Outing vor den Kindern?

Guten Abend zusammen, aus aktuellem Anlass bewegt mich gerade die Frage sehr, ob ich mich vor meinem Kindern (23 und 25) outen soll. Ich bin 55 und seit 5 Jahren geschieden. Mein Inneres outing hatte ich so um diese Zeit. Ich habe mit meiner Ex-Frau (ist auch die Mutter der Kinder) schon vor etwa zwei Jahres gesprochen und mittlerweile haben wir ein gutes Verhältnis. Seit gut zwei Jahren habe ich einen Freund . Da er aus den Philippinen kommt, sehen wir uns nicht zu oft, aber doch drei bis viermal im Jahr und waren auch schon mehrmals zusammen in Urlaub. Die Kinder kennen ihn zwar, wissen aber nicht, dass er mein Freund ist und ich schwul bin. Einerseits habe ich Angst vor der Reaktion der Kinder auf ein outing (evtl. Ablehnung), aber andererseits finde ich es auch irgendwie unfair, Ihnen die Wahrheit vorzuenthalten. Oder interessiert Sie das gar nicht? Hat hier jemand eine ähnliche Situation mal durchgemacht? Was meint ihr dazu? Vielen Dank und gute Nacht

Lieber Maxi,

es dürfte sehr viele schwule Väter geben, die dir sofort sagen, dass man das Outing vor seinen Kindern nicht aufschieben sollte.

Auch wenn die Kinder schon erwachsen sind, sie haben Antennen, bekommen viel mit, nur manchmal nicht den tatsächlichen Grund.
Ich behaupte nicht, dass eure Kinder irgendwo denken, sie hätten mehr tun müssen, damit die Eltern sich nicht trennen, aber wer weiß?

Eben habe ich in einem anderen Beitrag von einem Mann geschrieben, der sich mit 80 Jahren geoutet hat. Als er bei seinem 50jährigen Sohn herumdruckste, er müsse ihm etwas sagen, fragte der Sohn, ob er ihm sagen wolle, dass er schwul sei. Danach sind sie sich in die Arme gefallen .

Outing könnte deine Kinder erleichtern und zudem wäre es ein gute Signal für ihr eigenen Selbstbewusstsein, wenn du ihnen damit zeigst, dass du ihnen vertraust.
Auch das Vorbild ist mir wichtig. Sie sollen wissen, dass es sich lohn, für das eigene Glück einzutreten.
Wenn ich an meine Kinder denke - was könnte ihnen in ihrem Leben noch alles passieren, dafür sollen sie stark sein. Mit Vertrauen und Vorbildern stärkt man seine Kinder.

Alles nur meine Meinung, aber nicht von ungefähr denkst du darüber nach
Zudem hast du gute Erfahrungen mit Outing gemacht und weißt, dass du aufrecht gehen kannst

Liebe Grüße

Zeev

Hallo zeev,

Danke für die Aufmunterung.

Am Donnerstag soll es soweit sein. Da treffen wir uns alle und ich habe vor, mich in einem gemeinsamen Gespräch vor meinen beiden Kindern zu outen. Meine Ex-Frau und mein Freund sind auch da - es ist aber sich genug Raum da, sich aus dem Weg zu gehen. Wobei ich das Gespräch zunächst nur mit den Kindern führen möchte.

Am Wochenende habe ich das schon vorab mit meiner Ex-Frau besprochen - sie fand es gut und will für die Kinder da sein, wenn diese etwas „neutralen“ Gesprächsbedarf haben sollten.

Ich hoffe, mir rutscht das Herz nicht kurz davor doch noch in die Hose

Hallo Maxi,

he - in deiner Hose hat dein Herz nichts verloren, da ist ohnehin kein Platz dafür :-)

Ich finde es sehr gut, dass du deinen Kindern eine Chance gibst, dass du ihnen Vertrauen schenken willst.

Erlaube mir noch eine Kleinigkeit anzumerken: Jeder hat sein Tempo und du hast jetzt einige Jahre gehabt, um dich selbst besser kennen zu lernen. Auch deine Frau hat einen Vorsprung vor den Kindern.
Gib ggf. deinen Kindern auch Zeit. Ich habe z. B. zwei Kinder, eines reagiert impulsiv sofort und bei dem anderen weiß ich genau, dass eine Reaktion erst nach einigen Tagen kommt - ist völlig in Ordnung.

Ich bin sicher, dass es bei euch gut laufen wird, zumal eure Kinder bereits wissen, dass Mama und Papa nicht mehr als Paar auftreten.

Liebe Grüße :-)

Zeev

Ein kurzes Update:

Es ist vollbracht. Ich hatte am vorletzten Donnerstag ein kurzes, aber unproblematiches Gespräch mit den Kindern. Die Reaktion war eher neutral, als hätten sie schon was geahnt. Wir waren dann noch bis Sonntag - wenn auch in einer größeren Gruppe - zusammen unterwegs. Ich hatte dabei nicht das Gefühl, dass sich etwas in unserem Verhältnis verändert hätte. Mal sehen ob das noch was an Reaktion kommt.....

Ich kann aus meiner eigenen Erfahrung jeden, der vor einer ähnlichen Frage steht, nur ermuntern, den Weg zu gehen - aber im eigenen Tempo. Man spürt sehr gut, wann der richtigen Zeitpunkt für einen selbst gekommen ist. Vor zwei Jahren wäre das für mich noch unvorstellbar gewesen - zu groß waren die Verlust-Ängste. Auch wenn der Kopf damals schon sagte, dass die Wahrscheinlichkeit einer negativen Reaktion sehr gering ist - emotional wäre das für mich damals unvorstellbar gewesen.

Es ist nicht einfach - und auch jetzt war es noch eine ziemliche Überwindung - aber es lohnt sich. Auch wenn es erst im späteren Verlauf seines Lebens passiert - es fühlt sich einfach gut an, zu sich selbst zu stehen....

Noch einen schönen Pfingsmontag