Wie heißt es so schön in Märchen, es war einmal! Hier geht das Dilemma schon los, denn eigentlich hat das Märchen noch gar kein Ende. Egal - ich stecke sowieso schon mitten drin.
Es war einmal ein Mann, der die Hälfte seines Lebens hinter sich hatte. Er hatte zwei Tage zuvor bei Menschen, bei denen er freundlich aufgenommen wurde und die seine Lebenssituation verstanden, da sie ähnliche Erfahrungen hatten ohne eine Vorwarnung einen "Flash back".
Auf einmal war der Mann, wieder ein kleiner Junge. Er war unbeschwert und spielte "Verkleiden". Im Schlafzimmer der Eltern mit dem grossen Spiegel und Mutters Kleidern machte ihm das viel Spass. Leider musste er fast immer alleine spielen, denn er schämte sich sehr dafür, das er arm war und die anderen Kinder ihn deshalb mieden und manchmal sogar ohne Grund verprügelten. Einmal hatte er seinem Vater von der Prügel erzählt, was diesen sehr böse machte. Er wurde so zornig, das der Junge begann zu weinen. Der Vater reagierte sofort und ohrfeigte den Jungen und schrie ihn an, dass er gefälligst keine Memme sein solle. Und überhaupt würde aus ihm ja nie ein richtiger Mann werden, so wie er einer ist.
Schon früher hat das Kind seinen Vater zum rasen gebracht. Einmal wollte der Vater, der regelmäßig und viel Alkohol trank und oft das ganze Geld der Familie und oft noch mehr verspielte, mit seinem Sohn vor seinen Kumpanen in der Wirtschaft angeben. Der Junge wurde mitgenommen zum "Frühschoppen" und angewiesen ruhig auf seinem Platz zu sitzen und zu tun, was man von ihm verlangte. Es war furchtbar langweilig für den Knirps und die Männer wurden immer merkwürdiger, je länger er da so saß. Irgendwann bekam er ein kleines Glas mit einem Getränk , das anders aussah wie seine bisherige Fanta und schäumte. Sein Vater forderte das er das trinken solle. Da der Tonfall, den er von seinem Vater kannte, keinen Widerspruch duldete trank er vorsichtig von dem Getränk. Es war ekelig bitter und er wollte es auf keinen Fall austrinken und sagte das nach einem Schluck auch. Die anderen Männer lachten und spotteten, was ihr Kumpan denn da für einen Sohn habe. Dieser geriet sehr in Zorn und zog den Jungen am Ohr aus der Wirtschaft. Auf der Strasse gab es dann Ohrfeigen und Verwünschungen für den Jungen.
Ein anderes Mal, der Junge war gerade in die Schule gekommen, gab es eine Verabredung zum Schwimmen zwischen seinem Vater und dessen Freund, der auch einen etwas jüngeren Sohn hatte. Die beiden Jungs verstanden sich gut und obwohl der jüngere schwimmen konnte planschten sie gemeinsam im Nichtschwimmerbecken und hatten Spaß. Als der Vater sah, das sein Sohn mit dem kleineren und jüngeren, welcher im Gegensatz zu seinem Kind sogar schwimmen konnte, Spaß hatte, da wurde es ihm zu bunt und er befahl seinen Sohn zu sich. Er solle gefälligst aus dem Babybecken heraus und schwimmen lernen! Dann nahm er ihn und schubste seinen Sohn ins tiefe Becken, denn sie Standen dicht am Rand an einer Stelle die sehr tief war. Der Junge schluckte Unmengen Wasser und bekam große Angst und irgendwann verlor er wohl das Bewusstsein. Als er wieder zu sich fand lag er auf einer Bank am Beckenrand und hörte wie sein Vater, dem Vater des kleineren Jungen erklärte, das es wohl besser gewesen wäre, wenn die "kleine schwule Ratte" ersoffen wäre.
So vergingen einige Jahre und Beispiele dieser Art gab es einige. Der Vater trank auch immer mehr und verprügelte seine Mutter, die der einzige Halt des Jungen war. Der Kleine musste sogar mit ansehen, wie der Vater seine Mutter aus dem Fenster der Wohnung im fünften Stock werfen wollte. Das er es nicht tat, lag wohl nur daran, das der kleine plötzlich ins Zimmer kam und laut anfing zu schreien. Dieses unverhoffte Ereignis rettete seine Mutter.
Jetzt versteht ihr bestimmt, warum sich der Junge dann in seine Traumwelt flüchtete. Er spielte für sich und war völlig entrückt, so wie es nur unschuldige Kinder können. In viel zu großen roten Damenschuhen mit viel Absatz und einem roten Kleid seiner Mutter, sowie einer Schleppe die aus einer weißen Gardine bestand spielte er also vor dem Spiegel im Schlafzimmer, als sein betrunkener Vater in den Raum kam.
Als der Vater ging, war der Junge tot! Nein, nicht so, das er nicht mehr atmete, oder sich nicht mehr bewegen konnte, er fühlte sich einfach nicht mehr. Hatte er bisher immer seine eigene kleine Welt gehabt, die ihm Sicherheit gab, so war es nun so wie er sich den tot vorstellte. In der tat spielte der Junge nun oft ein anderes Spiel. Er zog seine besten Kleidungsstücke an , legte sich in sein Bett und zog die Decke über den Kopf. Seine Mutter bemerkte das etwas nicht stimmte, bezog es aber darauf, das der Junge mit ansehen musste wie der trinkende Vater sie schlug. Der Junge klagte auch nie sein leid, weil er meinte, das sie ihn dann verlassen könnte, weil er so viel ärger bereitete. Von diesem Tag an folgte der Junge immer den Wünschen und Anforderungen die die Menschen an ihn hatten und reagierte nur noch.
Er bemühte sich in der Schule der beste zu sein, er bemühte sich es den Erwachsenen recht zu machen, damit er nur nicht auffiel. An Altersgenossen orientierte er sich nicht.
Als der Junge fast vierzehn war veränderte sich etwas. Der Vater trank und schlug immer mehr. Manchmal war kein Geld da, für ein sättigendes Essen und seine Mutter verzweifelte immer mehr. Irgendwie sah er, das auch sie dabei war zu sterben. Die Angst um seine Mutter wuchs immer weiter und er beschloss, beim nächsten Angriff auf seine Mutter, diese waren inzwischen nicht nur Schläge , sondern bestanden auch darin das seine Mutter gegen ihren Willen bereit sein musste ihrem Mann eine Frau zu sein, was der Junge mehr als einmal mitbekam, sich gegen seinen Vater zu wenden. Er nahm das große Küchenmesser aus der Schublade und versteckte es zwischen seinen Büchern und er war bereit es zu nutzen. Er war ja schon tot, das wollte er seiner Mutter ersparen. Er nahm sich vor seinen Vater mit dem Messer ins Herz zu stechen und danach selbst aus dem Fenster zu springen, dann wäre seine Mutter endlich frei.Aber es sollte ganz anders kommen.
Seine Mutter fand das Messer und, obwohl sie keine Antwort bekam, was das Messer zwischen den Büchern sollte, hatte sie wohl die Antwort geahnt. Einige Abende später drohte der Mann, das er jetzt kommen würde um Geld zu holen und das sie schon mal die Polizei rufen könne, wenn sie keins hätte. Natürlich war er sehr betrunken und so war klar, was passieren wird. Die Mutter nahm den Sohn auf das sie das Haus schnell verlassen, doch durch ein Fenster war der Mann schon zu sehen, wie er auf die Tür zu ging. Sie würden die fünf Etagen nie schnell genug schaffen und ihm somit in die Arme laufen. Völlig in Panik rannten der Junge und seine Mutter auf den Dachboden des Hauses, der als Trockenboden und Lagerraum genutzt wurde, wo jede Wohnpartei einen kleinen verschlossenen Bretterverschlag hatte. An einem Verschlag fehlte das Schloss und so versteckten sich die zwei unter Unrat und Gerümpel und hörten zu, wie der Vater schrie, sie verfluchte und die Wohnungseinrichtung zertrümmerte. Es war Februar und es war Kalt, nur knapp über Null Grad und die beiden versteckten sich über Stunden dort. Einmal kam der Mann, das Wort Vater brachte der Junge schon lange nicht mehr mit ihm in Verbindung, auch auf den Dachboden aber es war zu dunkel und so fand er sie nicht.
Die Flucht endete bei einem Onkel des Jungen, dem Bruder seiner Mutter, der ihnen Schutz und Unterkunft gab.
Von nun an ging das Leben anders weiter. Der Mann fand sich damit ab, das die Familie fort war und nahm sich eine andere Frau. Die Mutter war sehr fleißig und nahm eine Arbeit an und der Junge wurde der "Mann im Haus". Immer noch versuchte er seiner Mutter nie eine Last zu sein und stellte seine Wünsche hinten an. In dem neuen Mietshaus lebten viele gleichaltrige Jugendliche, den dazu war der Junge inzwischen geworden, doch obwohl er gerne etwas mit ihnen unternommen hätte, versagte er sich das, da sie manchmal etwas wild waren und auch Dinge taten, die ihnen verboten waren, wie heimlich rauchen und Alkohol trinken. Er wollte doch nicht das seine Mutter Kummer seinetwegen hatte.So vergingen die Jahre und alle Schulkameraden hatten Freundinnen nur er nicht. Er war immer das "fünfte Rad" am Wagen und blieb lieber alleine. Natürlich wusste er auch bescheid darüber, das die Paare nicht nur knutschten, aber er war überzeugt, dass seine Zeit schon kommen würde. Bis dahin würde er halt das tun, was alle in dem Alter wohl taten und alleine waren, um sich Befriedigung zu verschaffen. Als er knapp 18 Jahre war fand seine Mutter einen neuen Ehemann. Dieser war ein solider Beamter und bot ihr Sicherheit und Wohlstand. Der junge Mann, denn das war er inzwischen, freute sich für seine Mutter und ganz langsam bekam er wieder Hoffnung, das es auch ein Leben für ihn geben könnte. Seine Mutter heiratete und bald schon bezogen sie gemeinsam ein Einfamilienhaus in einer "guten Gegend". Zu dieser Zeit hatte der Junge Mann gerade sein Abitur gemacht und konnte einen fast vergessenen Kindheitstraum war machen und zur See fahren. Er liebt das Meer und sein Traum, ja inzwischen erlaubte er sich wieder welche zu haben, war es Kapitän zu werden. In dieser Zeit des wieder ins Leben kommen, entdeckte der junge Mann, das er die Körper von Männer viel schöner fand wie die von Frauen. Da er aber mitbekommen hatte wie seine Mutter und vor allem sein Stiefvater dazu standen, sagte er ihnen das aber nicht, besonders weil er fürchtete, das der Stiefvater seine Mutter dann verstoßen könnte und diese wieder arm sein müsste. Allerdings war er unvorsichtig gewesen, und als er von einer Seereise zum Heimaturlaub kam lag da ein Katalog mit "heißer Wäsche" für Männer den er bestellt hatte, nur das er von seiner Mutter aus dem neutralen Umschlag gezogen wurde. Sie fragte ihn ob er einer von diesen da, sie zeigte dabei auf zwei Männer auf dem Deckblatt des Katalogs die sich an der Hand hielten, sein würde. An diesem Tag starb er zum zweiten mal.
Das Muster war wie beim ersten Mal. Er tat nur noch was von ihm erwartet wurde. Sex gab es nur mit der Hand und auch nur mit schlechtem Gewissen. Mit 27 Jahren findet er eine Frau, die ihn fasziniert und er glaubt wirklich, das die Sehnsucht nach Männern nur eine Phase war. Es folgen erste sexuelle Erfahrungen mit ihr und das er das als nichts besonderes empfindet schiebt er auf seine Unerfahrenheit. Mit 31 Jahren heiratet er diese Frau. Er arbeitet viel und gibt mindestens 120 % , seiner Frau erfüllt er alle Wünsche wenn er es nur irgendwie realisieren kann. Er kauft ein Haus, schenkt ihr zwei Pferde und macht neben seinem Job noch Haushalt. Freunde und Hobbys hat er schon lange vernachlässigt. Seine Frau liebt ihn sicher, aber er fühlt nichts nur Druck. Das macht ihm Angst. Er macht Fehler und wird unsicher. Er wird gefragt was los ist und bekommt so gespiegelt, das seine Unzulänglichkeit offen liegt. Als er das bemerkt sieht er nur einen Weg, warum auch nicht, ist es doch nur konsequent auch physisch aus dem Leben zu gehen, wenn man seine Seele schon lange für tot hält.
Der Busfahrer hatte gute Reaktionen und der Mann Glück in seinem Unglück. Es folgte ein Klinikaufenthalt in einer Fachklinik für "Burn out" Patienten. Er war sehr lange da und wurde als nicht geheilt entlassen. Erst viele Monate später hatte er mit Hilfe seines Psychologen wieder zurück in die Umwelt gefunden. In den vielen Gesprächen wurde ihm klar, das er sich bisher in seinem Leben hat leben lassen. Das war eine schmerzhafte Erkenntnis! Aber nun hat er sich ein etwas vorgenommen. Nun endlich wollte er sein Leben!
ER wechselte seinen Arbeitgeber, der ihm sehr zugesetzt hatte und versuchte seiner Frau zu erklären, das ihm klar geworden ist, das er schwul ist, diese ignoriert diese Information einfach und unterbindet jeglichen Versuch das Thema zu besprechen. Im Reich der unbegrenzten Möglichkeiten stößt er auf die Seite von CO30 die jemand aus Münster betreibt. Er schreibt dort seine Geschichte in kurzer Form auf und ist überrascht über den regen Zuspruch, der ihn ermutigt nicht aufzugeben.Und so kommt es, das er kurze Zeit später mit einem sehr engagierten lieben Mann zu einem Treffen fährt. Dort trifft er einige andere schwule (ex) Ehemänner und auch Väter und ist überrascht über den offenen Umgang miteinander und die tolle Stimmung, man kann sagen er fühlte sich wohl und bestätigt. Endlich war er zurück im Leben!
Noch voller Mut und Tatendrang durch das besuchte Treffen meldete er sich auf den "blauen Seiten" an und diesmal meinte es das Schicksal gut mit ihm. Keine zwei Monate nach dem Treffen der CO30er hatte er seinen "Prinzen "gefunden und ist bis heute mit ihm glücklich. Der Abnabelungsprozes von seiner Frau läuft nur schleppend, aber sein Partner unterstützt ihn, ohne ihn zu drängen. Seine Frau hat die bisherige Haltung beibehalten, was ihm sehr zusetzt, denn auf eine andere Weise liebt er sie immer noch, wenn auch nicht mehr als Partnerin.
Und damit wären wir wieder am Anfang. Wieder gab es ei Treffen und ich war nach zwei Jahren wieder dabei. Der Begleiter von damals war der Einladende. Zum Teil sah ich alte Bekannte wieder, was mich sehr freute, aber auch "neue" Menschen konnte ich kennen lernen, die ich ohne Ausnahme, sofort mochte. Zwei der Männer haben einen wirklich "bekloppten" Film gemacht, der wirklich zum wegbrüllen lustig war und ich durfte mit zusehen. Ich fand das klasse, denn es vertiefte für mich das Vertrauensverhältnis noch zusätzlich. Die zwei agierten in roten Damenkleidern und mit Schleppen vor der Kamera und mir blieb fast die Luft weg vor erstaunen aber auch lachen, als plötzlich und ohne eine Vorahnung ein anderes Bild vor mir auftauchte. Ich nahm den Bildschirm nicht mehr war, sondern sah meinen ganz persönlichen Film. Der Film mit einem kleinen Jungen in Mutters rotem Kleid, wie er im Elternschlafzimmer unbeschwert spielt und dann... .
Etwa eine Stunde Einsamkeit und Tränen habe ich gebraucht um mich wenigstens soweit zu sammeln, damit ich noch ein knappes Tschüß für diese lieben Menschen zusammenbekommen habe. Ich war am Ende meiner Kraft, nie hätte ich gedacht, das so etwas passieren würde und ich entschuldige mich bei allen die auf dem Treffen waren für mein schlechtes Benehmen. Bitte tragt es mir nicht nach. Schon im Wegfahren sah ich die beiden "Filmstars" am Haus, wie sie betroffen zu mir sahen und so habe ich nochmal durchgeatmet und bin zu ihnen und habe versucht mein Verhalten zu erklären. Ich danke beiden für das was sie sagten und taten.
Warum ich diese Geschichte hier schrieb? Ich denke es ist eine von vielen Lebensgeschichten und es war mir wichtig aufzuzeigen, das es für jeden von uns nur ein Leben gibt (aber viele Möglichkeiten sich tot zu stellen). Es tut verdammt weh, solche Erinnerungen erneut zu durchleben, aber es zeigt auch das ich fühle und das ich lebe. Ich LEBE!
Danke an euch alle, die mich bisher unterstützt haben und die zu mir halten. Allen "Neulingen" auf CO30 kann ich nur schreiben, kommt zu den Treffen und nutzt eure Chance!