Outing

Wer kann mir einen Tip geben. Ich bin Verh. und möchte mich als Schwuler Mann outen.

Hallo Netter40 , eigentlich ist es ganz einfach Du must Dich nur outen, danach bist Du geschieden und kannst als schwuler Mann leben. Das wäre die Antwort auf Deine simple Frage.
Aber so einfach ist es nicht.
Schreibe doch mal näheres von Dir dann kann man eventuell raten , aber jede Situation ist anders und nicht vergleichbar.
Gruss Rudolf

Hallo Rudolf, Danke für Deine Rückmeldung. Ich habe meine Schwule Neigung spät entdeckt. Meine Sehnsucht nach einem Mann ist sehr gross. Ich möchte niemanden mit meinem Outing verletzen, deshalb zögere ich und lebe meine Neigung im verorgenen. Aber dieses versteckspiel zehrt an Energie.

Hej :-)

es ist durchaus verständlich, dass man niemanden verletzten möchte, nur: was ist mit dir ? .......

Mir hat mein Versteckspiel vor Jahren so geschadet, dass ich mir letztlich psychische Hilfe suchen musste und nur ganz knapp am totalen Zusammenbruch vorbeigeschliddert bin.

So gesehen errscheint es mir nicht sinnvoll, sich selbst zu schaden, nur um dem Umfald nicht weh tun zu wollen oder ? ;-)

Lieber Netter40,

das sehe ich genauso. Außerdem weiß ich auch nicht, ob es wirklich so respektvoll seinem engsten Umfeld gegenüber ist, wenn man ihnen ewig was vorspielt. Würde ein enger Freund oder gar Partner mir ewig was vorspielen - auch wenn er mich vielleicht vor der Wahrheit schützen wollte -, dann wäre ich, sollte es irgendwann doch mal herauskommen, eher deswegen sauer. Es bedeutet ja, er/sie hat kein Vertrauen zu mir gehabt, und was ist das dann für eine Beziehung?

Andererseits: würden mich andere Leute nicht mehr mögen/lieben, nur weil ich z.B. schwul bin, dann wollte ich nicht mit dem Wissen mit ihnen viel zusammen sein, weil sie was anderes von mir annehmen. Das ist doch dann irgendwie auch nicht echt.

Ich weiß, das klingt alles sehr einfach, und oft ist man Verpflichtungen eingangen (Ehe? Kinder? Lange Beziehungen oder Freundschaften?) und "irgendwie" will man das dann nicht verlieren bzw. hat Angst davor, daß das Kartenhaus zusammenbrechen könnte. Das sind ja völlig berechtigte Ängste. Nur: was sind die Alternativen? Ewig (vor)spielen? Ewig ein Leben leben, daß so nicht richtig für einen selbst ist? Und: Vielleicht auch den anderen, Leute, die ich liebe und/oder mag (!), vielleicht nicht das geben können, was sie verdienen? Und das nur, weil ich es vielleicht nicht schaffe, das komplexe Geflecht zu entwirren?
Ein "Entwirren" muss ja nicht bedeuten, daß alles mit einem Schlag zerstört ist, sondern man kann es behutsam tun, Gespräche führen, seine bisherige Lage, seine Gründe für das bisherige Handeln und Leben darlegen, erklären. Menschen, die einen lieben, hören dann - nach sicher einem anfänglichen Schock, je nachdem wie sehr es auch ihr Leben beeinflusst - auch zu. Es finden sich Lösungen, aber man muss den Weg zu diesen Lösungen erst mal suchen und begehen.

Sieh es immer so: jeden Tag, den Du nicht das Gespräch gesucht hast, machst Du es ja theoretisch "schlimmer". Jeden Tag früher, an dem Du eine Lösung suchst, nimmst Du auch eine unerträgliche Last von Deinen Schultern und Du bist ehrlich zu den Leuten, die Du liebst und magst. Es werden sicher Tränen fließen, Fragen gestellt, auch Vorwürfe gemacht, aber wenn diese Phase überstanden ist, kannst Du und können die Menschen um Dich herum wieder was aufbauen. Und dann auf einer ehrlichen Basis.

Wie gesagt: es ist klar, daß dies alles nicht leicht ist, und die meisten von uns hatten auch einen extrem schweren Weg hin zum Coming Out (oder stecken noch selbst mittendrin). Es gab auch Fälle, die liefen nicht ganz so dolle, aber in den meisten Fällen höre und lese ich von den Betroffenen, daß der Weg richtig war. Und von fast allen hörte ich vorher, daß der Weg ihnen eigentlich "unmöglich" sei, aus diesen oder jenen Gründen (die immer "ganz anderes als bei anderen" sind) ist ein CO bei ihnen besonders schwer. So war es auch bei mir. Ich hörte und las viel, dachte aber immer, ich - ganz speziell ich - könne mich auf gar keinen Fall outen. Für andere sei es gut, für mich aber gänzlich unmöglich. Das hielt mich jahrelang auf, heute bin ich aber froh, daß ich diese Phase hinter mir gelassen habe. Und das höre ich auch von den meisten anderen.

Aber natürlich - höre dennoch immer auch auf Dich, Dein Innerstes. Lasse Dich auch nicht zu was drängen, was (noch) nicht geht, bleibe nicht stecken, aber presche auch nicht weiter vor, als Du es mental verarbeiten kannst. Es ist auch im Coming Out wichtig, ab und an mal inne zu halten, Bilanz zu ziehen etc. Du mußt auch mal Atem holen. Und schwul ist auch nicht gleich schwul. Viele Lebensmodelle, die durch das CO möglich wären, sind vielleicht gar nicht die Deinen. Du wirst Deinen (!) ganz speziellen Weg suchen und finden müssen. Aber höre Dir ruhig mal andere Meinungen, Lebensmodelle etc. an, wiege sie für Dich ab und nimm Dir das, was Du für Dich verwenden kannst. Es gibt nicht DEN schwulen Mann und DAS schwule Leben. So wie Du ja auch weiterhin nicht "nur" schwul bist, sondern auch noch viele anderen Eigenschaften hast. Die nimmt Dir keiner, die bleiben Dir. Schwul zu sein heißt nicht, daß sich Dein Leben komplett verändern muss. Es wird manches anders sein, aber möglicherweise sehr vieles auch besser. Und nach und nach wird Dir einige Last von den Schultern und mancher Druck von der Brust genommen werden.

Du bist auch nicht allein: es gibt Stellen, die Dir hilfreich zur Seite stehen können (auch ganz anonym). Oder teile Dich hier uns weiter mit und höre Dir verschiedene Meinungen an. Du bist hier eh anonym, Du kannst daher hier fragen, diskutieren, Ängste äußern, Fortschritte mit uns teilen. Aber wenn Du es nicht willst, musst Du niemanden hier irgendwann mal sehen, treffen o.ä. Und wenn Du es doch wolltest, gibt es immer wieder mal CO30-Treffen oder Du mailst mal privat mit dem einen oder anderen hier. Du hast es im Griff, ob und wie sehr Du dieses Forum und die Leute "nutzt" und Du verrätst Duch nicht schon allein dadurch, daß Du hier z.B. im Forum schreibst.

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, Energie, Mut und Glück auf Deinem Weg,

alles Gute,
Mickey2.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.06.12 15:30.