Hallo Carlo,
zuerst mal meinen Glückwunsch, dass Du es überhaupt geschafft hast, Dich hier zu melden. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie schwer das ist.
Ich erinnere mich an meine Mittzwanziger, als ich eine schwere Zeit durchlebte, weil mein bester Freund und Studienkollege (hetero, habe nie was mit ihm gehabt), mit dem ich mir eine Studentenwohnung teilte, eine Freundin hatte. Ich erinnere mich an die Abscheu und das stille Entsetzen, das ich empfand, wenn ich sein Bett anschaute und mir bewußt wurde, dass es der Ort des Geschehens mit seiner Freundin war. Ich war damals sehr aufgewühlt und besorgt darüber, dass ich zu einem natürlichen Vorgang ein so verqueres Verhältnis haben konnte.
Deine Beschreibung hat die Erinnerung an die damaligen Gefühle wieder geweckt, ich fühlte mich spontan daran erinnert. Wer oder was hat Dir denn diesen Ekel eingepflanzt? Hat der Ekel mit einer bestimmten schwulen Sexualpraktik zu tun? Du kommst mir vor wie jemand, der sich zutiefst schuldig fühlt dafür, dass er seinem Verlangen nachgegeben hat. Hat Dir Deine Erziehung eine tiefe Abneigung an alles Schwule mitgegeben?
Du schreibst Du hättest Sex mit anderen Männern. Das scheint mir sehr flüchtiger Sex zu sein, nicht wahr? Oder hast Du mal einen Partner gefunden, der sich mehr Zeit genommen hat als bis zum Höhepunkt (viele nennen das sehr abwertend Abspritzen, was ich eigentlich furchtbar finde) und bei Dir geblieben ist, um die Wärme danach mit Dir zu teilen, Dich zu streicheln, zärtlich zu sein und zu reden? Ich habe beides erlebt, den flüchtigen Sex und die Wärme und ich weiß, was ich davon brauche und was nicht. Aber die Abscheu, die ich damals beim Anblick eines Hetero-Bettes erlebt habe, habe ich bisher nie beim Zusammensein mit einem Mann erfahren, nicht dabei und auch nicht später.
Für uns Studenten stellte damals die Uni eine psychotherapeutische Beratung zur Verfügung, die ich aufsuchte und die mir auch geholfen hat. Vielleicht könnte das für Dich ein Weg sein, Dich einem Therapeuten anzuvertrauen?
Denn offensichtlich bist Du zwischen den zwei Welten, hetero und homo, hin und hergerissen. Du bist immer noch gerne mit Deiner Frau zusammen. Dann packt Dich wieder das Verlangen und Du ziehst los, um es zu besänftigen. Anschließend bestrafst Du Dich selbst mit Ekelgefühlen und einer Kontaktsperre mit Deinem letzten Partner obwohl wir doch wohl alle wissen, dass man sich auch für guten Sex aufeinander einlassen, sich Schritt für Schritt besser kennen lernen muss, um zu erreichen, was wirklich ein HÖHEpunkt genannt werden kann. Das aber verbietest Du Dir anscheinend.
Ich habe mich damals als krank empfunden, denn sich vor Sex zu ekeln, gleich welcher Art, ist uns nicht angeboren. Und ich habe Hilfe gesucht und gefunden. Ich weiß nicht, ob dieses Forum der Ort ist, an dem Du für so ein Problem Hilfe finden wirst, aber wir können Dich begleiten und stützen, wenn Du sie woanders findest.
Ich gebe ungern einen Rat, denn ich fühle mich bei Deinem Problem überfordert und deshalb ist mein einziger Rat an dieser Stelle: Lass Dir von einem Profi helfen.
Und wenn Du wiederkommst, um uns davon zu erzählen, werden wir da sein.
Schöne Grüße
Volker