+40 (besser gesagt fast 50) und es ist schwierig

Für mich war Sexualität immer ein sehr schwieriges Thema. Zu Hause wurde es totgeschwiegen. Zusätzlich habe ich gesundheitliche Probleme, die mein eigenes Körperbild schon immer stark beeinflusst haben. Eines der gesundheitlichen Probleme ist auf hormoneller Basis. Die Pubertät wurde nicht automatisch ausgelöst, da die Hypohphyse nicht richtig arbeitete. Seit ich etwa 12 bin, bekomme ich Testosteronspritzen. Meine eigenen Hoden sind nie gewachsen und blieben immer im vorpupertären Stadium stehen. Wegen allen diesen gesundheitlichen Problemen und dem andauernden Mobbing in der Schule hatte ich auch psychische Probleme.

Mit etwa 17 "verliebte" ich mich in einen älteren Jungen. Damals hätte ich es mir aber nie zugestanden, dies auch nur im entferntesten auszudrücken. Doch heute, dreissig Jahre später, weiss ich wohl, dass ich verliebt war. Im Laufe der Jahre merkte ich, dass ich nicht "nur schwul" oder nicht "nur hetero" bin. Doch wohin sollte ich nun mit meinen Gefühlen und Bedürftnissen? Eine Beziehung hatte ich bis heute nicht, lediglich zweimal Dates mit Frauen. Das erste unschuldige Date mit Händchen halten war vor etwa 18 Jahren oder so. Das zweite Mal, dieses Mal war es eine Date+, war vor etwa drei Jahren.

Ausser bei diesem Date+ hatte ich bisher leider nur seltene Male bezahlten Sex, fast nur mit Frauen. Meine sexuellen Fantasien beziehen sich interessanterweise aber vorallem auf Männer und Shemales. Wenn es um die Gefühle geht und um die Frage, mit wem ich eine Beziehung haben möchte, kommen mir da fast nur Frauen in den Sinn. Doch ich habe auch bemerkt, dass sich diesbezüglich meine Einstellung in den letzten Jahren auch ein wenig geändert hat. Anfänglich war die Vorstellung einer Liebesbeziehung mit einem Mann ein absolutes No Go, heute bin ich da offener. Meine Umgebung wäre es wohl aber nicht.

Eine zusätzliche Schwierigkeit ist zudem, dass es mir im Leben allgemein ungeheur schwer fällt, Kontakte aufzubauen und meine "emotionale Rüstung" fallen zu lassen. Obwohl ich an vielen Orten dabei bin in meiner Freizeit, bin ich doch oft sehr alleine.

Die Erfüllung meiner Wünsche und Lüste bleibt seit sehr langer Zeit total unerfüllt.

Hallo Thomas,

danke für das Teilen deiner Geschichte.

Das Thema mit dem Kontakt und der emotionalen Rüstung hat glaube ich zu 99,9% jeder Mann, der merkt, dass er (auch) auf Männer steht.
Wir wurden nun mal leider mit einem sehr toxischen und überholten Männerbild erzogen.
Der Mann ist das starke Geschlecht, er darf keine Schwäche (also keine schwachen Gefühle zeigen), muss funktionieren etc...
Dumm nur, dass die Natur auch uns Männern die Fähigkeit gegeben hat zu fühlen.
Ich hab dieses Dilemma vermutlich wie die meisten hier dadurch gelöst, einfach aus dem Kontakt mit meinen eigenen Gefühlen zu gehen und nur noch im Kopf zu leben. So brauchte ich meine Gefühle zwar nicht mehr fühlen, hat aber auf lange Sicht mehr Probleme verursacht als gelöst. Ich hab einfach niemanden mehr an mich ran gelassen.

Um dir aber Mut zu machen, die Fähigkeit wieder in Kontakt mit sich und andern zu kommen und den emotionalen Schutzpanzer Stück für Stück abzubauen kann in jedem Alter wieder erlernt werden.

Ohnehin ist das ja auch Grundvoraussetzung für ein freies Leben. Wenn du dich selbst nicht spürst, dann spürst du auch deine Bedürfnisse nicht. Dann machst du alles von deinem Umfeld abhängig. Wenn du dann denkst, sie könnten mit deiner Sexualität nicht umgehen ist es ja logisch, dass das ein großes Problem ist.
Wenn du aber lernst, voll bei dir zu sein anstatt bei den anderen, dann wird die Reaktion des Umfelds egal, weil du ja dann dich hast und fühlst und besser selbst bestimmten kannst, wo es dich hinzieht, ohne von deinem Außen und der Meinung anderer abhängig zu sein.

Geh den Schritt und lerne lerne das Fühlen wieder es lohnt sich defintiiv.

Michael Kensy
Coming-out Coach
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Guten Morgen

Wann weiss ich, dass ich bi bin? Oder doch nur hetero mit einem Kink für Männer? Bisher ist es ja fast nur eine Fantasie.

Was überhaupt ist ein Coming Out? Ist es. Ur, es sich einzugestehen? Oder ist es öffentlich? Sich getrauen, Kontakte zu anderen Männern aufzubauen mit dem Hintergedanken, auch mal intim zu werden?

Danke.

Hallo Thomas,

ob du jetzt schon ein Label brauchst (oder überhaupt) und welches das sein wird, das ist zum einen dir überlassen und wird zum anderen in der Regel erst im Laufe deiner weiteren Entwicklung klarer.
Du bist in jedem Fall queer, also nicht hetero. Das wiederum trifft vermutlich auf 100% der Bevölkerung zu

Sexualität ist ein Spektrum. Ob du jetzt 90% der Frauen und nur 10% der Männer, 70% aller Frauen und 70% aller Männer, 50% 50% oder 99% / 1% attraktiv findest spielt am Ende keine Rolle. Wichtig ist nur, dass du klar sagen kannst: "Der gefällt mir", "Der ist nicht mein Typ", "Die finde ich toll", "Die macht gar nichts mit mir".

Für menschliches Denken ist es natürlich einfacher, so ein fließendes Spektrum in Kategorien einzuteilen und diesen Namen zu geben. Notwendig ist das nicht, aber durchaus hilfreich, dann Kategorien geben auch eine gewisse Sicherheit. Das heißt aber nicht, dass du das jetzt schon festlegen musst oder, dass sich das nicht noch mal ändern kann, wenn du mehr über dich selbst erfahren hast.

Was Coming-out angeht: Coming-out ist in seinem ursprünglichen Verständnis "aus den Schrank herauskommen" also sich selbst bewusst werden, dass man queer ist (also irgendetwas anderes als hetero) und sich somit innerlich von gesellschaftlichen Normen befreit hat, die nicht zu einem passen.
Heutzutage kann man durchaus das innere Coming-out ("Ich werde mir meiner Sexualität bewusst) und das äußere Coming-out ("Ich teile meinem Umfeld meine sexuelle Orientierung mit) unterscheiden.

Ich hoffe das hilft dir erstmal weiter.

LG
Michael

Michael Kensy
Coming-out Coach
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2-mal bearbeitet. Zuletzt am 02.07.23 14:13.