Hallo in die Runde,
Ich bin neu hier im Forum, habe voller Mitgefühl und Kopf-Nicken schon vorab viele Einträge gelesen und möchte nun mutvoll einen Einblick in meine Geschichte geben.
Ich habe erst vor kurzem das bunte Licht der Welt erblickt, damit möchte ich sagen, dass ich im Mai diesen Jahres mein Coming out als lesbische Frau vor der Familie und vorab vor Freunden hatte. Ich bin 36, bin noch verheiratet mit einem Mann und habe 2 gemeinsame Kinder mit ihm.
Es brodelte schon sehr sehr lange unter der Oberfläche, denn bereits als Teenager habe ich gemerkt, dass ich auf Frauen stehe. Das Konstrukt in dem ich aufwuchs war allerdings zu eng und meine erste Zuneigung zu einer Frau stoß auf absolute Ablehnung (das war in der besagten Teenie-Zeit) und ich selbst hatte nicht das (Selbst-)Vertrauen zu mir und meinen Gefühlen zu stehen.
In den Jahren nach dieser erfolglosen Liebeserklärung flüchtete ich mich in den Leistungssport, der schon nach kurzer Zeit 7 Tage die Woche einnahm. Damit wollte ich meine Gefühle „wegtrainieren“. Doch diese Kompensationsstrategie wehrte nicht lang, ich erkrankte im Alter von 23 Jahren psychisch. Das war der Punkt an dem meine Seele das erste Mal rebellierte. Auch das war - so wie ich heute weiß - weil ich mir absolut verbot zu meinen Gefühlen zu stehen, geschweige denn meine Gefühle zu Frauen auszuleben.
Mit 24 Jahren lernte ich dann meinen Mann kennen. Er gab mir zu jener Zeit halt und das Gefühl geliebt zu werden. Und natürlich die Sicherheit der heteronormalen Welt. Das Gefühl angenommen zu werden war für mich elementar wichtig, denn aus dem familiären Kontext kannte ich nur, dass ich geben muss, wenn ich etwas bekomme.
In den Jahren mit meinem Mann verliebte ich mich natürlich weiterhin in Frauen. Kurz vor unserer Hochzeit deutete ich ihm gegenüber an, dass ich Gefühle für eine Frau hatte. Ich hatte allerdings nicht den Mut und immer noch nicht das Vertrauen in mich zu mir und meiner Zuneigung zu stehen und mich von meinem Mann zu trennen. Und für meinen Mann war ich die große Liebe. Somit lief meine Leben heteronormativ weiter - ich bekam 2 Kinder von ihm und wir kauften vor 3 Jahren gemeinsam ein Haus. Es lief soweit gut, bis ich mich schließlich in eine Arbeitskollegin verliebte und ich absolut nicht mehr wusste wohin mit mir, meinen Gefühlen und meiner Welt.
Der Schmerz (mit Schmerz meine ich das ich einerseits vollkommene Schmetterlinge im Bauch spürte und andererseits mir dies selbst so verbat) saß so tief, dass ich suizidal wurde. Ich sah keinen Ausweg für „mein Problem“.
Meine Rettung war der Weg in eine psychiatrische Klinik und anschließend der Beginn einer ambulanten Psychotherapie vor 2 Jahren, die ich bis heute fortsetze. Das Vertrauen in die Therapeutin war von Anfang an so groß gewesen, dass ich ihr „mein Problem“ bereits in der 2. Sitzung schilderte.
Drei oder vier Dutzend Sitzungen später hatte ich nun (wie gesagt im Mai diesen Jahres) mit dem zusätzlichen Hintergrund eine Frau kennen- und lieben gelernt zu haben endlich den Mut mein Coming out vor der Familie und Freunden zu vollziehen. Leider dauerte die Liebe ihrerseits nicht mehr an. Das positive daran war: dass ich seither meinen Weg gefunden habe und ihn nun gehe.
Ich empfinde diese „neue Welt“ als offen, frei und für mich richtig. Kennt ihr dieses Gefühl auch? Wie ging es euch nach dem Coming out mit der Gefühlswelt? War das auch überwältigend?
Gerne würde ich mit euch darüber ins Gespräch kommen,
Liebe Grüße meinerseits