprächig und so
> offen, wie ich es im persönlichen Gespräch lange
> nicht wäre.

Wir können ja mal skypen. grinning smiley

> Die Situation mit deinen Großeltern hat
> sicherlich Spuren hinterlassen ...

Je länger ich darüber nachdenke um so mehr denke ich, daß meine Großeltern tatsächlich das Dreh- und Angelpunkt in meiner Geschichte waren. Und das obwohl sie niemals Erziehungsverantwortung für mich hatten.

Im Grunde war mein komplettes Leben bis vor 4 Jahren darauf ausgelegt es in den Augen meiner Großeltern "richtig" zu machen. Man könnte auf die Idee kommen, als hätte ich dadurch den Fehler meiner Eltern wieder ausbügeln und mich - und sie? - vor meinen Großeltern rehabilitieren wollen.

Mein direkter Kontakt zu ihnen ist schon vor ca. 10 Jahren auf nahezu 0 heruntergefahren - vielleicht habe ich da schon gespürt, daß ich einem Phantom hinterher jage und ich niemals das von ihnen bekommen werde, was ich haben wollte. Ob nun mit oder ohne Outing (letzteres hätte vmtl. eine Katastrophenkaskade ausgelöst).

> Ich lese bei dir heraus, dass es dir nicht
> wirklich hilft, wenn man dir sagt, dass du
> trotzdem besonders bist. Du bist auch in Ordnung
> wie du bist. Dazu muss ich dich nicht mal kennen,
> um das zu wissen. Du bist mit deiner
> Einzigartigkeit auf dieser Welt und das alleine
> reicht, um dich zu jemand Besonderen zu machen.
> Falls du das aber selber nicht siehst, dann bin
> ich oder jemand anderes sicher immer wieder
> bereit, dich daran zu erinnern.
> Du bist wertvoll, wichtig und besonders.
> (Und ja, sowas zu hören ist oft schwer anzunehmen
> und fühlt sich unangenehm an. Das ist aber kein
> Grund, es dir nicht zu sagen :-) )

Verstandesmäßig ist mir das alles klar - aber ich fühle es einfach nicht. Wenn ich bilanzziehen würde - was ich aus guten Gründen nicht tue - hätte ich mehr als genug auf der Negativseite. Viel mehr, als ich für mich eigentlich ertragen kann.
Mir ist bewusst, daß hinter vielem ganz simple Bedürfnisse stecken, die befriedigt werden wollen, die Art und Weise der Befriedigung erscheint mir allerdings in vielen Fällen dann doch problematisch.

Ich habe z.B. letztens mit einem Onlinekontakt mal darüber gesprochen, in eine Gaysauna zu gehen. Die Idee, mich dort aktiv zu zeigen, wäre ein Schritt aus dem Treibsand und vielleicht ein Schubs für meine Körperwahrnehmung in die Realität. Dennoch wehrt sich in mir alles mögliche dagegen, angefangen bei meiner Angst vor Infektionskrankheiten über die diversen körperlichen Mängel, bis hin zu schweren moralischen Bedenken ob der Geschehnisse dort (ich bin zwar 175er, aber ich bin immer noch katholisch und immer noch kein 68er).

Es passt alles vorne und hinten nicht zusammen und da Männer wahlweise Schweine oder Idioten sind - hatte ich auch gerade erst einen von - kriege ich da auch keinen "Grund rein".

Einer der Sätze mit denen ich aufgewachsen bin: mach's einmal gründlich und halt es dann bei...
Nun, soll ich jetzt eine dreitägige Orgie mit 10-20 Teilnehmern veranstalten und in der Folge die Herren regelmäßig einzeln besuchen? Man weiß es einfach nicht.

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
04. Januar 2023 20:53
> Wir können ja mal skypen. grinning smiley

Wenn du mit einem 31-Jährigen sprechen möchtest, der plötzlich den Wortschatz eines Kleinkindes hat, weil er so aufgeregt ist - viel Spaß XD


> Je länger ich darüber nachdenke um so mehr denke
> ich, daß meine Großeltern tatsächlich das Dreh-
> und Angelpunkt in meiner Geschichte waren.

Jede Erkenntnis ist wertvoll!
Es müssen nicht immer die Eltern sein.
Ich weiß, dass ich auch unter anderem so in mich gekehrt bin, weil mein älterer Bruder ziemlich impulsiv war und mich seinen Ärger gerne mal spüren ließ. Da hab ich mir auch angewöhnt, wie ich mich in seiner Nähe verhalten muss, damit ich unauffällig bleibe. Das habe ich später auf alle Personen angewandt, die mir nahestehen.
Ich habe also ein ziemlich starkes Misstrauen entwickelt. Das können die wenigsten durchbrechen, weil - und ich glaube, das ist auch ein großes Thema bei dir - die wenigsten Menschen AUTHENTISCH sind. Alle verstellen/verstecken sich, zeigen dir eine Reihe von verschiedenen Gesichtern, niemand will er/sie selbst sein oder hat es nicht gelernt oder durfte es nicht lernen.
Authentizität ist mir sehr wichtig und da beißt sich jetzt die Katze in den Schwanz. Ich habe nicht nur ein Misstrauen gegen andere sondern auch gegen mich entwickelt. Ich weiß ja auch (noch) nicht, wer ich wirklich bin und habe ein geringes SelbstVETRAUEN. Wie soll ich da bitte authentisch sein?
Womöglich kommt auch deine Unfähigkeit, Komplimente wirklich zu fühlen und deinen eigenen Wert zu erkennen? Also bei mir ist es ganz sicher so.
Ja, auch mir kann man 100x sagen, wie wertvoll und wichtig ich nicht bin, aber wenn ich auch nur den leisesten Hauch von Inszenierung (hab ich eben als Gegenteil von Authentizität gegoogelt ... haha) rieche, dann sind diese Worte für mich wertlos. Wie du spüre ich sie dann nicht.


> Verstandesmäßig ist mir das alles klar - aber
> ich fühle es einfach nicht. Wenn ich bilanzziehen
> würde - was ich aus guten Gründen nicht tue -
> hätte ich mehr als genug auf der Negativseite.
> Viel mehr, als ich für mich eigentlich ertragen
> kann.

Wenn du mal in dich hinein fühlst - egal, welche äußeren Umstände herrschen - würdest du trotzdem sagen können "Ich mag mich"? (Sorry, falls das jetzt zu esoterisch für dich klingt)
Ich weiß, dass ich mich mag. Wenn ich alleine für mich bin. Abgeschottet von Kritik, Bewertung, gesellschaftlichem Druck, und was einen noch so verunsichert.

Ich könnte mir vorstellen, dass du dich selbst zwischen all deinen Baustellen einfach aus den Augen verloren hast. Womöglich drücken diese Baustellen dein Selbst auch noch nach unten, sodass es kaum noch zu erreichen ist. Doch es ist da. Danach zu graben wirkt momentan aber sinnlos, weil die Baustellen so viel präsenter sind.

> Mir ist bewusst, daß hinter vielem ganz simple
> Bedürfnisse stecken, die befriedigt werden
> wollen, die Art und Weise der Befriedigung
> erscheint mir allerdings in vielen Fällen dann
> doch problematisch.

Problematisch oder angsteinflößend und daher lähmend?

> Ich habe z.B. letztens mit einem Onlinekontakt mal
> darüber gesprochen, in eine Gaysauna zu gehen.
> Die Idee, mich dort aktiv zu zeigen, wäre ein
> Schritt aus dem Treibsand und vielleicht ein
> Schubs für meine Körperwahrnehmung in die
> Realität. Dennoch wehrt sich in mir alles
> mögliche dagegen, angefangen bei meiner Angst vor
> Infektionskrankheiten über die diversen
> körperlichen Mängel, bis hin zu schweren
> moralischen Bedenken ob der Geschehnisse dort (ich
> bin zwar 175er, aber ich bin immer noch katholisch
> und immer noch kein 68er).

Deine Bedenken kann ich zu 100% vertreten ... zu viele Ungewissheiten, die mir einen Besuch dort auch sofort verderben würden.
Und: ich hab keine Ahnung was 175er und 68er zu bedeuten haben XD


> Es passt alles vorne und hinten nicht zusammen und
> da Männer wahlweise Schweine oder Idioten sind -
> hatte ich auch gerade erst einen von - kriege ich
> da auch keinen "Grund rein".

Da wären wir wieder beim Misstrauen. Und ich verstehe dich. Ich habe nur schlechte Erfahrungen mit männlichen Vorbildern gehabt. Blöd, dass du auch erst wieder in deinem Denken durch einen dieser Männer bestärkt wurdest.

> Einer der Sätze mit denen ich aufgewachsen bin:
> mach's einmal gründlich und halt es dann bei...
> Nun, soll ich jetzt eine dreitägige Orgie mit
> 10-20 Teilnehmern veranstalten und in der Folge
> die Herren regelmäßig einzeln besuchen? Man
> weiß es einfach nicht.

Oh, nein, wie ich diese Sätze aus der Kindheit hasse! Sie wurden meist gut gemeint verwendet, aber fast jeder davon hat nur zur Folge, dass man in seinem damaligen Frust, oder anderen Gefühlslage nicht ernstgenommen wurde und daher verinnerlicht hat "was ich gerade fühle ist unwichtig", stattdessen ist "wichtig, dass ich eine Aufgabe gründlich erledige, auch wenn ich gerade andere Bedürfnisse/Emotionen" hab.
Von daher sage ich klar: nein, eine dreitägige Orgie wäre keine gute Idee. Denk mal an die Hygienebedingungen die damit einher gehen würden XD

Ich merke, wie deine Situation meinen Beschützerinstinkt und mein Helfersyndrom triggern - ich merke aber auch, dass ich mir an dir die Zähne ausbeißen werde tongue sticking out smiley
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
04. Januar 2023 22:08
Hast 'ne PN.

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 09:08
Huhu ihr Zwei,

schön, dass ihr hier so aktiv diskutiert smiling smiley

Ich möchte auch noch 1-2 Dinge beisteuern, wenn das OK ist.

@Flo
Du hast Angst davor Bilanz zu ziehen und das aus guten Gründen?
Das zu Vermeiden lässt deinen inneren Konflikt aber auch nicht verschwinden. Ganz im Gegenteil, er schwillt unbewusst weiter und sorgt für allerlei Probleme (körperlich wie psychisch).
Jemand der Prüfungsangst hat, besteht die Prüfung ja auch nicht dadurch, dass er sie vermeidet.
In deinem Fall wäre also eine Lösung (um mal bei der Analogie zu bleiben) in die Prüfung zu gehen und in Kauf zu nehmen durchzufallen.
Das ist erstmal kacke, aber dann hast du eine neue Basis, auf der du aufsetzen kannst.
Zieh doch mal Bilanz. Nimm dir Zettel und Stift und schreib alles auf die zwei Seiten auf, Dann ist es aus den Kopf raus. Das entlastet dich, dass verspreche ich. Dann lass die Erkenntnis in dir arbeiten, ohne dass du schon aktiv was tun musst.
Manchmal kommen nach einiger Zeit Lösungen ganz von alleine.
Solltest du das aber wirklich nicht wollen, dann stell dir bitte mal die Frage, welchen guten Gründe es denn hat, diesem Konflikt aus dem Weg zu gehen (und ich meine nicht die kurzfristige Entlastung der Vermeidung, sondern die langfristigen Vorteile).

Thema Sauna: Ich halte es für eine gute Idee, in die Sauna zu gehen, um an der eigenen Körperwahrnehmung zu arbeiten. Warum aber muss es direkt eine Gay-Sauna sein? Eine gemischte Sauna tut es hier auch. Auf der anderen Seite bedeutet Gay-Sauna nicht, dass du automatisch in Dinge verwickelt wirst, die du nicht möchtest. Aus meiner Erfahrung sind die Leute dort entspannt und lassen dich in Ruhe wenn du es willst. So kannst du dort auch einfach mal schauen.

@BlueHoodie
Das Misstrauen, von dem du schreibst kenne ich nur zu gut. Ich habe auch durch eine turbulente Kindheit kein Urvertrauen erworben und habe mich daher in Gesellschaft anderer Menschen immer unsicher und unwohl gefühlt (wer mich heute kennt, kann das vermutlich gar nicht glauben). Wenn der Kontakt nur formal und oberflächlich war, konnte ich das gut aushalten. Schlimm wurde es, wenn sich Menschen tatsächlich für mich interessiert haben. Dann hatte ich direkt einen inneren Druck, dass gewisse Erwartungen an mich gestellt werden und ich dann nach den Anforderungen des anderen Menschen leben muss. Klar, dass es dann deutlich entspannter war, wenn ich für mich alleine war.
Das zu überwinden war für mich ein langer Weg, aber er hat sich gelohnt. Das befreiende Gefühl, sich in Gesellschaft anderer wohlzufühlen, meine eigene Bedürfnisse ausdrücken zu können, ohne Schuld auch mal Nein sagen zu können und entspannt zu bleiben, wenn es um mich rum mal nicht harmonisch läuft, war jeden Meter des Weges wert.
Also begib dich unbedingt auf die Reise zu deinem Urvertrauen smiling smiley

Wenn ich euch bei etwas unterstützen kann, dann meldet euch gerne bei mir.

Michael Kensy
Coming-out Coach
[www.michael-kensy.de]
[www.tiktok.com]
[www.instagram.com]
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 10:36
Hallo Michael!

Ich bin gerade dabei, mein Urvertrauen zu erlangen. Misstrauisch zu sein, ist so furchtbar anstrengend und hält mich in meiner Entwicklung zurück. Den Käfig, den man sich Jahre lang gebaut hat, wieder abzubauen dauert und manchmal kommt es mir so vor, als wäre diese Anstrengung ebenfalls sinnlos. Mit jedem Schritt vorwärts, fällt man manchmal zwei, drei, vier Schritte zurück. Aber ich denke mir, je weiter ich komme, desto weniger Rückschritte wird es geben und irgendwann werde ich Rückschritte als Lern- und Entwicklungschancen sehen.
ich finde auch deine Worte an FlorianW sehr gut! Ich bin mir sicher, irgendwann macht es bei uns allen einmal „Klick“ und wir können die Tipps und Ratschläge anderer tatsächlich bei uns anwenden und davon profitieren. Vor diesem „Klick“ sind diese Wort leider oftmals leere Worthülsen und ich glaube, das macht es Florian und auch mir und anderen jetzt gerade schwer, sie anzunehmen. Und doch muss man sie immer wieder hören, denn das „Klick“ kann jederzeit passieren. Und dann sucht man alles, was man bekommen kann, weil man endlich den Willen hat, sich weiterzuentwickeln, weil man sein Leben endlich leben will, weil der Käfig endlich (so gut wie) abgebaut ist.

Danke, dass du mit deinem Wissen und deiner Erfahrung als positives Beispiel voran gehst!

Liebe Grüße!
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 11:15
> Ich möchte auch noch 1-2 Dinge beisteuern, wenn
> das OK ist.

Och Michael...

> @Flo
> Du hast Angst davor Bilanz zu ziehen und das aus
> guten Gründen?

Ich flirte seit Jahren mit dem Tod. Ich würde mich nicht umbringen - das wäre asozial ggü denen, die mich finden und die Sauerei dann wegmachen müssten. Der Gedanke mich nicht mehr mit dieser Welt herumquälen zu müssen, in weicher dunkler Erde für immer schlafen zu können, mich aufzulösen und für niemanden mehr ein Ärgernis zu sein - das hat schon viel Positives für mich.

Bilanz zu ziehen, hieße eine Konsequenz zu ziehen - und ich habe Sorge, in welche Richtung diese Konsequenz ausschlagen wird.

> Thema Sauna: Ich halte es für eine gute Idee, in
> die Sauna zu gehen, um an der eigenen
> Körperwahrnehmung zu arbeiten. Warum aber muss es
> direkt eine Gay-Sauna sein? Eine gemischte Sauna
> tut es hier auch. Auf der anderen Seite bedeutet
> Gay-Sauna nicht, dass du automatisch in Dinge
> verwickelt wirst, die du nicht möchtest. Aus
> meiner Erfahrung sind die Leute dort entspannt und
> lassen dich in Ruhe wenn du es willst. So kannst
> du dort auch einfach mal schauen.

Gemischte Sauna wäre der GAU. Ich möchte mich nach Möglichkeit nie wieder nackt vor Frauen zeigen (müssen) sofern es sich nicht um medizinisches Personal handelt - oder noch schlimmer: nackte Frauen sehen müssen...

Viele Grüße

Flo



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 05.01.23 11:17.
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 13:54
>
> Och Michael...
>
Ich will nur sicherstellen, dass ich keinen hier mit zu viel Input überfordere. Ich hab einfach viele Gedanken zu euren Ausführungen, die ich gerne teilen möchte. winking smiley

@BlueHoodie
Das mit dem "Klick" ist eine Sache, die in meinen Augen völlig überschätzt wird. Es suggeriert nämlich, dass Erkenntnis alleine reicht zur Veränderung. Das wäre schön und in seltenen Fällen ist das tatsächlich auch so, die Regel ist aber, dass Erkenntnis lediglich eine notwendige Voraussetzung ist.
In der Realität ergibt sich die Veränderung langsam, indem eine Erkenntnis, die man für sinnvoll erachtet, langsam ins Unterbewusstsein einsinkt. Dazu muss man sich diese Erkenntnisse aber immer wieder vor Augen führen. Stichwort Wiederholung beim lernen. Ein Wirkprinzip was universell ist.
Veränderung macht sich daher auch nicht bemerkbar, indem ein negatives Gefühl oder depressive Stimmung plötzlich weg ist, sondern dass sich diese negativen Gefühle langsam abschwächen und Platz für positive Gefühle machen.
Nehmt euch daher gerne die Erkenntnisse, die für euch rein logisch Sinn ergeben, auch wenn ihr sie noch nicht fühlt und ruft sie euch regelmäßig ins Gedächtnis. Das Gefühl hängt der Logik immer hinterher, aber folgt ihr, wenn man nur beharrlich genug ist smiling smiley

@Flo
OK, das mit den guten Gründen verstehe ich nun. Ist die Angst vor den möglichen Konsequenzen nur ein diffuses Gefühl oder hast du da schon konkrete Befürchtungen, wo es deiner Meinung nach auf gar keinen Fall hingehen soll?

Michael Kensy
Coming-out Coach
[www.michael-kensy.de]
[www.tiktok.com]
[www.instagram.com]
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 15:23
> Ich will nur sicherstellen, dass ich keinen hier
> mit zu viel Input überfordere. Ich hab einfach
> viele Gedanken zu euren Ausführungen, die ich
> gerne teilen möchte. winking smiley

Wir sind schon groß winking smiley

> @Flo
> OK, das mit den guten Gründen verstehe ich nun.
> Ist die Angst vor den möglichen Konsequenzen nur
> ein diffuses Gefühl oder hast du da schon
> konkrete Befürchtungen, wo es deiner Meinung nach
> auf gar keinen Fall hingehen soll?

In den letzten Jahren habe ich solche Bilanzen immer mal wieder im Geiste erstellt und war mehr als einmal an dem Punkt zu sagen: Ok, das war's. Feierabend.

Meine Begeisterung für das Leben ist im Moment derart fragil, daß ich es nicht riskieren möchte, über die Grenze zu rutschen.

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 17:04
Hallo zusammen,
jetzt fühle ich mich aber wirklich mit meinem Latein am Ende.
Wollt ihr euch hier öffentlich im Forum so richtig in die Tiefe ziehen?
Lieber Flo, beim online-Treffen habe ich kein Monster unter den Teilnehmern entdecken können. Vielleicht hast zu mit 1,70 m 90 kg, ich habe bei 1,90 m 70 kg. Glaubst du, damit entspreche ich dem Körperkult der Gay-Kontakt-Foren? Und dann noch mit meiner langen Nase? Muss ich das überhaupt? Wen muss ich mit meinem Körper überzeugen? Mich selbst? Kann ich dann nicht was dafür tun? Und wenn ich es alleine nicht auf die Reihe bringe, suche ich mir einen Trainingspartner. Oder alleine soll´s bei Kieser Training sogar eine gute Betreuung geben. Dort soll man auch Menschen treffen, die auch an Kommunikation interressiert sind.
Das wäre das leichtere Thema.
Die Traumata, die sich aus eurer Vergangenheit eingebrannt haben sind unzweifelhaft sehr schmerzhaft und be/erdrückend. Da erlaube ich mir überhaupt kein Urteil. Ich kenne das in dieser Form nicht, habe aber auch so einige Erinnerungen aus der Jugendzeit, die immer präsent sind, wie z.B., als in der Sendung von Aktenzeichen xy ein Mordfall gezeigt wurde, wo ein Mann umgebracht wurde, der "Männerbekanntschaften gesucht" hatte. Wenn du dann einen Kommentar aus der Familie hörst, dass das dem recht geschieht, nimmt dir das schon den Atem, wenn du selbst mit der Frage ringst, ob du vielleicht auch so "gepolt" bist. Aber Situationen wie BlueHoodie, dass man zur Abschreckung ein Schwulenheft offen auf dem Tisch liegen lässt, musste ich nicht erleben. Ich weiß auch nicht, wie ich das verkraftet hätte. Ja, ich kann mir sehr gut vorstellen, dass euch da ein regelrechter Panzer umgibt und einsperrt.
Aber könnte man coming out nicht vielleicht erst oder auch mal so sehen, aus seinem Panzer/Gefängnis/Schneckenhaus/Tief herauszukommen?
Natürlich ist das leichter gesagt, als getan und oft braucht es auch einen vertrauten Helfer dazu. Und selbst dann kann es noch ein langer, schwerer Kampf sein. So wundersam, wie im Märchen vom Eisernen Heinrich wird das wohl nicht klappen.
Aber eines habe ich in meinem inzwischen über 60 Jahre langen Leben gelernt: Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Ja, ich habe manchen Kampf auch verloren, aber angesichts meiner vorherigen Anstrengungen, mit erhobenem Haupt. Und so mancher anfangs aussichtslose Kampf hat mit einem dann um so triumphaleren Sieg geendet. Das gibt Kraft, Rückhalt und Zuversicht für den nächsten Kampf. Und kluge Feldherren warfen sich ja auch nicht mitten in ein Schlachtgetümmel, sondern suchten sich vorteilhafte Strategien, vielleicht mit einem längerwierigen Aufbau.
Vielleicht empfindet ihr das als klugscheißerische Worte, aber ich wünsche euch, dass euer Kampfgeist erwacht, dass ihr einen "Knappen" findet, der euch vielleicht nach und nach eure Rüstung anlegt. Und da ist auch "Schauspielerei" als Teil der Rüstung doch durchaus erlaubt. Mit zunehmender Sicherheit und vorteilhafter Position in eurem Kampf könnt ihr dann ja entscheiden, welchen Teil der Rüstung ihr schon ablegen könnt.
War das jetzt zu viel Spinnerei?

liebe Grüße
Tom
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 20:37
Hi Michael!


> @BlueHoodie
> Das mit dem "Klick" ist eine Sache, die in meinen
> Augen völlig überschätzt wird. Es suggeriert
> nämlich, dass Erkenntnis alleine reicht zur
> Veränderung.

> In der Realität ergibt sich die Veränderung
> langsam, indem eine Erkenntnis, die man für
> sinnvoll erachtet, langsam ins Unterbewusstsein
> einsinkt. Dazu muss man sich diese Erkenntnisse
> aber immer wieder vor Augen führen. Stichwort
> Wiederholung beim lernen. Ein Wirkprinzip was
> universell ist.

Offenbar habe ich mich zu oberflächlich ausgedrückt, denn genau das, was du beschreibst, bezeichne ich als "Klick". Ich sehe es nicht als plötzliche Erkenntnis sondern als anhaltenden Prozess, also einem "Kliiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii.......ck".
Ich weiß aber, worauf du hinaus willst. Manche warten auf dieses eine magische "Klick", wie es in Filmen gerne gezeigt wird.

Liebe Grüße!
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 20:57
Hallo Tom,

> Hallo zusammen,
> jetzt fühle ich mich aber wirklich mit meinem
> Latein am Ende.
> Wollt ihr euch hier öffentlich im Forum so
> richtig in die Tiefe ziehen?

Uff, auf dich hat unser Geschreibsel offenbar sehr heftig gewirkt.
Womöglich waren manche Stellen in der Tat zu erschreckend für die Öffentlichkeit.

Ich habe versucht, bei meinen Antworten auch ein wenig Licht durchscheinen zu lassen. Ist mir offenbar nicht gelungen smiling bouncing smiley

Du hast geschrieben: wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren. Auch du hast deine Wege (und Achterbahnen) bewältigen müssen, um zu dieser Erkenntnis zu kommen.
Wenn wir nach oder während unseres (Leidens-)Weges hilfreiche Erkenntnisse gewinnen, wollen wir sie gerne mit anderen teilen, in der Hoffnung, sie helfen ebenfalls.
Aus meiner Erfahrung sind die Erkenntnisse anderer zuerst immer nur heiße Luft. Weil wir noch nicht an dem Punkt sind, wo sie uns tatsächlich helfen.
Darum wirkt es auf jene mit den meisten Erfahrungen und Erkenntnissen vermutlich als unverständlich, warum wir anderen nicht einfach eure Hand nehmen und uns helfen lassen.

Aber was du schreibst, sind auf gar keinen Fall "klugscheißerische Worte". Wir haben eben unser eigenes Tempo und jeder kommt unterschiedlich schnell oder langsam voran. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir deine Erkenntnisse eines Tages für andere verwenden werden :-)

Liebe Grüße!
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 21:30
Hallo Tom,

> jetzt fühle ich mich aber wirklich mit meinem
> Latein am Ende.

Kein Problem. Gibt ja noch andere Sprachen winking smiley

> Wollt ihr euch hier öffentlich im Forum so
> richtig in die Tiefe ziehen?

Wir sind ja schon zu PMs übergegangen.

> Lieber Flo, beim online-Treffen habe ich kein
> Monster unter den Teilnehmern entdecken können.

Natürlich nicht. Ich habe ja nichts von den Abgründen erzählt in denen meine Phantasien sich gerne tummeln.

> Wenn du dann einen Kommentar aus der Familie
> hörst, dass das dem recht geschieht, nimmt dir
> das schon den Atem, wenn du selbst mit der Frage
> ringst, ob du vielleicht auch so "gepolt" bist.

Ich saß letztens mit einigen mir Nahestehenden und Informierten an einem Tisch an dem der Satz fiel "solange die mich in Ruhe lassen" und ich nur dachte: Hey? What the fuck???

> Aber könnte man coming out nicht vielleicht erst
> oder auch mal so sehen, aus seinem
> Panzer/Gefängnis/Schneckenhaus/Tief
> herauszukommen?

Ich für mich habe durch mein Coming Out keine Befreiung erlebt. Es war nur der Übergang von einem Käfig in einen anderen. Was genau schiefgelaufen ist, kann ich gar nicht sagen.

> Aber eines habe ich in meinem inzwischen über 60
> Jahre langen Leben gelernt: Wer kämpft, kann
> verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.
> Ja, ich habe manchen Kampf auch verloren, aber
> angesichts meiner vorherigen Anstrengungen, mit
> erhobenem Haupt. Und so mancher anfangs
> aussichtslose Kampf hat mit einem dann um so
> triumphaleren Sieg geendet. Das gibt Kraft,
> Rückhalt und Zuversicht für den nächsten Kampf.
> Und kluge Feldherren warfen sich ja auch nicht
> mitten in ein Schlachtgetümmel, sondern suchten
> sich vorteilhafte Strategien, vielleicht mit einem
> längerwierigen Aufbau.
> Vielleicht empfindet ihr das als
> klugscheißerische Worte, aber ich wünsche euch,
> dass euer Kampfgeist erwacht, dass ihr einen
> "Knappen" findet, der euch vielleicht nach und
> nach eure Rüstung anlegt. Und da ist auch
> "Schauspielerei" als Teil der Rüstung doch
> durchaus erlaubt. Mit zunehmender Sicherheit und
> vorteilhafter Position in eurem Kampf könnt ihr
> dann ja entscheiden, welchen Teil der Rüstung ihr
> schon ablegen könnt.
> War das jetzt zu viel Spinnerei?

Die Fragen, die Du hier in den Raum stellst sind in vielen Fällen einfach nicht "meine" Fragen. Oder anders: klar könnte ich dir jede Frage mit Ja oder Nein beantworten - und zwar genauso wie Du es gerne hören würdest - aber daraus ziehe ich keinen Impuls für mich selbst. Dafür bin ich von der Außenwelt viel zu sehr abgekapselt.
Und die Verletzungen, die ich virtuell abbekomme reichen mir völlig - das muss ich mir nicht auch noch in Natura antun.

Die Frage: wie konnte ich meinen Kindern diese Welt antun? Das ist eine "meiner" Fragen (wobei als sie gezeugt wurden, die Welt ein wenig besser aussah).

Das "da draußen" macht mir Angst. Ich finde es teilweise widerlich, teilweise einfach nur wahnsinnig.
Und das ist gar nicht auf das rosa Universum gemünzt. Naja - auch, aber nicht primär.

Nur: Solange ich noch mit jemandem darüber schreibe, komme ich auch nicht auf dumme Ideen.

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Januar 2023 21:40
Hallo Zusammen, ich finde euren Austausch untereinander so wichtig.

Allein durch das Schreiben eurer Sicht auf die Dinge, kommt aus meiner Sicht die unterschiedlichen Wahrnehmung hervor. Der eine definier Kick mit plötzlich und der andere sieht eher einen längeren Prozess der Klarheit.

Da ich letzten Jahr die Impulse von Veit Lindau erfahren durfte, habe ich mir dieses Jahr den kostenlosen Zugang zu HOMODEA eingerichtet um auf viele, ebenfalls kostenlosen Kurse zugreifen zu können. Insbesonder finde ich den aktuellen Kurs : Mein Zukunftswerk - hilfreich. Das ist zwar als Ergänzung zu seinem neuesten Buch, aber kann auch ohne auskommen.

Das wichtigste, laut Veit, ist die wahre Absicht seines eigenen tun und handeln.
Er kann euch das viel besser erklären. Hier der passende Link: [hd5.homodea.com]

Wer Lust hat sich mit mir darüber zu unterhalten, kann diese gern privat mit mir machen.

GLG Maks
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
29. Januar 2023 17:47
Letzte Nacht war hart. Ich hab' eine von den make-you-Happy-Pillen genommen um schlafen zu können.

Heute ging es eigentlich. Bis auf zwei drei Momente.

Jetzt sitze ich hier vor dem Rechner, und wie schon gestern und heute habe ich nichts sinnvolles zu tun. Die Küche ist sauber, der Rest der Wohnung aufgeräumt - ich könnte den Schrank im Flur aufräumen, aber dann habe ich nächstes Wochenende auch nichts zu tun. Oder übernächstes.

Habt ihr schon mal den Tisch für zwei gedeckt, nur um die Illusion zu haben, nicht alleine zu sein?

Hin und wieder packt es mich und ich arrangiere ein kleines Menu für 2-4 Personen. Also nur das Porzellan, nicht die Lebensmittel. Und ich habe mich bisher nicht hingesetzt und an einem so gedeckten Tisch gegessen. A little too weird wie meine Söhne sagen würden.

Heute wird es auch wieder eine Pille geben. Denke ich. Sicherheitshalber.

Ich hätte an meinen Büchern weiterschreiben können. Ging nicht. Auch auf die "typisch Mann jederzeit Unterhaltung" hatte ich keine Lust.

Müde bin ich. Und ich habe festgestellt, daß meine Finanzen genauer im Auge behalten werden müssen. Unterhalt für drei Kinder, sonstige Verpflichtungen, GEZ für zwei Haushalte - Theater, Musical, Urlaub, sind im Prinzip unbezahlbar. Selbst Kino ist eigentlich nicht drin. Aber irgendwas muss einfach drin sein.

Ein einsames Glas auf einem Tisch mit einer Karaffe Wasser, einem Laptop, einer billigen Tischdecke und einem Teelichtglas. Wie jeden Abend.

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
02. Februar 2023 06:37
Hallo Florian,

aus deinem letzten Forumsbeitrag lese ich eine gewisse Perspektivlosigkeit heraus.
Um ehrlich zu sein macht mir das ein bisschen Sorgen.
Denn, ich kenne diese Gedanken und Gefühle aus meinem eigenen Leben sehr sehr gut..
Ich hatte früher auch..... ich nenne es mal "Dunkle Zeiten", in der ich in einer Abwärtsspirale gefangen war.

Ich hatte ein extrem negatives Bild von mir. Da kamen mir Sätze in den Kopf wie
"Ich bin abnormal",
"Ich passe in diese Welt nicht rein",
"Wer würde schon gerne was mit mir zu tun haben wollen"

Wenn ich damals an meine Zukunft gedacht habe, war das ein ganz düsteres Bild.
Du hast es ja selbst erlebt auf dem CSD. Zu der alten Gesellschaft gehörst du nicht mehr, zu der neuen Gesellschaft willst du auf keinen Fall gehören.
Dieses Gefühl, nirgendwo dazuzugehören und es nicht ändern zu können ist wirklich grausam.

Welche Optionen gab es für mich? Aufgeben? Klingt lukrativ, aber ich hatte doch trotzdem Menschen die mir nicht egal waren. Alles einfach aushalten und aussitzen war aber kein toller Gedanke. Dafür ging mein Leben noch zu lang.

Hilfe holen? No way. Ich war doch ein Mann! Ich hatte keine Probleme, außerdem müsste ich mir dann eingestehen schwach zu sein. In meinem ganzen Leben habe ich bis dahin immer nach außen den tollen fröhlichen Jungen gegeben, der allen gefällt. Keiner hatte jemals von mir gehört, dass es mir nicht gut ging, das konnte ich einfach nicht zeigen. Und so war ich wieder bei Punkt 1. Ich passe in diese Welt nicht rein und die Spirale ging von vorne los.

Was ich dir aus heutiger Sicht sagen kann ist, dass diese Spirale immer wieder abläuft und sich eingräbt. Dein Sichtfeld wird immer enger, mögliche Lösungen verschwinden immer weiter aus dem Sichtfeld.
Das Ziel ist es, dort auszubrechen, aber das kannst du mit deinen eigenen Gedanken nicht.
Immerhin hast du doch jeden Gedanken schon 100mal gedacht oder? Keiner hat bisher eine neue Erkenntnis oder Lösung gebracht.

Ich war damals so hin und hergerissen. Irgendwie brauchte und wollte ich dringend Hilfe, andererseits habe ich mich auch in der Rolle, dass ich ja nichts ändern kann, paradoxerweise auch wohlgefühlt. So brauchte ich mich wenigstens nicht aufmachen um unangenehme Dinge zu tun, wie Hilfe annehmen.

Was mein Leben dann herumgerissen hat war, es doch zu versuchen. Ich hab eine Beratungsstelle im Internet gefunden und auf der Webseite gab es ein Kontaktformular, wo man eine Anfrage stellen konnte. Ich habe dieses ausgefüllt und dann saß ich da. Ich konnte den Absenden Button nicht drücken, weil ich in dem Text das allererste Mal in meinem Leben eingestanden habe, dass ich Hilfe brauche. Scham überkam mich. Ich habe den Text dann gelöscht, neu geschrieben, umgeschrieben, wieder neu geschrieben und dann saß ich da eine weitere Stunde. Ich wurde traurig, weil ich so paralysiert war und dann wurde ich wütend auf mich selbst, weil ich es nicht auf die Reihe kriegte auf den verschissenen Button zu drücken.
Im Affekt hab ich dann einfach irgendwann doch auf Senden geklickt.....Stille......Erleichterung?.....Keine Ahnung......Aber irgendwas war anders....Irgendwas hatte sich in mir verändert.....Ich konnte aber nicht sagen was

Nach kurzer Zeit kam dann eine Antwort per Mail. Ich hatte fast einen Herzinfarkt, und brauchte eine Weile um den Mut aufzubringen diese zu öffnen. Immerhin wusste da jetzt jemand über mich bescheid.
Da war dann eine Nachricht von einem der Berater und ich kann dir sagen: Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie so eine schöne Nachricht erhalten. Mir kamen das erste Mal seit...ich kann mich nicht mehr erinnern....Tränen, die ich gelernt hatte zu unterdrücken.

Der Rest ist Geschichte. Ich ging in dieses Beratungszentrum und alleine, dass es da jemanden gab, von dem ich wusste, dass er meine Geschichte nicht abnormal fand, sondern dass er selbst auch auf meiner Seite war, hat mich dazu veranlasst, mir einfach mal alles von der Seele zu reden. Und Boy tat das gut. Ich habe selten so eine riesen Erleichterung gespürt.

In der nachfolgenden Zeit habe dann für mich entschieden, dass es eine kluge Idee ist mit anderen darüber zu sprechen und mir helfen zu lassen. Das war ein Prozess, aber ich bin aus dem Loch wieder rausgekommen und es haben sich plötzlich wieder Interessen entwickelt, neue Bekanntschaften, die mir gut taten und die Zukunft war nicht mehr grau sondern es gab Dinge, auf die ich mich freuen konnte.

Aus heutiger Sicht kann ich sagen dass es eine Sache gibt, die mich wirklich angenervt hat. "Ich konnte mir damals nicht vorstellen, wie befreiend und frei mein Denken und Leben sein kann, weil ich es ja noch nie erlebt hab" Hätte mich damals jemand für nur 5 Minuten in die heutige Zeit mitgenommen und mir gezeigt "Hey so fühlt es sich an, wenn man frei ist", dann hätte ich damals sofort alles unternommen, um mich so schnell wie möglich zu so zu fühlen.
Hat aber keiner, also musste ich darauf vertrauen, dass es so kommen wird und mich erstmal ohne die Gewissheit auf den Weg machen, dass alles gut werden wird.
Und was soll ich sagen? Das wurde es. Ich bin heute so frei und glücklich, dass ich mich immer wieder kneifen muss, dass es wirklich echt ist. Aber ich weiß auch, dass ich diese dunkle Zeit erleben musste, weil mich das Leben etwas lehren wollte. Indem ich meine Krise überwand, bin ich heute in der Lage anderen Menschen in ihrer Krise zu helfen.

Ich möchte dich bitten, dich von meiner kleinen Geschichte inspirieren zu lassen. Der Weg des Aufgebens und Resignierens ist einfach und bequem, führt aber nirgendwo hin.
Der Weg in Richtung einer unbekannten Zukunft ist schwierig. Die Zukunft kann schlimm sein, sie kann aber auch großartig sein.
Ich persönlich gehe lieber in eine Zukunft wo ich nur eine 50%ige Chance habe, dass sie großartig wird als dass ich mich mit der 0% Gegenwart abfinde.

Mach das nicht alleine. Gestehe dir ein, dass du feststeckst und such dir professionelle Hilfe. Wenn du das nicht kannst, dann frag dich ganz ehrlich: "Was hält mich davon ab?", "Woran halte ich so unfassbar fest, dass ich es nicht kann". Und wäge ab, was es dir bringt in deiner jetzigen Situation zu bleiben und was es dir bringen könnte, loszugehen, auch wenn du keine Garantie hast, dass es klappt und du keine Ahnung hast wie. Geh los ohne zu wissen wie der Weg aussieht und wo er hinführt. Geh einfach den nächsten Schritt. Das reicht.

Sich Hilfe suchen ist die beste Idee, die man haben kann. Und sei es nur, dass du jemandem deine innere Welt offenbaren kannst, so wie du die Welt siehst und was dich gerade verzweifeln lässt. Allein das wird dich nachhaltig verändern.

Auf dich wartet ein großartiges Leben, aber das Leben kommt nicht zu dir, das Leben verlangt von dir, dass du ein Schritt auf es zugehst.
Hab Mut dich und geh los!

Michael Kensy
Coming-out Coach
[www.michael-kensy.de]
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[www.instagram.com]
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
02. Februar 2023 07:51
Hallo Michael,

"Perspektivlosigkeit" ist durchaus das richtige Wort - allerdings ist es umfassender als nur die Frage, ob ich jemals wieder Sex haben werde.

Du kennst die Region Köln-Düsseldorf - nichts wäre leichter als das. Selbst für so einen "Restposten" wie mich. spinning smiley sticking its tongue out

Ich bin jetzt seit 10 Tagen pornoabstinent und hab gestern die erste Nach seit einer Woche keine Gute-Nacht-Pille genommen. Die Abstinenz klappt gut - die Nacht war so semi (und zu kurz).

Mein Frust resultiert vorallem daraus, daß ich an dieser Gesellschaft verzweifle. Seit 20 Jahren unfähigste Politik, seit 40 Jahren Niedergang der christlichen Kirchen (der geht schon länger, aber seitdem bekomme ich ihn mit), ich hätte schon explodieren können als der Euro kam. Oder die Wiedervereinigung... Man hätte sovieles so anders und so viel besser machen können. Man hat mir schon mehrmals gesagt, ich solle doch in die Politik gehen - nun, wenn ich wie Nero den ein oder anderen politischen Gegner... aber das ist ja nicht mehr so richtig en vogue. Und für parteipolitisches Gemauschel bin ich einfach nicht der Typ. Vetternwirtschaft ist für mich ein totales No-Go.

Nach meinem Krankenhausaufenthalt sollte ich eigentlich noch eine Therapie weitermachen. Ich hab's gelassen. Im Krankenhaus hat man mir knochentrocken mitgeteilt, daß man mich nicht heilen könne, mir aber auch keine Schritt für Schritt-Anleitung mitgegeben, wie ich diese Therapie denn finden kann. Das Drama einen Therapeuten zu suchen und Absagen zu sammeln habe ich mir darum geschenkt. Eigentlich müsste ich einen Jugendtherapeuten für meinen Sohn suchen - ich kann's nicht. Ich kann nicht das Sch*** Telefon in die Hand nehmen und die Liste abtelefonieren.

Keiner der - pardon - Deppen die da auf der Liste stehen hat eine Email-Adresse... Schreiben könnte ich. Das könnte ich vorallem in Ruhe und außerhalb der Bürozeiten.

Wobei ich ja wenigstens einmal Glück hatte: einen Urologen habe ich hier relativ schnell gefunden - sogar einen mit Notfallsprechstunden ohne Termin. Einen Rheumatologen dagegen? Keine Chance. Selbst das Krankenhaus hier am Ort nimmt keine Kassenpatienten mehr ambulant in die Rheumatologie auf. Fluch der Nachbarschaft quasi (hier wohnen zuviele Leute mit Kohle).

Ich weiß nicht, was bei mir so schief läuft im Hirn, aber ich kann mich einfach nicht so "verblöden" und mit den Wölfen heulen (obwohl ich im Grunde ein absoluter Uniformist bin und bei "Multi-Kulti" und "gesellschaftlicher Diversität" eher Aggressionen bekomme).

Interessanterweise sind all meine Bedenken, meine Lustlosigkeit - das alles hat nichts mit meinem Schwulsein zu tun. Auch, wenn ich mir dessen im Moment mangels Praxis auch nicht so sicher bin, aber dann brauche ich nur an eine nackte Frau zu denken und es ist zumindest klar, was ich nicht will.
Ich fühle mich auch nicht "abnormal" deswegen oder "falsch". Das ist für mich richtig, weil es einfach sehr viele Dinge aus meiner Vergangenheit erklärt, sie logisch und sinnvoll macht.

Ich bin ein Fossil, ein Relikt. Außer für Spezialisten uninteressant. Schwul und aus der Zeit gefallen (eigentlich ein cooler Membertitel).

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
02. Februar 2023 12:51
Hi Florian,

aus deinem Text wird mir eine Sache recht deutlich.

Bei dir hat im Grunde kaum jemand eine Chance, weil du von unfähigen Menschen umgeben bist.

Du redest von unfähigen Politkern, Deppen die auf Liste stehen, Leute mit Kohle, Fluch der Nachbarschaft, dass Euro und Wiedervereinigung schlecht waren usw.
Du scheinst also sehr genau zu wissen was falsch läuft in unserer Gesellschaft und du würdest es vermutlich besser machen, aber du kannst es leider nicht ändern.

"Die müssen das doch auch checken und dringend was ändern" wobei Die wahlweise die Politik, die Gesellschaft die Menschen mit Kohle oder einfach nur der Nachbar ist.

Ganz ehrlich, wenn ich so machtlos vor so gigantischen Problemen stehen würde, dann würde ich auch die Krise kriegen, mich aufregen, mir an den Kopf fassen, warum zum Teufel keiner was ändert, mich auspowern, frustriert sein nichts bewegen können und am Ende schlichtweg in einer schweren Depression resignieren.

Stell dir vor ich würde mich über die schwule Community aufregen, wie oberflächlich und arrogant alle sind und dass das Beziehungen und ein heilsames Miteinander unmöglich macht und dass das einfach scheiße für alle ist. Immerhin hab ich ja verstanden, dass Oberflächlichkeit und Sexsucht nur eine schädliche Vermeidungsstrategie ist, damit diese Menschen sich nicht mit ihren Problemen beschäftigen müssen.

Ich könnte also hingehen und jeden auf Grindr oder Romeo anschreiben, die ein Sexdate suchen und sie anblaffen wie dumm sie doch sind und dass sie doch mal bitte checken sollen was mit ihnen falsch läuft.

Was denkst du wird passieren? Werde ich auf magische Art und Weise diese Leute überzeugen und damit die Community von ihrer toxischen Oberflächlichkeit befreien oder werde ich hier vor eine Wand laufen und mich darüber aufregen, dass ich nichts bewirken kann, bis ich so ausgepowert bin, dass ich nicht mehr will?

Alternativ könnte ich verstehen lernen, dass jeder Mensch seine eigene Wahrheit hat und nicht absichtlich dumm oder falsch handelt, sondern immer im Rahmen seiner aktuellen Möglichkeiten inmitten seines eigenen komplexen Systems, welches viel mehr Variablen beinhaltet als jemals jemand von außen erkennen kann. Die handeln so, weil sie gerade nicht anders können oder weil es ihnen als sinnvoll und richtig erscheint. Und ja, das gilt auch für korrupte Politiker.

Die ganzen Probleme unserer Gesellschaft zu meinen persönlichen Problemen zu machen ist viel zu heavy. Daran würde ich zerbrechen. Was ich aber machen kann zu akzeptieren, dass jeder Mensch seine eigenen Gründe für sein Handeln hat. Diese Gründe mögen mit meinen Ansichten kollidieren, aber es ist dennoch vermessen andere dafür zu verurteilen, dass sie ein anderes Wertesystem haben als ich. Das wäre anmaßend und würde mir selbst die absolute Wahrheit zusprechen.

Viel mehr kann ich doch kreative Wege finden, wie ich die von mir erkannten Probleme der Gesellschaft verbessern kann ohne dass ich mit den Wahrheiten andere kollidiere und permanent auf Widerstand stoße?

Ich persönlich kann z.B. die Oberflächlichkeit der Community nicht abschaffen, auch wenn sie für sehr viele Probleme verantwortlich ist. Ich kann aber versuchen, so vielen Manchen wie möglich dabei helfen zu sich selbst zu stehen und im Einklang mit ihrer sexuellen Orientierung zu leben. Dadurch verringere ich die Oberflächlichkeit der Community Stück für Stück ohne dass ich sie jemals besiegen kann. Aber das muss ich auch nicht. Ich setze da an wo ich wirksam sein kann und nicht da, wo dicke Betonwände stehen, die ich nicht durchbrechen kann. Das eine ist smart und führt zu Perspektive und Wachstum das andere ist dumm und führ zu Ohnmacht und Depression.

Wenn es dir also gelingt, für die Probleme, die dir nahe gehen, kreative Wege zu finden sie zu verbessern ohne sie gänzlich lösen zu können und zwar in einer Art und Weise, wie du auch wirksam sein kannst und nicht machtlos, dann verspreche ich dir wird sich deine Perspektivlosigkeit auflösen.

Was denkst du? Auf welche Art und Weise kannst du einen Beitrag leisten, zu dem du auch imstande bist?

Michael Kensy
Coming-out Coach
[www.michael-kensy.de]
[www.tiktok.com]
[www.instagram.com]
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
02. Februar 2023 19:50
Hallo Michael


> Du scheinst also sehr genau zu wissen was falsch
> läuft in unserer Gesellschaft und du würdest es
> vermutlich besser machen, aber du kannst es leider
> nicht ändern.

Genau genommen habe ich aufgegeben. Ich habe alle Ehrenämter (bis auf eines) abgelegt, schaue keine Nachrichten mehr und halte mich aus allem raus.

Ich versuche meine Situation – die Schwierigkeiten mit den Ärzten, der finanzielle Druck, die Machtlosigkeit selbst im Kleinsten – nicht zu bewerten sondern einfach als gegeben hinzunehmen. Fällt manchmal schon schwer, wenn das Gefühl der Ungerechtigkeit doch mal überhand nimmt.

> bewegen können und am Ende schlichtweg in einer
> schweren Depression resignieren.

Welcome to my world.

> Ich könnte also hingehen und jeden auf Grindr
> oder Romeo anschreiben, die ein Sexdate suchen und
> sie anblaffen wie dumm sie doch sind und dass sie
> doch mal bitte checken sollen was mit ihnen falsch
> läuft.

Nicht mein Stil. Davon mal ab, ist mein Romeoprofil zwar noch aktiv, aber wofür weiß ich im Grunde auch nicht. Reingeschaut habe ich seit Tagen (Wochen?) nicht mehr.

Ich muss ja nicht in dieses Hamsterrad einsteigen (auch wenn ich am Anfang den Eindruck hatte, daß mich jeder dazu überreden wollte). Zumal die Gute-Nacht-Pillen und die Depression auf die Libido gehen – ein einfache Methode das Leben zu vereinfachen. Weniger Lebensqualität aber auch weniger Stress. Nur blöd, wenn man das einem ONS unter Umständen erklären muss...

Wochenlang hatte ich jetzt mit einem geschrieben, mit dem es wirklich zu passen schien, wo diese ganzen Probleme keine waren, weil wir im gleichen Alter und mit ähnlichen Erfahrungen waren. Kommentarlos aus heiterem Himmel den Kontakt abgebrochen – ich muss ja nicht alles verstehen.

> Wenn es dir also gelingt, für die Probleme, die
> dir nahe gehen, kreative Wege zu finden sie zu
> verbessern ohne sie gänzlich lösen zu können
> und zwar in einer Art und Weise, wie du auch
> wirksam sein kannst und nicht machtlos, dann
> verspreche ich dir wird sich deine
> Perspektivlosigkeit auflösen.
>
> Was denkst du? Auf welche Art und Weise kannst du
> einen Beitrag leisten, zu dem du auch imstande
> bist?

Ich habe 25 Jahre lang – eigentlich 35 – getan, „was getan werden muss“, also das Leben geführt, von dem ich ausging, daß es in gewisser Weise „beispielhaft“ war. Stabile Familie, Engagement in der Schule und der Kirchengemeinde, zu allem und jedem höflich und zuvorkommend, hab meine Rechnungen pünktlich bezahlt und bin glaube ich niemandem was schuldig geblieben.

Kritik an jemand anderem ist dagegen etwas, was ich nur sehr selten getan habe. Und wenn verpuffte es üblicherweise, weil ich überhaupt nicht wichtig genug wahr um wahrgenommen und gehört zu werden – oder wahlweise auch nicht gut genug vernetzt war.

Und so lebe ich auch jetzt noch. Ruhig, bescheiden, unauffällig, höflich, diskret, zuvorkommend.
Mein einziger Luxus sind ein zu großer Diesel (halt unser altes Familienauto) und ich gönne mir einmal in der Woche ein Vollbad.

Und das ist in Ordnung für mich. Mehr geht halt im Moment einfach finanziell nicht.

Auf der einen Seite bin ich froh, wenn mich die Welt da draußen in Ruhe lässt – auf der anderen Seite lerne ich auf die harte Tour damit umzugehen.

Ich hab’ im Moment auch keinen Freundeskreis. Nicht, weil für mich keiner gut genug wäre, sondern weil ich – wenn ich ein normaler Mensch wäre - mit mir auch nicht befreundet sein wollte. Sehr merkwürdiger Typ in jeder Beziehung.

Ich hab mit dem Intervallfasten wieder angefangen, weil mein Dok mir dann doch zustimmen musste, daß die ganzen Einzeldiagnosen am Ende des Tages auf mein Gewicht zurückzuführen sind. Vielleicht wäre die Anschaffung einer Personenwaage in diesem Zusammenhang ganz sinnvoll. Große Erwartungen hege ich allerdings nicht, auch wenn ich es erstaunlich gut durchhalte.
Das ist im Moment das einzige, mit dem ich „meine Probleme“ angehe/angehen kann.
(Man muss es den Sargträgern ja nachher nicht schwerer machen als nötig.)

Geld, Gewicht, Depression und Zeit – das sind die Probleme, die mir am nächsten sind. Alle vier hängen irgendwie zusammen und nur eines – höchstens zwei – davon lässt sich in meiner jetzigen Situation überhaupt beeinflussen.

Mein Leben lang habe ich mich immer nur geduldet gefühlt. Quasi aus Höflichkeit ertragen. Hierher gehört habe ich gefühlt aber nie.

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
03. Februar 2023 08:56
Hallo Flo,

< Genau genommen habe ich aufgegeben

Aufgeben bedeutet, dass man etwas aufgibt, was man trotzdem gerne haben möchte. Die Sehnsucht danach aber bleibt. Aufgeben heißt in dem Sinne, sich einzureden, dass es besser ist, das Ziel nicht mehr zu verfolgen, aber im Unterbewusstsein doch daran festzuhalten. Es arbeitet in dir und zieht dich runter.

Für dich mag das vielleicht Formulierungsfloskel sein, aber Dinge, die du nicht ändern kannst solltest du loslassen, nicht aufgeben. Das ist ein riesen Unterschied. Loslassen heißt, dass er für mich auch innerlich OK ist, und mich das Thema nicht mehr in eine Stimmung versetzt, sondern einfach "neutral" da ist. Weder gut noch schlecht. Einfach da.

Denke zum Beispiel an Liebeskummer, nachdem man verlassen wurde. Den Partner "aufgeben", ist einfach. Ihn loszulassen und sich irgendwann nicht mehr damit zu beschäftigen braucht Zeit.

Du hältst innerlich an den Themen, die du aufgegeben hast fest. Indem du Nachrichten vermeidest, willst du den Triggern aus dem Weg gehen. Aber die Themen sind noch da. Nicht auf der Mattscheibe, sondern in dir, immer. Schlummern und warten darauf aktiviert zu werden.
Lerne loszulassen. Wie du das machst, musst du für dich rausfinden, aber triff die Entscheidung.

< Kommentarlos aus heiterem Himmel den Kontakt abgebrochen – ich muss ja nicht alles verstehen.

Ghosting ist ein weit verbreitetes Phänomen in der schwulen Community. Wichtig ist zu wissen: Das hat nichts mit dir zu tun. Ghosting passiert genau dann, wenn jemand merkt, dass ein andere ihm zu nahe kommt und seine inneren Wunden zu sehen bekommt. Das ist schwer auszuhalten und daher ziehen sich die Leute zurück, weil es einfacher ist. Sich damit zu beschäftigen wäre der richtige Weg, aber diese Menschen wissen nicht wie.
Wenn du dich offen und ehrlich verhältst, dann kannst du nie was falsch machen. Wenn dich jemand ghostet ist das leider seine Vermeidungsstrategie und nicht deine.

Die folgenden Aussagen passen alle gut zusammen:

< getan, „was getan werden muss“
< zu allem und jedem höflich und zuvorkommend
< Kritik an jemand anderem ist dagegen etwas, was ich nur sehr selten getan habe
< weil ich überhaupt nicht wichtig genug wahr um wahrgenommen und gehört zu werden
< wenn mich die Welt da draußen in Ruhe lässt
< mit mir auch nicht befreundet sein wollte

Marshall Rosenberg hat ein ganz tolles Zitat gebracht, was auf dich zutrifft:
"Depression ist die Belohnung fürs Bravsein"

Du hast für den äußeren Schein gelebt, weil du deinen innerer Schein nicht wahrnimmst, ihm nicht vertraust.
Depression entsteht vor allem da, wo ein Mensch über keine Sozialkompetenz verfügt. Das bedeutet nicht, dass er ein Vollassi ist, sondern einfach, dass er nicht in der Lage ist seine Gefühle und Bedürfnisse zu spüren und diese zum Ausdruck zu bringen.
Dazu gehört das Nein sagen, Konflikte nicht scheuen, für sein Recht einstehen und alles mit der inneren Haltung, dass es OK ist.
Stattdessen verfallen die Meisten in ihre Kindlichen Muster von Trotz, Rachegedanken und das alles vor dem Hintergrund, die Situation mit sozial kompetenten Mitteln nicht lösen zu können.

< Geld, Gewicht, Depression und Zeit – das sind die Probleme, die mir am nächsten sind

Geld ist nur dann wichtig, wenn man zu wenig hat. Dabei ist Geld einfach nur Energie, die richtig eingesetzt werden will. Mit dem was man hat auszukommen kann man lernen genauso wie zu lernen, wie man an mehr kommt. Geldproblem ist das Problem, was am einfachsten zu lösen ist. Nicht indem man im Lotto gewinnt, sondern einfach indem man damit umgehen lernt und ein Mindset entwickelt, dass Geld sich bei dir wohlfühlt. Dazu gibt es unzählige Quellen im Internet. Befasse dich mal damit. Geld muss kein Problem sein.

Gewicht hingegen ist ein schwieriges Thema. Sich vorzunehmen, einfach abzunehmen, um gesund zu leben, ist einfach. Aber wie die Realität zeigt, scheitern über 80% an diesem Vorhaben. Nicht weil sie nicht wüssten wie es geht, sondern weil die psychische Gesundheit eine große Rolle beim Gewichtspielt. Stichwort emotionales Essen.

Depression ist eine vielschichte Erkrankung mit vielen Ursachen. Nach heutigem Wissenstand kann immer noch nicht 100% geklärt werden wann und wie sie entsteht und wieviel verschiedene Formen es gibt. Was man aber sagen kann ist, dass es eine erworbene Störung ist (keine angeborene), die sehr gut behandelbar ist und vollständig überwunden werden kann. Nach meiner persönlichen Erkenntnis ist Depression die verzögerte Reaktion auf eine Entwicklungsstörung. Du hast eine oder mehrere wichtige Fähigkeiten in deinem Leben noch nicht entwickelt, weil sie unterdrückt wurden. Wie oben erwähnt ist fehlende Sozialkompetenz und damit verbunden die fehlende Selbstwirksamkeit eines der häufigsten Gründe. Nur wer im Kontakt mit anderen aus einer inneren Selbstsicherheit auftreten kann, in der Lage ist Bedürfnisse und Gefühle zu äußern, Grenzen zu setzen, sein Leben zu gestalten mit anderen und das ganz ohne aggressiv oder ohnmächtig zu sein, kann nicht von einer Depression betroffen sein.

Zeit ist eine unveränderbare Ressource. Hier sind alle Menschen gleich. Gäbe es die Zeit nicht, würden wir mit unserem Leben nichts sinnvolles anfangen, weil es kein Ende hätte. Also ist Zeit unser Freund, weil er uns daran erinnert, dass wir ins tun kommen müssen, damit unser Leben erfüllt wird.

Michael Kensy
Coming-out Coach
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Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
03. Februar 2023 12:02
Hallo Michael,

> Für dich mag das vielleicht Formulierungsfloskel
> sein, aber Dinge, die du nicht ändern kannst
> solltest du loslassen, nicht aufgeben. Das ist ein
> riesen Unterschied. Loslassen heißt, dass er für
> mich auch innerlich OK ist, und mich das Thema
> nicht mehr in eine Stimmung versetzt, sondern
> einfach "neutral" da ist. Weder gut noch schlecht.
> Einfach da.
>
> Denke zum Beispiel an Liebeskummer, nachdem man
> verlassen wurde. Den Partner "aufgeben", ist
> einfach. Ihn loszulassen und sich irgendwann nicht
> mehr damit zu beschäftigen braucht Zeit.

Die Theorie ist mir bekannt und z.B. auf Liebeskummer für mich auch völlig logisch und anwendbar. Viele Bedrohungen von außen kann ich aber schlicht nicht ignorieren, weil die negative Implikation permanent vor mir aufblitzt. An guten Tagen, wie heute, kann ich so tun, als gäbe es das „Übel“ nicht, aber das ist ein höchst fragiler Zustand, der schon mit einer Nachricht in den Nachrichten zerbröseln kann.

> Ghosting ist ein weit verbreitetes Phänomen in
> der schwulen Community. Wichtig ist zu wissen: Das
> hat nichts mit dir zu tun. Ghosting passiert genau
> dann, wenn jemand merkt, dass ein andere ihm zu
> nahe kommt und seine inneren Wunden zu sehen
> bekommt. Das ist schwer auszuhalten und daher
> ziehen sich die Leute zurück, weil es einfacher
> ist. Sich damit zu beschäftigen wäre der
> richtige Weg, aber diese Menschen wissen nicht
> wie.
> Wenn du dich offen und ehrlich verhältst, dann
> kannst du nie was falsch machen. Wenn dich jemand
> ghostet ist das leider seine Vermeidungsstrategie
> und nicht deine.

Das ist mir bewusst. Angesichts des Niveaus unserer Gespräche zuvor hatte ich allerdings nicht damit gerechnet, weil wir durchaus schon Tiefen erreicht und angesprochen hatten, die schon weit in „Verletzungen“ und „Wunden“ reichten. Auf beiden Seiten.

> Du hast für den äußeren Schein gelebt, weil du
> deinen innerer Schein nicht wahrnimmst, ihm nicht
> vertraust.
> Depression entsteht vor allem da, wo ein Mensch
> über keine Sozialkompetenz verfügt. Das bedeutet
> nicht, dass er ein Vollassi ist, sondern einfach,
> dass er nicht in der Lage ist seine Gefühle und
> Bedürfnisse zu spüren und diese zum Ausdruck zu
> bringen.
> Dazu gehört das Nein sagen, Konflikte nicht
> scheuen, für sein Recht einstehen und alles mit
> der inneren Haltung, dass es OK ist.
> Stattdessen verfallen die Meisten in ihre
> Kindlichen Muster von Trotz, Rachegedanken und das
> alles vor dem Hintergrund, die Situation mit
> sozial kompetenten Mitteln nicht lösen zu
> können.

Danke für die Blumen. Soll ich mich schon mal einsargen lassen?

> Geld ist nur dann wichtig, wenn man zu wenig hat.
Sic.

> Gewichtspielt. Stichwort emotionales Essen.

Wie gesagt, erstaunlicherweise komme ich mit dem Intervallfasten recht zurecht. Auch die Kontrolle darüber, was ich esse ist relativ stabil (auch wenn ich laut meinem Dok eigentlich am besten gar nichts esse und nur von Sex, Drugs und Rock&Roll leben sollte...)

> eines der häufigsten Gründe. Nur wer im Kontakt
> mit anderen aus einer inneren Selbstsicherheit
> auftreten kann, in der Lage ist Bedürfnisse und
> Gefühle zu äußern, Grenzen zu setzen, sein
> Leben zu gestalten mit anderen und das ganz ohne
> aggressiv oder ohnmächtig zu sein, kann nicht
> von einer Depression betroffen sein.

Du hast mich im Videochat erlebt – würdest Du sagen mir fehlt da was?

Im 1:1 Kontakt habe ich nur in zwei Situationen Probleme Grenzen zu setzen: Gegenüber meinem Chef und gegenüber meiner Ex. Bei beiden war/ist das Abhängigkeitsverhältnis der springende Punkt.

Was alle anderen Dinge sind, auf die ich „kindisch“ (vielen Dank für diese Wertung und ja, dieser Dank kann Ironie enthalten) reagiere: sie sind unausweichlich. Wie der Regen. Sie bestimmen mein Leben ob ich will oder nicht und ich kann mich nicht entziehen obwohl es reines Menschenwerk ist.

Bzw. ich kann mich nur durch Cocooning entziehen.

> Zeit ist eine unveränderbare Ressource. Hier sind
> alle Menschen gleich. Gäbe es die Zeit nicht,
> würden wir mit unserem Leben nichts sinnvolles
> anfangen, weil es kein Ende hätte. Also ist Zeit
> unser Freund, weil er uns daran erinnert, dass wir
> ins tun kommen müssen, damit unser Leben erfüllt
> wird.

Ich habe mich vermutlich missverständlich ausgedrückt: Ich habe keine Zeit. Ich arbeite von 9-17, 18, 19h und verplempere die Abende mit Serien und Internet. Am Wochenende das bisschen Haushalt, Einfkaufen und vielleicht die Kinder sehen. Mehr passiert nicht. Ich mag nicht Autofahren (weil ich den Parkplatz nicht aufgeben will), ich mag nicht das Haus verlassen – wenn ich irgendwo bin will ich nämlich nicht wieder gehen (wenn ich auf einer Fete bin, muss es SEHR zwingende Gründe geben, warum ich nicht der letzte Gast war…), will nicht zurück in das Mauseloch. Also gehe ich gar nicht erst raus – ich wüsste auch nicht wohin – um mir diesen Frust zu ersparen.

Dazu kommt: Ich rechne im Grunde damit in den nächsten 10 Jahren das Zeitliche zu segnen. Vielleicht hoffe ich das tief in mir drin sogar. Die ultimative Befreiung sozusagen.

Klar schallt es einem da entgegen: Dann nutz die Zeit, aber für mich ist es nur noch ein Abwarten. Von den Zielen die ich hatte, habe ich einen Teil geschafft, vieles aber gar nicht erst angestoßen. Ich habe noch zwei Buchprojekte, die ich vielleicht gerne fertig bekommen würde, aber auch da stellt sich die Sinnfrage. Die Welt wird nicht besser oder interessanter, wenn ich fertig bin und es gibt schon genügend mittelmäßige Literatur (und noch mehr schlechte).

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Februar 2023 06:49
Hi Flo,

deine Schilderungen machen auf mich den Eindruck, als ob du dich auf der Fahrt deines eigenen Lebens auf einer schlammigen Straße festgefahren hast und gerade nicht mehr aus der Matschgrube rauskommst. Immer wenn du Gas geben willst, drehen deine Reifen durch.

< Viele Bedrohungen von außen kann ich aber schlicht nicht ignorieren, weil die negative Implikation permanent vor mir aufblitzt

Für jemanden wie mich, der gelernt hat die Probleme anderer nicht zu seinen eigenen zu machen: Kannst du mir mal erklären wie sich das anfühlt und auswirkt? Was blitzt genau wann auf und welche negativen Implikationen hat das auf dich und dein Leben? Wie gehst du damit dann um bzw. wie lange beschäftigt dich das dann?

< Danke für die Blumen. Soll ich mich schon mal einsargen lassen?

Die Reaktion habe ich leider nicht verstanden. Hab ich mich da etwas unglücklich ausgedrückt?
Hab versucht zu erklären, wie ausgebliebene Entwicklung uns auf infantile Muster zurückfallen lassen, ohne dass wir was dafür können.

< Du hast mich im Videochat erlebt – würdest Du sagen mir fehlt da was?

Gegenfrage: Wieviel Rolle hast du in dem Chat gespielt und wieviel verletzliches Ich konntest du wirklich zeigen?
Wir queeren Menschen sind doch hochkarätige Hollywood-Schauspieler, die es gelernt haben ihre Rolle perfekt nach außen zu inszinieren.
Die Frage ist, wieviel von deiner Rolle ist dir bewusst?
Ich bin früher nach außen wie der perfekte kleine Junge aufgetreten. Everybodys Darling, alle mochten mich "Mei is des aber ein hübscher Bengel und so lieb" Harmonie war mir wichtig, Disharmonie konnte ich nicht ertragen, weil ich das unbewusst auf mich genommen habe, so als wäre ich an einem Streit schuld.
Bis mir das aber selbst bewusst war, was so meine eigenen Vermeidungs- und Bewältigungsstrategien waren, ist ne Menge Wasser den Rhein runtergeflossen. Ich dachte bis dahin immer nur "Ich bin doch so nett, alle mögen mich". Tja weißt du was ich nicht gecheckt habe?
Alle sind zwar gerne zu mir gekommen, haben mir ihre Geschichten und Sorgen erzählt, wollten einen Gefallen von mir - Wenn ich aber was von anderen brauchte oder es mir schlecht ging, war keiner da. War das die Schuld der anderen? Ja.....so dachte ich. Mittlerweile weiß ich:
Nein war es nicht. Wie konnten sie denn für mich da sein, wenn ich nie gelernt habe verständlich zu verbalisieren, dass es mir nicht gut ging, dass ich gerade Hilfe brauche, dass ich den Gefallen gerade nicht tun möchte.
Das ist das was ich mit der fehlenden sozialen Kompetenz meine. Ich war nicht greifbar für andere. Ich war halt angenehm, weil ich keinen Widerstand leistete.
Mir selbst ist das aber nie aufgefallen. ich habe mich innerlich immer nur aufgeregt, warum ich gerne als Zuhörer fungierte, aber mir niemand zuhörte.

< Dazu kommt: Ich rechne im Grunde damit in den nächsten 10 Jahren das Zeitliche zu segnen

Du hattest erwähnt, dass du eine gesundheitlich ungünstige Diagnose bekommen hast. Hat das damit zu tun?
Rechnest du selbst damit oder wurde dir das so gesagt, dass deine Lebenserwartung gering ist?
Wenn dir das so gesagt wurde, kann ändert das ne Menge hier und ich kann sogar nachvollziehen, warum du gerade auf dem Feldweg versumpft bist ohne herauszukommen.
Klar müsstest du dann das beste aus deinen letzten Jahren machen, aber du weißt wie das mit diesen Sprüchen ist:
Sie sagen alle die Wahrheit, aber diese Sätze auf kognitiver Ebene zu verstehen, macht sie nicht wahr für dich. Erst wenn du sie wirklich echt fühlst.

Wie ist das Verhältnis zu deinen Kindern? Sind sie es für dich wert, dass du dich die nächsten Jahre für sie ins Zeug legst, damit sie gute Voraussetzungen in ihrem Leben haben? Gibt es etwas anderes, was du gerne hinterlassen möchtest. Und jetzt komm mir bitte nicht mit "Die Welt ist besser dran, wenn nichts von mir zurückbleibt". Dafür sind wir nicht hier. Jeder hat hier eine Aufgabe und eine Verantwortung für die nachfolgende Generation.

Michael Kensy
Coming-out Coach
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Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Februar 2023 15:12
Hallo ihr beiden,
ich verfolge eure Kommunikation sehr intensiv und fühle mich so unglücklich dabei, so ratlos und sprachlos zu sein. Ich dachte, aus meinem privaten und beruflichen Leben, aus der Vaterrolle von vier Kindern, von denen die älteste Tochter vor zwei Jahren psychisch total entglitten ist, schon viel Erfahrung zu haben. Unsere Tochter hat sich in ähnlicher Weise wie du, Flo, in eine eigene Welt zurückgezogen und wir haben von allen Stellen, die wir um Hilfe und auch Eingreifen wegen Eigengefährdung gebeten haben, nur zur Antwort bekommen, dass sie noch zu stabil sei und wir eigentlich nur zusehen dürfen, bis sie völlig am Boden liegt. Sie hat bis heute noch keine Hilfe in Anspruch genommen oder zugelassen, da sie sich völlig in Ordnung und im Recht glaubt und die ganze Welt außen herum, wir vor allem, falsch tickt oder an ihren Misserfolgen und erlittenen Unglücken schuld ist.
Wir haben es inzwischen gelernt, uns nicht auch noch von ihr nach unten ziehen zu lassen, indem wir uns an dem orientieren, was gut "läuft" und uns auch das eine oder andere für das seelische Wohlbefinden gönnen. Das war unter anderem auch eine Paarberatung.
Außerdem gibt es neben den drei anderen Kindern noch so viele Gelegenheiten, sich einzubringen und für sich selbst daraus viel Kraft und positive Energie zu gewinnen.
Wenn ich den Dank und die Herzlichkeit der ukrainischen Flüchtlinge erfahre, die wir ehrenamtlich betreuen, dann wiegt das auch wieder viel unserer persönlichen Belastung auf.
Man kann sich ja aussuchen, wo und in welchem Umfang man sich einbringen will. Vor allem sollte man dabei auch Nein sagen können.
Nun sind mir ja doch noch ein paar Gedanken zu eurem Austausch gekommen. Ursprünglicher Anlass war aber eine Textstelle in unserer Zeitung zu einem ganz anderen Thema, die ich hier mal ohne weitere Kommentierung zitieren wollte:
"Reife, so lesen wir in Paul Watzlawicks wunderbarer »Anleitung zum Unglücklichsein«, Reife sei die Fähigkeit,
das Rechte auch dann zu tun, wenn die Eltern es empfohlen haben. Sein Rat an alle, die ihr Leben unerträglich machen
wollen, ist es daher, diese Reife nicht zu entwickeln, sondern unwillig alles zu verwerfen, was von anderen an sie herangetragen wird, und nur die eigene Auffassung vom Rechten zum Maß der Dinge zu machen.
Wenn wir nicht wüssten, dass Watzlawick schon gestorben ist, könnten wir meinen, er habe seine Anleitung
eben erst geschrieben und auf die Querdenkerszene gemünzt.
Dabei ist die Unwilligkeit nur ein Kapitel seines hintergründigen Ratgebers."

Ich wünsche euch noch einen schönen Sonntag
Tom
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
05. Februar 2023 15:51
Hallo Michael,

> deine Schilderungen machen auf mich den Eindruck,
> als ob du dich auf der Fahrt deines eigenen Lebens
> auf einer schlammigen Straße festgefahren hast
> und gerade nicht mehr aus der Matschgrube
> rauskommst. Immer wenn du Gas geben willst, drehen
> deine Reifen durch.

Das Bild passt.

> anfühlt und auswirkt? Was blitzt genau wann auf
> und welche negativen Implikationen hat das auf
> dich und dein Leben? Wie gehst du damit dann um
> bzw. wie lange beschäftigt dich das dann?

Jede Email von unserem Betriebsrat oder unserer Geschäftsführung, die Webseite unseres Telefonversorgers – überall diese idiotischen Doppelpunkte, Sternchen oder falsch gesetzten substantivierten Gerundien (und das verursacht mir körperliche Übelkeit – heute morgen in der Kirche hätte die Referentin beinahe noch während ihres Vortrags zur Rede stellen wollen, ob das ihr Ernst ist. Ich empfinde es als Beleidigung, als Sabotage an unserer gesellschaftlichen Ordnung.

Seit einigen Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Zirkumzision an Minderjährigen (damals aus konkreter Gefahrensituation). Seitdem reagiere ich auf religiöse Sondergesetzgebung etwas – nunja – allergisch. Unpraktischer Weise finde ich seitdem immer wieder Hinweise darauf, daß unsere „Einwanderungskultur“ sich als Chimäre herausstellt und unsere „freiheitliche Grundordnung“ als äußerst fragiles Glasbläserkunstwerk.

Wie gesagt versuche ich die Konfrontation so weit wie nur irgendmöglich zu vermeiden, aber es ist unmöglich mich komplett davor zu schützen. Wobei das jetzt nur zwei Beispiele sind.

Frau Faeser, Herr Lauterbach, Herr Scheuer…. Die Liste ließe sich beliebig verlängern...

> Die Reaktion habe ich leider nicht verstanden. Hab
> ich mich da etwas unglücklich ausgedrückt?
> Hab versucht zu erklären, wie ausgebliebene
> Entwicklung uns auf infantile Muster zurückfallen
> lassen, ohne dass wir was dafür können.

Und ich nehme das als Hinweis auf meine Unwürdigkeit.

> Gegenfrage: Wieviel Rolle hast du in dem Chat
> gespielt und wieviel verletzliches Ich konntest du
> wirklich zeigen?
> [...]
> Mir selbst ist das aber nie aufgefallen. ich habe
> mich innerlich immer nur aufgeregt, warum ich
> gerne als Zuhörer fungierte, aber mir niemand
> zuhörte.

Bei mir ist es keine Frage des Könnens. Meine sprachliche Kompetenz ist – zumindest nach Meinung der meisten Leute, die mich kennen – durchaus hinreichend um mich verständlich zu machen. Es ist nicht die Frage WAS ich will – auch, wenn ich teilweise zur gleichen Zeit einander ausschließende Bedürfnisse habe, was etwas verwirrend ist. Wenn ich gewollt habe, habe ich immer Leute gefunden, die mir zugehört haben – die größere Herausforderung war es mein Redebedürfnis als würdig und wert zu befinden erfüllt zu werden. Also ob ich es verantworten kann, jemand anderem mit meiner schlechten Laune den Tag oder die Zeit unbehaglich zu machen.

(Ich arbeite im Forderungsmanagement – paradoxerweise ist das mein Job…)

In der Tat bin ich auch Zeit meines Lebens den meisten Konflikten soweit wie nur irgendmöglich aus dem Weg gegangen – ich habe z.B. nie gelernt mich körperlich zu wehren. Und mit reden kam man halt auch nicht ans Ziel (selbst, wenn man objektiv im Recht war). Entsprechend habe ich ein kleines Portfolio an pers. Ohnmachtserfahrungen (und die waren teilweise durchaus kritisch).

Was den Videochat angeht war es für mich ein Spannungsfeld zwischen meine Geschichte erzählen zu wollen aber gleichzeitig natürlich allen anderen – vielleicht noch schüchterneren – genug Raum geben zu wollen und bloß niemanden zu langweilen. Nenn es kultivierte Gesprächsführung oder so.
Außerdem waren es „fremde“ Gesprächspartner und ich war ja nur Gast.

> Du hattest erwähnt, dass du eine gesundheitlich
> ungünstige Diagnose bekommen hast. Hat das damit
> zu tun?
> Rechnest du selbst damit oder wurde dir das so
> gesagt, dass deine Lebenserwartung gering ist?

Sagen wir so: ich versuchte meinen Ausbruch in die sexuelle Freiheit und bekam meine Prostatadiagnose (noch nicht kritisch, aber ich bin familiär vorbelastet). Seitde m habe ich mehrere Medikamente bekommen, dazu die Depression und nun bin ich zwar im Prinzip frei aber nicht mehr so „fähig“ wie noch vor 5 oder 10 Jahren. Das sorgt nicht unbedingt für gute Laune.
Auf meinem Nachttisch steht eine kleine Porzellanschale in der ich jeden Abend die Medikamente für den nächsten Morgen und am Morgen die für den Abend anrichte – wie sexy bitte ist DAS denn? Ich hasse es. Ich hasse die Schale. Ich hasse die Medis. Ich hasse meinen Körper dafür, daß mir DAS ausgerechnet jetzt antut.

Mein Großvater ist mit einem ähnlichen Gesundheitszustand mit 58 Jahren gestorben. Wären also noch 12 Jahre für mich.

Meine Krankenkasse zeigt mir in ihrer App, wieviel Geld sie für mich im Jahr ausgibt – für das letzte Jahr (mit dem Krankenhausaufenthalt) schäme ich mich in Grund und Boden. Das bin ich einfach nicht wert. Nicht so.

> Wie ist das Verhältnis zu deinen Kindern? Sind
> sie es für dich wert, dass du dich die nächsten
> Jahre für sie ins Zeug legst, damit sie gute
> Voraussetzungen in ihrem Leben haben? Gibt es
> etwas anderes, was du gerne hinterlassen
> möchtest.

Es ist im Moment nicht so wirklich einfach. Mit dem Großen und meiner Tochter schreibe ich schon mal, den Jüngsten muss ich quasi „zwingen“. Sie haben mittlerweile alle eine Idee, wo sie hin wollen und meine Ex hat die Sache so wie es aussieht auch ohne mich gut im Griff.
In 3 oder spätestens 5 Jahren sind alle Kinder (und meine Ex) mit ihrer Ausbildung fertig.

Mein Großvater starb als er sich nicht mehr um seine Kinder sorgen musste. Da haben seine Kräfte dann einfach versagt – Gott steh mir bei…

Der Welt was hinterlassen? Ich denke das meiste wird in meinem (anonymen) virtuellen Nachlass zu finden sein. Wer wissen will, was ich dachte und wollte, kann im ewig wissenden Netz fündig werden, wenn er weiß, wo er suchen muss.

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
06. Februar 2023 20:57
Hi Flo,
du hast Probleme mit der Prostata erwähnt.
Nun, ich hatte vor gut sechs Jahren bereits auch einen Eingriff und kann dir da die Missionsärztliche Klinik in Würzburg nur empfehlen. Sie haben eine sehr renommierte Urologische Abteilung.
Als ich vor einigen Jahren einem Bekannten davon erzählt hatte und er mit seinem Urologen gar nicht zufrieden war, der ihm nur Tabletten verschrieben hatte, ging er auch in die Klinik, wo schon bald darauf eine Op erfolgte. Dabei stellte sich heraus, dass die Prostata schon von einem Karzinom befallen war. Durch die frühzeitige Erkennung konnte er mit dem Eingriff geheilt werden.
Und ja, eine Op an der Prostata zieht Folgen nach sich. Man hat dann keine Ejakulation mehr, aber dennoch einen Orgasmus. Und für den Fall einer Beeinträchtigung der Erektion gibt es ja auch Abhilfe. Aber das ist meist nur für eine Überbrückungszeit der mentalen Anpassung an die neuen Gegebenheiten erforderlich.

viele Grüße
Tom
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
15. Februar 2023 19:43
Der Karneval rückt näher. Die letzten zwei Jahre waren schon wegen Corona traurig genug.

Ich war nie ein großer Partylöwe - sich vollaufen lassen, daneben benehmen, das war nicht mein Ding. Erst recht nicht bei Fremden. Alkohol trinke ich aus gutem Grund überhaupt keinen. Die letzten fünf Jahre - vielleicht auch etwas länger - wurde es interessanter, da ich im Verein war und diese Tage richtig mit Aktion zugepackt waren (auch, wenn wegen der Kinder nie Versumpfungsgefahr bestand).

Von Morgen bis Aschermittwoch habe ich trotzdem Urlaub genommen. Auch, wenn ich weder durch Köln noch - Gott bewahre - durch Düsseldorf tigern werde. Ohne Ziel und nur in fremden Menschenmengen holt mich irgendwann der Gedanke ein, nicht dahin zu gehören. Das brauche ich im Moment nicht auch noch. Letztes Wochenende war schon sehr schwierig und ich steh auch im Moment unter Happy-Moment-Pillen.

Auf meinem Nachttisch liegt ein angefangener Terry-Pratchett. Ich würde gerne weiterlesen, aber mein Kopf ist wie benebelt. Lesen und dabei leise Musik hören wäre nett. Aber ich finde nichts, was ich hören kann ohne dauernd weiter zu drücken. Als hätte ich Angst etwas Besseres zu verpassen. Dabei fallen mir fast die Augen zu.

Aber um 9 Uhr schon schlafen zu gehen, ist auch ein wenig - äh - merkwürdig, oder?

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
16. Februar 2023 17:37
Hallo Flo,
was in Köln und Düsseldorf der Karneval ist, ist in meiner Stadt das Schützenfest. Alles zwei Jahre Ausnahmezustand.
Und das nicht nur ein paar Tage, nein es sind Wochen.
Ich war in meiner Jungend "Gründungsmitglied" von unserem Schützenzug. Die einzige Aufgabe war es, aus unserem Dorf in die Stadt zu ziehen um dort Schützenfest zu feiern.

Es gibt da nur zwei Möglichkeiten - entweder man feiert voll mit (geht auch ohne Alkohol) oder man fährt weg.
Das mache ich schon seit Jahren - denn ich mag es auch nicht mehr.

Und so heißt es Alternativen suchen die einem selbst gut tun.

GLG Maks
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
22. Februar 2023 13:26
Immer wieder Wände.

Massive Wände. Immer wieder renne ich dagegen - d.h. mittlerweile taste ich nur noch sehr, sehr vorsichtig, wo die nächste Wand kommt.

Und immer wieder das Thema Finanzen. Können wir mit den Kindern zum Geburtstag Essen gehen (oder will meine Ex das nur aus Prinzip nicht?)? Warum kann ich die Kinder nicht bei mir unterbringen? Was bekommen die Kinder zum Geburtstag?

Meine Tochter wird 16 dieses Jahr - eigentlich das Alter für die ersten Diamanten, aber keine Chance.

Und warum müssen die Drei jetzt unter dem Selbstverwirklichungstrip ihrer Eltern leiden? Obwohl ich mich noch nicht mal selbst verwirkliche, sondern einfach nur ausgestiegen bin.

Gestern abend auf der Autobahn war ich froh, daß so viel Verkehr war. Man ist gehemmter im Flirten mit den Brückenpfeilern. Irgendwo. Und wenn man im Geiste schon dem Sani die Abschieds-SMS' diktiert ist tief durchatmen angesagt.

Der nächste "Meilenstein" ist die Steuererklärung für 2022. Eine andere Motivation zum weitermachen habe ich im Moment kaumm, denn "Das Land ist das einzige für das es sich zu arbeiten lohnt, wert dafür zu kämpfen und zu sterben, denn nur das Land ist ewig." (Gerald O'Hara, "Vom Winde verweht"winking smiley Einer jener Sätze, die mich seit meiner Jugend begleiten. (Der andere ist aus "Wir sind sieben" von Una Troy und lautet "Aber es war nicht angeschlagen und gehörte zum gleichen Service" - was mich in einen kleinen Porzellanwahn getrieben hat)

Mit blutet das Herz, wenn ich in "mein" Haus komme. Wenn ich daran denke, was es sein sollte, wofür es stehen sollte. Und wie weit ich davon entfernt bin.

Im indianischen Medizinrad bin ich "Biber". Fürsorgliche Eltern und dafür berüchtigt ihre Umwelt an ihre Bedürfnisse anzupassen. Entweder ich muss zum Zahnarzt oder ich bin in einem völlig baumarmen Biotop gelandet. Ich finde keinen Pack-an, die Realität so zu biegen, daß es wieder für mich passt. Ich kann mir die Dinge auch nicht mehr schön reden.

Ich krame so ein wenig vor mich hin. Aber keine "großen Würfe". Hätte ich einen Garten wäre das hier mal eine Ecke, da mal eine andere und man hätte nie das Gefühl, mal fertig zu sein.

Ankommen wäre schön. "Zu Hause"(!) ankommen. Aber wo ist das eigentlich?

Viele Grüße

Flo
Re: Schon früh geahnt - nur nicht von mir
23. Februar 2023 09:38
<< Ankommen wäre schön. "Zu Hause"(!) ankommen. Aber wo ist das eigentlich?

Du kannst nicht ankommen. Ankommen ist eine Illusion. Der sogenannte Ankommens Fehler.

In dem Moment, wo du dein Glück von einem fixen Zustand oder Ort in der Zukunft abhängig machst, stehst du dir selbst im Weg beim glücklich sein.

- Wenn ich endlich den richtigen Partner habe.....
- Wenn ich endlich über 100K im Jahr verdiene...
- Wenn ich endlich das Eigenheim habe...
- Wenn ich endlich in Rente bin...

... ja dann bin ich angekommen, dann bin ich glücklich. Dann kann ich das Leben genießen
Bis dahin? Bin ich halt unglücklich, bis ich den Zustand endlich erreicht habe.

Klar, kannste machen. Damit suchst du dir aber zielstrebig die Wände selbst aus, die du versuchst zu vermeiden.

Woher ich das weiß?
Ich habe diese Ziele, die ich mit "ankommen" verbunden habe, bereits erreicht.
Und hat mich das glücklich gemacht? Ja, ganz kurz.
Bin ich dadurch irgendwo angekommen? Ne. Dahinter liegen einfach die nächst höheren Ziele.
Weil das Leben ist. Leben ist ständiges Wachstum. Ankommen ist Stillstand, also Rückschritt während das Leben weiter geht.

Glück und das Gefühl von "angekommen sein" findest du nicht in einem äußeren Ziel sondern im inneren Zustand, während du dich auf das Ziel zubewegst.
Den berühmten Satz "Der Weg ist das Ziel" nimmt keiner mehr ernst, weil zu oft gehört aber zu wenig verstanden.
Dabei beschreibt er genau das: Die Lösung aus dem Ankommens-Dilemma.

Du musst dich entscheiden:
Willst du weiter gegen diese massiven Wände laufen, die du dir selbst aussuchst, während du darauf wartest, dass das Leben dir passiert? Damit kannst du dir immerhin selbst die Geschichte erzählen, dass sich das Leben nicht mehr lohnt. Aber helfen kann dir damit keiner.
Oder fängst du an in dem Weg die Erfüllung zu finden ohne dabei an einem Ziel zu lange anzuhaften, selbst wenn du es erreichst?

Michael Kensy
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