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Dieser ewigwe Prozess!

geschrieben von daedalus 
Dieser ewigwe Prozess!
19. Dezember 2020 00:09
Ich bin froh und Dankbar dieses Forum gefunden zu haben. Seit ein paar Tagen habe ich schon einige Geschichten hier gelesen und mich hier und da wieder gefunden. Von einem Coming Out bin ich noch weit entfernt. Aber ich bin verunsichert, weil ich mit 53 Jahren andere Seiten an mir entdecke, die mir nicht neu sind, ich sie aber rückblickend anders wahrnehme und ich mich frage, ob ich Schwul bin und es nie selbst gemerkt habe.
Schwul war, wie bei so vielen, in meiner Jugend als negativ angesehen worden, als anormal. Tatsächlich interessierte ich mich in der Pubertät eher an Mädchen, meine ersten sexuellen Erfahrungen machte ich allerdings mit einem Jungen. Es war keine Verliebtheit dabei, so tat ich es später ab, als Phase der Neugier, wie sie viele Jugendliche, ob Hetero- oder Homosexuell, erlebt haben. Später erlebte ich oft, das ich oft als Schwul identifiziert wurde, obwohl ich mich nicht als solcher empfunden habe. Ich hatte bis Zu meinen 24. Lebensjahr noch keine Freundin gehabt, reicht das aus, um als Schwul zu gelten? Woran erkennt man Schwule? Das war die Frage mit der ich mich da schon oft beschäftigt hatte und erkannte, zumindest selten an den Klischees. Irgendwann entstanden in mir schon Fantasien, wie es wohl wäre wenn jemand in mir drin wäre, oder wie ist das, einen Mann zu küssen!? Beziehungen zu Frauen hielten nie lange, erst war da so eine Verliebtheit, die schnell verblasste. Sexuell war es irgendwie nie erfüllend. Ansonsten galt ich für die meisten Frauen eher als Kumpel, denn als möglicher Partner. Als ich zu der Zeit das erste mal ein Schwulen-Magazin mit Nacktbildern von Männern in der Hand hielt, erregte mich der Anblick schon mehr als ich gedacht hätte. Ein bis dahin unbekanntes Gefühl. Ich vermutete in solchen Situationen, das wäre normal, kommt halt mal vor, vergleichbar mit dem, was ich in der Pubertät erlebt habe.
Mit 37, ich war schon länger Single, überwand ich mich und gab meiner Neugierde nach. In einschlägigen Portalen suchte ich den Kontakt zu Männern. Es ging dabei nur um Sex, es war auch noch sehr von Unsicherheit begleitet, nicht perfekt, aber es war auch schön. Trotzdem schämte ich mich, war es jetzt eine Ersatzbefriedigung, oder bin ich das? Bis ich meine jetzige Frau traf, bin ich mit vier Männer im Bett gewesen. Ab da war es dann vorbei. Wir heirateten nach relativ kurzer Zeit, ich habe ihr auch vermittelt,das ich Bi bin. Von meinen Kontakten habe ich ihr nie etwas erzählt. Ich liebe sie, auch heute noch, aber sexuell ist es doch wieder anders. Nach zwei, drei Jahren versuchte ich schon wieder, nicht mit ihr schlafen zu müssen, Sex ja, aber bloss kein Geschlechtsverkehr. Auch hatte ich immer das Gefühl, mir fehlt etwas, bis ich irgendwann dann doch auf den blauen Seiten landete und mich anmeldete. Es ergab sich auch was, aber den letzten Schritt des Fremdgehens bin ich nie gegangen, bekam doch immer wieder kalte Füße. Ich habe immer wieder diese Phasen gehabt, bis heute, in dem ich mich irgendwo anmeldete um Kontakt zu Männern zu bekommen. Weiter ging es bislang nie. Ein Dilemma. Ein Schlüsselerlebnis ergab sich im Umkleideraum eines Fitnessstudios, als ein Junger Mann nackt mit dem Rücken zu mir stand und es mich dermaßen erregte, das es hätte schon sehr peinlich werden können. Dieser Moment hat mich dann in den letzten vier Jahren total durcheinander gebracht. Mit meiner Frau habe ich in den vergangenen zwei Jahren so gut wie gar nicht mehr geschlafen. Wie ich es schon beschrieben hatte, Sex haben wir, aber keinen Gv. Ich vermisse es auch nicht und meine Frau verhält sich zurückhaltend in der Frage. Manchmal habe ich das Gefühl, sie ahnt etwas. Für Frauen interessiere ich mich immer weniger, allerdings schaue ich Männern auch nur selten bis gar nicht nach. Dieses Jahrelange hin und her, diese Suche nach der eigenen Identität macht Mürbe. Sich zu verstecken und nicht das Warum zu wissen. Ein niemals endender Prozess, so scheint es. So tut es wirklich gut, einmal etwas aufschreiben zu können.Ist nur ein Teil von dem, was ich noch schreiben könnte, aber es tat Sau gut.
Mit vielen Grüßen aus Hannover
Re: Dieser ewigwe Prozess!
19. Dezember 2020 11:16
Hallo Daedalus und willkommen hier im Forum.

Es ist schön, dass du den Weg hergefunden hast, gelesen hast und auch deine Geschichte aufgeschrieben hast.
Deine Geschichte spricht mich sehr an, da meine eigene auch von dieser endlosen Unklarheit geprägt war. Ich glaube für mich im Nachhineien, dass ich einen Teil dieser Unklarheit auch selbst immer wieder herbeigeführt habe. So lange es keine "Gewissheit" gab, musste ich mich ja auch zu nichts bekennen. Bis ich gemerkt habe, dass diese "Gewissheit" nur in mir selbst zu finden ist.
Dieses Forum und der Chat haben mir sehr dabei geholfen auf mich zu hören und zu dem zu stehen, was ich wirklich bin: Schwul.
Wie dein Weg zu mehr Gewissheit aussieht, musst du herausfinden, aber hier gibt es Leute, die dir gerne dabei helfen.
Schau auch öfter im Chat vorbei. Da ist zwar derzeit nicht so oft was los, aber immer mal wieder versuchen.
LG
Franz
Re: Dieser ewigwe Prozess!
19. Dezember 2020 19:35
Herzlich Wilkommen daedalus,
dieser ewige Prozess - ja das ist er. In so vielen Lebensläufen schon gelebt und doch immer wieder neu.
Es sind auch immer wieder die Ähnlichkeiten - so auch bei mir. Ich versuche diese einfach mal stichprobenartig aufzuschreiben.

bin verunsichert, weil ich mit 53 Jahren andere Seiten an mir entdecke/ ob ich Schwul bin und es nie selbst gemerkt habe.
Ich war damals Mitte 40 - und es fühlte sich so unwirklich und doch richtig an.

meine ersten sexuellen Erfahrungen machte ich allerdings mit einem Jungen.

Es war in meiner Augen "nur" Neugierde - und bis 17 darf man diese Erfahrung ja machen. Ab 18 geht das nicht mehr. Geschweige denn mit anderen Jungs.

Ich hatte bis Zu meinen 24. Lebensjahr noch keine Freundin gehabt - ich war auch schon 23 smiling smiley

Ansonsten galt ich für die meisten Frauen eher als Kumpel, ...und meine damalige Frau, hatte auch eher den "Kumpeltyp mit dem ich Pferde stehlen konnte"

Auch hatte ich immer das Gefühl, mir fehlt etwas, ja, da ist es wieder, dieses Gefühl, da möchte etwas erforscht werden.

Ein Schlüsselerlebnis ergab sich - hier hat und hatten viele eins - In meinem Fall war es der liebenwerte junge Caot - in anderen Fällen, der Arbeitskollege - der Nachbar - der zufällig getroffen Mann der einem irgendiwe nicht aus dem Kopf geht. usw usw.

Für Frauen interessiere ich mich immer weniger, allerdings schaue ich Männern auch nur selten bis gar nicht nach. Mich interessierten andere Frauen, nach dem ich meine gefunden hatte nicht. Verstand auch nicht, wie andere Männer anderen Frauen, zum teil sabbernd hinterher schauen konnten.
Auch verstand ich nicht, das sie zum Teil damit pralten auch andere Frauen zu treffen. Monogamie war und ist mir heilig.
...und anderen Männer hinter her schauen - auf dem Auge war ich wohl blind bzw lies es einfach nicht zu.

Nach meinem co war es schon befreien - auch mit meinen co30-freunden - gemeinsam andere Männer zu begucken. So macht sogar Fußballgucken wieder spaß spinning smiley sticking its tongue out

Ich habe keine Ahnung wie Du ins Gespräch mit deiner Frau kommen kannst. Immer hin weis sie von deiner "bi-Ader". Und einen Vorteil hast Du ja auch, das Du noch nicht fremd gegangen bist. Das kann hilfreich sein.
Wie deine Frau reagieren wird - nach der Verabreitung der neuen möglichen Situation - weis auch keiner. Immerhin hat sie dann die Möglichkeit eigenen Entscheidungen zu treffen.
Und in vielen Fällen geht es insgesamt dann doch gut aus. Mann liest halt nicht so oft davon, weil es ja "gut" ist.

Ich wünsche Dir hier einen regen Gedankenaustausch und viellecht kann es im nächsten Jahr auch wieder co30-Treffen geben. Denn diese Treffen haben Vielen auch nochmal den richtigen Schwung in Ihrem Leben gegeben.

GLG Maks
Re: Dieser ewigwe Prozess!
20. Dezember 2020 20:07
Hallo Daedalus,

schön das du hergefunden hast und auch den Mut hattest zu schreiben.

Kann jetzt nur von mir sprechen , ich denke es gibt viele Menschen die sich gar nicht so ohne weiteres in ein gängiges Muster einordnen lassen . Bei mir ist das auch so. Es war und ist immer noch ein Prozess der sich ändert.
Wie du bin ich auch jenseits der 50 inzwischen . Denke wenn ich "nur" lesbisch wäre hätte ich das viel früher gemerkt bzw. hätte gar keinen Sex mit Männern haben wollen. Mit Mitte 40 habe ich mich in eine Frau verliebt und dabei festgestellt das Sex mit einer Frau viel besser sein kann.

Heute sehe ich das wieder etwas anders , man lernt immer neue Seiten an sich kennen. Macht mir aber keinen Stress mehr .
Die Suche danach wo ich eigentlich hingehöre , die mich lange umgetrieben hat habe ich beendet . Ich gehöre zu den Menschen die mich lieben und die ich liebe. Schluss aus...und der Rest ist egal.

Vielleicht bist du auch jemand der nicht zwingend auf die eine oder andere Seite gehört ...denke es ist dann schwerer seine Präverenzen klar erkennen zu können .
Bei manchen Menschen hört die Suche wohl auch nicht auf , kommt nur immer mal wieder zur Ruhe .

Wünsche dir alles gute und weiter einen netten Austausch .
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