Ich bin eine 38-jährige alleinerziehende Mutter von 2 Kindern. Mein Exmann hat mich vor 6 Jahren verlassen und ist bald darauf mit seiner neuen jüngeren Freundin zusammengezogen. Meine Strategie, um weiter funktionieren zu können, war Verdrängung. Vor drei Jahren dann kam der große Zusammenbruch... Burnout, schwere Depressionen, Selbstverletzungen, Suizidversuch. Ich war monatelang in Psychiatrien, in Tageskliniken und bin natürlich in ambulanter Psychotherapie. Sehr sehr lange kämpfe ich ums Überleben, gegen die Überforderung, Verzweiflung, Hoffnungslosigkeit und Selbsthass. Ich versuche wirklich zu glauben, dass ich einen Selbstwert habe, mein Verstand sagt mir das schon. Doch ich fühle es nicht. Ich suche so sehr nach Dingen, die mir Freude oder die mich glücklich machen, aber ich finde nix. Die innere Leere möchte einfach nicht weichen. Ich lebe sozial komplett isoliert. Bis auf eine Freundin, die ich hin und wieder zulassen kann, einer Familienhelferin, meiner Psychologin und natürlich meiner beiden Kinder (inzwischen 9 und 12) treffe ich kaum noch Menschen. Da kam mir Corona gerade recht.
So langsam in klitzekleinen Minischritten kriege ich meinen Alltag wieder gewuppt. Doch Freude spüre ich immer noch nicht. Ich mache mir Sorgen um meine Zukunft. Meine Kinder fragen mich, ob ich denn nicht mal wieder einen Mann will, aber meine Antwort ist ganz klar: Nein! Ich muss mich erstmal selbst lieben, bevor ich wieder lieben kann. Aber einsam fühle ich mich schon. Ich merke, dass mir ein Diskussionspartner zu Erziehungsfragen fehlt, denn mit einem 12-Jährigen kann es selbst ohne Depressionen zur Belastungsprobe werden. Ich war jetzt lange gewollt allein. Und dann passierte es.... Bei einem online-Informationsabend der Schule sehe ich diese bildhübsche intelligente taff wirkende Frau auf meinem Bildschirm. In den folgenden Nächten und Tagen befallen mich Gedankenblitze wie flashbacks...
Als Teenager liege ich im Bett neben meiner besten Freundin. Es ist so eine Anspannung in der Luft... Ich möchte sie küssen, so ein Verlangen habe ich noch nie gespürt. Aber ich trau mich nicht.
Bei einem Spieleabend mit meinem Ehemann (kurz vor dem Beziehung-aus) kommt es zum Kuss mit meiner Freundin. Erst ist es ein "Pflichtkuss", doch irgendwann kann ich mich fallen lassen und verliere mich. Diese Zärtlichkeit und das gleichzeitige wilde Verlangen kannte ich nicht. Es war atemberaubend. Dieser Kuss hat mich noch lange beschäftigt und meine Phantasien mit meiner Freundin beflügelt.
Doch auch diese Erinnerung war dann irgendwann ausgelöscht.
Etwa ein Jahr nach der Trennung fand ich mich völlig betrunken in einem Vierer wieder. Ich hatte nur Augen für die Frau.
Das könnten alles nur Phasen gewesen sein, oder ich wäre eben bisexuell? Es hat mich jedenfalls nicht weiter beschäftigt, passt ja nicht in mein "Lebensmodell".
Doch was ist jetzt anders? Ich kann es nicht beschreiben. Ich habe plötzlich das Gefühl, ein Puzzle gelöst zu haben.
Ich habe mein Leben lang versucht zu funktionieren und perfekt zu sein. Habe mir nie Fehler geleistet, oder habe es eben versucht. Mein Exmann war mein erster Freund, mein erstes Mal. Ich hatte keine Vergleich, ich war zufrieden. Doch die große sexuelle Leidenschaft spürte ich nie.
Leute.... Ich weiß nicht mehr genau, wie ich zu diesen Gedanken kam, was ja auch Symptom der Depression ist... Und ich kann es noch weniger erklären. Es ist nur so, dass ein kleiner Teil da schon öfter darüber nachgedacht hat, ob ich auf Frauen stehe und diese Gedanken erhärten sich gerade massiv.
Vielleicht habe ich mein Leben lang nur eine Rolle gespielt.. Die perfekte Schülerin, die perfekte Familienmanagerin... Vielleicht fühle ich mich deshalb so leer?
Doch eins ist mir auch klar. Ich weiß nicht, ob ich den Mut finde, mich zu öffnen. Mir ist mein gesamter Mut, meine Hoffnung und Zuversicht in den letzten Jahren abhanden gekommen. Ich weiß nicht, wie es weiter geht. Und ich habe Angst, dass der Suizid wieder als attraktive Lösung erscheint.
Ich werde mich wohl zumindest meiner Therapeutin öffnen müssen und das werd ich auch.
Ich bin jetzt einiges losgeworden und überlege noch, ob ich einiges kürzen oder rausstreichen soll.... So wie ich es bei meiner Therapeutin auch gern mache. Ich bin noch nicht bereit, dass schwarz auf weiß zu sehen.
Tut mir leid, ihr merkt, wie durcheinander ich bin und was da so los ist in meinem Kopf.
Wie habt ihr gemerkt oder seid euch sicher darüber geworden, dass ihr homosexuell seid?
Liebe Grüße