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Nicht überall geoutet...

geschrieben von Ameise78 
Nicht überall geoutet...
13. Oktober 2020 12:16
Hallo Zusammen,

sich einfach mal von der Seele schreiben, hat mich jetzt angesprochen.
Meine Geschichte ist lang und auf den ersten Blick unkompliziert. Doch ich bin zur Zeit nicht richtig glücklich/ zufrieden mit mir selbst.

Ich bin lesbisch und das ist auch ganz klar, ich bin in einer ziemlich guten Beziehung zu einer tollen Frau und das schon sehr lang.

Mein Problem ist, dass ich im Job nicht bei allen geoutet bin und sich das einerseits falsch anfühlt, andererseits bin ich auch total verklemmt. Und es ist mir peinlich anders zu sein. Ich mag nicht auffallen usw. ich fühle mich irgendwie immer noch unnormal. Ich weiß , dass solche Gedanken gar nicht gut sind. Doch ich habe sie nun mal. Meine Partnerin würde so gerne heiraten, doch ich kann das irgendwie nicht. Ich möchte nicht auffallen, ich möchte bei der Arbeit nicht darüber reden müssen und so. Das ist einerseits albern, denn alle, die Bescheid wissen, gehen locker damit um , aber in mir drin ist das so. Wir hatten schon viel blöden Streit deswegen.

Leider habe ich keine anderen Freunde mit denen ich mal reden könnte. Ich glaube mir fehlt ein lesbischer Freundeskreis. Doch der ist mit 42 Jahren schwer zu finden. Ich habe erst mit ca 28 Jahren vor mir selbst zugegeben, dass ich auf Frauen stehe. Im Nachhinein hätte ich das schon in meiner Jugend wissen können, doch ich habe es erfolgreich vor mir selbst verdrängt. Ich war schon immer der schüchterne Typ und hatte daher nie irgendwelche Beziehungen, auch nicht zu Männern. Und dann habe ich zufällig beruflich eine Frau getroffen, die auch lesbisch ist und in die ich mich total verknallt habe. Wir haben eine Freundschaft begonnen und ich musste meine Verliebtheit eingestehen. Sie hat mir dann sehr weh getan , weil sie auch was für mich empfunden hat, sich aber von ihrer Partnerin nicht trennen wollte und dann hat sie immer hin und her Signale gesendet. Egal. Nach einem knappen Jahr habe ich es mit totalem Kontaktabbruch beendet.

Kurze Zeit später habe ich schon meine jetztige Partnerin kennen gelernt. Also ist das auch die einzige Beziehung, die ich je hatte. Dazwischen gab es nur eine kleines Techtelmechtel aus dem nichts wurde.

Vor 5Jahren sind wir aus NRW nach Bremen/ Niedersachsen gezogen.
So habe ich mit dem Outing nochmal neu begonnen und das war auch gut so. Doch immer noch ist das nicht überall und ich fühle mich manchmal falsch. Das stresst mich irgendwie. Meine Partnerin ist da auch nicht 100% offen. Zum Beispiel darf ich auf der Straße, auch nicht im Urlaub, ich darf nie ihre Hand halten. Unsere Zärtlichkeit findet nur in den eigenen 4 Wänden statt. Das ist doch auch nicht normal.

Ich weiß nicht, ob mir mein Durcheinander nun versteht. Doch ich würde mich sehr über einen Austausch, einen Chat freuen, um einfach mal ins Gespräch zu kommen und so vielleicht besser zu mir selbst zu finden.

Lg von der Ameise😉
Re: Nicht überall geoutet...
14. Oktober 2020 20:47
Hallo Ameise,
schön das Du hier her gefunden hast und deine Gedanken einfach mal niederschreibst.

Wie "formuliert" man sein coming out? Ich finde es gibt mehrere Möglichkeiten und sollten zu einem selber passen. Ich habe am Anfang meines coming out direkt in meinem Freundes- und Bekanntenkreis, als die Zeit dafür reif war, darüber gesprochen. War wohl eher für mich wichtig. Den Anderen war es im Grunde egal, hauptsache ich wäre glücklich. Verschiedene "Bilder" vom Schwul sein, durften dann auch berichtigt werden. Es sind ja oft die eigenen Bilder, die auch korigiert werden dürfen.

Im späteren Verlauf, gerade im nicht Freundes- und Bekanntenkreis, habe ich Formulierunge gewählt, wie:
Am Wochenende war ich mit meinem Freundeskreis unterwegs. Ich war mit einem guten Freund im Kino.
Auf eine Frage eines Kunden, der mitlerweile eine neue Frau hat, wie es denn bei mit einer neuen Frau aussehe, habe ich nur gesagt: Nein danke, mir kommt keine Frau mehr ins Haus smiling smiley

Meinen Freund habe ich dann auch als "meinen Freund" vorgestellt. Bei der Formulierung, er sei mein Partner, war nicht immer leicht.
Auch nach der Verlobung, in als Verlobter zu bezeichnen, war zwar ok, aber es fühlte sich dann doch merkwürdig an. Jetzt, da wir verheiratet sind, von meinem Mann zu sprechen, fühlt sich richtg gut an.
Und dieses lasse ich auch im Gespräch einfach mal fallen.
Ich denke, wenn es so neben bei gesagt wird, verliert es an "Bedeutung" - als spezieller Hinweis - das ich schwul bin. Es ist lediglich nur eine Information.
Der Empfänger kann dann selbst entscheiden, was er mit dieser Information so macht :-)

GLG Maks
Re: Nicht überall geoutet...
15. Oktober 2020 13:19
Hallo Maks,

danke für die Rückmeldung. So drumherum Formulierungen nutze ich auch manchmal. Ich weiß auch nicht genau, warum mich das immer noch stresst.

Manche Menschen kennen mich dann nicht „ganz“ sozusagen. Manchmal fühlt sich das irgendwie falsch an. Doch ich komme da nicht raus.

Lg
Re: Nicht überall geoutet...
17. Oktober 2020 18:03
Hallo Ameise,

Ameisen - sind das nicht diese kleinen Biester, die beißen können, aber ungemein fleißig und diszipliniert sind? smiling smileysmiling smiley
Entschuldige bitte, kommt mir nur in den Sinn - such dir die Eigenschaft aus, die zu dir passt.smiling smiley

Zur Sache: ich bin schwul, ich bin mit einem Mann verheiratet ... aber ich sage es nicht gern.
Mein Mann geht damit um, als sei es das normalste der Welt. Aber er ist auch ein Bauchtyp, zuerst kommt das Gefühl.

Ich drehe und wende alles zweimal, ehe ich mich festlege. Mein Outing war allerdings von Kopf und Bauch bestimmt, immer wenn beides im Einklang war, habe ich Pfähle eingeschlagen und das war optimal, auch wenn es manchmal schwer war. (Outing bei Ehefrau, Kindern, Freunden, Geschwistern, Eltern, Arbeitskollegen - in der Reihenfolge und über Jahre verteilt).

Auf der Arbeit habe ich nur mit Leuten gesprochen, zu denen ich einen guten Draht habe, der Rest hat sich durch ein Zwangsouting erledigt, weil ein Kollege meinen Mann und mich im Urlaub gesehen hatte "schwer verliebt, nicht mit einer Frau", wie es dann rund ging. Es war schade so, weil ich diesen Kollegen immer nett fand, jetzt habe ich erst ein halbes Jahr später zufällig erfahren, dass es von ihm ausging, wie mir berichtet wurde "gut katholisch und total geschockt", aber rumtratschen!
Die Kunden wissen nichts, konservativer Kreis, da sage ich auch nichts, geht sie nichts an.

Tja, "mein Mann" - manchmal tut es mir gut, das zu sagen, ich würde mich hinterher ärgern, wenn ich mich verstecken würde, zumal ich das vor meinen Eltern brauche und ihnen gern damit komme, weil sie meinen Mann nicht wirklich akzeptieren. smiling smiley

Aber wenn ich bei einer Versicherung etc. anrufe, um etwas zu klären, dann ist es für mich immer noch komisch von meinem Mann zu reden - ich mache es, aber längst nicht so leicht, wie "meine Frau". Ich glaube auch nicht, dass sich das noch ändern wird, wir leben in einer Hetero-Gesellschaft und ich bin darin aufgewachsen, bin geprägt.

Extrem wäre es z. B., wenn wir nach Russland in Urlaub fahren würden. da hätte ich eher Angst ... also kein Urlaub in einem homophoben Land.

Trotz allem - es geht um mein Glück, dafür bin ich verantwortlich und nicht die anderen! Wenn du entscheiden müsstest: Glücklich mit deiner Frau, auch wenn man dafür manchmal in der Öffentlichkeit auffällt oder unglücklich getrennt/gestresst und immer angenehm angepasst ...

Ameise, denk daran, du hast Ausdauer und Fleiß, du schaffst das smiling smiley
(Hast du deine Frau eigentlich mal gefragt, warum sie in der Öffentlichkeit kein Händchen halten will? Angst vor Blicken oder gar Repressalien? Oder ist es "nur" das anerzogene Gefühlt, es sei falsch?

Ich war im falschen Film, jetzt nicht mehr. smiling smiley

Dir alles Gute und liebe Grüße

Zeev
Re: Nicht überall geoutet...
18. Oktober 2020 16:37
Hallo Zeev,

danke für deine offene Antwort.

Ich weiß, dass meine Frau Angst vor dummen Sprüchen oder richtig Ärger hat. Deshalb keine Andeutungen in der Öffentlichkeit. Wenn ich in nem Hotelfrühstücksraum aus Versehen „Schatz“ zu ihr sage, dreht sie durch und redet nicht mehr mit mir.
Trotzdem wirft sie mir manchmal vor , dass ich nicht richtig zu meinem lesbisch sein stehe.

Das stresst mich wohl irgendwie.

Mit den Versicherungen etc. geht es mir wie dir.

Lg Ameise
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