Schwieriges Thema.
Ich habe mal in einem anderen Zusammenhang ein paar "Eigenschaften" zusammengefasst, die für mich "typisch" Männlich sind:
Wut, Zorn, Verlangen, Begierde, Aggression, Aktivität, Brutalität, Gradlinigkeit, Fürsorge, Behutsamkeit, Schutz, Galanterie, Freundschaft, Loyalität
Damit ist nicht gemeint, daß Frauen diese Eigenschaften nicht hätten oder haben könnten oder daß jeder Mann sie hätte, sondern daß ich die Beherrschung dieser Elemente für einen Mann so wie ich einer sein möchte und so wie ich auch gerne einen hätte, für ideal halte (und erst recht ist damit nicht gemeint, daß ich all diese Werte konsequent verinnerlicht hätte).
Seit dem Wochenende würde ich "Vorsicht" und "Instinktsicherheit" noch dazu nehmen, die man(n) dringend kultiviert haben sollte.
Emotionen abzuspalten ist kein Phänomen, das auf Sex beschränkt ist. Ich habe Zeit meines Lebens Emotionen zurückgehalten, je nach Situation eben. Nur die Wut habe ich nie in den Griff bekommen - was ein immerwährendes Problem zwischen meinem Vater, der für meine Ausbrüche kaum Verständnis aufbringen konnte (also nicht für das Gefühl sondern für die Art, wie ich sie äußerte - aber trenn' das mal als Teenager), und mir war. Spuren verwischen, nicht auffallen, nicht anecken... Alles Prinzipien, die ich von klein auf eingeübt habe und bei denen ich erst seit ca. 10 Jahren versuche, sie abzulegen. Übrigens in völlig verschiedenen Situationen, aber das Muster ist halt immer das gleiche.
Und ja - auch wenn es mir gerade auf extreme Weise um die Ohren geflogen ist - auch für mich ist Sex vorallem ein Spiel. Ob das nun damit zusammenhängt, daß meine Sexualität aufgrund der "falschen" Abzweigung vor 25 Jahren schlicht nicht ausreifen konnte oder ob der Spieltrieb einfach zu meiner Persönlichkeit gehört (im Moment fühle ich mich wie ein 15jähriger im Körper eines 75jährigen), konnte ich bisher noch nicht herausfinden.
Das Thema "Nackheit" ist bei mir auch doppelt besetzt. Auf der einen Seite war ich seit meiner Einschulung ein extrem prüdes Kind. Gemeinschaftsduschen waren für mich bis weit in die Oberstufe ein handfestes Problem, weil mein Selbstbewusstsein im Grunde überhaupt nicht vorhanden war. Das änderte sich erst in einem Sportkurs in dem ich nur mit sehr wenigen Jungs war, die ich alle gut kannte und denen ich traute, drehte sich dann wieder um 180° und wurde erst wieder besser, als meine Kinder geboren waren und ich sagen konnte "ich bin über 30 - ich muss diese Konkurrenzspiele nicht mehr mitmachen" und "es kann mir völlig egal sein, was andere über mich denken - es hat gereicht um die Kinder zu zeugen und bisher hatte noch jeder seinen (zu dieser Zeit eher "jede ihren"
Spaß". Heute traue ich mich vor allem wegen der "verborgenen" Makel nicht mehr so richtig, habe jetzt aber wieder einen Schub, daß ich zumindest ein paar Sachen doch noch in den Griff bekommen möchte, bevor ich in die letzte Kiste steige.
Vom Kopf her bin ich der Meinung, daß jeder Körper so wie er ist, "gut" ist und es keinen Grund gibt, ihn zu verbergen. Allerdings stelle ich an mich auch mittlerweile den Anspruch, mir jede Wertung verkneifen zu wollen. Ausgehend von mir selbst und zu akzeptieren, daß mein Körper seine Macken hat, größtenteils unveränderlich ist (das einzige, was man wirklich variieren könnte, wäre das Gewicht - Haarwuchs, Größe, Augenfarbe, Länge, Nase, Ohren, etc. sind gar nicht oder nur künstlich zu verändern, was ich pers. für größtenteils völlig hirnrissig halte). Natürlich bleibt am Ende jedem einzelnen die Frage überlassen, was man sexuell anziehend findet (und der eine steht vielleicht auf Muskeln, der andere auf Bauch, der dritte auf Pferdeschwänze, der andere auf Kurzhaarfrisuren, der nächste auf 2-Meter-Männer, der übernächste will was für die Handtasche, etc. etc.).
Sich im Klaren zu sein, was man sexuell will, halte ich grundsätzlich für einen Prozess, den JEDER (auch jeder Hetero) mal durchgemacht haben sollte. Daß man beim Spielen auch vorallem diesen Kriterien folgt ist irgendwo logisch.
Aber: Davon darf nicht abhängen, ob man sich in seinem Körper - mit dem man immerhin 24/7/365/65+ verbringt wohlfühlt oder sich nicht traut zu zeigen, weil andere einen hässlich finden könnten (ich hoffe, daß ich das meinen Kindern habe mitgeben können).
Insofern stehe ich auch mit dem Musterungsprozedere ein wenig auf Kriegsfuß. Zum einen sollte man ja davon ausgehen, daß Mediziner schon so viele Nackte gesehen haben, daß sie gelernt haben sollten den Patienten (oder Rekruten) von ihren sexuellen Wünschen zu trennen. Wer schon mal bei einer Darmspiegelung war oder bei einer Prostataabtastung (die ja wohl hoffentlich schon alle hier aktiven Männer kennen) muss da ganz schnell lernen, daß Scham in diesem Zusammenhang keinen Wert an sich darstellt. Zum anderen finde ich aber auch, daß es einem Mann (und da kann ich nur von Männern reden) eigentlich nichts ausmachen sollte, sich auszuziehen eben weil jeder Körper auf seine Art ein perfektes Wunder ist und die Person nur zu einem im Grunde recht kleinen Teil ausmacht.
Von Frauen weiß ich nur, daß eine ganz normale Geburt ähnliche Erfahrungen von Nacktsein, Exponiertsein und notwendiger Schambewältigung auslösen kann.
Ob die mentale Trennung von Emotion und Sex so gesund ist, ist eine andere Frage, die glaube ich nicht pauschal beantwortet werden kann und sehr von der aktuellen Lebenssituation des einzelnen abängt (ich will rein rational z.B. im Moment keine Beziehung - ich weiß aber auch, daß wenn ich mich verliebe, meine Regeln und sonstigen Vorstellungen völlig ungehört verpuffen). Als Phase kann ich mir das durchaus vorstellen, als Lebensmodell eher nicht.
Meiner Erfahrung nach bedarf jeder Mensch der positiven Anerkennung durch andere. Und wenn diese Anerkennung z.B. nur über Geld läuft oder an Bedingungen geknüpft ist (wie das gute Aussehen, der perfekt modellierte Bauch), dann bleibt die Anerkennung auf lange Sicht hohl und unbefriedigend. Ich denke, das könnte tatsächlich eine Gefahr für die eigene seelische Gesundheit werden.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.07.22 16:46.