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Ich komme mir wie ein Schwindler vor

geschrieben von Chris 
Ich komme mir wie ein Schwindler vor
15. April 2018 22:58
Hallo zusammen!

Ich bin neu hier und habe mir schon viele Beiträge durchgelesen. Und ich finde die Seite wirklich gut. Vieles kommt mir sehr bekannt vor. Und es ist sehr ermutigend, dass es auch viele positive Erfahrungen gibt und Menschen, die in einer ähnlichen Situation sind.

Viele von euch haben geschrieben, dass es auch für einen selber hilfreich ist, einfach mal aufzuschreiben, was einen bewegt. Auch, um für sich selbst vielleicht mal ein bisschen Ordnung in den Kopf zu bringen. Deshalb versuche ich das auch mal.

Ich bin Mitte 30, schwul und ungeoutet. Und momentan beschäftigt mich das Thema sehr extrem. Ich weiß gar nicht, warum sich in meinem Kopf im Augenblick soviel darum dreht. Ich erwische mich immer wieder dabei, dass ich grübele. Bei der Arbeit, beim Fernsehen oder wenn ich im Bett liege.

Dass ich schwul bin, sollte ich eigentlich schon wissen, seit ich 13 oder 14 bin. Ich habe auch damals schon gemerkt, dass ich nicht, wie meine Kumpels, den Mädels hinterhergeschaut habe, sondern eher den Jungs. Allerdings habe ich vor allem mein schulisches Umfeld damals als sehr ablehnend gegenüber Homosexualität wahrgenommen. Vielleicht tue ich den Kollegen sogar rückwirkend betrachtet Unrecht. Ich habe es aber damals so empfunden. Und deshalb war ja wohl klar, dass ich nicht schwul war. Und so bin ich dann auch durch die Schulzeit durchgeschwommen. Ich hatte immer mal wieder was mit Mädels, da ist aber nie was Längeres draus geworden. Es hat immer was gefehlt. Ich konnte oder wollte das aber nicht richtig einordnen. Ich hatte damals leider auch keine Vergleiche. In meiner Familie gab es niemanden, der homosexuell war. Eigentlich gab es das Thema in meiner Familie überhaupt nicht. Im Freundes- und Bekanntenkreis gab es auch niemanden.

Bei einem Seminar im Zivildienst hatte ich dann meine erste Erfahrung mit einem Mann. Wir waren Zimmerkollegen und er war auch ungeoutet schwul. Wir haben uns nach dem Seminar zwar aus den Augen verloren, ich habe aber damals schon gemerkt, dass es intensiver war, als die Erfahrungen mit Frauen. Leider hat mich das damals nicht ermutigt, sondern noch viel mehr erschreckt. Schwul sind höchstens andere, aber nicht ich.

Im Studium bin ich dann wieder in einem schwierigen Umfeld gelandet (Studentenverbindung). Dort gab es viele, die sehr massive Probleme mit Homosexuellen hatten. Zum Glück war ich ja nicht schwul. Das hatte ich für mich ja so festgelegt. Wenn ich das heute schreibe, klingt das ziemlich bescheuert. Bei der Frage, ob ich schwul bin oder nicht, habe ich ja nichts mitzuentscheiden. Nur bei der Frage, wie ich damit umgehe. Aber damals habe ich das anders empfunden. Und so bin ich auch durch das Studium mit eher kurzen Episoden mit Frauen durchgelaufen. Und wenn mich jemand gefragt hat, ob ich nicht mal was Festes wollte, habe ich immer gesagt, dass ich nicht so der Beziehungstyp wäre.

So vor ungefähr fünf Jahren habe ich das erste Mal wirklich bewusst akzeptiert, dass ich nicht hetero sondern schwul bin. Ich habe zu der Zeit den Job gewechselt und bin in eine andere Stadt gezogen. Und irgendwie ist das Thema dann wieder hochgekommen. Es hat dann ein paar Wochen gedauert, in denen ich mich mit mir selbst auseinandergesetzt habe. Ich war selber ziemlich überrascht, dass es zu dem Zeitpunkt recht einfach war, mit mir selber ins Reine zu kommen. Irgendwann war der Punkt da, an dem es sich gut angefühlt hat, zu mir selber zu sagen: Ich bin schwul.

Leider hat es damals zum zweiten Schritt nicht gereicht. Ich habe mich zwar nicht dafür geschämt, schwul zu sein, aber dafür, dass ich so feige war, mir selbst, meiner Familie und meinen Freunden jahrelang etwas vorgemacht zu haben. Und über die Hürde, dass zu überwinden, bin ich damals nicht gekommen. Deshalb hatte ich auch kein großes Bedürfnis, zu einem Coming-Out.

Jetzt ist es so, dass mir das Thema seit einigen Wochen, wie schon gesagt, wieder massiv nachläuft. Es gab dafür eigentlich keinen konkreten Auslöser. Es ist einfach so hochgekommen und führt dazu, dass ich ständig vor mich hin grüble. Ich möchte offen mit dem Thema umgehen. Allerdings komme ich in Gedanken immer wieder an den Punkt, dass ich dann auch mein Coming-Out als „Schwindler“ hätte. Es ist wahrscheinlich völlig irrational. Aber ich kriege das nicht aus dem Kopf. Und da besteht bei mir ne echte Blockade, den nächsten Schritt zu machen.

Da ich nicht verheiratet bin und keine Kinder habe, ist meiner Situation eigentlich noch recht unkompliziert. Deshalb ärgert es mich umso mehr, dass ich mich damit so schwer tue. Ich drehe mich irgendwie immer im Kreis. Und das nervt!!!

Es hat in der Tat gutgetan, das mal aufzuschreiben. Ist wesentlich besser, als stumpf vor sich hin zu grübeln. Mal sehen, wie sich alles weiterentwickelt. Ich freue mich natürlich über Tipps, Hinweise oder sonstige Rückmeldungen.

Ich wünsche euch einen guten Start in die Woche.

Chris
Re: Ich komme mir wie ein Schwindler vor
16. April 2018 10:06
Lieber Chris,

da bin ich voll bei dir. Bei mir ist es fast genauso wie bei dir und ich bin auch total blockiert, um den nächsten Schritt zu tun. Es gibt immer eine "Ausrede" usw. Ich bin außerdem auch beim "mal sehen wie es sich weiterentwickelt", aber es entwickelt sich beim "mal sehen" nicht viel bzw. gar nichts weiter.

Die krasseste Erfahrung die ich in jungster Zeit machte, war, dass eine Person in meiner unmittelbaren Nähe auch schwul ist, damit nicht ganz klar kam, psychologischen Rat suchte, ab da unverblümt dazu stand, Umgebung und Umfeld änderte und jetzt ein befreites Leben führt.

Was können wir beide tun? Bei mir wäre es denkbar, die Umgebung zu verändern. Aber ich weiß nicht wie ich das regeln könnte. Bei dir?
Re: Ich komme mir wie ein Schwindler vor
16. April 2018 17:12
Hallo Chris!

Willkommen hier im Forum!

Chris schrieb:

> Im Studium bin ich dann wieder in einem
> schwierigen Umfeld gelandet (Studentenverbindung).
> Dort gab es viele, die sehr massive Probleme mit
> Homosexuellen hatten.

Ich bin auch in einer (nichtschlagenden) Studentenverbindung; vielleicht auch deshalb hatte ich meine Beziehung zu meinem Partner während unserer Studentenzeit noch verheimlicht. Aber seitdem wir (schon seit vielen Jahren) offen als Paar auftreten, stört es keinen, wahrscheinlich hätte es auch damals keinen gestört. Manchmal hat man Angst vor Vorbehalten, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt.

> So vor ungefähr fünf Jahren habe ich das erste
> Mal wirklich bewusst akzeptiert, dass ich nicht
> hetero sondern schwul bin.

Das ist doch schon der wichtigste erste Schritt.

> Ich war selber ziemlich
> überrascht, dass es zu dem Zeitpunkt recht
> einfach war, mit mir selber ins Reine zu kommen.
> Irgendwann war der Punkt da, an dem es sich gut
> angefühlt hat, zu mir selber zu sagen: Ich bin
> schwul.

Nachdem Du gemerkt hast, wie gut es Dir getan hat, mit Dir selbst ins Reine zu kommen, wirst Du auch den zweiten Schritt schaffen!

> Ich möchte offen mit dem
> Thema umgehen.

Dann tu es einfach!

>Allerdings komme ich in Gedanken
> immer wieder an den Punkt, dass ich dann auch mein
> Coming-Out als „Schwindler“ hätte. Es ist
> wahrscheinlich völlig irrational. Aber ich kriege
> das nicht aus dem Kopf. Und da besteht bei mir ne
> echte Blockade, den nächsten Schritt zu machen.

Wenn Du noch eine Blockade bei dem Gedanken hast, Dich Deiner Familie und Deinen Freunden anzuvertrauen, kannst Du ja auch erstmal in einem anderen Kreis offen als Schwuler auftreten. Du hast geschrieben, daß Du den Job gewechselt hast und in eine neue Stadt gezogen bist, also wirst Du dort neue Menschen kennengelernt haben, Kollegen z.B., die Dich nicht schon seit Jahren kennen, vielleicht fällt es Dir denen gegenüber leichter, offen zu sein. Oder Du besuchst mal einen schwulen Stammtisch, Sportverein oder etwas ähnliches - wenn Du feststellst, daß Schwulsein als etwas ganz normales akzeptiert wird, fällt es Dir vielleicht auch leichter, Dich bei Deiner Familie zu outen.

Deine Familie und Freunde, die Dich lange kennen, werden sich vermutlich ohnehin schon ihren Teil denken und warten vielleicht nur darauf, daß Du es endlich von Dir aus ansprichst - Du bist Mitte 30, unverheiratet, keine längere Beziehung mit einer Frau, da liegt die Möglichkeit, daß Du schwul sein könntest, ja nicht so fern.

Hier haben schon einige nach ihrem outing geschrieben, daß es sich Eltern oder Geschwister ohnehin schon gedacht haben.

> Da ich nicht verheiratet bin und keine Kinder
> habe, ist meiner Situation eigentlich noch recht
> unkompliziert.

Eben, hier sind einige, die verheiratet sind und Kinder haben und die es auch geschafft haben.

Ich weiß, es ist immer einfacher, anderen Ratschläge zu geben als selbst zu handeln, ich selbst bin ja auch nicht gerade ein Vorbild in Offenheit...

Trotzdem will ich Dir Mut machen für den zweiten Schritt.

Schau doch mal im Chat vorbei.

> Ich wünsche euch einen guten Start in die Woche.
>
> Chris

Dir auch!

Klaus
Re: Ich komme mir wie ein Schwindler vor
16. April 2018 18:08
Hallo Chris,
herzlich willkommen. Einen großen Schritt hast du nun getan, in dem du "öffentlich" deine Gedanke aufgeschrieben hast. Klaus und mt2012 haben ja schon geantwortet, und vielleicht ermutigt dieses auch andere Mitleser sich dazu zu äußern. Vieleicht genau die, die selber noch mit sich hadern.
Denn der Austausch hier, hat mir damals bei meinem Weg sehr gut getan.
Raus aus der "Komfortzone" und unter neue Leute. Die ähnlich empfinden.
Aus welcher Region kommst du. Vieleicht finden sich hier ja Männer mit denen Du mal in einer größeren Stadt "um die Häuser" ziehen kannst. Fern ab vom eigenen Umfeld. Das Gefühl zu bekommen, das es ganz normal ist, das man schwul ist. So ist es mir ergangen. Mit einem schwulen Pärchen zur ersten Gayparty - Gemeinsam zum Filmfestival - einfach abhängen und quatschen - mit eine schulen Wandergruppe gewandert , ....
In kürzester Zeit hat sich ein sehr schöne neuer Freundeskreis gebildet. Das hat mich gestärkt. Und dann war der Schritt zum coming out nicht mehr so schwer. Er war auf einmal einfach fällig.
Ich habe mein Umfeld manchmal mit meinen Erklärungen "überrollt". Das wollten die teilweise gar nicht wissen. Für sie war es einfach o.k.. Diese Erklärungnot, ist wohl nur bei uns gegeben.

Aktuell steht ja auch das co30-Usertreffen in der Nähe von Bremen an. Eine Möglichkeit spontan mal andere Menschen zu treffen und zu qatschen.
Ich kann mich an einige Teilnehmer der vergangen Treffen erinnern, denen es sooooo gut getan hat.
Auf in die Welt - Sie wartet auf dich.
Maks
Re: Ich komme mir wie ein Schwindler vor
16. April 2018 21:58
Hallo zusammen!

Vielen Dank für die schnellen und aufmunternden Rückmeldungen. Ich find's super, dass das hier so ungezwungen läuft!!!

Zu deiner Frage Mt2012:
Ich würde für mich sagen, dass ich mein Umfeld nicht als Problem sehe. Eigentlich sind das in den meisten Fällen heute coole Leute. Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass es für die meisten gar kein großes Thema wäre. Vielleicht gibt es den einen oder anderen, der so ein bisschen aus Zeit gefallen ist. Aber eigentlich bin ich ziemlich sicher, dass der größte Teil ziemlich offen ist. Das Umfeld zu erweitern wäre wahrscheinlich ein ein guter Weg. Die meisten Freunde, die ich jetzt an meinem Wohnort habe, habe ich über das berufliche Umfeld kennengelernt. Leider tendiert die Zahl der Homosexuellen darunter gegen Null. Ich bin jetzt allerdings auch nicht der Typ, der sich einfach mal alleine in der Schwulen-Szene tummelt. Deshalb war der Zugang zur Szene bisher eher überschaubar. Hier wäre es sicherlich ganz gut, wenn das eigene Umfeld etwas "schwuler" werden würde.

Du hast auch völlig recht, dass es immer Gründe gibt, alles auf später zu verschieben, auch wenn einem klar ist, dass sich von selbst nichts entwickelt. Man muss schon aktiv werden. Ich weiß nicht, wie es bei dir ist, aber ich kenne mich selber eigentlich auch nicht so zögerlich. Normalerweise bin ich so gepolt, dass ich ziemlich rational agiere. Im Job muss ich jeden Tag schwierige Entscheidungen treffen und auch unangenehme Gespräche führen. Das ist gar kein Problem. Man analysiert die Situation und dann entscheidet man, wie man das Problem löst. Und dann ist es auch gut. Und eigentlich habe ich das auch immer bei meinen eigenen Problemen so gehandhabt. Ich kenne es eigentlich nicht, dass ich lange über irgendwas nachgrüble. Nachdenken ja, nachgrübeln nein. Das macht es ja selten besser, weil man sich irgendwann total verrennt. Das ist auch genau das, was mich im Augenblick an mir nervt.

Maks, danke auch für deine Hinweise. Es hat wirklich gut getan, alles mal aufzuschreiben. Eigentlich ist es ja ein kleiner Schritt, quasi anonym zu schreiben, was einen bewegt. Aber ich muss sagen, dass es tatsächlich erleichtert. Ich habe einige Tage überlegt, ob ich selber etwas schreiben soll. Aber es ist ein sehr gutes Gefühl, einfach mal ganz offen zu sein und festzustellen, dass man nicht der einzige ist, dem es so geht. Und auch deine eigenen Erfahrungen machen wirklich Mut.
Ich wohne übrigens in der Region Kiel.
Leider bin ich zum Zeitpunkt des Usertreffens unterwegs. Der Weg wäre ja gar nicht so weit gewesen.

Klaus, vielen Dank auch für deinen Beitrag. Du hast wahrscheinlich recht. Ich bin auch in einer nichtschlagenden Verbindung. Vielleicht wäre es im Ernstfall auch dort gar kein Problem gewesen. Damals war ich noch auf dem Trip, dass ich nicht nicht schwul sein kann. Irgendwelche Äußerungen, die es Abends an der Theke nach ein paar Bier gab, konnten da vielleicht als Bestätigung dienen. Und damals wollte ich wahrscheinlich genau diese Bestätigung haben.

Es kann auch gut sein, dass der eine oder andere in meinem Umfeld vermutet, dass ich schwul bin. Die Frage wurde mir noch nicht gestellt, aber die wenigsten fragen das wahrscheinlich offen. Bei der Familie glaube ich, ist das Thema einfach gar nicht präsent. Bei meinen Eltern z.B. wüsste ich gar nicht, ob es im Bereich ihrer Vorstellung liegt, dass es jemanden aus der eigenen Familie "treffen" könnte. Vielleicht wäre es am Ende auch da kein großes Problem. Nach ein oder zweimal durchatmen.


Vielen Dank euch auf jeden Fall schon mal für die bisherigen Rückmeldungen!!!

Beste Grüße
Chris



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 17.04.18 06:13.
Re: Ich komme mir wie ein Schwindler vor
05. Januar 2019 15:46
Hallo Chris,

Ich bin erst seit zwei Tagen hier angemeldet. Deine Geschichte kommt mir sehr sehr bekannt vor.
Ich bin mittlerweile so weit, dass meine Familie und zwei enge Freunde es wissen. Für niemanden war es ein Problem.
Ein sehr guter Freund weiß es seit vorgestern. Mir sind Zentner vom Herzen gefallen nachdem ich es ihm erzählt hatte .
Mittlerweile schwanke ich zwischen weiter gehen und Schein waren.
Auch das mit dem Grübeln kenne ich zu gut.
Aber seit vorgestern ist es deutlich besser geworden.
Wie weit bist du denn?
Ich würde mich freuen von dir zu hören.

Viele Grüße

Matthias
Re: Ich komme mir wie ein Schwindler vor
17. Februar 2019 09:12
Echt schön zu sehen, wie ihr euch gegenseitig Rückhalt und Zuspruch gebt. thumbs up
Weiter so.

LG
Sarah
Re: Ich komme mir wie ein Schwindler vor
17. Juni 2019 13:26
Hi Chris,

sorry, dass ich erst so spät schreibe. Ich war hier früher sehr intensiv "unterwegs" und habe auch viel geschrieben ("Meine Geschichte" mit einigen Fortsetzungen gibt es auch noch im Forum und Du findest dort noch immer, falls sie Dich interessiert).

Ich schreibe Dir heute (nach langer Schreub-Abstinenz), weil ich mich in Deiner Geschichte sehr aufgehoben fühlte, weil es mir sehr ähnlich ging:
ich wusste es in etwa, seit ich zwölf Jahre war, um mich herum gab es aber scheinbar keine anderen Schwulen - Internet war auch noch nicht vorhanden, das kam dann später dazu -, ich bewegte mich in Hetero-Kreisen und das war sogar eine Weile ganz gut für mich. Ich hatte auch das Glück, dass der Großteil meiner Freunde erst spät Freundinnen hatten und sie auch nicht ständig Mädchen hinterher schauten. Wir spielten zusammen Theater, reisten, trafen uns "einfach so" etc. etc. Es gab keine Notwenigkeit, sich so zwingend zu outen - auch wenn ich natürlich auch ab und an "Bedürfnisse" hatte.

Schwierig wurde es, als Freundinnen dazu kamen und meine Freunde eben Partnerinnen suchten und fanden. Plötzlich fühlte ich mich in der Rangstufe niedriger, zuvor war ich ja "bester Freund" oder so ähnlich.
Es kam - auch wenn sich meine Freunde größte Mühe gaben, dass ich es nicht so empfinde - so der "Fünfte-Rad-Komplex".

Im Unterschied zu Dir hatte ich aber niemals eine Freundin im Sinne von Partnerin (beste Freundin natürlich schon und ich "fürchte", dass auch eine davon mindestens in mich verliebt war und ich mich da nicht allzu gut verhalten habe).

Ich kenne auch das Gefühl, dass Du benennst: nicht nur das CO könnte schwierig sein, sondern auch die Tatsache, dass ich gute Freunde lange Zeit "belogen" hatte. Bei einem sehr engen Freund von mir, der eher der Typ "Lonely Cowboy" ist, Frauengeschichten hatte, sich sonst aber wenigen Menschen wirklich anvertraute, war das für mich ganz besonders schwierig: er vertraute nämlich ausgerechnet und wohl mehr oder minder sehr exklusiv intime Dinge und Gedanken an, was mich sehr ehrte. Er fragte mich aber mal, was denn mit mir und den Frauen sei und ich wich absolut aus. Er fragte dann sensiblerweise nicht nach, aber mir war das sehr unangenehm und ich schämte mich fast dafür.

Er war dann der Erste in meiner CO-Phase (einem anderen engen Freund hatte ich mich mal exklusiv vor Jahren offenbart und er war der Einzige, der davon wusste - was für ihn auch nicht immer einfach war), dem ich mich öffnete. Das war eher spontan und in einer Depressionsphase von mir.
Er reagierte super und ein wenig war danach der Bann gebrochen. Ich brauchte noch ein paar wenige Wochen und benötigte (leider) ein paar Schicksalschläge (die nichts mit meinem CO zu tun hatten), um mich dann weiter zu Outen. Nach und nach erfuhren es alle meine engeren Freundinnen und Freunde.

Warum ich es erzähle? Ich glaube, Du musst Dich bei engeren Freund/innen nicht dafür schämen, dass Du so lange gewartet hast, Dich ihnen zu öffnen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass restlos alle gut damit umgingen, es aber auch verstanden, dass ich so lange wartete.
Es kann sein, dass sie - je nach Typ - selber Fragen an Dich haben. Dafür solltest Du Dir vielleicht Zeit nehmen, aber ich empfand das sogar als eine meiner schönesten Phasen überhaupt, als ich mit engeren Freund/innen endlich offen darüber sprechen konnte. Ich glaube, die meisten engen Menschen verstehen, dass Du mit sowas lange gewartet hast.
Im Gegenteil fühlten sich manche Freunde sogar dann geehrt, dass ich mich ihnen "mit so etwas Intimen" an sie gewandt habe und manche Freundschaft wurde sogar noch enger und vertrauter.

Ich weiß nicht, ob Dir meine Wort etwas weiterhelfen, aber ich dachte, ich biete sie Dir mal an. Wenn Du Fragen haben solltest, melde Dich auch gerne bei mir - im Forum oder Privatnachricht.

Ich wünsche Dir auf Deinem Weg alles erdenklich Gute und viel Erfolg,

das sagt der
Mickey2.
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