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27, Versteckspiel, ich geh kaputt

geschrieben von Tobi 
27, Versteckspiel, ich geh kaputt
30. August 2015 06:23
Servus miteinander,

vor ein paar Tagen erst bin ich auf diese Seite gestoßen. Welch Segen. Die Offenheit und das entgegengebrachte Verständnis hier haben mir Mut gemacht meine Geschichte zu erzählen - auch wenn es mir schwer fällt! Ich tue dies das erste mal und hoff es nimmt mir ein bisschen seelischen Druck....

Ich wusste schon immer, dass ich anders bin. Als ich in die Pubertät kam, wusste ich dann auch warum. Verliebt in Frauen war ich schon öfters, sexuell haben sie mich noch nie angezogen.
Meine Eltern sind sehr konservativ, südländisch, christlich. Da zählt das Erscheinungsbild nach Außen. Sei es in meiner Heimat oder hier in Deutschland, Homosexualität ist falsch.
Ich begann sehr früh die Rolle zu spielen. Mein Ziel war es beliebt zu sein und lernte mein Humor und mein Aussehen dafür einzusetzen.. mit Erfolg. Warum mir das so wichtig war, weiss ich nicht. Vielleicht um meine Neigung zu kaschieren.. keine Ahnung.
Gleichzeitig entwickelte ich krasse Zwangsneurosen und Verhaltensstörungen, diese verschwanden aber im Laufe meiner Jugend. Meine Eltern ignorierten sie.

Als meine Eltern mich mit ca.17J. fragten ob ich schwul sei, verneinte ich natürlich. Lag daran, dass sie mir im gleichen Atemzug drohten ich sei nicht mehr ihr Sohn und dass es für alle sehr peinlich wäre.. Außerdem konnte ich es damals für für mich selber noch nicht akzeptieren. ich hatte viel Stress damals mit ihnen.
Heute frage ich mich, warum sie die Frage überhaupt stellten? Ahnten Sie etwas, haben sie etwas im Internetverlauf entdeckt.. oder kam das aus dem Streit heraus... keine Ahnung.
Gebete zu Gott schienen mir die einzige Möglichkeit auf Hoffnung.. und Hoffnung hatte ich sehr lange... somit schob ich das Problem von mir weg.. derweil feierte ich viel, fing besoffen was mit Frauen an, hier und da mal ne Lüge... so wahrte ich den Schein vor meinen Freunden.

( das Lied "Stark" von Ich+Ich passte wie die Faust aufs Auge )

Seit ich 24 bin treff ich mich mit Männern und seitdem geht es mir seelisch immer schlechter. Beim Sex lass ich mich auch heute noch sehr oft nicht fallen. Zu Anfang überkam mich nach jedem Orgasmus ein gewaltiges Gefühl von Scham, Ekel und Schuld, was ich in abgeschwächter Form immer noch empfinde.
Heute bin ich 27 und sehne mich nach Liebe. Meine Neigung fühlt sich wie ein Fluch an, bin ich verdammt dazu alleine zu sein? Ich lebe ein Leben für andere, das hat sich so sehr in mein Gehirn eingebrannt, dass ich dieses Versteckspiel in mein Gehirn eingebrannt hat. Von meiner fröhlichen Art ist nichts mehr zu sehen, ich lasse mich gehen, lass mein Studium hängen, ich verstehe den Sinn dahinter nicht. Was hat das alles für ein Sinn? Wenn ich an Outing denke, denk ich an die vielen Leute die mich kennen, an die vielen Jahren die ich schon jeden - einschließlich mich - belüge, ich denke an meine Eltern, die mich mit anderen Augen sehen werden und an die Scham die sie insgesamt erleben werden. Ich denke daran, dass ich mich selber so noch nicht akzeptiert habe, ich bis heute am liebsten heterosexuell wäre und ich unheimlich gerne Kinder hätte.

Die vielen Geschichten hier zeigen mir aber, dass ein hetero-leben einen innerlich trotzdem zerfressen und keiner hier so glücklich geworden ist. Nicht falsch verstehen, aber es scheint auch, dass die meisten sogar auf Kinder verzichtet hätten um ein schwules Leben zu führen. Ich kann es auch einer Frau nicht antun ihre Zeit mit einem hetero-spielenden Mann zu verschwenden, denn auf Dauer macht es alle unglücklich.
Ich beschäftige mich jetzt immerhin damit, vor ein paar Jahren hab ich es noch ignoriert. Trage die Last jedoch alleine, ich hab mich noch niemanden anvertraut.
Ich fühle mich benachteiligt vom Leben und hätte gerne erlebt mal schwul wegzugehen, zu flirten. Das blieb mir/uns verwehrt. Schade!

Eine Frage hab ich noch. Ich empfinde für einen sehr guten hetero Freund von mir sehr viel. Sehen uns nahezu jeden Tag. Er ist hetero, mir ist klar da wird niemals etwas sein. Würdet ihr mir raten den Kontakt zu lockern? Ich habe mich von vielen distanziert, von ihm jedoch nicht. Ihn aber mit anderen Frauen zu sehen fällt mir auch sehr schwer....

So, ich lass das jetzt mal so stehen.. danke fürs Lesen
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
30. August 2015 12:20
Hallo Tobi,
deine Geschichte ist ungefähr so wie meine. Vieles habe ich getan, ...weil es erst einmal der einfachere Weg ist, ...weil ich auf die Fragen der anderen vielleicht keine plausible Antwort hatte, ...weil ich mir letztendlich gewünscht habe, doch hetero zu sein...
ich fang mal bei deiner letzen Frage an:
Wenn dir klar ist, dass da nie was sein wird, dann erzähl ihm von dir und deinen Gefühlen. Wenn er den Kontakt reduziert, brauchst du es nicht zu tun (du wolltest ja selber, nur hätte er nicht erfahren, warum) oder er bleibt dir und eurem Kontakt treu und die Sache ist geklärt.

Und: irgendwie merken besonders Mütter es, wenn das Kind "anders" ist. Allerdings ist es schade, wenn sie gleichzeitig so eine Verurteilung kundtun. Da will man als Kind nichts auf's Spiel setzen. Mein Vater hat mein CO nicht erlebt. Meine Schwester meint, er hätte es bestimmt nicht gut aufgenommen, obwohl er damals immer sprach: "lass doch das langhaarige Volk", womit er die Frauen meinte. Was wohl passiert wäre, wenn ich ihm geantwortet hätte, dass ich sowieso nichts damit am Hut habe. Nun ist es zu spät.

Letztendlich ist es aber dein Leben und das müssen auch deine Eltern akzeptieren. Wenn sie nicht daran teilhaben wollen, dann solltest du dich damit abfinden. Kann ja sein, dass es doch nicht so schlimm ist, wie man es sich ausmalt.

Gruß
Chris
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
31. August 2015 16:02
Hi,
Danke Chris für deine Antwort.

dieser Freund ist mir sehr wichtig. Mit der Zeit habe ich sehr viele Freunde verkrault und mache ich weiterhin. Diese geben nicht auf, melden sich immer wieder bei mir und ich block nur ab.
Dieser besagte Freund ist einer der ganz wenigen, die ich noch nicht geblockt habe. Ich weiss nicht, ob ich mir das überhaupt erlauben darf, meiner Seele willen. Mein Herz geht aber kaputt...
Einfach nur krank was in mir vorgeht...

Die Sache mit meinen Eltern. Sie haben sich mit der Zeit sehr geändert, das muss ich zugeben. Eventuell würden sie so eine Aussage nicht mehr äußern. Allerdings spiele ich seitdem her auch eine Rolle, ich präsentiere mich hetero durch und durch. Der Wunsch nach Enkelkindern wächst (auch ich hätte sehr gerne Kinder), meine Eltern sind bereits um die 60+.. Der Druck wächst und bin/war kurz davor eine Beziehung zu einer Frau einzugehen die ich schon lange kenne, ein bezauberndes hübsches Mädchen, welches mir sehr am Herzen liegt. Und dann bin ich auf diese Seite gestoßen... ist ja bei den meisten nicht gut gegangen...
Ich weiß nicht ob ich mich mit einem Outing besser fühlen würde... ich weiß es ehrlich nicht.
Ein Problem bei schwulen Männern ist die Einsamkeit im Alter. Keine Nachkommen, keinen Partner... Alles Faktoren oder Ausreden welche ich mir einrede...
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
31. August 2015 19:41
Hi,
das Schauspielen ist auf lange Sicht zum Scheitern verurteilt. Es wird schlicht zu anstrengend. Außerdem lernen dich andere ja nicht wirklich kennen, wenn du ihnen was vorspielst. Ist natürlich auch schwierig bei denen, die dich bislang als hetero kennen, und es wird immer schwerer, je weiter man es hinauszögert. Aber vielleicht ist einigen auch egal ob hetero oder sonst was, sie wollen nur mit dir befreundet sein. Solls ja geben. Freunde, nicht Lover.
Einsamkeit im Alter kann auch einem Hetero passieren, kann aber auch ganz anders sein (Senioren-WG?)
Die Sache mit den Frauen: Ich finde auch Gefallen an manchen, früher kam es höchstens zu Knutschereien und vielleicht etwas Kuscheln. Sobald ich merkte, die wollen mehr, habe ich den Kontakt abgebaut. Die Sache mit dem Kinderwunsch ist doch auch letztendlich egoistisch, eine "richtige" Familie wird das nie ergeben, wenn du die Frau nicht voll und ganz begehrst. Und später bei einer Trennung ist der Schmerz umso größer. Auch für Kinder.
Schwierig ist wohl die Sache mit deinem speziellen Freund. Weiß er Bescheid oder ahnt er vielleicht was? Wieso musst du andere blocken? Wieso musst du ihn blocken? Man sagt so leicht: redet doch! Aber wie fängt man an, gibt es einen richtigen Moment? Ich sag mal: einfach machen! Vielleicht in einer kleinen Runde mit 3, 4 Leuten.

Chris
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
31. August 2015 23:44
Hallo Tobi,
ja, ist nicht immer ganz leicht, so ein ungeklärtes Leben...
Eine Beziehung zu einer Frau plus Kinder, obwohl du weißt, dass du schwul bist, halte ich für keine gute Idee. Du kannst deine Homosexualität nicht abstellen. Du wirst deiner Frau und deinen Kindern eines Tages eine Erklärung geben müssen und das kannst du verhindern, indem du schon jetzt für dich klärst, ob du nicht ein bissl ehrlich zu dir selbst sein willst.

Zu deinem Freund: Wenn du weißt, dass du keine Chancen hast, aber Gefühle, wird es dir schwerfallen, immer wie ein Freund zu reagieren, falls deine Gefühle unabsichtlich verletzt wurden, da dein Freund keinen Schimmer von deinen Gedanken und Gefühlen hat. Sag ihm lieber nicht, dass du Gefühle für ihn hast. Beurteile selbst wie euer Verhältnis ist und ob sich eine Offenbarung freundschaftlich lohnen würde. Wenn Gefühle im Spiel sind, die nicht erwidert werden können...könnte sich dann ohnehin eine Lockerung ergeben, wenn dein Freund nicht weiß, wie er mit dem Outing umgehen soll... In einer guten Freundschaft sollte nach einer Nachdenkphase trotzdem Normalität einkehren, aber Gefühle in einer Freundschaft sind eine Herausforderung, die bei Nichterwidern möglicherweise negative Gefühle werden...

Wenn du nie so sein kannst, wie du bist, macht es dich irgendwann krank/fertig. Step by step zu dir selbst. Du bist ein guter Junge!
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
01. September 2015 02:01
Hallo Tobi!

Nachdem ich deinen Eintrag gelesen habe, dachte ich, ich schreibe auch mal einen Eintrag dazu, um dir aber auch anderen Lesern zu helfen. Vielleicht bin ich bei diesem Thema nicht der beste Ansprechpartner, aber ich kann mich an manchen Stellen sogar sehr gut wiedererkennen. Bin jetzt 29 Jahre alt, habe Eltern, die ursprünglich nicht aus Deutschland stammen, selbst eher konservativ sind, katholisch, der Schein nach außen ist wichtig, nur nichts anmerken lassen, immer Angst davor, alleine zu enden...

Nach meinen bisherigen Erfahrungen mit meiner eigenen Sexualität und nach dem Lesen der bisherigen Einträge im CO30-Forum kann ich nur sagen, dass letztlich nur zwei Möglichkeiten bleiben: Entweder man lebt so weiter wie bisher, outet sich nicht, findet vielleicht irgendwie eine Frau, die man "nett" findet, stürzt sich Hals über Kopf in eine Beziehung, um nicht alleine bleiben zu müssen, hat später vielleicht auch Kinder, lebt vielleicht heimlich ein Doppelleben aus, belastet sich damit selbst und auch unbewusst die anderen (Frau/Kinder/Umfeld), belügt also alle Menschen, die man gerne hat, in seinem Umfeld, bleibt aber ein Leben lang unglücklich und gebrochen, fragt sich, was wohl gewesen wäre wenn und wird am Ende auch noch krank davon. Oder man ergreift die Chance sein eigenes Leben als das zu betrachten, was es letztlich auch ist... nämlich einmalig und kostbar, und steht zu seinen Gefühlen, sucht Kontakt zu anderen, denen es ähnlich geht, befreit sich von jeglichen "Dämonen" im Kopf, die einem einreden wollen, wie falsch und krank die eigenen Gefühle sind, lernt neue Menschen kennen, schließt vielleicht auch neue Freundschaften, taucht ab in die "neue" schwule Welt, genießt diese neue Freiheit einfach so gut es geht und so wie man selbst will, lernt sich selbst zu akzeptieren, verliebt sich vielleicht auch in einen Mann, beginnt sich endlich als neuen, glücklichen Menschen wahrzunehmen, verzichtet auf ständiges Verstellen und Lügen und letztlich erkennt, wie befreiend es doch ist, wenn man nicht auf jede Kleinigkeiten achten muss, Schauspielen muss usw., sondern einfach man selbst sein kann.

Bin vielleicht kein Experte auf dem Gebiet, aber mein Rat ist auf jeden Fall eher die letztere Alternative: Bevor man selbst krank wird, muss man erkennen, dass man nur ein Leben zur Verfügung hat und man auch eine Pflicht vor sich selbst hat, diese Chance nicht einfach wegzuwerfen. Es gibt auch viele Heteros, die einsam und allein sind, keine eigenen Kinder haben, vielleicht auch keine Eltern und Freunde haben, aber die ihre Neigung nicht unterdrücken. Dieses Unterdrücken ist nämlich einfach keine Lösung für das Problem. Es macht alles nur viel schlimmer. Was bleibt, ist ein unglückliches Leben mit der Gewissheit, nie so gelebt zu haben, wie man es tief in seinem Herzen möchte. Dies führt auch zu Verbitterung und Freudlosigkeit, die auch krank machen, seelisch und körperlich.

Eigentlich ist es einfacher als man denkt... keine Lügen mehr und endlich so leben wie man es sich vielleicht schon immer heimlich vorgestellt habe. Und doch weiß ich aus eigener Erfahrung, manchmal ziehen dunkle Wolken (Gedanken) hoch und man hinterfragt alles nochmal und wartet mit einem Coming-Out, vielleicht erst ein paar Tage, dann Wochen, Monate, Jahre... und nochmal von vorne das Ganze. Wenn ich den Mut früher aufgebracht hätte, hätte ich nicht all die schönen kostbaren Jahre verschenkt, in denen ich einfach hätte glücklich gewesen sein können. Natürlich die Angst: Wie reagieren die Eltern, Bekannten, Freunde? Aber ist es besser, zu lügen, einfach nur für andere zu schauspielern, damit man nach außen eine schöne Fassade aufbauen kann? Ist es richtig, sich für seine Gefühle schämen zu müssen, sich sogar davor zu ekeln? Auch wenn man sich eine Frau sucht, sie anlügt, nur mit ihr zusammen ist, um vielleicht Kinder zu haben und eine Familie zu gründen, um nicht alleine zu sein oder damit die eigenen Eltern stolz und glücklich auf einen sind... ist das etwa die richtige Lösung? Meine Eltern haben nicht aus Liebe geheiratet, es hat auch bloß quasi einen Zweck erfüllt... schön ist das auch nicht, als Kind später die Wahrheit zu erfahren und zu wissen, das man nicht das Produkt einer tiefen, wahren einzigartigen Liebe zweier Menschen geworden ist. Es zerreißt mir manchmal selbst das Herz meine Mutter zu sehen, die meinen Vater nie richtig geliebt hat, sondern auch heute nur aus Pflichtgefühl mit ihm noch zusammen ist und die vielleicht nie das Glück hatte, die wahre Liebe zu finden, jemanden, der sie genauso liebt wie sie ihn. Schon als Kind wusste ich... so ein Leben will ich nicht! So war das aber halt damals auf dem Dorf... Vielleicht auch ein Grund dafür, warum ich so lange, niemanden an mich rangelassen habe. Habe auch schon sehr früh gemerkt, dass ich anders bin. Habe nichts gesagt... so viele andere Dinge kamen dazwischen, die berühmten "Baustellen" im Leben, die einfach wichtiger waren. Da waren Probleme in der Familie, Probleme in der Schule, Probleme mit dem Studium, etc. Konnte mich da nicht auch noch um ein Coming Out kümmern. Wollte früher vorallem niemanden belasten und hatte Angst vor den Reaktionen der anderen, also spielt man den normalen Sohn, Mitschüler, Freund. Dann kommt auch noch die Pubertät und die Gefühle werden stärker, doch man verdrängt es. Hin und her, bis die Jahre vergehen und man eines Tages wie von Geisterhand kurz davor ist, innerlich zusammenzubrechen, zu platzen.

An dem Punkt an dem man spätestens merkt, dass das Versteckspiel einen so sehr belastet, dass man kurz davor ist, kaputt zu gehen und krank zu werden... da sollte man unbedingt die Reißleine ziehen und beginnen zu erkennen, dass man sein bisheriges Leben ändern muss. Dem einen hilft es seine Probleme aufzuschreiben, der andere tauscht sich vielleicht lieber mit anderen Menschen aus, spricht mit ihnen und sucht nach Selbsthilfegruppen oder so. Es gibt heutzutage viel mehr Möglichkeiten als man denkt.

Jeder Mensch sehnt sich doch ganz tief drin nach Liebe, dem Gefühl von jemandem geliebt zu werden, so wie man ist! Was nützt einem der Schein und die ganze Fassade, wenn man später mit 80 oder so aufwacht und erkennt, dass man sein ganzes Leben eine Lüge gelebt hat, nur um anderen (den Eltern, den Freunden, dem Umfeld) zu gefallen und nicht alleine bleiben zu müssen. Ehrlichkeit, vorallem zu sich selbst, ist wichtig. Man sollte später in den Spiegel schauen können und zu sich selbst sagen können, dass man vielleicht nicht immer den geraden Weg gegangen ist, sicher einige Fehler gemacht hat, aber dass man ehrlich zu sich selbst war und dass man mit sich am Ende dennoch zufrieden war. Viele Menschen wollen von ihren Freunden, Eltern, Bekannten, usw. akzeptiert und geliebt werden, aber man vergisst oft, dass jeder Mensch eigene, individuelle Bedürfnisse hat und auch ein Recht darauf hat, sich selbst auszuleben und glücklich zu sein. Auch die Angst, wie z. B. die Eltern reagieren könnten, ist verständlich, aber wünschen sich nicht alle Eltern, das ihr Kind glücklich und gesund lebt? Tief in mir glaube ich, das diese Angst viel, viel schlimmer ist als die eigentliche spätere Reaktion der Eltern auf ein Coming Out. Wenn mich heute jemand fragt, was ich z. B. bereuen würde, fielen mir sicher viele Dinge ein, aber das, was ich am meisten bereue, ist es, nicht schon viel früher den Mut aufgebracht zu haben, offen sagen zu können, dass ich schwul bin. Die Jahre sind vergangen und mal wollte ich mich outen, dann hatte ich wieder Zweifel und immer so weiter... jetzt könnte ich mich auch allein und einsam fühlen, aber erstaunlicherweise tue ich das eben nicht. Denn durch dieses Forum ist mir klar geworden, dass mir niemand diese vergeudeten Jahre zurückbringen wird, ich aber nicht alleine bin, weil es eben so viele andere Menschen in der Welt gibt, denen es ähnlich wie mir geht. Klar, niemand sollte gezwungen werden, sich sofort und bei jedem outen zu müssen, aber die eigene Gewissheit zu bekommen, dass die eigenen Gefühle vollkommen ok sind, ist der Anfang. Wenn ich dies schon früher begriffen hätte, hätte ich nicht so eine "dicken Schutzpanzer" zwischen mir und meinem Umfeld aufgebaut. Vielleicht wäre ich ein anderer Mensch geworden, mit weniger Selbstzweifeln und nicht so still, schüchtern, unsicher, scheu wie jetzt. Wollte aber niemanden verletzen, habe geschwiegen, mein Innerstes bis zum Geht nicht mehr verdrängt und viele Menschen sicher mit meiner Art abgeblockt, sogar meine eigene Schwester. Erst wenn man anfängt, sich selbst zu akzeptieren, kann man auch auf andere Menschen wieder besser zugehen und gewinnt dadurch mehr Selbstvertrauen. Dieses Selbstvertrauen kann man widerum dazu nutzen, auf andere Menschen zuzugehen und somit neue Menschen kennenzulernen und am Ende ist man weder allein noch einsam, sondern einfach nur glücklich und letztlich auch gesund. Diese Erkenntnis hat mich selbst auch viel Zeit und Kraft gekostet, aber jetzt geht es mir auch deutlich besser als früher. Das Lachen, das ich selbst verloren habe, kommt sogar manchmal wieder zurück.

Habe leider niemanden in meinem direkten Umfeld, der so wie ich fühlt. Freunde habe ich eigentlich gar nicht. Konnte anscheinend selbst kein guter Freund sein, weil ich immer aufpassen musste, wie ich mich benehme, was ich sage, was ich tue... Dabei wäre es mir wirklich egal gewesen, ob sie hetero, homo oder was auch immer sind. Dieses ganze, jahrelange Versteckspiel aber hat mich also einsam und allein gemacht und nicht meine Neigung, dass ich auf Männer stehe. Diese Neigung ist auch kein Fluch, sondern sie gehört quasi wie ein Puzzle-Teil zu mir. Irgendwann denkt man, wie traurig so ein schwules Leben doch sein muss: Keine Kinder, keine Enkelkinder... aber dann erkenne ich auch, dass ich im Moment dafür einfach auch noch nicht bereit wäre. Die Verantwortung, die Sorgen um sie, die unsicheren Zukunftsaussichten, usw. In meiner jetzigen Verfassung könnte ich damit nicht umgehen. Aber vielleicht kommt es später ja doch anders und ich finde einen Mann, der selbst Kinder hat oder irgendwann wird man als schwules Paar Kinder adoptieren können, denen man schließlich auch ein schönes Leben ermöglichen kann oder so. Man weiß nie, was das Leben noch so alles mit sich bringt. Nur seit ich mir eingestanden habe, dass ich schwul bin, merke ich wie befreiter ich bin.

Ich kann nur jedem raten: Hört auf euer Herz und nicht auf die Stimme im Kopf! Wenn man das alleine nicht schafft, sucht man sich am besten Hilfe in Coming-Out-Gruppen hier oder sonst wo in der Nähe. Der erste Schritt scheint nicht leicht zu sein, aber wenn man ihn hinter sich gelassen hat, fällt einem auf, wie lange man sich umsonst gequält hat. Auf Dauer eine Lüge zu leben schadet einem nur... bis man am Ende vielleicht sogar daran endgültig zerbricht. Man darf sich auch ruhig die Zeit lassen, die man braucht. Niemand sollte dazu gezwungen werden, sich vor jedem outen zu müssen. Aber beginnen sollte man bei sich selbst und man muss lernen, dass ein Versteckspiel nicht die Lösung sein kann. Erst wenn man es sich selbst eingestanden hat, wird man erkennen können, dass das Leben nicht nur aus Lügen, Verdrängen, Verstecken, usw. besteht, sondern so viel mehr zu bieten hat. Vielleicht werde ich in einigen Jahren sogar über meine eigene Dummheit lachen können, wenn ich erkannt habe, dass mein jetziges Leben viel schöner, angenehmer, besser, erträglicher,... als mein damaliges Leben ist. Was ich z. B. als erstes nach meiner Anmeldung in diesem Forum gelernt habe, ist... DU BIST NICHT ALLEIN!



Liebe Grüße


Daniel
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
01. September 2015 05:45
Hallo LittleD,
Deine Worte kann ich voll und ganz unterstreichen. Ich selbst bin noch nicht geoutet, aber ich erkenne mich in vielen Gefühlen, wie Du sie beschreibst, wieder.
Auch ich gehe früher oder später an meinem Doppelleben kaputt. Aber ich merke auch für mich das ganz kleine Schritte mich nach vorne bringen.

@Tobi,
anbei ein Link den ich bei Filmtipps gepostet habe, Da spricht uns beiden, unbekanterweise, der erste Beitrag der beiden älteren Herren, der mit dem Zollstock, aus der Seele.
LEBEN - LEBEN - LEBEN.

"Welche Rolle spielen Sichtbarkeit, Netzwerke und Community im Alter?"

[www.youtube.com]

In diesem Sinne bleiben wir am Ball thumbs up

Schönen Tag
Babyboomer1964




1-mal bearbeitet. Zuletzt am 01.09.15 05:47.
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
01. September 2015 08:08
@LittleD: Dein Text gefällt mir.
@Babyboomer1964: Schöner Film. Zitat: Und das von vorne anfangen, dat is das Wichtigste für mich.
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
01. September 2015 08:37
Hallo Tobi,

nach dem Beitrag von Daniel, der mir aus der Seele gesprochen hat, möchte ich noch ein paar Gedanken zu deinen Überlegungen äußern.

> Der Wunsch nach Enkelkindern wächst (auch
> ich hätte sehr gerne Kinder), meine Eltern sind
> bereits um die 60+.. Der Druck wächst und
> bin/war kurz davor eine Beziehung zu einer Frau
> einzugehen

Der Wunsch nach Enkelkindern ist verständlich, aber es ist dein Leben und du bist nicht für die Erfüllung der Lebenswünsche deiner Eltern verantwortlich. Ich schließe aus deinen Gedanken, dass du Einzelkind bist. Ein guter Freund meinte zu dem Thema, wenn seine Eltern nichts sehnlicher als Enkel haben wollten, hätten sie selber ihm Geschwister schenken müssen. Schließlich ist auch bei Heteros nicht sicher, ob es mit den Kindern klappt. Sei es, dass man keinen passenden Partner findet, die Karriere vorgeht, es biologisch nicht funktioniert oder gar ein tragisches Unglück die Lebenspläne durchkreuzt..

> Ein Problem bei schwulen Männern ist die
> Einsamkeit im Alter. Keine Nachkommen, keinen
> Partner... Alles Faktoren oder Ausreden welche ich
> mir einrede...

Deshalb ist es wichtig schon jetzt ein Netz aus Freunden und Menschen, die einem Wichtig sind, zu knüpfen. Einsamkeit im Alter trifft in erster Linie, die die sich ihr ganzes Leben versteckt haben. Heutige alte Schwule leiden noch immer unter dem §175, der sie zu einem Leben im Versteck zwang. Sie haben mit der verinnerlichten Angst später es nicht geschafft nach außen zu gehen. So fehlen Freunde und aus der Verwandtschaft haben sie sich zurückgezogen.

Du weißt nicht, welche Überraschungen das Leben bereithält. Vielleicht findest einen Partner mit Kindern, die Ehe für alle mit Adoptionsrecht kommt oder du wird wirst gebeten einen Kinderwunsch zu erfüllen. Im entfernten Bekanntenkreis sind zwei Männer auf die Weise mit befreundeten lesbischen Paaren Väter geworden sind.
Kinder sind auch bei Heteros kein Garant dafür im Alter nicht einsam und allein dazustehen. Die Kinder leben ganz wo anders, sind so eingebunden, dass sie sich nicht kümmern können oder es kommt zum Bruch mit den Kindern.Würden deine Eltern mit dir brechen, so ständen sie später auch allein da. Vergiss nicht: Du stehst mehr oder weniger auf eigenen Füßen. Verstoßen sie dich, so schneiden sie sich in erster Linie ins eigene Fleisch.
Wenn nach dem Studium der erste Job ansteht, musst du ja nicht eine Stelle im Dunstkreis zu deinen Eltern antreten, sondern kannst dich auch durch etwas Distanz befreien.
Oft übernehmen (auch bei Heteros), wenn keine Kinder da sind, weitere Verwandtschaft wie Nichten und Neffen die Versorgung. Oder du findest wirklich gute Freunde, die auch in schweren Zeiten zu dir stehen.
Zu dem allen ist aber wichtig, dass du deine Mitmenschen nicht vergraulst, sondern selber ein guter Freund, Partner oder Onkel bist. Wenn du dich aus Angst vor der Einsamkeit im Alter zurück ziehst, so wird das zu einer selbst erfüllenden Prophezeiung und verpasst gleichzeitig auch noch dein Leben.
Ältere Schwule und Lesben werden zunehmend sichtbar. So sind heute verschiedenste Betreuungsmodelle (wie Alten-WGs) in Entwicklung. Bist du mal so weit, so gibt es bestimmt was passendes.

> Dieser besagte Freund ist einer der ganz wenigen,
> die ich noch nicht geblockt habe. Ich weiss nicht,
> ob ich mir das überhaupt erlauben darf, meiner
> Seele willen. Mein Herz geht aber kaputt...

> Ich weiß nicht ob ich mich mit einem Outing
> besser fühlen würde... ich weiß es ehrlich
> nicht.

Mir ging es so, dass ich mit dem Schritt ins schwule Leben eine neue Welt kennengelernt habe. Endlich war ich unter Menschen, die meine Gefühle (potentiell) erwidern konnten. Es war einfach befreiend. Hetero Freunde, die ich angeschmachtet hatte, wurden einfach nur Freunde. Die Zuneigung, die ich mir ersehnte, bekam ich von Männern, die so fühlten wie ich. Das tat und tut so gut.

Tobi schrieb:
-------------------------------------------------------
> Meine Eltern sind sehr konservativ, südländisch,
> christlich. Da zählt das Erscheinungsbild nach
> Außen. Sei es in meiner Heimat oder hier in
> Deutschland, Homosexualität ist falsch.

Vielleicht kannst du in Kontakt mit Leuten mit ähnlichem Hintergrund bekommen oder auch ggf. Beratungshilfe in Anspruch nehmen. Als Beispiel das Angebot der AIDS-Hilfe Essen:
Du stehst wirklich nicht allein mit deinen Sorgen da.

LG
Perseus

P.S.: @Daniel: Aus deinem Beitrag spricht viel Aufbruch und neue Hoffnung. Ich freue mich für dich:
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
01. September 2015 10:25
Leute, danke für die vielen Kommentare. Balsam für die Seele und gleichzeitig sehr aufwühlend. So fühlt sich das wohl an, wenn man sich mit sich selber befasst...
Ich muss das erstmal sacken lassen und die Gedanken sortieren. Am Abend oder morgen melde ich mich dann dazu.
Ein aufrichtiges DANKE an euch von Herzen. Schön das gerade nicht alleine durchstehen zu müssen. Lässt mich sogar ein bisschen emotional werden, krass..

Eine Sache noch.
Habe mir überlegt jetzt ganz spontan für 3-4 Tage Urlaub zu machen.. alleine... und für ein paar Tage Ich sein.. um zu schauen wie sich das anfühlt.... bin zwar Student und knapp bei Kasse (so wie es ausschaut wird es daran scheitern) aber vllt kennt jmd zufällig Geheimtipps, Gay-Spots...
Wär top.

und nochmal -> DANKE
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
08. September 2015 17:44
Hallo Tobi,

Perseus schreibt das so schön und treffend, da gibt es kaum was hinzuzufügen.

Ich denke, man ist nicht auf der Welt, um es allen rechtzumachen, nicht Eltern, nicht Nachbarn, nicht Geschwistern, nicht Verwandten ... nein, man darf bzw. muss seinen eigenen Weg finden, und der trägt dann irgendwie zum Weltgeschehen bei (oder auch nicht).
Wer alles folgsam nachmacht und nachplappert ... der wird auf jeden Fall vergessen.

Ich habe herausgefunden, dass alle Leute Vorschläge machen oder Forderungen stellen, was und wie man alles machen soll ... mit dem Effekt, dass ich es nicht schaffe, dass es blöd wird und schief geht.
Wenn ich dann endlich entscheide, es so zu machen, wie ich will, dann wird es gut.

Das gilt auch für mein Coming-Out und mein Familienleben.

Was meinst Du, wie die geguckt haben, auf dem Geburtstag vom Freund meiner Frau. Als SIE (eben die Freundin vom Geburtstagskind) zusätzlich zu ihren Kindern (die alle schon kannten) auch noch jemanden mitbrachte, der auch das Geburtstagskind noch herzlich umarmte. Dann heißt es: "Hallo, das ist Victor, der Vater meiner Kinder" ... ups (ein paar Leute wussten das schon, kannten mich aber nicht) ... Ich habe mich mit einigen sehr prima unterhalten ... und später einfach alleine getzanzt ... weil die alle beim Bier und Wein versackt sind ... egal :-) (es gab weit und breit keine Gay-Party).

Du bist noch jung, Dein Leben dauert noch ziemlich lange ... von daher wird es Zeit, es "Richtig" zu leben ... und richtig ist auch, wenn sich ein paar Weggefährten zurückziehen oder aus dem Leben entfernen ... man muss nicht bis zum Lebensende zusammen gehen ...

Wünsche Dir viel Kraft und Glück auf dem Weg zu DIR!
Liebe Grüße
Victor

P.S. probier mal www.ebab.de, da gibt es private Zimmer ... mit Küchen und Badbenutzung ;-)
(überlassen und vermietet von schwulen Leuten ...), zum kleinen Preis.

Gay Spots ... fahr doch mal nach München. Frankfurt oder Hamburg.
Ganz toll ist auch Köln.

Kneipe, Cafe, Party ... Sauna :-o

Solltest Du nach Frankfurt kommen ... einfach mal melden.

:-)))
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
10. September 2015 01:27
Hallo zusammen,

ich muss zugeben, dass ich Abstand von diesem Forum gebraucht habe. Es strengt mich an mir den Kopf über meine Zukunft zerbrechen zu müssen. Ich weiß, dass das Outing früher oder später passieren wird und lieber früher als später... Mir fehlt aber der Mut.
Mir fällt gerade auf, dass ich mich an den Gedanken des Outings sehr langsam gewöhne, das ist schon mal ein Fortschritt. Habe es ansonsten rigoros abgelehnt.

@Kellergeist:
Ich gebe dir Recht, schauspielern strengt mich jetzt schon an und keiner lernt mich wirklich kennen. Ich habe mich gestern einen fremden Mann geöffnet. Ich erzählte ihm nach dem Sex meine Situation, einach so.. Hab ich noch nie gemacht, selten wechselte ich Wörter. Somit wussten meine Sexualpartner meist auch nix über mich.... Es fühlte sich gut an, dass mein ggü. über meine Sexualität wusste.. Ich war trotzdem ich selber..
Er hatte sich mit 16 bereits geoutet und seine Ratschläge waren nicht unbedingt hilfreich.
Aber er führte einfach ein ganz normales Leben. Und so viele - inkl. mir - machen sich so unfassbar verrückt!
Ein anderer Punkt: Während des Geschlechtverkehrs dachte ich mir "Alter, was machst du" es fühlte sich unnatürlich an... Ich bin so verwirrt.. Es ist Wahnsinn was in mir vorgeht. Innerhalb von Minuten ändere ich meine Meinung über meine Zukunft. Das ist anstrengend. Auch in nicht bekifftem Zustand..

Habe mich übrigens bekifft, falls irgendwas hier wirr rüberkomm

Es scheint mir gerade unmöglich auf alle Punkte von euch einzugehen. Ich habe sie aber alle mehrmals gelesen und auch weiterhin smiling smiley Danke für euren Input und eure Sicht der Dinge.
Es stimmt ja, ein Outing muss sich befreiend anfühlen! Aber es ist auch sehr beängstigend. Das danach. Gott hat sich den falschen Menschen ausgesucht, als er mich schwul machte. Ich bin dem Ganzen nicht gewachsen. Erst heute sprach ich wieder zu ihm und meinen schon lange verstorbenen Großeltern.
Auch sie waren konservativ und falls es so etwas wie einen Himmel gibt, dann müssten sie die Sicht darüber geändert haben. Also bat ich um Hilfe, denn sie sehen doch wie schlecht es mir geht.
Ob es nun Gott gibt oder nicht, keine Ahnung. "Aber den ersten Schritt muss ich selber gehen. Und irgendwann danke ich Gott dafür, dass er mir dieses Leben geschenkt hat".. aber wisst ihr was?
Es nervt mich extrem, dass ich gerade in dieser nervenzerreisenden Situation bin. Und das mein ganzes Leben lang..


Soll ich mich einen Freund anvertrauen? Hat da jemand Erfahrung, also lange vor seinem/ihrem großen Outing sich einer Person anvertraut? oder haben hier die meisten -so wie ich- jeden belogen?
Ich hatte heute das Gefühl, ich wäre es den Menschen die mich immernoch gern haben schuldig, endlich den Grund für mein blödes Verhalten zu geben.

@Pereus:
bin in dieser Stadt noch einige Jahre gebunden. wegziehen ist noch ganz weit weg. Deine Ratschläge sind logisch und gut.

Das Leben ist spannend und aufregend.. speziell für uns Noch - und Spätouter.. Nach einem langen Scheinleben endlich ein wahrhaftiges Leben zu führen. Vielleicht lernt man das viel mehr zu schätzen. Oder man fällt einfach zu Boden.

Gute Nacht.
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
10. September 2015 06:12
Halli Tobi,

schön, von dir zu lesen, mutig, das so zu schreiben.

Wenn "die Regie" das wirklich anders haben wollte, dann könnte sie was dagegen tun.
Aber noch wurde ich nicht vom Blitz erschlagen, der Vorhang im Tempel zerriss nicht, und ich lehne es ab, für die üblichen Vorkommnisse wie Vulkanausbrüche, Verkehrsunfälle oder anderes verantwortlich zu sein.
Was mein Vater oder meine Großeltern denken ... ist mir Wurscht ... vor allem wenn es um Bett oder Sex geht.
Das andere, mit dem normalen Leben, Nachbarn, Freunde, Kollegen, Frau und Kinder ... mache ich sowieso einigermaßen "ok" ... denke ich.

Sex, Nähe und Zärtlichkeit sollte man ohne Drogen genießen, dann weiß man, wie es wirklich ist.

Sex sollte sich gut anfühlen ... Sex mit (m)einer Frau war nicht wirklich ekelhaft oder schlecht ... er hörte einfach auf, es war uns beiden egal ... nicht wichtig ... es fehlte zwar ... aber nicht mit ihr oder mir ... es war dann irgendwie eben nix ... und egal ... (liest und hört man doch so oft und ist normal ... dachte ich, dachten wir ....FALSCH!)

Sex mit dem richtigen (SEX)-Partner ist sowas von toll!!!
(ja, auch ich fand mich schon mal mitten in irgend einer Sex-Situation mit einem Mann und dachte ... "nee, das ist es jetzt nicht"... Dann macht man es zu Ende ... oder bricht ab und geht ... ganz einfach.

Werde Dir bei klarem Kopf klar, was Du, deine Seele und dein Körper brauchen ... danach kannst du entscheiden ... ob wirkich was dagegen spricht, das so zu machen (außer der vermeintliche Respekt gegenüber Familie, Verstorbenen oder Dorfbewohnern).

Umziehen oder Wegziehen ist heute kein Problemm mehr, aber meistens kann man dort, wo man ist, viel mehr ausleben, als man denkt. Die Leute schauen und reden zwar ... aber in Wirklichkeit ist es ihnen egal, wenn man es konsequent lebt.

Von daher kommt es auf DICH an, was DU selbst über dich denkst. Du bist dein schärfster Kritiker ... deinen Teil Homophobie gegenüber Dir kannst du umwandeln in Akzeptanz.

Lebe ... für dich ... und mit dir ...
Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst (aber erstmal DICH!)

Liebe Grüße
Victor
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
10. September 2015 09:43
Hallo Tobi, Hallo an alle anderen,

nachdem ich deinen Beitrag gelesen habe, entschloss ich mich, mich auch mal anzumelden. Ich lese seit einiger Zeit hier im Forum mit. Das Lesen im Forum hat mit damals bei meinem Outing sehr geholfen.

Deine Geschichte, dein Leben kommt mir sehr bekannt vor, auch wenn es nicht eins zu eins übertragbar ist. Ich bin nun 29 Jahre alt und habe mich vor zwei Jahren, also mit 27 geoutet. Ich möchte dich mit diesem Beitrag zu nichts zwingen, nichts erreichen. Manchmal ist es ja hilfreich Geschichten von anderen zu lesen und zu merken, dass man nicht alleine ist.

Auch ich habe bis zu meinem 27 Lebensjahr ein Versteckspiel gespielt, ein Doppelleben gelebt. Das ich schwul bin habe ich mit ca. 20 Jahren gemerkt, da brach erstmal eine Welt für mich zusammen. Es konnte nicht sein, ich und schwul... Ich habe es dann alles verdrängt und mein Leben so weitergelebt, hatten lustlosen Sex mit Frauen, baute eine Welt der Normalität um mich herum auf. Eltern, Familie, Freunde, keine wusste/merkte es (dachte ich damals).

Mit den Jahren ging das nicht mehr, das Verlangen nach Zärtlichkeiten und Sex mit Männern wurde immer größer. Ich begann mich mit Männern zu treffen um Sex zu haben. Obwohl die Treffen unbeschreiblich schön waren, ekelte ich mich danach fühlte mich schlecht, hasste mich gar dafür. Heute weiß ich, dass es bei mir die gleiche Scham war, wie die nach dem Masturbieren in den Pubertät. Erst als ich akzeptierte, dass es "normal" ist, fühlte ich mich besser und konnte es richtig genießen.

Dieses Doppelleben machte mir schwer zu schaffen, ich zog mich zurück, Freunde fragten oft was los sei mit mir. Mit 27 beschloss ich dann, dass ich so nicht mehr leben kann und möchte. Ich wäre daran wohl auch kaputt gegangen, habe in der Zeit viel getrunken, geraucht, meine Gefühle betäubt.
Ich fing an mich mit einem Outing zu beschäftigen. Mir fehlte Anfangs der Mut. Ich komme aus einem sehr kleinen Dorf, alles sehr ländlich, konservativ, im Umfeld keine offen lebenden Homosexuellen. Schwule kannte man vor allem aus den Medien. Ich konnte mich also nicht outen, das ging nicht, was sollten die Leute denken, meine Eltern, meine Freunde...?

Hilfe im Internet fand ich nur wenig, die meisten Seiten die sich mit der Thematik beschäftigen, richten sich an Jugendliche die jünger sind als ich. Ich konnte mich mit deren Problemen nicht identifizieren. Dann habe ich das Forum hier entdeckt, es stützte mich. Ich merkte, dass ich nicht alleine bin, dass es auch noch andere Endzwanziger gibt, die sich outen wollen.

Der Drang mich zu outen wurde in mir immer größer, ich wollte offen Leben, zu dem stehen was ich bin. Wollte mich nicht mehr heimlich mit Männern treffen. Meine größte Angst war damals nicht, dass mich meine Freunde und Familie wegen meiner Homosexualität verstoßen, sondern weil ich ihnen jahrelang etwas vorgelogen habe. Mit 27 war es dann endlich so weit. Nach vielen Anläufen habe ich mich dann zum ersten mal einer Freundin anvertraut. Es war verdammt schwer, aber es tat gut endlich mit einem anderen Menschen offen über seine Gefühle sprechen zu können. Innerhalb von zwei Monaten habe ich mich dann auch vor meinen Eltern, Freunden, etc. geoutet, sodass innerhalb dieses Zeitraums alle bescheid wussten.
Ich habe nur positive Rückmeldungen bekommen, alle Ängste haben sich nicht bestätigt. Es fühlt sich gut an, ich lebe befreiter damit, kann meine Sexualität mehr genießen und muss mich nicht mehr verstecken. Ich merke, dass ich wieder offener geworden bin, mehr auf Menschen zugehen kann. Von einem Familienmitglied wurde mir die Tage gesagt, dass ich mich positiv entwickelte hätte, ich sei ein fröhlicherer Mensch geworden.

Selbstredend ist dass nicht allgemein gültig. Ich kann für mich jedoch sagen, dass sich das Outing gelohnt hat. Wenn ich was bereue, dann mein Versteckspiel all die Jahre.

Ich lebe nun seit zwei Jahren offen schwul (was auch immer das ist...) und kann abschließend sagen, dass sich all die Ängste nicht bewahrheitet haben. Ich wurde und bin in meinem Umfeld voll akzeptiert, so wie ich bin.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Akzeptanz von Homosexuellen sich positiv verändert, wenn ein Freund/Familienmitglied betroffen ist. Alle Stereoptype aus den Medien sind beiseite gewischt.

Soweit erstmal,

Flo
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
10. September 2015 10:48
Hallo,

@Vikor:
danke für deine schnelle Antwort und v.a. zu so früher Stunde! ganz stark!
ich bin mir selber der größte Feind.. und bin mir selber homophob, falls man das so ausdrücken kann... fühlt sich nicht gut an sich selber nicht zu akzeptieren... Weiß noch nicht, wie ich das ändern kann. Mir war mein eigenes Glück und Leben so egal, dass es mir erst jetzt auffällt was das in mir ausgelöst hat.
Ich weiß nicht, wie sich Sex mit Liebe anfühlt. Ich denke, dass mir Sex ansich einfach nicht mehr wichtig ist, dass es mir jetzt einfach langt. Hin und wieder geb ich meinem Trieb nach, aber es löst danach keine Befriedigung mehr in mir aus...

@flo:
bin baff von deiner Geschichte. Danke, dass du diese hier geteilt hast. Denn erkenne mich extrem in deiner Geschichte wieder... eigentlich in allen Punkten. Sei es das betäuben von Gefühlen mit weichen Drogen... dein Umfeld, in dem Homosexualität ein Fremdwort war.... die Zerissenheit in einem, nicht nur weil man schwul ist, sondern weil man Familie und Freunde so lange etwas vorgelogen hat!! Das macht mir auch sehr zu schaffen.....
Ich freu mich sehr, dass es bei dir so gut verlaufen ist.. und dass es dir gut geht...

Ich denke, dass viele meiner Freunde es akzeptieren würden. Mich wieder zurücknehmen würden.. Ich habe das Gefühl, dass einige schon etwas ahnen. Auch meine Eltern... wenn man zwischen den Zeilen liest, könnte man es manchmal meinen... ich weiß nicht wie sie es aufnehmen würden, sie hätten aber definitiv eine sehr schwere Zeit. Ich habe Schuldgefühle ihnen gegenüber... Ich glaube meine Familie ist nach mir das größte Problem. Ich habe auch jetzt noch manchmal das Gefühl, ich könne ein Hetero-leben führen.. Wenn ich jetzt ein Wunsch frei hätte, wäre es immernoch hetero zu sein...
Das geht halt aber nicht. Man kann ein Hetero-Leben führen, aber kein hetero sein.

Man, das ist unfassbar schwer alles....
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
10. September 2015 11:57
Hi Tobi,

ich hatte mein CO vor 6 1/2 Jahren . Ich war kurz vor 50 ..

Das Forum hier hat mich getragen und gestützt.

Sie haben mir klar gemacht, dass ich es selbst bin, der mit der Schere im Kopf herumläuft, und alle Gedanken in Richtung schwul abschnippelt.

Dann war ich soweit und habe der der wichtigsten Person in meinem Leben gesagt ... meiner Frau. (... von Verstehen über Bestürzung bis Wut war alles dabei ... logisch ...)

Wenigen haben wir es direkt und persönlich gesagt, ale Reaktionen waren positiv. Natürlich hatte ich ein schwerers halbes Jahr mit meiner Frau ... (aber da hast du ja kein Problem mit)

Meine Schwester sagte ich es selbst die restliche Familie sagte es sich untereinander weiter. Meiner Mutter sagte ich es erst 1/2 Jahr später persönlich ... mein Bruder erfuhr es zufällig am gleichen Tag ... hinten rum.
Seine Reaktion war die böseste, schlimmste und feindlichste Reaktion überhaupt.

Meine Mutter hat sich Gedanken und Vorwürfe gemacht ... aber nicht mir (Danke Mama).

Dann habe ich es gelebt, schwul gelebt, Date, Party, Sex, Kneipe in der nahen Großstadt.

Es war eine Befreiung ... für den Rest meines Lebens!

Alles Gute
Victor
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
10. September 2015 19:02
Servus Tobi,
so einiges, was Du erzählst, erinnert mich an mich selbst, mit dem einen, wohl entscheidenden Unterschied, Du reflektierst sehr früh Deine Situation und hast jede Chance, es richtig zu machen. Ich wollte in meinen Zwanzigern, in den Achtzigern also, alles richtig machen. Lebenssinn generieren. Ein toller Beruf. Ehefrau und Kinder gehörten dazu. So wollte ich leben und das mit den Männern wird sich schon geben. Und ich wollte vor und mit Gott mein Leben gestalten. Mit meiner Frau konnte ich das auch, alles prima. Du kommst auch aus einem christlichen Umfeld und Du beziehst Gott in Dein Leben ein. Als ich mehr und mehr, und es wird immer nur mehr, nie weniger, Gefallen an Männern fand, betete ich zu Gott, schenk mir keine Gelegenheit, in „Versuchung“ zu geraten. Ich habe der Versuchung nur selten widerstanden. Ich war Teil der katholischen Community, meine schwule Seite habe ich in Gedanken und Tun „ausgelagert“. Nach meinem Coming out fühle ich, ich bin schwul, und die katholische Seite passt nicht mehr so dazu. Wobei ich an meinem Glauben festhalte. Unser christliches Über-Ich hat uns lange Zeit total im Griff. Anders als heute, waren früher Kirche und Gesellschaft in unserer Frage nicht gespalten. Was nicht sein darf, kann auch nicht sein, fertig. Bis, ja bis wir uns vielleicht verlieben. Und die Liebe zu einem Mann stellt alles in Frage. Gut ein Jahr nach meinem Coming out weiß ich nun, es hilft alles nix: Ich muss zu mir stehen. Der Ordensmann und Mystiker Thomas Merton schreibt: „Heiligkeit bedeutet, sich selbst zu finden und ausfalten“. Der Katechismus ist da keine Hilfe. Von Thomas Merton hörte ich über Wunibald Müller, dessen Buch „Größer als alles aber ist die Liebe. Für einen ganzheitlichen Blick auf Homosexualität“. Topos Taschenbücher 2014. Müller ist Psychotherapeut und Theologie. Ein lesenswertes Buch. An der Selbsterkenntnis und –akzeptanz führt kein Weg vorbei. Die Auseinandersetzung mit den Fehlschlüssen von 2000 Jahren Christentum kann helfen, unsere innere Verkrampfung zu lösen. Schwul sein ist so vieeeel mehr als Sex. Die Intimität mit einem Mann ist so unvergleichlich, ich lebe mit meinem Freund seit einem Jahr zusammen, so total beglückend. Du hast in Deinem Lebensalter alle Chancen: zu verstehen, wer Du bist, zu lernen, Dein Über-Ich in Zaum zu halten, sich durchzuringen, zu Dir stehen, herausfinden, wie sich eine neue Spiritualität entfalten kann, und schließlich: den Mann, Deinen Mann zu finden, der alle Deine guten Saiten zum Schwingen bringt. Du hast alle Chancen!

Liebe Grüße
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
10. September 2015 19:28
Hallo Tobi,

die Situation, dass du glaubst dein Umfeld ahnt was, war bei mir genauso. Bei den Eltern wars bei mir auch mit am schwierigsten. Wieso hast du Schuldgefühlen ihnen gegenüber? Weil du schwul bist? Ich finde deine Eltern sollten diesbezüglich Schuldgefühle haben, wenn sie das nicht akzeptieren.

Für viele meiner Bekannte war mein Outing keine große Überraschung, viele hatten so eine Vorahnung. Eltern merken sowas eh irgendwie (komisch!). Das Outing gerade bei meinen Eltern und guten Freunden verlief positiver als ich dachte. Meine Eltern haben sich sogar Vorwürfe gemacht, ob sie mir das Gefühl gegeben hätten, dass sie mich nicht akzeptieren würden, wenn ich schwul bin.

Grüße Flo
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
12. September 2015 09:58
Ich habe mich einem sehr sehr guten freund gestern geoutet. meinen besten freund

es ist noch sehr frisch... es war im alkoholisierten Zustand... Leute... ich glaub ich hatte einen Nervenzusammenbruch..ich habe es gesagt.. und ich fühle mich gerade sehr sehr schlecht..
es war extrem hart... ich habe so viel geweint....
ich werde gerade nüchtern.. und ich weiß gerade nicht, was ich sagen soll... ehrlich... gerade bereue ich es... es fühlt sich nicht gut an...

es war vor ein paar stunden...

erleichtert fühl ich mich nicht. ich musste es sagen, der freundschaft-willen... und ich komm nicht klar... erhlich garnicht klar gerade... ich weiss gerade auch nicht was ich sagen soll.. machen soll.... es ist schrecklich...
er war von der situation auch überfordert... er hat gemeint, dass alles ok ist etc.... er hat mir gut zugeredet.. .aber ich bin extrem zusammengebrochen...
das ist ehrlich sehr sehr hart



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.09.15 11:06.
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
12. September 2015 12:01
Leute, es geht mir richtig beschissen...
ich bin total planlos.. ehrlich... perspektivlos... ich habe keine lust auf meine Zukunft..
es ist alles zusammengebrochen...
wirklich...

ich weiss gerade ehrlich nicht, wie es weiter gehen soll... ich habe keine ahnung...
selbstmord kommt nicht in frage... weiterleben auch nicht..
so fühl ich mich gerade... ich habe keine kraft.. habe mich meinem besten freund geöffnet.. leute, ich bereue es.... ich will nicht schwul sein.. es ist beschlossene sache.. ich kann aber auch nicht hetero sein..
das ist gerade echt heftig... ich bin so überfordert gerade mit der situation.. es ist einfach schrecklich..... ich kann nicht mehr..
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
12. September 2015 12:52
Da was zu sagen, ist schwierig. Ich versuche es trotzdem...
Gib` den Menschen auch immer etwas Zeit, das zu verarbeiten. Oft haben sie es nicht bemerkt und manches muss auch erst verarbeitet (im Sinne von realisiert) werden.
Und dann, geh´ eine Runde raus, geh` laufen, spazieren... bring` Dich auf andere Gedanken und mach´ Dir nicht so viele negative Gedanken.
Wenn Du schwul bist (wovon ich mal ausgehe), denn sonst verspürt man kaum den Drang sich zu öffnen (zu outen), steh` dazu und gib` deiner Umgebung die Zeit, die Du auch gebraucht hast, um es für Dich zu realisieren und Du wirst eines sehen (und merken)... sie akzeptieren es alle (sehr viel) schneller...
Ich drück` Dir die Daumen und ein Schritt nach dem anderen... thumbs up

Was ist zusammengebrochen? Was fühlt sich schlecht an? zu sagen, dass du schwul bist?

Ciao, Tim

P.S.: Wenn ich eines ändern dürfte, ich würde mich sehr viel früher und offener (selbstbewusster) outen... es war/ist für niemanden ein Problem gewesen.

P.P.S.: Nicht immer ist es gut, sich zu viele Gedanken zu machen...
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
12. September 2015 15:24
Hey... war da noch vom Vorabend ziemlich blau... es geht mir schon besser.. sorry, dass ich hier einen kleinen "Ausraster" hatte.. ich lass das mal sacken..
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
12. September 2015 15:34
Hi Tobi,

hey, Kompliment, du bist OUT ... und du lebst noch :-)

ups ... da hat das Unterbewusstsein dem benebelten Bewusstsein ein Schnippchen geschlagen und die Gelegenheit genutzt ... es ist RAUS! :-o .

Es irgendeinem Freunde im Suff zu sagen ... oha ... dazu gehört schon was.

Wichtig ist, dass du DEINE Einstellung zum Schwulsein für dich normalisiert.

Du BIST es wohl ... du hast keine Wahl ... es wurde schon entschieden ... vor langer langer Zeit.

Du wirst sehen, Dein Freund wird damit klarkommen ... also kommst auch du damit klar.

Wenn er fragt, ob das ernst gemeint war, gibt es nur die Antwort kurz und knapp "ja!".

Lass den Tag langsam angehen ... :-D

Ganz liebe Grüße
Victor
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
12. September 2015 21:21
Hey, ich danke euch dass ihr mir so zur Seite steht...

Viktor, ich habe es nur einem menschen erzählt, einem Freund. und auch nur ausm Affekt... bin also nicht wirklich out, und gerade hab ich leicer auch noch nicht das Bedürfnis es weiteren Leuten zu erzählen..
Gerade kann ich auch noch nicht sagen, ob es richtig oder falsch war.. fühl mich einfach leer gerade.. emotionslos und doch bedrückt...
mein freund hat wirklcih gut reagiert, ich war dafür aber wirklich fertig mit der Welt... komplett zusammengebrochen.... der ganze Abend verlief für mich komisch... sah die ganze Zeit Zeichen, dass ich es sagen soll.. z.b. sagte er beim karten spielen vorm weggehen " Tobi hat sein coming out" damit meinte er, dass ich dran bin mit Karten geben.. oder ein anderer meinte "ich hab zwar nix gegen schwule, aber boateng ist eine schwuchtel"...
in der summe dachte ich mir dann, dass eine Macht mir vielleicht mitteilen will "heute ist ein guter zeitpunkt"...

Das mit dem normalisieren.. hmm, das wäre wichtig für mich, das stimmt.... hab vielleicht nur ein babyschritt in meiner persönlichen Entwicklung gemacht, so fühlt sich das an...
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
12. September 2015 21:38
Hey Tobi,

mit einem Babyschritt fängt alles an!

l.g.
Victor
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
13. September 2015 06:09
Hallo Tobi,
auf deinen letzten Post hin muss ich mal berichten, was vor kurzem in der Firma passierte. Vorweg: ich sage nicht von mir aus, dass ich schwul bin. Nur diejenigen, die sich mit mir unterhalten und fragen, wie ich so lebe, habe ich es erzählt. Außerdem steht in meinem Lebenslauf "verpartnert", von daher sollten die Vorgesetzten Bescheid wissen, was aber nie ein Thema war.
Also letzte Woche arbeitete ich mit einem Kollegen an einem Projekt. Weil wir gut voran kamen sagte er "Boah! Wir arbeiten sooo guuut zusammen, wir könnten eigentlich heiraten. --- Ach nee, ich steh ja auf Brüste" ENDLICH konnte ich sagen: "Ich nicht!" Er schaut mich an, Pause, "Ach" - "Ach so ist das" und grinst. "Dann darf ich ja jetzt nicht mehr so Witze machen". Ich weiss, das er keine Berührungsängste hat, denn er erzählt öfters von seinem schwulen Schwager und dessen Mann. Und gespielt tuntig tun und näselnd sprechen kann er auch. Ob mehr dahinter steckt? Ist mir auch egal, solange das Arbeitsklima nicht leidet. Allerdings kenne ich auch keinen anderen Schwulen dort. Ich bin selber nicht der Typ, der fragt.

Gruß
Chris
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
13. September 2015 07:36
Hallo Tobi,

herzlichen Glückwunsch zu deinem Schritt!

Das falsch Anfühlen, Vorwürfe machen, kenne ich noch von mir. Das ist glaub ich der letzte Schutzwall vor der inneren Akzeptanz. War bei mir so. So ein Outing, wenn auch besoffen oder dergleichen, ist ja auch so ein Schlusspunkt des inneren Vorgangs. Gleichzeitig der Beginn eines Äußeren.

Grüsse Flo
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
13. September 2015 14:55
Ich hoffe ihr habt Recht.... bin gerade etwas sehr durcheinander, meine Stimmung wechselt von gut zu schlecht... Achterbahnfahrt.. aber ich habe ehrlich Angst vor der Zukunft.
obwohl ich mich selber von zurückgezogen habe und es "genossen" habe alleine zu sein (einfach, weil ich da niemanden etwas vorspielen musste)
keine ahnung..



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.10.15 01:57.
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
14. September 2015 16:23
Hallo Tobi,

ich drücke dir ganz feste die Daumen, dass alles gut wird. the finger smiley

Gerade beim Lesen der letzten Posts habe ich den Atem angehalten. Ich kann mir gut vorstellen, wie sich die Ungewissheit zwischen zu sich stehen und am liebsten alles rückgängig machen zu wollen, anfühlt.

Ich denke, mit der eigenen Wphnung ist es zu erst ungewohnt, allein zu Hause zu sein, kein fremdes Leben um sich herum. Auf der anderen Seite gewinnst du Freiheit.

Als ich meine eigene Wohnung zog, litt ich unter Einsamkeit. Nach dem Studium gingen alle eigene Wege. Der Freundeskreis dünnte sich aus. Durch Stress im Job und das Versteckspiel blieb keine Energie um neue Freunde zu suchen. Irgendwann als sich auch meine Mitmenschen anfingen um meinen Zustand Sorgen zu machen, war der Druck groß genug und der Punkt gekommen mein Leben zu ändern. Ich suchte damals kurz vor der Schließung im alten CO30-Forum Kontakt zu anderen Schwulen. Ich hatte unheimliches Glück über die richtigen Leute gestolpert zu sein. In kürzester Zeit entstanden sehr gute Freundschaften, die auch bis heute anhalten. Meine Wochenenden waren mit Besuchen gefüllt. Ich gewann unheimliche Energie aus dem erlebten. Meine Familie war verwirrt, warum ich plötzlich kaum zu Hause und ganz wenig Zeit für sie hatte.

Auch wenn mich zu erst die Einsamkeit überkam, ohne die eigene Wohnung hätte ich nie den Schritt nach draußen geschafft. Sie gab mir die Freiheit mich ungezwungen bewegen zu können. Ich konnte ohne Sorge vor blöden Fragen Besuch empfangen, der auch ein paar Tage bleiben durfte.Ich brauchte auch nicht mehr zwanghaft schwule Sachen verstecken. Für mich begann ein neues Leben..
Nutze die Chance, die sich durch die Wohnung ergibt! Sorge schon bei der Auswahl dafür, dass sie dir zu mehr Freiheit verhilft und sich nicht wie ein Käfig in der Einflusszone deiner Eltern/Verwandtschaft anfühlt.

Ich finde, du hast schon große Schritte gemacht. Du stellst dich deiner Situation. Du schreibst hier im Forum. Dann weiß dein bester Freund Bescheid und du änderst dich, indem du angefangen hast, dich mit einem anderen Schwulen zu unterhalten.

Ich finde, viele Schwule verkennen den Wert eines schwulen Freundes- und Bekanntenkreises jenseits von Sex. Er hilft gegen Einsamkeit. Es ist regelmäßig was los. Oft soviel, dass ich mich sogar mal nach Ruhe sehne. Wenn ich einen Durchhänger habe, gibt es den jeweils passenden Gesprächspartner. Auch ein Schwuler, den ich körperlich überhaupt nicht anziehend finde, kann ein super Freund sein. Vielleicht sogar besonders gut, weil das Sexuelle oder Eifersucht das ganze nicht verkompliziert. Unter Schwulen kann ich ganz entspannt ich selber sein. Man hat die gleichen Themen und Probleme, man kann gemeinsam Ausgehen und auch gemeinsam Männern hinterher gucken. Auch tut mir der ungezwungene Körperkontakt gut. Freunde bleiben, wenn eine Beziehung in die Brüche geht. Sie spenden Trost und lenken ab. Jeder muss seinen Weg finden, wie er am geschicktesten Leute kennenlernt. Bei mir passiert es nicht online und seltenst beim abendlichen Ausgehen, sondern in schwulen Freizeitgruppen oder durch das Kennenlernen von Freunde von Freunden. Andere haben durch Kontaktportale oder beim Ausgehen Erfolg.

LG
Perseus



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.09.15 16:23.
Re: 27, Versteckspiel, ich geh kaputt
15. September 2015 13:13
Hey, bin jetzt mal im Urlaub für ein paar Tage
die letzten nachrichten von euch sind super smiling smiley

Muss raus aus München und ein paar Tage für mich zu haben... Melde mich dann oder vllt sogar zwischenzeitig..

kann nicht mehr viel zur Situation sagen.. Die art und weise war blöd im suff, aber was solls... kann man nicht mehr ändern.. aber ja, wenigstens ein Schritt smiling smiley danke euch und schöne Tage
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