"Irgendwann stehe ich dann vor meinem Schöpfer und er fragt mich: Was hast Du aus Deinem Leben gemacht, welches ich Dir geschenkt habe? Und ich kann nur auf den Boden sehen (vor Scham) und kleinlaut sagen: Fussmatte. Ich habe Fussmatten daraus gemacht! (aus dem Gedächtnis zitiert aus dem "Hauptmann von Köpenick"
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Liegt es am Lebensalter von 45 Jahren, das ich mich damit beschäftige, ob ich "mein" Leben führe? Warum suche ich nach dem Sinn des Lebens? Wäre es nicht einfacher sich gedankenlos von irgendeiner schnelllebigen Illusion zur nächsten tragen zu lassen und dann, ehe man es sich versieht auch schon Vergangenheit zu sein? Warum quälen mich solche Gedanken?
Die Antwort ist einfach, aber auch auf das schmerzlichste brutal. Zum Leben gehört fühlen. Ich fühle, also lebe ich - ICH LEBE!
Mit diesen Worten endete meine Geschichte vom verhexten roten Kleid. Einigen der Leser ist aufgefallen, das ein Teil meiner Lebensgeschichte darin fehlt, oder nur angedeutet ist. Der Grund dafür ist, dass dieser Teil mich quält. Ihr habt einen Überblick bekommen, über die Vergangenheit eines Menschen der etwas erlebt hat. Es wurde von mir beschrieben (eher knapp), in welchen Lebensumständen ich jetzt stecke, aber nicht mal hier habe ich mich, in der Story um das "verhexte rote Kleid" getraut an das " Eingemachte" zu gehen.
Bevor ich nun diesen Teil zu ergänzen versuche, möchte ich mich bei den Lesern entschuldigen. Ich habe euch betrogen! Das Ende des "verhexten roten Kleides", suggeriert, dass es mir nun viel besser geht. Das könnte auch so sein, wenn ich nicht so feige wäre. Ich habe einmal einen Satz gelesen, der es auf den Punkt brachte :
"Dem Leben ist es scheissegal wie Du dich tot stellst!"
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Nach meinem Burn-Out habe ich also angefangen mich mit mir zu beschäftigen und in mich zu hören, was mir gut tut, was ich möchte. Theoretisch und nur für sich ist das eine prima Sache. Ich war für meine Verhältnisse sogar sehr mutig und habe im Internet geforscht, was es zum Thema "schwul und verheiratet" gibt. CO30 war sofort die Seite meines Vertrauens, denn hier ging es nicht um die Probleme von Jugendlichen mit ihrer sexuellen Orientierung und auch nicht um den Tausch von Pornos, oder das Treffen zur sexuellen Befriedigung. Das altmodische Wort "seriös" fällt mir spontan ein und das überzeugte mich damals wie heute. Maks hat es verstanden, sofort mein vertrauen zu gewinnen, was wirklich nicht einfach ist und so bin ich mutig geworden und habe das CO30er Treffen bei Queermann mit ihm besucht. (Sagt es ihm nicht, aber ich war sogar etwas in Ihn verschossen). Ich weiss nicht was ich erwartete, aber es kam anders. Nach kurzer Zeit fühlte ich mich nicht nur fasziniert, sondern auch wohl und in meinem Kopf wurde aus dem Fragezeichen hinter dem Wort "schwul" ein Ausrufezeichen.
Meiner Frau mit der ich inzwischen 13 Jahre verheiratet bin (keine Kinder), wollte ich diese Erkenntnis nicht einfach so mitteilen und so dauerte es bis kurz vor dem Treffen bei Queermann bis sich eine Gelegenheit bot. Ihre Reaktion war für mich befremdlich. Sie ignorierte mein "Geständnis". Sie meinte das es nicht sein kann und damit war für sie alles gesagt. Völlig überrumpelt zog ich mich zurück und hoffte das Thema nochmals in Ruhe anbringen zu können, aber jeder Versuch wurde im Ansatz von ihr abgewürgt. Auf einmal war ich wieder verunsichert und hoffte auf dem Treffen Tipps zu bekommen, was zu tun sei, aber auch diese konnte ich bei ihr nicht zu Gehör bringen. Ich lebte nun in einem Dilemma. Auf der einen Seite hatte ich eine Ehefrau die ich liebte, mich aber so wollte wie bisher, was mich mit fast zerstört hatte. Auf der anderen Seite war mein "erwachtes" ich, welches endlich frei sein wollte und sich nicht mehr bändigen lassen wollte. Nach einigen Monaten habe ich mich auf den Seiten von GayRomeo angemeldet und nachdem ich auch ein paar merkwürdige Menschen getroffen habe (wirklich nur getroffen)passierte es, das Amors Pfeil einen Volltreffer landete. Er ist ein wunderbarer Mann und wirklich die Liebe meines Lebens, aber ich kann es nicht mit ihm teilen, da meine Frau, die ich auf eine andere Weise auch noch liebe, mich nicht los lässt. Er ist geduldig und verständnisvoll und versucht keinen Druck aufzubauen, aber ich fühle mich falsch und verlogen dabei. Meine Frau und ich haben seit 8 Jahren keinen sexuellen Kontakt mehr gehabt und sie hat mir ausdrücklich die Freiheit gegeben mich diesbezüglich mit "anderen" auszuleben, was ich nie tat, bis zu dem Tag, als ich ihn traf. Er hat mir meine letzten Zweifel genommen, er gibt meinem Leben Sinn, doch dann bin ich wieder bei Ihr und ich habe das Gefühl ein Verbrecher zu sein.
Ich war immer ein "Preusse" und habe immer nach hohen moralischen Ansprüchen gelebt ( sie nicht nur vekündet), nun aber erkenne ich, das mein Lebensweg völlig anders läuft. Ich bin ein schwuler Ehebrecher, der es weder schafft sich seiner Verantwortung zu stellen, ganz zu schweigen vom Leben. Wie gehe ich mit dieser Erkenntnis um?
Um Menschen die ich mag keine übermässige Last zu sein, baue ich die Fassade des smarten Typen auf, der immer eine Lösung weiß und der Probleme nur als Herausforderung sieht, denen man sich stellen muss. Die Konsequenz daraus ist bitter und gruselig. Ich werde immer einsamer, immer schwächer, denn es kostet viel Kraft eine Fassade aufrecht zu halten ,und unsicherer. Ich bin meine eigene Lebenslüge!
Ich kann es förmlich sehen, wie mir hier der Rat gegeben wird, endlich reinen Tisch zu machen, weil mich das aus der Depression rettet, aber schreibt mir dann bitte auch, woher ich die Kraft nehmen soll.
Der aktuelle Stand ist der, das ich überlege, ob ich meine Liebe nicht freigeben soll, damit er mehr als nur eine Hoffnung auf Glück und Liebe hat. Ich könnte dann den hoffentlich nicht mehr all zu langen Rest meines Lebens an der Seite meiner Frau verbringen und von den schönen Zeiten zehren, die ich erleben durfte. Es scheint dem Leben wirklich egal zu sein, wie man sich tot stellt.
Soweit erstmal zu mir. Einiges mag etwas verworren geschrieben sein, aber bitte seht es mir nach. Es tat beim "verhexten roten Kleid" sehr weh, alles nochmals zu durchleben, aber diesmal finde ich keine Worte für die Leere welche es schafft mich Stück für Stück zu zerreissen. Die Österreicher haben einen Ausspruch, der besagt, das der treueste Freund des Menschen der Tod ist. Er allein ist zu jeder Zeit gnädig als Freund zur Stelle, um die Lasten des Lebens ab zu nehmen.
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Für mich wird die Antwort wohl "Fussmatte" sein!