Hallo!
Ich möchte mir mein momentanes „Problem“ von der Seele schreiben. Es ist keine Coming Out-Sache. Es geht eher in die Tendenz „absolute Beginner“, aber wurscht, von der Altergruppe her sollte es passen: Ich bin 31 Jahre alt und schwul. Bedingt durch viele Faktoren hab ich – abgesehen von einem einzigen Kuss – keinerlei Erfahrungen. Ich habe während meiner Jugendzeit bei einer Größe von 173cm 116kg gewogen. Ab 2003 habe ich dann radikal abgenommen und halte das Gewicht (65kg) auch. Hauptantrieb war meine Homosexualität nach dem Motto „wenn du nicht dünner wirst, kannst du es gleich vergessen“. Ich habe danach eine OP durchführen lassen (und selbst zahlen müssen), um die hängende Haut entfernen zu lassen. Ich dachte: jetzt hast du Chancen verbessert, es wird bald passieren...aber Fehlanzeige. Alle haben mich zu dieser "Leistung" des Abnehmens beglückwünscht, aber mir kam es wie Hohn vor.
Nach meinem erfolgreichen Studium war an Kontakte, Freizeit und Spaß nicht zu denken. Da es in Deutschland für mich keine Jobs gab (vor genau dieser Situation habe ich jahrelang Angst gehabt), machte ich mich mit meinem letzten Geld in einem ganz anderen Winkel des Landes selbstständig. Weil Deutschland ja so unheimlich boomt, bin ich baden gegangen. Es kam mir vor, als wenn ich 24 Stunden am Tag gegen den wirtschaftlichen und sozialen Untergang kämpfen musste. Abend wollte ich nur noch meine Ruhe haben; und am nächsten Tag ging es genauso weiter. Meine letzte Hoffnung war eine Auswanderung nach Österreich. Hier kam ich mit 29 berufsmäßig (komischerweise) sofort unter. Es ist zwar für österreichische Verhältnisse kein toller Job, aber zumindest habe ich überhaupt was und kann einigermaßen leben. Der Gang nach Österreich war einer der wenigen Dinge, die ich in meinem Leben richtig gemacht habe. Wäre ich hier aufgewachsen, wäre mein Leben anders verlaufen, da bin ich mir sicher!
Freundschaften (bis auf eine einzige) oder sonstige soziale Kontakte habe ich über die Jahre nie aufbauen können, da ich immer um meine Existenz kämpfen musste. In diesen „besten Jahren“ habe andere ihren Spaß, während ich immer außen gestanden hab. In sexueller Hinsicht habe ich mir über die Jahre einen Panzer zugelegt. Habe mir über die Jahre (und tue das heute teilweise noch) eingeredet, dass ich quasi über den Dingen stehe und damit nichts zu tun haben muss und Liebe, Freundschaft und Sexualität nur was für Weicheier seien.
Ich war seit ich 13 bin nur einmal richtig stark in einen Bekannten verliebt. Dies war zu Schulzeiten...natürlich war der Freund hetero und hat danach den Kontakt abgebrochen. Es ist komisch: viele haben ja Probleme mit ihrem Coming-out oder der Homosexualität an sich. Dies habe ich gar nicht. Jedem, der mich danach fragt, schenke ich reinen Wein ein. Ich habe selbst eine Buchveröffentlichung über dieses Thema gehabt.
Bei Gayromeo habe ich nie Glück gehabt; ich wurde mehr oder weniger ignoiert. Trotz Gewichtsabnahme, trotz aller Versuche, etwas aus sich zu machen. Ich habe es akzeptiert, aber nie verstanden. Ich versuche alle Erwartungen nach bestmöglich zu erfüllen; und trotz „reicht“ es nicht, während mit „weniger Aufwand“ ihr Ziel (sowohl beruflich als auch privat) und teilweise scheinbar spielend erreichen. Dies zieht sich durch mein ganzen Leben; ich komme mir manchmal vor wie verflucht vor.
Seitdem ich 30 bin bröckelt die Fassade. Ich werde zunehmend empfindlicher bei diesem Thema. Kam es früher nur mal gelegentlich hoch, ist es besonders im letzten Jahr immer belastender geworden. Mir rennt einfach die Zeit davon.
Seit einigen Tagen bin ich komplett down. Anlass ist ein ehemaliger Arbeitskollege, der auch schwul ist. Bis letztes Jahr war ich sein Vorgesetzter. Ich fand ihn ganz süß, habe aber versucht, dies vom Job raus zuhalten und mehr oder weniger Distanz zu waren. Er ist einige Jahre jünger als ich. Wir sind komplett verschieden, aber mir liegt seine Art halt sehr. Was das Sexuelle angeht, war er extrem offen und aktiv, und hat mir dann zum Ende „alles“ erzählt, weil er wahrscheinlich auch meine Neugier gespürt hat. Er hat dann ganz plötzlich gekündigt, die Stadt verlassen und ist in einen ganz anderen Teil von Österreich gezogen. Der Kontakt war dann weg, was ich immer bedauert habe. Ich hatte indirekt immer gehofft, dass wir mal was zusammen unternehmen könnten, und er mir sozusagen „zeigt“, wie man sich in der „schwulen Welt“ zurechtfindet.
Vor einigen Tagen hat er mich dann per Whatsapp sehr freundlich angeschrieben und haben uns erst über Politik, Job etc. unterhalten. Nach einiger Zeit kam wir dann wieder auf die anderen Themen zu sprechen. Er hat mir Fotos von seinen Eroberungen geschickt und mir alles bis ins Detail beschrieben. Gleichzeitig habe ich ihm von meinen Sehnsüchten und Problemen erzählt, die ich noch nie mit jemandem geteilt habe .Er hat mir dann auch von seinem neuen Wohnort berichtet und mich zu ihm eingeladen. Da war es um mich geschehen! Es kamen bedenkliche und bedrohliche Gefühle auf, die nur bei dieser Sache mit dem Schulkollegen erlebt hatte. Parallel dazu schrieb er mir genau, wie r wann mit wem Sex hatte. Ich habe ihm dann nach langem Hin- und Her geschrieben, dass ich ihn sehr mag, er mich aber löschen soll, weil unsere Bekanntschaft wegen meiner eigenen Dummheit kaputtgehen würde.
Er hat mir dann, wenn auch sanft, zu verstehen gegeben, dass wir nur „Freunde“ sind und ich nicht sein Typ bin. Innerlich bin ich danach zusammengebrochen. Er hatte teilweise in einer Woche fünf verschiedene Typen, die er bei Gayromeo kennengelernt hatte. Das finde ich eigentlich sehr abstoßend. Er hatte auch schon was mit Asylanten, mit denen er nicht einmal auf Deutsch sprechen kann. Nichts gegen diese Menschen, aber ich kam und komme mir so wertlos vor. Wieder ist es die alte Masche: Ich kann machen was ich will, es klappt nichts! Ich könnte ein Model mit Nobelpreis sein und würde abgelehnt werden. Trotz seiner Geschichten: Ich hatte so gehofft, dass es jetzt endlich passt.
Wir haben dann trotzdem noch stundenlang uns in der Nacht geschrieben und auch geskypt. Nachdem er mir zwei Tage nicht geschrieben hatte, bin ich fast schon panisch geworden, habe ihn verflucht. Ich hatte das Gefühl, der hätte mich auf einmal geblockt, weil er nicht online war. Vor einigen Stunden hat er dann ganz normal geschrieben...ich war extrem erleichtert.
Er meinte zuvor wegen der sexuellen Probleme von mir nur, dass ich mir zu viele Gedanken machen würde. Ja, ich habe Angst ausgelacht zu werden. Wenn ich jemanden kaum kenne, kann es doch durchaus sein, wie ein Fetzen behandelt zu werden!
Weil er schon mit so vielen Typen Sex hatte, aber ich ihn gefragt, ob er es komisch finden würde, wenn jemand mit 31 noch nichts gehabt hätte. Er meinte dann „ja, obwohl ich es bei dir verstehen kann. Nimm das nicht böse.“ Auf meinen weiteren Einwand, dass ich halt zu viele Makel für schwulen Sex hätte, hat er mir einige Bilder (teilweise echt romantisch) von sich und seinem Exfreund (der einzige mit dem er länger zusammen war) geschickt. Mich traf fast der Schlag. Der hatte im Prinzip meine frühere Figur und wog ca. 115 Kilo; also das Gewicht, dass mich so belastet hatte und mich fast in den Selbstmord getrieben hätte, während „mein Freund“ mit 170cm und 60cm sehr klein und zart ist (was ich sehr mag). Ich kam mir wieder verarscht und verhöhnt vor, obwohl er mir immer wieder Mut zugesprochen hat. Er meinte auch, man würde mir anmerken, dass mir etwas fehlen würde und dass ich, wenn wir auf meine Kussgeschichte (siehe oben) zu sprechen kämen, richtig aufblühen würde.
Bin gespannt wie es jetzt weiter geht, aber meine Stimmung wird momentan eher immer schlechter. Ich werde im August 32 Jahre und es ist nichts in Sicht. Ich könnte weinen; und tue es im Moment auch gelegentlich.
Es mag - wie mein ganzer Beitrag - kindisch klingen, aber wäre ein Pille auf dem Markt, die sämtliche Gefühle abtöten würde, ich wäre der erste Kunde!
Danke fürs Zuhören!
LG
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 02.06.16 21:57.