Hallo an Alle,
wollte mal meine Geschichte niederschreiben.
Ich hatte mein Coming Out Ende 2014. Zu diesem Zeitpunkt 43 Jahre, verheiratet (mit einer Frau) und zwei Kindern. Zuerst hat es meine Ehefrau erfahren. Erwartungsgemäß hat sie jetzt keine Luftsprünge vor Freude gemacht. Wie es dann weiter geht erzähle ich euch später.
Mir war eigentlich schon im Teenageralter klar, das ich auf Jungs stehe. Hatte auch mit 14 meine ersten Erfahrungen mit einem gleichaltrigen. Ganz klassisch im Zeltlager. Auch später mal immer wieder und die zwölf Monate bei der Marine waren einfach toll!!!!
Aber alles war immer heimlich. Aufgewachsen in einem kleinen Dorf an der Mosel (wohne heute immer noch dort), war das alles nicht so akzeptiert. Man wusste von zwei Männern im Ort die Schwul waren und es wurde immer getuschelt. Also hab ich meine Sexualität erstmal für mich behalten. Ich hatte einfach nicht genügend "Eier in der Hose".
Für meine Zukunft hatte ich andere Vorstellungen als mir das Schicksal später gespielt hat.
Mit 23 wollte ich, nach Ausbildung und Bund, bei meinen Eltern ausziehen. Wurde ja auch Zeit.
Dann stirbt mein Vater von heute auf morgen und alles sieht wieder ganz anders aus. Mir wurde von allen Seiten, Familie (meine Mutter ausgenomen) besonders von meinem Bruder, Freunden usw. gesagt, das ich meine Mutter jetzt nicht allein in dem großen Haus lassen könnte. Mein Bruder (10 Jahre älter) konnte sich ja schön rausreden, er hatte ja seine eigene Familie.
Also richtete ich mich so gut es ging ein. Es war ja auch ganz bequem. Hotel Mama und ich hatte meine eigene Wohnung im Haus. Sie hat halt auch nicht alles mitbekommen. Hatte aber mit 25 noch nicht eine Beziehung gehabt. Natürlich kamen da immer wieder Fragen wie es denn mit den Frauen aussieht. Dann habe ich mich halt ziemlich wählerich gezeigt und das die Richtige noch nicht dabei war.
Dann irgendwann lernte ich meine Frau kennen. Zuerst war sie für mich ein wirklicher Kumpel.
Mit ihr konnte man super feieren (machen wir hier an der Mosel sowieso ganz gerne) und war auch sonst sehr unkompliziert. Für sie war ich die große Liebe, für mich war es erstmal nur ein Alibi.
Wir waren ca. 8 Monate ein "Paar", dann finde ich morgens meine Mutter im Alter von 60 Jahren tot in ihrem Bett. Für mich brach eine Welt zusammen. Silvia war für mich da. Und wieder auf das drängen meines Bruders ist sie so nach und nach bei mir eingezogen. Wirklich darüber gesprochen hatten wir nie.
Zu deisem Zeitpunkt hatte ich meine Homosexualität total ausgeblendet.
Klar kam das was kommen muss. Wir haben geheiratet, bekamen zwei Kinder und waren eine Familie........
.....natürlich kamen auch meine Gefühle für Männer wieder. Aus Angst habe ich diese halt nur im Internet ausgelebt. Auch hat meine Frau hat mich dabei sogar zweimal "erwischt"; aber nie mit mir darüber gesprochen. 2012 kam dann halt der Knall. Ich wurde mit Hubschrauber ins Krankenhaus geflogen. Verdacht Herzinfarkt!!! Zum Glück war mein Herz in Ordnung. Hatte alles psyschiche Ursachen. Wen wunderts? Wenn man seine wahre Identität unterdrückt!!! Die Folge: Medikamente und Psyschotherapie.
Dann kam der 28. Dezember 2014. Ich war am Vorabend mit einem Kumpel Party machen und bin erst so gegen fünf nach Hause gekommen. Sie hat mir mal wieder ne riesen Szene gemacht und ist dann Nachmittags mit den Kids zu Verwandschaft gefahren.
Da hatte ich viel Zeit zum nachdenken. Ich bin's ins Internet und stoße auf diese Seite. Was ich hier gelesen habe, gab mir die Kraft für mein Coming Out. Am 28. Dezember 2014 um 19.48 sagte ich meine Frau drei Worte die unser Leben verändern sollten: "ICH BIN SCHWUL"!!!!!!!
Nun, wie geht's dann weiter? Erst haben wir mal eine Woch gar nicht darüber gesprochen. Jeder sollte sich Gedanken machen wie die Zukunft aussehen könnte und sich verschiedene Optionen überlegen.
Einfach so weiter Leben wie bisher? Große WG? Trennung?
Natürlich ist es zu einer Trennung gekommen. Ich habe ihr in ihrem Elternhaus das Dachgeschoss ausgebaut. Dort ist jetzt eine tolle 120 qm Wohnung mit großem Balkon. Während der Umbauphase haben wir noch ein halbes Jahr zusammen gewohnt ohne uns die Köpfe einzuschlagen. Es gab immer wieder Spannungen. Keine Frage. Auch hat es nicht zur Erleichterung der Situation beigetragen, das ich mich im April 2015 in den tollsten Mann verliebt habe, und wir seitdem ein Paar sind. Aber wie Silvia damit umgeht. Hochachtung!! Auch eine Scheidung kommt für uns zur Zeit nicht in Betracht. Hab da ne wirklich tolle Frau geheiratet. Mittlerweile hat sie auch einen neuen Partner. Der tut ihr wirklich gut.
Finde es immer wieder toll, wie gut wir uns trotz der ganzen Geschichte verstehen.
(sorry hab gerade Tränen in den Augen)
Auch unsere Kinder (11 und 8) wissen über den jeweiligen Partner Bescheid. Kennen diese und akzeptieren das, und mögen die jeweiligen Partner auch. Auch weil sie wissen, das es die Beziehung zwischen ihren Eltern nicht ändert, daß wir beide für sie DA sind.
Hoffe das bleibt so (Pupertät).
Die Chancen stehen nicht schlecht, das meine Frau meine beste Freundin wird und ich ihr bester Freund.
Mein Freund und meine Frau verstehen sich mittlerweile auch sehr sehr gut. Am 1. Januar 2016 kam ich ins Krankenhaus wegen einer Trombose im Bein. Dort stellte man eine lebensbedrohliche virusbedingte Herzmuskelentzündung fest. Es war wirklich kurz vor knap. Und beide haben zusammen sich gegenseitig Mut gemacht.
Wollte einfach nur mal erzählen das ein Coming Out nicht gleich im Scheidungskrieg endet.
Liebe Grüße
Armin
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 26.02.16 17:12.