Ich bin froh und Dankbar dieses Forum gefunden zu haben. Seit ein paar Tagen habe ich schon einige Geschichten hier gelesen und mich hier und da wieder gefunden. Von einem Coming Out bin ich noch weit entfernt. Aber ich bin verunsichert, weil ich mit 53 Jahren andere Seiten an mir entdecke, die mir nicht neu sind, ich sie aber rückblickend anders wahrnehme und ich mich frage, ob ich Schwul bin und es nie selbst gemerkt habe.
Schwul war, wie bei so vielen, in meiner Jugend als negativ angesehen worden, als anormal. Tatsächlich interessierte ich mich in der Pubertät eher an Mädchen, meine ersten sexuellen Erfahrungen machte ich allerdings mit einem Jungen. Es war keine Verliebtheit dabei, so tat ich es später ab, als Phase der Neugier, wie sie viele Jugendliche, ob Hetero- oder Homosexuell, erlebt haben. Später erlebte ich oft, das ich oft als Schwul identifiziert wurde, obwohl ich mich nicht als solcher empfunden habe. Ich hatte bis Zu meinen 24. Lebensjahr noch keine Freundin gehabt, reicht das aus, um als Schwul zu gelten? Woran erkennt man Schwule? Das war die Frage mit der ich mich da schon oft beschäftigt hatte und erkannte, zumindest selten an den Klischees. Irgendwann entstanden in mir schon Fantasien, wie es wohl wäre wenn jemand in mir drin wäre, oder wie ist das, einen Mann zu küssen!? Beziehungen zu Frauen hielten nie lange, erst war da so eine Verliebtheit, die schnell verblasste. Sexuell war es irgendwie nie erfüllend. Ansonsten galt ich für die meisten Frauen eher als Kumpel, denn als möglicher Partner. Als ich zu der Zeit das erste mal ein Schwulen-Magazin mit Nacktbildern von Männern in der Hand hielt, erregte mich der Anblick schon mehr als ich gedacht hätte. Ein bis dahin unbekanntes Gefühl. Ich vermutete in solchen Situationen, das wäre normal, kommt halt mal vor, vergleichbar mit dem, was ich in der Pubertät erlebt habe.
Mit 37, ich war schon länger Single, überwand ich mich und gab meiner Neugierde nach. In einschlägigen Portalen suchte ich den Kontakt zu Männern. Es ging dabei nur um Sex, es war auch noch sehr von Unsicherheit begleitet, nicht perfekt, aber es war auch schön. Trotzdem schämte ich mich, war es jetzt eine Ersatzbefriedigung, oder bin ich das? Bis ich meine jetzige Frau traf, bin ich mit vier Männer im Bett gewesen. Ab da war es dann vorbei. Wir heirateten nach relativ kurzer Zeit, ich habe ihr auch vermittelt,das ich Bi bin. Von meinen Kontakten habe ich ihr nie etwas erzählt. Ich liebe sie, auch heute noch, aber sexuell ist es doch wieder anders. Nach zwei, drei Jahren versuchte ich schon wieder, nicht mit ihr schlafen zu müssen, Sex ja, aber bloss kein Geschlechtsverkehr. Auch hatte ich immer das Gefühl, mir fehlt etwas, bis ich irgendwann dann doch auf den blauen Seiten landete und mich anmeldete. Es ergab sich auch was, aber den letzten Schritt des Fremdgehens bin ich nie gegangen, bekam doch immer wieder kalte Füße. Ich habe immer wieder diese Phasen gehabt, bis heute, in dem ich mich irgendwo anmeldete um Kontakt zu Männern zu bekommen. Weiter ging es bislang nie. Ein Dilemma. Ein Schlüsselerlebnis ergab sich im Umkleideraum eines Fitnessstudios, als ein Junger Mann nackt mit dem Rücken zu mir stand und es mich dermaßen erregte, das es hätte schon sehr peinlich werden können. Dieser Moment hat mich dann in den letzten vier Jahren total durcheinander gebracht. Mit meiner Frau habe ich in den vergangenen zwei Jahren so gut wie gar nicht mehr geschlafen. Wie ich es schon beschrieben hatte, Sex haben wir, aber keinen Gv. Ich vermisse es auch nicht und meine Frau verhält sich zurückhaltend in der Frage. Manchmal habe ich das Gefühl, sie ahnt etwas. Für Frauen interessiere ich mich immer weniger, allerdings schaue ich Männern auch nur selten bis gar nicht nach. Dieses Jahrelange hin und her, diese Suche nach der eigenen Identität macht Mürbe. Sich zu verstecken und nicht das Warum zu wissen. Ein niemals endender Prozess, so scheint es. So tut es wirklich gut, einmal etwas aufschreiben zu können.Ist nur ein Teil von dem, was ich noch schreiben könnte, aber es tat Sau gut.
Mit vielen Grüßen aus Hannover