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sich vor der Familie outen

geschrieben von Jorgito 
sich vor der Familie outen
26. Juli 2014 19:03
hi

ich sitze hier und frage mich... warum ich zu meiner Familie stehen soll..

2003 war ich in China tätig und dort hatte ich die FAXEN dicke und habe einen Brief an meine Eltern und meine beiden Brüder
geschrieben , um zu sagen, dass es mit den FRAUEN nix mehr wird... dass mir Männer besser gefallen...
ich weiß durch meine Nichte, dass es heiße Debatten gab.. dennoch wurde der Brief verschwiegen...
bis heute wird er vor mir ignoriert... ok.. man kann jetzt sagen.. ich habe DON T ASK , DON T TELL praktiziert
oder man kann sagen, ich bin ein feiger Hund...
was meint ihr..`? soll ich oder soll ich nicht...
mein Vater war ein sehr schwieriger Typ, ... WELTEN lagen zwischen uns...
letztes Jahr ist er gestorben... aber selbst jetzt , wo der tyrannische Erzeuger mit Naziideen... tot ist, will niemand
sagen: Jürgen.. du bist mein Bruder.. wie auch immer du gepolt bist...
also nochmals : Ich frage mich, ob ich die GRETCHENFRAGE stellen soll..oder nicht...

Was meint ihr?
Wie argumentiert ihr?

Viele Grüße
Re: sich vor der Familie outen
26. Juli 2014 21:23
Jup.
Gretchenfrage stellen.

Was willst du dich da weiter verstellen? Ist das fair dich und die anderen zu naja nich ganz die Wahrheit sagen?
Außer das ist so angenehm für dich.
Vielleicht trauen sich die anderen ja auch nicht und brauchen mal nen stups in die richtige richtung,.....?

Viel Erfolg! Und alles Gute!
Re: sich vor der Familie outen
26. Juli 2014 23:37
Hallo Jürgen,
hmm, als ich Deinen Beitrag gelesen habe, habe ich erst mal etwas gegrübelt, was ich darauf antworten soll. Mir sind eigentlich nur Fragen eingefallen. Um es gleich zu sagen, die Fragen sind jetzt nicht dazu da, dass Du sie öffentlich beantwortest, aber je nachdem, wie Du sie für Dich beantwortest, ergibt sich daraus vielleicht eine Richtung.

Die erste Frage ist, wie Dein Verhältnis zu Deiner Familie ist? Je enger das Verhältnis ist, desto wichtiger wäre es mir es den Menschen mitzuteilen. Bei mir ist es so, dass ich mit meiner Mutter und meinem Bruder darüber geredet habe und beide haben gut reagiert. Bei meiner Schwester habe ich mal Andeutungen gemacht, aber es ist in den letzten zehn Jahren nie Thema gewesen. Das ist so für mich vollkommen in Ordnung und ich habe auch nicht den Drang das jetzt auf die Tagesordnung zu setzen, dazu sehen wir uns auch zu selten.
Die zweite Frage ist, wie wichtig Dir es ist, Dein Outing mit Deiner Familie zu besprechen?
und wichtiger: Welchen Wunsch hast Du an Deine Familie?
Aus Deinem Beitrag lese ich heraus, dass Du Dir wünschst so angenommen zu werden, wie Du bist.
Die Frage, die sich mir stellt, ob das der Fall sein wird? Im Prinzip wissen es ja alle, sie gehen nur nicht darauf ein. Warum sie darauf nicht eingehen, kann viele Ursachen haben. Es kann sein, dass ihnen alle Themen, die mit Sexualität zu tun haben unangenehm sind. Es kann sein, dass sie Homosexualität ablehnen, das aber Dir gegenüber nicht äußern wollen. Es ist ja auch die Frage, was sie für ein Bild von Homosexuellen haben. Es kann aber auch sein, dass sie warten, dass Du das Thema von Dir aus ansprichst.

Die Kernfrage ist für mich, was willst Du mit einem Gespräch über Deine Homosexualität bei deiner Familie erreichen? Was sind also Deine Motive und Erwartungen an diesen Schritt?

Die Frage ist für mich jedenfalls nicht, ob Du ein feiger Hund bist oder nicht, das bist Du in keinem Fall, sondern: Was möchtest Du? Was brauchst Du, damit Du Dein schwules Leben ausleben kannst? Brauchst Du dazu die Unterstützung oder Billgung Deiner Familie oder geht es auch ohne?
Wie schon anfangs gesagt mir fallen ganz viele Fragen ein und ich wünsche Dir, dass Du für Dich gute Antworten findest.

LG Finn
Re: sich vor der Familie outen
27. Juli 2014 08:15
Re: sich vor der Familie outen
28. Juli 2014 12:01
Hallo Jürgen,

ich schließe mich meinen Vorrednern an.

Aus meiner eigenen Erfahrung gab es da eine Zeit, da hatte ich ein enormes Bedürfnis, es allen zu sagen. Hab ich zum Glück nicht getan, sondern klein angefangen: Zuerst meiner Frau, dann einem alten Schulfreund, zwei Freunden aus meinem SPD-Ortsverein. Die waren mir einfach wichtig und alle haben es gut aufgenommen. Dann war der erste Druck schon weg.

Später kamen dann meine erwachsenen Töchter dazu, aber später nur deshalb, weil sie im Studium woanders leben und ich es ihnen erst bei einem Besuch gesagt habe. Telefon oder Skype kamen nicht in Frage, Brief oder Email schon gar nicht. Noch später hab ich es meiner Schwester gesagt, wiederum bei einem Besuch.

Alle sind Personen, die mir wichtig sind, vor denen ich nicht mit einer Lüge leben möchte. Alle haben es akzeptiert, aber auch dabei geschluckt. Es ist natürlich nicht so, dass ich diesem Personenkreis mein Intimleben offenlege. Meine Homosexualität ist kein regelmäßiges Gesprächsthema. Ich habe auch ganz selten selbst mal das Bedürfnis, darüber zu sprechen. Aber sie wissen es und reagieren auch.

Du weißt ja, dass ich auf Facebook bin. Da habe ich sehr sorgfältig meine schwulen Freunde in einer Gruppe von den Anderen getrennt, damit Posts in diese Richtung von dem Rest meiner Familie, Freunden und Bekannten nicht gesehen werden. Es ist nicht so, dass es mir was ausmachen würde, es macht IHNEN was aus. Sie wollen offen schwule Inhalte nicht sehen. Das respektiere ich. Sonst laufe ich Gefahr, dass sie mich komplett aus ihrer Liste nehmen.

Es ist also eine Sache, als Schwuler von Familie und Bekannten akzeptiert zu werden, aber eine ganz andere Sache, Familie und Bekannte dazu zu bekommen, auch die Begleiterscheinungen zu akzeptieren und darüber zu reden.

Ich lerne, das zu trennen, es würde mich brennend interessieren, wie das die Anderen hier machen. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass solche Themen regelmäßig in der Unterhaltung mit schwulen Bekannten aufkommen. Diese "Wie ist das bei dir?"-Frage beschäftigt sie alle. Es ist gut, sich im Gespräch darüber auszutauschen. Mit der eigenen Familie? Eher nicht.

Also, zurück zu Deiner Frage: Mir kommt es so vor, als würde Deine Familie sagen: "Du hast es uns doch geschrieben, müssen wir jetzt auch noch drüber reden?" Schau, sie haben vermutlich alle die gleichen Probleme, ich kenn das doch: Sie haben pauschale Vorurteile darüber, was das bedeutet, einen schwulen Sohn, Bruder, Vetter etc. zu haben. Sie befürchten, das es heraus kommen könnte und SIE SELBST ihren Sohn, Bruder, Vetter gegenüber Dritten in Schutz nehmen müssten. Das die Nachbarn tuscheln, der eigene Bekanntenkreis sich abwendet. Der Gedanke von gleichgeschlechtlichem Sex erschreckt sie, widert sie an. Ich habe ein-zwei Mal mit meiner Frau darüber gesprochen, aber immer nur unter 4 Augen und bei einem Glas Wein. In passender Atmosphäre, mit einer langen Einleitung, die es erlaubte, tiefer einzusteigen.

Wenn Du Dich ihnen öffnen willst, musst Du sie vorher für Dich öffnen.

Schöne Grüße

Volker
Re: sich vor der Familie outen
28. Juli 2014 12:38
Hi zusammen,

vielleicht habe ich die Ausgangsfrage (warum...) nicht wirklich verstanden. Aber die Fragen von Finn finde ich gut.

Letztendlich würde ich alles unterstützen, was einem selbst gut tut. Ich wollte gerade ergänzen ... wenn es andere nicht verletzt - aber das ist hier fehl am Platze.
Denn ich kann mir gut vorstellen, auch zu verletzen.

Aber von Vorne. Mit meinen Geschwistern habe nie über deren sexuelle Ausrichtung gesprochen, warum also über meine mit ihnen reden (über das Outen hinaus meine ich)?

Wenn ich von meinem Leben erzähle, dann würde ich ein paar nette Rückfragen erwarten. Wenn die nicht kommen, ist das nicht in Ordnung. Deutliches Beispiel sind meine Eltern, die nichts wissen wollen, mir auf meine ausdrückliche Anmerkung, dass sie nicht wissen, wo ich wohne, nicht wissen, wie mein Freund heißt, sagten, dass das nicht zur Debatte stehe, sie hätten ihre Schwiegertochter.

Nun denn, es wird wieder eine Geburtstageinladung kommen und dann sage ich, dass ich meinen Freund mitbringe. Ich bin sicher, meine Mutter wird verletzt reagieren, es ablehnen - nun denn, dann müssen sie eben auch auf mich verzichten. Wird ihnen schwerfallen.
Aber vielleicht ... mit der Zeit ... smiling smiley

LG
Zeev
Re: sich vor der Familie outen
28. Juli 2014 15:23
Hallo Zeev,

Quote
Zeev
(wenn ich es erzähle ...) würde ich ein paar nette Rückfragen erwarten. Wenn die nicht kommen, ist das nicht in Ordnung. Deutliches Beispiel sind meine Eltern, die nichts wissen wollen, mir auf meine ausdrückliche Anmerkung, dass sie nicht wissen, wo ich wohne, nicht wissen, wie mein Freund heißt, sagten, dass das nicht zur Debatte stehe, sie hätten ihre Schwiegertochter.

nun, ich denke das mit dem Erwarten muss man sich auch abschminken. Ich habe gelernt, nicht was ich will, dass sie sollen oder machen, ist wichtig, sondern nur das, was ICH MACHE! ... und nur das kann ich ändern oder beeinflussen.

Wer sich nicht weiter interessiert, wer nicht fragt ... der hat KEIN Interesse ... und damit "juck" ...
Ich frage auch andere Heteros nicht mit wem und wann und warum und was ... es ist mir egal.

Quote
Zeev
Nun denn, es wird wieder eine Geburtstageinladung kommen und dann sage ich, dass ich meinen Freund mitbringe. Ich bin sicher, meine Mutter wird verletzt reagieren, es ablehnen - nun denn, dann müssen sie eben auch auf mich verzichten. Wird ihnen schwerfallen.

JA, das ist richtig. Es LEBEN ... ich habe letztes Jahr auch meinen Freund zur Konfirmation meines Sohnes eingeladen ... was die in der Kirche denken (dass wir mit zwei extra Männern auflaufen) ... was die im Restaurant denken ... oder sonstwo ... es war mir egal!

Es wollte niemand "deswegen" verzichten :-)

Und wer Dich "Zeev" oder Dich "Jorgito" mag, wird merken, dass Du Dich nicht (oder nur positiv) verändert hast, und von daher gerne mit Dir zusammen sein wollen.

Alles Gute!
Lebt!

lg.
Victor
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