Hallo zusammen!
Ich bin neu hier und habe mir schon viele Beiträge durchgelesen. Die Seite ist wirklich gut. Vieles kommt mir sehr bekannt vor. Und es ist sehr ermutigend, dass es auch viele positive Erfahrungen gibt und Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind. Viele von euch haben geschrieben, dass es auch für einen selber hilfreich ist, einfach mal aufzuschreiben, was einen bewegt. Auch, um für sich selbst vielleicht mal ein bisschen Ordnung in den Kopf zu bringen. Deshalb versuche ich das auch mal.
Ich bin Mitte 30, mit einer wunderbaren Frau verheiratet und habe zwei tolle Mädchen (2,5 Jahre und 9 Monate). Aber in unserer Beziehung lief von meiner Seite aus nicht alles vernünftig ab. Immer wieder habe ich heimlich anderen Frauen sexuelle Nachrichten geschrieben oder einfach versucht Kontakt zu alten Bekanntschaften aufrecht zu erhalten. Meiner Frau ist das mit der Zeit natürlich aufgefallen und Sie hat in meinem Handy viele Sachen gefunden, die nicht in Ordnung waren und für die ich im Grunde nie eine Erklärung bzw. Entschuldigung hatte. Ich habe mich trotz offenkundiger Beweise immer wieder in neue Lügen verstrickt, um nicht aufzufliegen das ich Jahrelang versucht habe etwas zu verheimlichen. Mit diesem Geschreibe habe ich versucht, mir meine Männlichkeit zu beweisen, aber ich hatte nie das Verlangen oder den Wunsch danach diese Frauen wirklich zu treffen. Damit habe ich mir versucht einzureden, dass ich nicht schwul bin! Natürlich ist das keine Entschuldigung meiner Frau gegenüber und es tut mir auch im Nachhinein so unendlich leid.
Nachdem wir an Silvester wieder einen heftigen Streit hatten und zwei Tage nicht gesprochen haben, setzten wir uns zusammen und sprachen, (der Impuls ging immer von meiner Frau aus) wie vorher schon so oft über Gefühle (Liebe, Vertrauen etc.). Und da kam es dann aus mir heraus und ich teilte Ihr mit, dass ich mich schon lange, eigentlich mein ganzes Leben schon, für Männer interessiere, ich das aber immer und immer wieder nicht wahrhaben wollte und unterdrückt habe. Natürlich ist es für Sie ein Schock gewesen zu hören, dass ich Sie nicht so Lieben kann wie Sie es eigentlich verdient, denn Sie ist eine unfassbar tolle Frau. Und ich bin Ihr unendlich Dankbar, dass Sie der erste Mensch ist mit dem ich über all das sprechen kann, was ich mein Halbes Leben lang unterdrückt habe. Sie steht mir bei und unterstützt mich bei meinem Coming Out in der Familie und bei Freunden, welches in den nächsten Tagen/Wochen definitiv passieren wird. Denn wir beide brauchen die Klarheit und wollen dann die nächsten Schritte gehen. Wir haben zwei Kinder und wollen eine vernünftige Zukunft für uns und die Kinder schaffen. Wir wollen Freunde bleiben und schauen, dass wir eine für uns beide gute Lösung finden, weiterhin gemeinsam miteinander umgehen zu können. Wir wohnen auch vorerst weiterhin zusammen, bis wir eine vernünftige Lösung gefunden haben (Wohnung, Job, Kinder etc.)
Ich habe bereits mit 13 oder 14 das erste mal Spielereien mit einem Freund ausprobiert. Das ganze zog sich eigentlich durch bis ich 18 wurde. Wir haben Trockensex gehabt, uns geküsst und auch den Penis gegenseitig mit der Hand berührt. Ich habe auch damals schon gemerkt, dass ich nicht, wie meine Kumpels, den Mädels hinterhergeschaut habe, sondern eher den Jungs. Auch in der Disco war ich nie auf der Suche nach einen ONS oder sonstiges mit einer Frau, habe auch eher nur mit meinen Kumpels getanzt oder wir standen an der Bar und ich habe andere Männer beobachtet. Ich bin ein sehr schüchterner und ängstlicher Junge/Jugendlicher gewesen und habe mich nie wirklich mit mir auseinandergesetzt. Vielmehr wollte ich immer allen anderen Helfen und es allen Recht machen, nur eben nicht mir selbst. So habe ich auch nie wirklich hinterfragt, was ich eigentlich möchte, wer ich bin. Egal ob in jungen Jahren, als junger Erwachsener, bei der Job Wahl und so weiter. Früher habe ich vor allem mein schulisches Umfeld und das ach so männliche Hobby (Fußball) damals als sehr ablehnend gegenüber Homosexualität wahrgenommen. Vielleicht tue ich den Kollegen sogar rückwirkend betrachtet Unrecht. Ich habe es aber damals so empfunden. So bin ich mit 19 Jahren dann auch meine erste Beziehung mit einem Mädchen eingegangen. Ich habe nicht wirklich danach gesucht, aber auf einer Feier von meinem Bruder wurde ich von Ihr angesprochen und Sie war auch wirklich sehr nett. Auch danach hatte ich nur Beziehungen zu Frauen, dennoch hat mir immer irgendwas gefehlt. Immer wieder hatte ich gedanken daran verloren, wie es denn wäre so eine Beziehung mit einem Mann zu führen, dann aber ganz schnell wieder verworfen, denn ich bin doch nicht schwul!!! Ich konnte oder wollte das nicht richtig einordnen. Ich hatte damals leider auch keine Vergleiche. In meiner Familie gab es niemanden, der homosexuell war. Eigentlich gab es das Thema in meiner Familie überhaupt nicht. Im Freundes- und Bekanntenkreis gab es auch niemanden. So habe ich immer alles mit mir selber ausgemacht und so getan als wäre alles gut.
Nun ist es aber an der Zeit endlich alles rauszulassen. Ich denke danach wird es meiner Frau aber vor allem auch mir leichter fallen das alles zu verstehen und damit umzugehen. Natürlich habe ich auch angst vor der Zukunft. Ich habe keinerlei Kontakte zu homosexuellen Personen, weiß nicht wie ich in Zukunft kontakte aufbauen kann und ob es überhaupt Männer gibt, die an jemandem Interesse zeigen, der mit einer Frau verheitetet ist (in Zukunft dann war) und zwei Kinder hat…Ich habe so viele Fragen die mir meine Frau natürlich nicht beantworten kann, aber Sie hilft mir zu verstehen und gibt mir Ratschläge. Dennoch würde ich mich freuen vielleicht Leute kennenzulernen, die ähnliches wie ich erlebt oder durchgemacht haben…
Liebe Grüße
Mathias
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.01.24 09:17.