Inzwischen bin ich 52 Jahre alt, es wird Zeit sich damit auseinander zu setzen, wer ich eigentlich bin. Das bin ich mir und den Menschen im meinem Umfeld schuldig, die mich wohl auch nur teilweise kennen, weil ich einen wesentlichen Teil von mit immer im Verborgenen gehalten habe.
Die letzten 28 davon habe ich in einer Beziehung mit einem Mann verbracht, mit dem ich so etwas praktiziert habe, das man wohl "eine Familie gründen" nennt. Wir sind in den Jahren durch viele Höhen und Tiefen gegangen. Im Kern hat uns wohl aber eine tiefe Freundschaft verbunden, die uns auch heute noch trägt, durch eine Zeit in der wir und als WG aufstellen und unseren Bekanntenkreis und unsere Familie reinholen in das was die neue Qualität ist.
Doch eigentlich fing die Geschichte schon an, bevor wir überhaupt ein Paar wurden. Ich war in Anna verliebt. Dass es schön war auf allen Ebenen ist unnötig zu erzählen. Aber leicht war es nicht. Ich brachte es nicht fertig mich zu outen, zu groß war meine Angst vor meinen Eltern (was sich später auch leider bestätigt hat) und vor dem was kommen könnte. So ging unsere Beziehung nach einiger Zeit auseinander, weil ich mich meinen Ängsten nicht stellen konnte.
Nach einigen Affären lernte ich dann meinen Partner kennen. Er bot mir Normalität und wir fingen an, ein gemeinsames Leben zu führen. Es gab mir einen Schutzraum und wir hatten eine tolle Zeit miteinander, in der wir uns aber mit den Jahren zunehmend blockierten. Ein zunehmendes Problem für mich war es körperliche Nähe herzustellen. Dann kam bereits vor einigen Jahren der Punkt, an dem ich bemerkte, dass ich tatsächlich Frauen liebe, auch wenn ich es immer, so weit es ging, von mir fern gehalten hatte, konnte ich mich der Erkenntnis nicht mehr entziehen. Schon damals habe ich dieses Forum gefunden und mitgelesen.
Den Schritt heraus habe ich nicht machen können, doch zunehmend hat mich die Situation in meinem Alltag blockiert und behindert, bis sich eine Krise ankündigte, die zur Trennung führte. Jetzt kann ich nur noch sagen: mich gibt es ohne outing nicht mehr. Auch wenn es spät kommt und ich immer noch nicht uneingeschränkt positiv in meine Zukunft sehen kann, weil damit in meinem Alter die Sorge steigt wenig Akzeptanz zu finden und viel Einsamkeit erleben zu müssen. Doch für dieses Gefühl der Befreiung und des unendlichen Glücks endlich einem wesentlichen Teil meiner Selbst näher gekommen zu sein, will ich das gerne in Kauf nehmen, wenn es so kommt.