Hallo zusammen,
das Treffen bei Fred war zwar klein, aber fein. Ich habe es sehr genossen. Ich bin am Freitag angereist und habe unser Mitglied Balo (B.) aus dem Raum Gießen mitgebracht. Wir sind die A45 und später A1 nach Bremen gefahren und hatten dadurch viel Zeit, schon einmal ins Reden zu kommen, was sehr angenehm war. Eher unangenehm war allerdings die Tatsache, dass am Freitagnachmittag vor Pfingsten das halbe Ruhrgebiet auf dem Weg an die Nordsee war. Dadurch dauerte die Fahrt doch deutlich länger, aber alles verlief glatt.
Bei Fred in Osterholz angekommen, lernten wir seinen Mann H. kennen, einen sanften, freundlichen Frühsechziger mit hintergründigem trockenen Humor und entwaffnendem Lächeln. Auch war bereits George85 dort, der auch dort oben wohnt. Etwas später dann kamen zwei gute Freunde unserer Gastgeber, He. und N., dazu, die wie Fred und sein Mann permanent als Paar zusammen leben. N. war ein ruhiger, nachdenklicher Typ, der nicht so viel sagt, aber dann richtig. Und He. war eher extrovertiert, ein wenig feminin und sehr mitteilsam. Damit war die Runde für diesen Abend vollständig.
Anmerkung: Natürlich kennen wir uns jetzt alle weitgehend mit Namen, aber dennoch werde ich diesen Bericht weiter in anonymisierter Form schreiben, obwohl dabei ein Teil der persönlichen Note verloren geht. Aber die Anonymität hat ja ihren Sinn als Schutzfunktion und wird hier von mir nicht aufgegeben werden.
Der erste Abend war zum Eingewöhnen. So viele Schwule an einem Tisch war in gewisser Weise wirklich gewöhnungsbedürftig, weil wir Neulinge uns erst mit deren offen schwuler Verhaltensweise zurecht finden mussten. Aber wir haben uns an diesem Abend schnell akklimatisiert, was dem offenen Umgang miteinander geschuldet war und begannen, uns so richtig zu Hause zu fühlen.
Der Samstag war total verregnet, was dazu führte, dass wir unsere Fahrt nach Hannover zum CSD abbliesen. Es hätte wirklich wenig Sinn gehabt, dort im Regen zu stehen. Stattdessen standen Einkaufen und Küchenvorbereitungen für den Abend auf dem Programm, an dem gegrillt werden sollte. So fand ich mich denn am Nachmittag mit Fred in der Küche bei Vorbereitungen, während B. und H. draußen eine Runde drehten. Mir ging dann auf, was wir hier taten: Normalität üben. Ich habe zu Fred gesagt, dass es geradezu therapeutisch sei, neben ihm in der Küche zu stehen und Gemüse klein zu schneiden. Und das war es auch. Wir haben 3 Tage geübt, dass es keinen Unterschied zu anderen gibt, außer unserer Präferenz für männliche Partner.
Am frühen Nachmittag kam dann noch Tubular Bells (T.) dazu, damit war die Gruppe komplett. George, He. und N., die ja alle in der Gegend leben, kamen am Abend wieder und nachdem der Regen fast aufgehört hatte, konnten wir den Grill anschmeißen. Fred hatte Schweinesteaks mariniert und ich hatte fränkische Bratwürste mitgebracht, es gab diverse Salate und Fladenbrot und alle griffen kräftig zu.
Gegen 21 Uhr dann ging es in die Bremer Innenstadt, wo wir in ein Schwulenlokal gehen wollten, das KL. Zu unserem Leidwesen war es aber gesteckt voll und die Musik an diesem Abend war ESC von mehreren Großbildschirmen. Wir beschlossen deshalb, in ein anderes Lokal zu gehen, die Bronx. Das ist ein Lokal für Lederschwule, nur waren keine da. Immerhin ein freundlicher und recht attraktiver Barkeeper, aber ansonsten waren wir die einzigen. Das gab uns den Mut, den vorhandenen Darkroom zu inspizieren, der aber sauber geputzt und ohne männliche Gerüche daherkam, halt muffig, wie ein ganz normaler Keller, mit ein paar ungewöhnlichen Einrichtungsgegenständen
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Gegen 2 Uhr früh waren wir wieder in Osterholz und nach einem kurzen Absacker in unseren Betten.
Am Sonntag waren wir trotzdem gegen 9 am Frühstückstisch. George stieß dazu und wir fuhren nach Cuxhafen, um dort das Watt und die Promenade zu besichtigen. Das Wetter war aber immer noch so kühl, dass wir auf das Watt verzichteten und uns lieber in ein Café zurück zogen. Immerhin erstand ich ein leckeres Krabbenbrötchen als Wegzehrung.
Für den Abend war George verdonnert, uns sein philippinisches Reisnudelgericht mit unaussprechlichen (aber sehr leckeren) Frühlingsrollen zu kochen. Ich machte den Fehler, meine Dienste anzubieten und durfte einen Bund Karotten schälen und fein hobeln. Aber die Mühe hat sich gelohnt! Ich werde das bestimmt nachkochen! He. und N. stießen wieder dazu und wir hatten ein entspanntes und appetitliches Abendessen.
Danach ging es nach Bremen zur Pink Party im Modernes. N. fühlte sich zu müde und wollte nicht mit, aber He. kam mit uns. He. ist Friseurmeister und nachdem Fred ihn bat, ihm die Haare mit Gel zu richten, schaute er mich fragend an und ich ließ ihm dann freie Hand. Es kannte mich dort eh niemand, also was soll’s? Aber das Ergebnis war recht ansprechend. Wieder was dazu gelernt!
Lieber He., schönen Dank von dieser Stelle! Jedes bisschen hilft! Wenn ich wieder nach Bremen komme, mache ich vorher einen Friseurtermin bei Dir! Das will ich erleben!
Wir waren eigentlich zu früh zur Pink Party, aber so konnten wir uns einen guten Platz sichern. Es dauerte auch nicht lange und die Tanzfläche begann sich zu füllen. Nicht jeder von uns war tanzbegeistert, aber 4 gingen gleich hinunter, mich eingeschlossen, und den Rest des Abends waren wir häufiger dort als an unserem Stehtischchen. Die Stimmung im Saal wurde immer besser und es war richtig was los. Zum Symbol für den Abend ist für mich der Song von Icona Pop, „I don’t care – I love it“ [
www.youtube.com] geworden, denn der Refrain gibt mein Gefühl für das Wochenende perfekt wieder. Und man kann wunderbar dazu tanzen. Es läuft im Hintergrund, während ich dies hier schreibe und ich bin wieder dort.
Das Publikum war recht gemischt, ein paar Heteropaare, eine ordentliche Zahl Lesben und jede Menge schwule Männer in allen Altersklassen. OMG. Das Gefühl war wieder da, das ich schon vom Club78 hatte. Ich bin nicht allein! WIR SIND VIELE, SEHR VIELE! Wir sollten uns nicht durch überkommene politische und gesellschaftliche Konventionen an einen Rand drängen lassen, den es nicht gibt. Wir sind mitten drin.
Gegen 3 sind wir dann doch gegangen, ich durchgeschwitzt aber glücklich. Zu Hause (ja, ich habe mich zu Hause gefühlt!) haben wir noch einen Absacker genommen. Ich habe den gebraucht, denn ich bin selbst gefahren und habe deshalb bis auf ein frühes, kleines Becks nichts getrunken. Habe ich auch nicht gebraucht, auch das ein Stück Erfahrung. Ich musste von dem High aber wieder runter, sonst hätte ich nicht schlafen können. Erregt, erschöpft, den Kopf voller Bilder und Musik ... Gegen 4 waren Fred und ich die letzten, die zu Bett gingen.
Trotzdem waren wir schon recht früh wieder auf, H. ist sowieso Frühaufsteher und wenn nebenan der Espressoautomat loslegt, dann bin auch ich wach. Aber es hat zu den angenehmen Seiten dieses Wochenendes gehört, zwischen 8 und 9, im Nachthemd und noch ungewaschen, am Esstisch entspannt eine gemütliche erste Tasse Kaffee zu trinken. Das hat was. Normalität halt wieder.
Fred hat uns zum Abschied Bacon and Scrambled Eggs gemacht, English Breakfast als Vorbereitung für eine lange Rückfahrt. Wir sind aber erst um 12 rausgekommen. B. ist wieder mit mir gefahren und es gab viel zu besprechen, viele Gedanken über das Wochenende auszutauschen.
Jetzt muss es sacken, die Wirkung wird eine Zeit brauchen, um sich zu entfalten. Eines ist aber sicher: I don’t care – I love it! Ich komme gerne wieder! Und wer sich von Euch in den Süden verirrt, wagt es nicht, hier einfach vorbei zu fahren!
Ich danke Euch!
Schöne Grüße
Volker
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 23.01.20 21:05.