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Hi - und meine Geschichte

geschrieben von isomer 
Hi - und meine Geschichte
18. Dezember 2014 15:02
Hallo an Alle

Ich habe mich gerade hier angemeldet. Eigentlich suche ich ein Forum in dem man sich auch als Älterer mal austauschen kann. Leider machen die meisten Gay-Foren so bei 25 Jahren dicht. Leider muss das wohl so sein um die Jüngeren da etwas zu schützen. Und bei GR gehts eh nur um das Eine...
Wie gesagt: ich würde gerne auch mal nur reden...

Tja, ich hab jetzt nicht wirklich einen Plan was ich hier gleich noch alles schreiben werde.
Aber ich bin schon mächtig neugierig :-)

Also...
Ich bin 44 Jahre alt und habe mit 41 Jahren erst erkannt dass ich schwul bin. Mittlerweile bin ich auch geoutet. Und zum ersten Mal im Leben glücklich...

Und das ist meine Geschichte:

Ich fange mal in meiner Kindheit an. Eigentlich waren die ersten Jahre ziemlich normal. Bis sich meine Eltern getrennt haben. Da war ich so 12 Jahre alt. Und die Trennung war ziemlich hässlich. So mit Polizei und so...
Ich bin erst bei meinem Vater geblieben, habe aber dann doch recht zügig zu meiner Mutter gewollt.
Die wollte mich dann mit ihrem neuen Lebensgefährten von der Schule wegholen.
Ich kann mich noch erinnern, dass ich dachte ich müsste doch einen Schlafanzug haben. Also bin ich den ganzen tag in der Schule rumgelaufen - mit einem Schlafanzug unter meinen Klamotten.
Als die Schule zu Ende war sind die Beiden dann vorgefahren, meine Mutter hat die Scheibe runtergekurbelt, mir gesagt, dass das so nicht funktioniert - und weg waren sie...

Irgendwie bin ich dann doch noch zu den Beiden gekommen. ich weiß schon gar nicht mehr wie.
Die ersten Wochen waren echt toll. Ihr Lebensgefährte war echt lustig.
Nur hat sich das recht schnell geändert.
Die Beiden saufen...
Nach dem Bund bin ich ausgezogen. Bis dahin war jeden Tag Zoff.
Mein Stiefvater hat gesoffen, meine Mutter gebrüllt.
Tag für Tag...
Wenn die weg waren habe ich im Bett gelegen und gewartet.
Erst wenn sie wieder da waren und sich gezofft haben konnte ich schlafen - weil ich dann wenigstens wusste, dass sie noch leben.
Ich bin in der Angst aufgewachsen, dass die sich umbringen...
Gewohnt haben wir sehr ländlich. Da gab es für mich keine Fluchtmöglichkeit. Ich habe in der Situation festgehangen.
Ich bin in der Schule zu einem Außenseiter geworden. Was auch sonst ?

Es gibt im Leben für Alles eine Zeit.
Und die Zeit, die Pubertät, zu erkennen WAS ich bin habe ich damit verbracht den Verstand nicht zu verlieren!

Nach meinem Auszug hat es über ein Jahr gedauert bis ich ohne Radio schlafen konnte. Sobald es leise wurde habe ich die Beiden schreien gehört. Dabei waren sie 150km weit weg...

Ich habe dann ca. 15 Jahre als Einsiedler gelebt. Nach 15 Jahren kannte ich nicht mal die Namen meiner Nachbarn - und das in einem 700-Seelen Dorf. Außer meiner Arbeit hatte ich nichts.

Internet kam auf. Ich habe mich mit Bildern und Pornos über Wasser gehalten - natürlich Hetero...
Gemerkt habe ich immer noch nix.
Keine Ahnung warum.
Irgendwie hat sich mir die Frage nicht mal im Geringsten gestellt.

Ich glaube, ich hätte mal in eine Stadt ziehen sollen. Mal ein bischen mehr Input. Hätte mir helfen können.
Aber immer nur auf dem Land...

Naja, jedenfalls habe ich über das Netz dann eine Frau kennen gelernt.
Im Nachhinein kann ich sagen: Das war der erste Mensch der mal nett zu mir war!
Wir sind zusammen gekommen und haben geheiratet.
Häuschen gebaut
... und uns getrennt.

Ich habe lange nach einem Bild gesucht wie ich Jemandem erklären kann wie ich mich gefühlt habe.

Mein Leben war wie ein Kühlschrank:
Es ist Samstag Abend und du willst dir einen gemütlichen Abend machen.
DVD rein, Fernseher an, Kuscheldecke...
Und jetzt noch was Leckeres zum Knabbern.
Du gehst an den Kühlschrank
Schaust rein
Der ist voll bis oben hin mit den tollsten Sachen
- Aber irgendwie ist das Alles nicht das Richtige!
Du hast keine Ahnung was da nicht passt - aber überall fehlt was.
Zu salzig, zu süß, zu öde, zu fett...
Also beißt du hier mal rein
knabberst da mal dran rum
- und bleibst doch hungrig.
Hungrig und frustriert...

So war mein Leben.

Nach der Trennung war ich down. Klar war nur, dass es an mir gelegen hat.
Sie war jetzt auch nicht gerade eine Heilige. Jeder Mensch hat auch Fehler.
Aber ich war unfähig damit umzugehen.

Es gab da einen Abend da wollte ich mich umbringen.
(Keine Angst: Nix passiert, da hatte ich schon Hilfe. Aber der Abend war wichtig für mich. Ich glaube da ist endgültig die Entscheidung für das Leben gefallen)

Nach der Trennung wollte ich endlich mal rausfinden was bei mir immer schief geht.
Ich habe intensiv mit Meditation angefangen (macht den Kopf frei) und bin in eine Therapie gegangen (füllt den Kopf wieder mit den wichtigen Dingen)

Erst in der Therapie ist mir aufgegangen dass ich unfähig war mit anderen Menschen zu interagieren.
Auf der Arbeit war ich einer der Besten. Prima...
Blöd nur, dass das aus der Angst vor Ausgrenzung so war. Flucht nach Vorne...
Solange ich der Beste bin kann mir Keiner was.
Aber privat?
Ich konnte in der Pommesbude noch nicht mal fragen ob der Stuhl noch frei ist.
Wenn da voll war bin ich wieder abgehauen.
Nicht gerade eine gute Voraussetzung für eine Beziehung...

Tja, wir haben also meine Kindheit und meine Probleme aufgearbeitet.
Parallel dazu bin ich im Internet über Gay-Seiten gestolpert. Pornos, Webcams, Stories...

Und zum ersten Mal war ich in der Lage die Dinge einfach mal laufen zu lassen.
Mit immer größeren Erstaunen habe ich mich beobachtet.
Da kam ein Etwas ganz ganz tief aus mir hervor.
Ich habe mich gefühlt als hätte ich alles Adrenalin der Welt in meinen Adern.

Ich habe viel davon gelesen, dass sich Andere irgendwann die Frage stellen "Bin ich schwul?"
Ehrlich gesagt - habe ich nie.
Weil es sich einfach RICHTIG anfühlte.
Ich hatte in meinem Kühlschrank gefunden was gefehlt hatte.

Ich habe also mit Webcams experimentiert. Das war eine Befreiung !
Und ich habe die Sicherheit der Anonymität gebraucht.

Aber ich wollte auch mehr.
Wieder über das Netzt habe ich einen Mann kennen gelernt.
Wir haben uns getroffen - und beim dritten Mal sind wir ins Bett.

Mit einer Frau war Sex - ok.
Aber warum da so ein Aufriss drum gemacht wurde konnte ich nicht nachvollziehen.
Von mir ist da nie die Initiative ausgegangen.
Das war mehr ein "Erfüllen ehelicher Pflichten"

Aber mit ihm... Whoa !
Ich dachte vorher eigentlich ich müsste Angst haben - Nö !

Es war als ob die Realität einen Schritt zur Seite gemacht hätte.
Und eingerastet wäre.
Zum ersten Mal - zum allerersten Mal - in meinem Leben habe ich mich vollständig gefühlt...

Zusammengekommen sind wir nicht. Nach einer Wiederholung sind wir dann getrennte Wege gegangen.
Meiner führte mich nach GR.
Eiwei...
Was es nicht Alles gibt :-)
Eine neue Welt - eine ganze Welt für mich !
Meine Welt...

Und ich hab nix anbrennen lassen :-)
Da gab es soviel zu entdecken - und das meiste davon in mir...

So, ich kürze jetzt mal ab. Wir wollen ja jugendfrei bleiben :-)

Seit 2 Jahren lebe ich jetzt in einer Beziehung mit einem Mann.
Leider in einer Art Fernbeziehung. Wir sehen uns so 1-2 Mal in der Woche für ein paar Stunden. Alle paar Wochen mal über Nacht.
Manchmal habe ich das Gefühl ich könnte durchdrehen.
Aber ich liebe mein Bärchen abgöttisch.
Und ich werde den Teufel tun nochmal gegen meine Gefühle zu handeln - das kann nur in eine Katastrophe gehen !

Und meine Frau ?

Als mir klar geworden ist dass ich mich wieder verliebt hatte (eigentlich: zum ersten Mal wirklich verliebt) war ich ziemlich durcheinander. Und ich brauchte dringend mal Jemanden zum Reden.
Ich glaube es ist klar, dass meine Eltern da wohl nicht geeignet waren.
Ich habe lange mit meiner Frau telefoniert. Ich habe mich den Abend bei ihr geouted.
Es gab viele Tränen - auf beiden Seiten.
Bei jeder Trennung stellen sich Beide die Frage ob sie selber Schuld daran waren.
Ich denke - so weh es auch tut - aber sie hatte ein Recht auf die Wahrheit.
Das ich ihren Rat brauchte war nicht Ursache für das Gespräch. Das hatte ich schon lange vor. Es hat mir nur geholfen den Mut zu finden.
Und nachdem wir unsere Tränen getrocknet hatten hat sie mir ein gerüttelt Maß an guten Ratschlägen gegeben :-)

Sie wohnt nach wie vor in dem Haus das wir gebaut haben. Und ich unterstütze sie finanziell. Ich selber habe ein 1-Zimmer-Appartement. Finanziell ist das halt eng.

Wir sind Heute wirklich gute Freunde. Wir können uns Alles erzählen. Wir halten zusammen.

Heute weiß ich was mir im Leben wirklich wichtig ist. Und sie gehört dazu !
Es gibt viele Formen von Liebe. Eigentlich sollte sich mal Jemand darum kümmern unsere Sprache da mal anzupassen.
Nur EIN Wort für alle Arten der Liebe kann nur in die Hose gehen !

Ich liebe meine Frau - nur halt nicht auf die Art wie man sie für eine Beziehung bräuchte.
Und ich werde sie nie im Stich lassen - weil sie mir dafür zu wichtig ist !

Ok, viel Text. Und was ist jetzt das Resümee ?

Es hat 41 beschissene Jahre und eine versemmelte Ehe gedauert bis ich erkannt habe WER ich bin und WAS mir wichtig ist.

Ich bin jetzt endlich glücklich. Natürlich läuft nicht Alles perfekt. Aber zum Glücklichsein muss es das auch nicht.
Und eigentlich verstehe ich mich jetzt erst so richtig mit meiner Frau.
Sie sagt selber, dass unsere Beziehung jetzt - als Freunde - besser läuft als als Ehepaar.

Und vielleicht kann das hier dem Einen oder Anderen etwas Mut geben.

Das wäre schön...
Re: Hi - und meine Geschichte
18. Dezember 2014 21:46
Hallo Isomer,
sorry wieder mal eine Geschichte mit verdammt vielen Überschneidungen mit meiner eigenen Lebensgeschichte. Nur das ich vom Lebensalter etwas später dran war. Mein CO erst mit 48.

Ja es gibt ältere hier.
Heute (nähere mich der 60) lebe ich schon viele Jahre in einer Beziehung und mein Sohn (auch inzwischen volljährig) lebt auch noch immer bei mir. Ja und das schwule Leben ist das beste was mir je passieren konnte.

Wie hat du das so schön ausgedrückt: "Ich hatte in meinem Kühlschrank gefunden was gefehlt hatte."

Viel Glück in deinem weiteren schwulen Leben
Fred
Re: Hi - und meine Geschichte
19. Dezember 2014 10:52
Hallo Isomer,

willkommen! Man kann sich hier gut austauschen, da bist Du an der richtigen Stelle.

Wie Du gehöre ich der älteren Generation an. Ich war 63, als ich dieses Forum fand, ungeoutet, uneingestanden auch vor mir selbst. Hat mir richtig gut getan, mich hier zu präsentieren.

Da hast Du uns aber eine Lebensgeschichte serviert ... puh! Outen hast Du ja nicht mehr nötig, aber dass Du Dir sowas von der Seele schreiben möchtest, das kann ich gut nachvollziehen.

Dein Elternhaus (wenn man das so nennen kann) war ja ein Alptraum! Das ist etwas, was mich immer wieder stark berührt ... unser Grundgesetz gibt Eltern eine solche Macht über Kinder, umgekehrt sind diese völlig ausgeliefert. Bis einmal das Jugendamt kommt und sich schützend dazwischen stellt, dauert es viel zu lange. Es gibt ja jetzt einen Versuch, der UN glaube ich, Kinderrechte in der Charta der Menschenrechte zu verankern, aber unsere Bundesregierung stellt sich dagegen. Auch da wird es Zeit. Zu Kinderrechten gehört die freie Entfaltung der sexuellen Orientierung ...

Und das Problem ist ja, dass Kinder ihre Eltern lieben, selbst dann noch, wenn sie ihre Pflichten total vernachlässigen. Und dann oft daran zerbrechen.

Aber ich habe nicht den Eindruck, dass Du zerbrochen bist. Einen Knacks magst Du haben, aber ich sehe doch in der Art, wie Du schreibst, dass Du Dich gut kennst, dass Du in bemerkenswert klare Worte fassen kannst, was Dir widerfahren ist und was Dich noch bedrückt.

Quote
Isomer
Aber mit ihm... Whoa !
Ich dachte vorher eigentlich ich müsste Angst haben - Nö !

Es war als ob die Realität einen Schritt zur Seite gemacht hätte.
Und eingerastet wäre.
Zum ersten Mal - zum allerersten Mal - in meinem Leben habe ich mich vollständig gefühlt...

Diese Erfahrung habe ich auch gemacht. Das ist sowas Unglaubliches ... ! Etwas, was ich denen, die hier im Forum noch zögern, immer wieder rüber zu bringen versuche. Das Befreiende in einem sexuellen Akt ... Du hast dafür faszinierende Worte gefunden, die mich tief berühren, so als ob es gerade wieder geschehen wäre.

Quote
Isomer
Es hat 41 beschissene Jahre und eine versemmelte Ehe gedauert bis ich erkannt habe WER ich bin und WAS mir wichtig ist.

Ich bin jetzt endlich glücklich. Natürlich läuft nicht Alles perfekt. Aber zum Glücklichsein muss es das auch nicht.

41 Jahre ... wenn ich mit 17 beginne, wo ich die ersten Hinweise hatte, komme ich auch auf 46. Aber das macht nichts. Wir können nur nach vorne schauen, es hat keinen Sinn, sich in der Betrachtung angeblich oder tatsächlich verpasster Möglichkeiten zu verzehren. Was wir noch gestalten können, liegt vor uns. Lass es uns anpacken!

Schöne Grüße

Volker
Re: Hi - und meine Geschichte
19. Dezember 2014 11:07
Hallo Isomer,

Herzlich willkommen im Co30er Club. Auch ich entdecke in deiner Geschichte sehr viele Parallelen zu meinem Leben. Ich habe erst mit 41 Jahre erkannt, dass ich schwul bin, bin auch in eine 1-Zimmer Apartment geflüchtet, bis das Geld dafür nicht mehr reichte. Nun lebe ich seit 2 Monaten wieder mit Frau und Kindern im Eigenheim und wir erproben gerade das Modell der WG. Und auch ich mag meine Frau noch irgendwie, denn freundschaftlich verbindet uns nach wie vor etwas. Und auch ich habe nach meinem inneren CO erfahren dürfen was echte Liebe ist. Ja, und auch mich verbindet eine Fernbeziehung zu meinem Schatz, allerdings ist es und gegönnt uns häufiger und länger zu sehen als er bei Euch der Fall ist.

Ich finde es gut, dass du dich aufgemacht hast Schritt für Schritt die schwule Welt zu ergründen und dass du nicht vor deinem CO davongelaufen bist. Mich hat mein CO regelrecht beflügelt und es ist so schön nach all den Jahren der Traurigkeit (und davon hattest du wohl mehr als genug) diese positive Energie spüren zu dürfen.

Die schreibt, dass du dich gerne mit anderen austauschen möchtest. Dazu bist du hier genau richtig. Egal ob im Forum, CO30 Chat, PM oder über persönliche Telefonate, die Möglichkeiten sind hier vielfältig und haben mir sehr geholfen.
Ich weiß nicht wo du wohnst, aber auch persönliche Treffen sind möglich. Ich bin eher im Sauerland, Köln oder Frankfurt a.M. anzutreffen aber unser CO30 Gemeinschaft ist übers ganze Land verteilt. Da findet sich bestimmt die eine oder andere Möglichkeit.

LG, Kai
Re: Hi - und meine Geschichte
22. Dezember 2014 16:40
Hallo,

die Geschichte hat mich sehr gerührt ... vieles davon habe ich ähnlich oder fast genauso erlebt.

Sex mit einer Frau ... pffff ... ich dachte woahh, besser als nix, von Null auf 100 ...

Nee, war eine Mogelpackung ... maximal von 0 auf 5.

Mit einem Mann ... geht das alles wie von selbst und alles was man macht fühlt sich richtig an :-D

Zwei Sätzt finde ich wahnsinnig wichtig für UNS, die wir eine Frau zu Hause haben oder hatten ... oder nebendran wohnen haben ...

Quote

Und eigentlich verstehe ich mich jetzt erst so richtig mit meiner Frau.
Sie sagt selber, dass unsere Beziehung jetzt - als Freunde - besser läuft als als Ehepaar.

Genau das ist es. So geht es mir und meiner Frau auch ... und letztens philosophierten wir darüber, was passiert, wenn unsere Kinder "aus dem Haus sind" ... wir waren uns nur sicher, "dass wir uns NICHT sicher sind", ob wir uns danach wirklich komplett trennen ...

"normale Schwule" suchen sich eine Gaby aus ... WIR haben sie mal zwischendurch geheiratet cool smiley

Wünsche alles erdenklich gute, auf DEM Weg!

liebe Grüße
Victor
Re: Hi - und meine Geschichte
23. Dezember 2014 11:37
Hallo an Alle

und Danke für eure Antworten.
Mir ist beim Lesen hier auch aufgefallen, dass sich viele Geschichten wiederholen.

Allerdings hatte ich das "Glück" dass bei mir keine Kinder mit im Spiel waren.
Ich glaube die Angst davor dass sich die eigenen Kinder abwenden muss furchtbar sein. sad smiley

@Folk:
Ich habe bei meiner Rechnung mal einfach bei 0 Jahren angefangen. Ich bin tatsächlich 44 Jahre.
Einen Knacks habe ich wohl nicht. Aber ich habe viel daran zu knabbern, dass ich eigentlich keine "Vergangenheit" habe.
Natürlich ist da viel passiert - nur halt nicht das Richtige.
Mir fehlen einfach so Sachen wie die erste Liebe, Party machen mit dem Schatz. So Etwas halt...
Emotional hat mein Leben eigentlich erst an dem Tag begonnen als ich mir selber sagen konnte "Ich bin schwul".
Davor war halt nur ein Funktionieren.

@Kai:
Du bist wieder bei deiner Frau?
Wie klappt das denn ?
Und - wie verarbeitet sie das ?
Ich hoffe für euch, dass ihr mit der Lösung leben könnt. Für mich ist das keine Option.
Wie gesagt lebe ich seit 2 Jahren wieder in einer Beziehung. Und ich wüsste nicht wie ich das mit meiner Frau in einer WG regeln könnte...

Tja, was ist sonst passiert?
Ich war am WE auf dem 70sten meiner Mutter. Interessanterweise war alles friedlich. Eigentlich war es sogar ein sehr lustiger Abend. Ich habe mich rundum wohl gefühlt.
Mein Bruder war mit seiner Frau da und meine Nichte mit Freund.
Und irgendwie kam das Thema Schwul auf. Geouted war ich schon. Aber wir haben den Abend das erste Mal so richtig darüber gesprochen. Und ich hatte lange Zeit mit den Tränen zu kämpfen. Aber ich glaube dadurch hat meine Familie erst so richtig verstanden was für ein extremer Einschnitt das für mich bedeutet hat.
Ach ja - kennt ihr das auch dass plötzlich die Hälfte aller Bekannten sagt "Das hab ich mir schon immer gedacht"?
Grmpf - hätten ja ruhig mal ein Wort sagen können smiling smiley
Meine Schwägerin hat ihren Eltern mal ein Foto von mir gezeigt. Die haben gesagt, ich hätte noch nie so gut ausgesehen (im Sinne von Erholt und Gesund).

Ich kann eigentlich nur jedem, der vor der Frage steht ob er sich outen soll, dazu raten es zu tun.
Ich glaube auf die Dauer kann keiner unter dem Druck gesund bleiben...

Aber eine Frage hätte ich doch noch an alle Väter die sich bereits geoutet haben:
Wie haben eure Kinder das aufgenommen?
Habt ihr noch Kontakt, oder ist alles in die Brüche gegangen?

Und jetzt wünsche ich euch Allen eine Frohe Weihnacht

isomer
Re: Antwort auf Isomer's Frage
23. Dezember 2014 17:35
Hallo Isomer,

mal eine kurze Antwort von einem schwulen Vater auf Deine Frage:

Habe zuerst den Prozess vor Gericht verloren. Sohn musste bei seiner Mutter leben, war aber durch Bestimmung des Gerichtes jedes WE bei mir. Sohn war schon immer ein Papa-Kind.

Mit 14 (ab dem Alter muß ein Gericht dem Votum des Kindes folgen) hat Sohn sich entschieden ganz bei mir (und meinem Mann) leben zu wollen.
Seine Mutter hat damals zähneknirschend zugestimmt, wir mussten das nicht gerichtlich durchsetzen.

Seit dem lebt Sohn bei mir und meinem Mann. Wir sind so eine Art dreier Männer-WG. Sohn ist inzwischen volljährig.

Mein Mann ist für Ihn so was wie ein Väterlicher Freund oder auch (jetzt bekomme ich ärger *lach*) so eine Art Ersatz-Opa.

Auch das Verhältnis zwischen Sohn und Mutter hat sich wieder gebessert, so das sie sich mehrfach im Jahr sehen.
Jetzt am 24. wird er mit Ihr Weihnachten feiern (Habe diese Variante unterstützt).

Ein Kind (egal wie alt) braucht immer beide Eltern !!!!!

Hoffe Deine Frage ausführlich genug beantwortet zu haben, sonst vielleicht mehr per PM.

LG und frohe Weihnachten
Fred
Re: Antwort auf Isomer's Frage
23. Dezember 2014 18:19
Hallo Isomer,

meine Töchter haben es gut aufgenommen. Ich lebe nach wie vor mit meiner Frau zusammen und wenn Semesterferien sind oder jetzt zu Weihnachten kommen sie nach Hause.

Es ihnen zu sagen, hat mich überraschend viel Kraft und Mut gekostet. Ich hab das auch hier beschrieben: Wie sag ich's meinem Kinde?

Seitdem ist ja ein bisschen Zeit vergangen, aber unser Verhältnis hat sich nicht geändert. Sie akzeptieren, wenn ich mal abends weg bin und als ich im Sommer drei Tage einen Freund besucht habe, hat mich hinterher die Ältere vom Bahnhof abgeholt.

Beide studieren, mittlerweile für ihre Master und nachdem ich selbst Akademiker bin, bin ich da auch Ansprechpartner, Ratgeber und bei der Älteren fachkundiger Gesprächspartner, denn sie schlägt mir nach. Das läuft alles sehr gut. Und gerade haben wir gemeinsam die letzten Vorbereitungen für Heiligabend getroffen.

Schöne Grüße

Volker
Re: Antwort auf Isomer's Frage
23. Dezember 2014 19:58
Hallo Isomer,

Nun, meiner Wunschvorstellung entspricht unser WG-Leben nicht, aber wir arrangieren uns. Nachdem ich ein Jahr alleine gelebt habe (zumindest unter der Woche), vermisse ich schon die Freiheit. Aber es war abzusehen, dass dies nur eine begrenzt Zeit funktionieren würde. Ich bin Alleinverdiener, muss das Haus abbezahlen und habe noch Frau und 2 Kinder zu versorgen. Und Frankfurt ist nun auch nicht grade ein günstiger Ort, um sich ein Zimmer zu mieten. Wir versuchen zwar das Haus zu verkaufen, haben aber noch keinen Käufer gefunden.

Die erste Zeit nach meiner „Heimkehr“ war schrecklich. Ich hatte mich im Kinderzimmer verschanzt und fühlte mich als Fremder im eigenen Haus. Dann haben wir die Zimmer so arrangiert, dass ich mein eigenes Zimmer im 2. OG habe, Frau und Kinder jeweils im EG ein eigenes Zimmer bekamen und das 1.OG ist der WG-Bereich mit Küche, Ess-und Wohnzimmer. Damit geht es mir schon wesentlich besser und ich kann mich zurückziehen, sobald die Kinder im Bett sind.

Der Vorteil ist, dass ich so die Kinder unter der Woche täglich sehe und dies erst einmal die finanziell sicherste Zwischenlösung ist. Zusammenziehen mit meinem Freund ist keine Option im Augenblick und wir können uns aufgrund der räumlichen Distanz nur an den Wochenenden sehen. Wir testen grade wie es uns allen damit geht, wenn er bei mir übernachtet und ich hole mir auch immer wieder Rückmeldung von meiner Frau. Diese Setup kann es nur funktionieren, solange alle damit klar kommen.

Wie es meiner Frau damit geht? Am Anfang war aller schon zu easy, ich denke sie hat 1-2 Monate gebraucht, um die Situation für sich zu realisieren. Dann kam es auch schon zu Auseinandersetzungen, was aber völlig ok ist. Sie darf wütend sein und darf soll es auch zeigen. Inzwischen sind wir soweit, dass mein Freund uns am 1. Feiertag besuchen kommt und sie schlug sogar vor Silvester gemeinsam zu verbringen. Das haben wir aber abgelehnt. Vielleicht eine Option fürs nächste Jahr…

LG Kai
Re: Hi - und meine Geschichte
25. Dezember 2014 22:26
Hallo,

"Kinder" ...

meine Frau hat es ihnen gesagt ... "Der Papa hat sich verliebt ... in einen Mann ..." ... darauf hin die Frage meines Sohnes ... "ist das sowas wie schwul??" ... äh ja, das IST schwul.

Die Kinder haben es hinnehmen müssen ... haben ihre Zeit gebraucht, das zu verdauen, zu akzeptieren, meine Tochter brauchte etwas länger.

Wir haben es ihnen freigestellt, darüber mit jedem zu sprechen und es zu erzählen, wem sie wollen ... es ist wie immer, wenn man etwas weitergibt, gibt man die Verantwortung dafür, was damit passiert, ab, an denjenigen, der es gesagt bekommt ... damit muss man leben können.

Irgendwann 1/2 oder 1 Jahr später kamen wir drauf, wer von den beiden es wohl schon jemandem gesagt hat ... meine Tochter erzählte, dass sie es einer Freundin gerade gesagt habe, daraufhin mein Sohn: "... ach der Siggi weiß es schon lange, und seine Schwester und seine Eltern auch ..." ... bingo ... ohne Aufhebens, ganz normal.

NORMAL ist, was man den Kindern vorlebt ... trotz der "Bildungsnormalität", die in den Schulen gelehrt wird, und der "Scheinnormalität", die man sich als Kind aus Medien und sonstigem Umgang mit Freunden und deren Eltern zusammenreimt ...

Ja, wir haben in Kauf genommen, dass das laufende Schuljahr etwas schlechter abgeschlossen werden würde und wurde, als ohne diese schicksalshafte Wendung in unserem Leben. Es hat sich herausgestellt, dass das eine gute Investition war, denn danach, in den wichtigen Jahren mit Pubertät, Verlieben und Abitur, sind wir mit dem "Schwulwerden des Vaters" FERTIG!! ;-)

Ich bzw. wir als Eltern haben beschlossen, UNSER Leben zu leben und zu gestalten, und die Kinder darüber in Kenntnis zu setzen (nein, ich frage nicht, ob es ihnen gefällt, oder was ich machen soll!).

Sie haben sich daran gewöhnt ... ihre Freunde müssen das auch irgendwie mitbekommen, wenn sie bei uns ein und ausgehen ... oder von Sport, Schulveranstaltungen oder Partys abgeholt werden wollen... wer da wann wem was erzählt, keine Ahnung.

... und wenn dann durchs Haus gebrüllt wird, ob der Parkplatz vom Freund meiner Frau heute frei bleibt, und ob der Freund meiner Tochter heute dort parken kann ... dann ist die Welt in Ordnung :-)

lg.
Victor
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