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...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley

geschrieben von Hen 
...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
20. November 2013 16:10
Hallo Leute.

Ich habe mich heute noch mal in diesem Forum angemeldet nacht Jahren der Abwesenheit, weil ich mehr und mehr merke, wie der kleine Kompromiss, den ich mir vor langer Zeit zusammengestrickt habe, nicht mehr ausreicht.

Ich bin mir schon seit gefühlten Ewigkeiten bewusst, dass ich schwul bin und habe mich bis jetzt auch immer sehr wohl dabei gefühlt, dass in meiner Lebenssituation (alleinstehend, lebe mit Zwillingsbruder, ländliche Heimat) nur ein kleiner Kreis von Freunden (keine Familie) davon wussten. Aber in den letzten Monaten hat sich doch einiges getan, alte Freunde sind weggefallen, neue dazu gekommen, und ich merke, wie ich das Bedürfnis habe, den Menschen, denen ich neu begegnet bin, nicht irgend eine Person vorzuspielen, die einfach nur gerne allein lebt, kein Interesse an Flirts hat, bla bla ba.

Immer noch bekomme ich einen Kloß im Hals und verpasse jeden vermeintlich guten Augenblick, meinen Freunden "die Wahrheit" zu sagen, bzw. bekomme kein Wort über die Lippen. Es ist, als stünde ich kurz vor einer Panikattacke, und ich ärgere mich jedesmal, wenn ich mal wieder keinen reinen Tisch machen konnte, zumal es auch Menschen in meinem Leben gibt, die mir zu wichtig sind, als dass ich so weitermachen will, von denen ich aber wissen muss, wie sie darauf reagieren würden.

Wie kann ich mir zwischen zusammen Essen gehen, Konzerte besuchen, trainieren im Studio, einen Moment basteln, in dem ich das Thema ansprechen kann, und wie bekomme ich die Worte zusammen und raus, damit sie wissen woran sie sind ohne zu glauben, dass ich ihnen auf die Pelle rücken will?

Habt Ihr nicht eine Idee, warum ich dieser Situation immer wieder so hilflos gegenüber stehe, und wie ich da "raus komme"? sad smiley

LG Hen
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
20. November 2013 17:03
Hallo Hen,
mit dem Problem "den Mut haben, Entscheidungen zu treffen" bis du nicht allein. Damit beschäftigen sich viele Menschen. Somit ist dieses wohl sehr menschlich.
Ich war gestern bei einem Vortrag. Da ging es genau darum. Vielleicht ist in dem folgenden Artikel etwas für dich.

[www.redaktion-die-ratgeber.de]

Während meines coming out und auch heute noch, habe ich zwei kleine "Männchen" hinter meinem Ohr die mir ab und zu mal sagen:
Der Eine : Maks - Kopf ausschalten -Kopf ausschalten
Der Andere: Maks - machen - jetzt - warum eigentlich nicht. Du bist schon so weit gekommen. Und wirklich weh getan hat es auch noch nicht.

Ich wünsche dir den Mut, den nächsten Schritt zu tun.

LG Maks
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
21. November 2013 07:55
Hallo Hen,

vorab...ich lebe in einem nach wie vor katholisch geprägten Ort von ca. 15.000 Einwohner und ich hab mich auch ganz lange damit schwer getan mich zu outen.
Nach einer großen Lebenskrise mit Suizitversuch, Klinik und Rehamaßnahme hab ich mich dann zuerst im Familienkreis geoutet und als nächstes waren Freunde dran. Ich habe die Feststellung gemacht, je weiter die Personen von einem "entfernt" sind, desto einfacher gehen sie damit um, sprich meine Familie kommt am wenigsten damit klar (vor allen Dingen Muttern), aber alle anderen...meine Freunde, meine Vereinskollegen, meine Arbeitskollegen...alle haben damit kein Problem bzw. haben mir zumindest nicht spüren lassen, dass sie mich deswegen meiden oder nicht mehr mögen.

Meine ganz klare Empfehlung: Bruder (und weil es Zwillingsbruder ist, vermute ich mal, hat man vielleicht sogar ein sehr enges Verhältnis?) einweihen und den besten Freund, den es wahrscheinlich irgendwo gibt. Ganz bewusst vielleicht bei einem gemeinsamen Kochen dann sagen, dass einem schon seit langem etwas bedrückt und dann darauf zu sprechen kommen. Es kann sein, dass der ein oder andere Zeit braucht, das erstmal zu verdauen, aber wenn es eine innige Beziehung bisher war oder ist oder auch eine jahrelange feste Freundschaft ist, dann werden diese Personen Verständnis aufbringen und zu Dir halten. War bei mir auch so. Mein bester Kumpel hat 6 Wochen gebraucht, in denen er nicht mit mir geredet hat (hat aber wohl damit zu tun, dass er sein eigenes Leben mit anschließender Trennung von seiner Frau) überdacht hat, aber ...nach diesen 6 Wochen meinte er nur: "wir müssen da ja nicht ständig drüber reden und sonst bleibt alles beim alten?" und so war es...und das Ganze hat uns noch fester zusammengeschweißt, unserer Freundschaft hat das Ganze keine Abbruch getan, sondern sogar noch mehr gefestigt.
Geh einfach mit bisschen mehr Mut an die Sache ran: erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Und falls es wider Erwarten doch ganz anders kommt und sie sich gegen Dich stellen, dann sind sie Deiner nicht würdig, weil sie nur auf Äußerlichkeiten Wert legen und nicht wirklich für Dich da sind, auch das solltest Du dir vor Augen führen.

Und wenn Du diesen "Termin" gemacht hast und es sagen willst...nicht selber "kneifen"...einfach tun, es ist einfacher als man(n) vorher denkt, und wenn´s erstmal ausgesprochen ist, dann geht es einem selber wesentlich besser...!

Lieben Gruß

Martin
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
21. November 2013 15:42
Hallo,

hmmm ... habe jetzt nicht verstanden, ob Du homosexuelle Kontakte hast und diese "der Öffentlichkeit" verschweigst ... oder ob Du eher "asexuell" lebst.

In beiden Fällen würde ich davon absehen, es der Öffentlichkeit "Groß" mitzuteilen.

Ich emfpehle, es einfach zu leben.

Falls Du einen Freund haben solltest, dann lass Dich doch mal mit ihm sehen ... dann erübrigen sich alle Ansagen.

Falls Du keinen Freund haben solltest, kommt es drauf an, ob Du deine Homosexualiltät lebst (Party, Sezene, Daten etc.), oder ob Du sie "vergräbst". Auch hier wäre es möglich, das Ganze offener zu handhaben ... ohne große Erklärungen abzugeben.

Auf die Gefahr hin, Dir zu nahe zu treten, würde mich mal die Beziehung zu Deinem Bruder interessieren ...

lg
Victor
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
21. November 2013 16:41
Hallo Victor.

Asexuell trifft es am besten, würde ich sagen. Das Verhältnis zu meinem Bruder ist auch ein ganz herkömmlich brüderliches ohne Abgründe, nur halt vielleicht durch den Zwillingsfaktor, wie Martin es schon vermutet hat, etwas inniger als bei aufeinander folgenden Einzelkindern.

Ich bin auch wirklich nicht der Typ, der sich jedem aufdrängen und erklären möchte. Nur in den seltenen Fällen, wenn meine Freunde mich zu verkuppeln versuchen wünschte ich mir, sie würden es lassen smiling smiley. Dann denke ich immer, die kennen mich einfach nicht. Weiß nicht, aber in letzter Zeit zieht mich das runter.

Hen
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
21. November 2013 16:51
Hallo Martin.

Also es gibt da ein paar ausgesuchte Personen, die über mich Bescheid wissen, auch wenn sich mein Freundes- und Bekanntenkreis zur Zeit verändert. Neuer Job, beste Freundin hat geheiratet, man lernt selbst neue Leute kennen. Irgendwie befinde ich mich an so einem Punkt wo man sagt: komm, spiel niemandem etwas vor und sag die Wahrheit; sich aber nicht sicher ist, ob das überhaupt nötig ist. Wie befreundet bin ich mit meinen neuen Bekanntschaften? Ich dreh' mich gedanklich im Kreis, und einfache, nette Unterhaltungen fangen an, mir schwer zu fallen, mich echt zu erschöpfen. In der Vergangenheit hab ich mich dann eher zurückgezogen, aber das möchte ich - zumindest im Augenblick - nicht mehr passieren lassen.

Du hast Recht, wahrscheinlich bausche ich die Sache im Kopf einfach nur auf.

confused smiley
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
21. November 2013 18:02
Hallo

Quote

... asexuell ...

Nur in den seltenen Fällen, wenn meine Freunde mich zu verkuppeln versuchen wünschte ich mir, sie würden es lassen . Dann denke ich immer, die kennen mich einfach nicht. Weiß nicht, aber in letzter Zeit zieht mich das runter.

Ich denke, in Wirklichkeit bist Du nicht asexuell ... du bist nur zu feige einen netten Kerl anzusprechen.

Wie gesagt, ungefragt würde ich es niemandem auf die Nase binden, was ich bin, was ich mag und was hinter meiner Schlafzimmertür oder im Kopfkino abgeht.

Aber wenn Dich demnächst wieder jemand verkuppeln will, sag doch einfach, er oder sie solle mal einen hübschen Kerl für Dich raussuchen ...

... dann sind erstmal die Hühner von der Stange ... und wie und warum und warum erst jetzt ...

aber mit Sicherheit werden sie Dir lauter "Dates" vorschlagen ... und Du brauchst nur noch zuzugreifen :-))

lg.

Victor
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
22. November 2013 07:31
Hallo Hen,

der Freundeskreis ändert sich zwangsläufig bei einem Outing, weil alte Freunde, oder ich sag mal vorsichtig "sehr gute Bekannte" (weil mehr sind sie dann letztlich garnicht) sind einem nicht mehr so wichtig und man vernächlässigt sie und somit bricht der Kontakt auch zusammen. Dafür gewinnt man neue Bekannte, Freunde, die einen in der neuen Haut verstehen (weil sie vielleicht genauso sind) und deshalb sucht man auch eher deren Nähe. So ist es mir ergangen. Das habe ich auf meinem letzten Geburtstag gesehen, den ich zum ersten Mal geoutet, gefeiert habe. Dort war dann das Verhältnis von "Hetero"-Freunden, Bekannten, Verwandten und "schwulen" Freunden ungefähr ca. 50/50. Das war dann vor allen Dingen für meine Geschwister (Eltern sind nicht gekommen) etwas "merkwürdig", das aufmal so viele neue Freunde (schwule Freunde) mit am Tisch saßen. Aber das war mir egal. Wem´s nicht paßt, der kann ja gehen, es ist meine Feier.
Ich hatte ja auch als "Ungeouteter" immer mal wieder Menschen, wo ich anderen vorgelogen habe, woher ich die denn auf einmal her kenne. Heute wissen alle, woher ich die kenne..aus´m Chat oder sonst wo her, aber ich muss mich nicht mehr verstellen, irgendwem was vorlügen, es lebt sich einfach leichter und unbeschwert, so wie´s eigentlich ganz normal für jedermann sein sollte
Mir war nur wichtig, daß meine "engsten Vertrauten" diese neuen Menschen "zuordnen" konnten...alles andere war mir egal, deshalb ...man macht sich häufig selber einen größeren Kopf als es eigentlich wert ist.

Lieben Gruß

Martin
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
22. November 2013 18:48
Hallo Hen,

ich sehe es ähnlich wie Victor. Du musst es niemandem auf die Nase binden. Lebe einfach, wie du dich wohl fühlst. Ich habe inzwischen einen recht großen schwulen Freundes- und Bekanntenkreis. Trotzdem bin ich in meinem Heterokreis noch komplett ungeoutet. Bis jetzt war für mich noch nicht der Punkt gekommen, wo ich es nötig fand, was zu sagen. Irgendwann wird das kommen. Sie bekommen nur mit, dass ich recht viel unterwegs bin und weit vernetzt bin. Ich fände es aber jetzt auch nicht schlimm, wenn es heraus käme. Manchmal habe ich das Gefühl, dass der ein oder andere was ahnt.

Schau mal, welche Möglichkeiten du hast, raus zu kommen. Gehe einfach ein paar Schritte. Es gibt da eine tolle Welt zu erkunden. Vielleicht bekommst du dann so den Anstoß und die Energie dich zu outen.

LG
Perseus



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.11.13 18:48.
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
23. November 2013 15:52
Hallo Hen,

wie Perseus habe ich inzwischen auch einen sehr lieben schwulen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut. Quasi meine neue Familie. Hier fühle ich mich wohl. Hier bin ich so wie ich bin. Sie helfen mir , wenn es mir auch mal nicht so gut geht. Wir unternehmen sehr viel miteinander , in unterschiedlichster Zusammensetztung. Vom Wandern, Kino, Theater, gemeinsam Kochen , Besuch im Phanthasialand zum Fantasiepriede, CSD -Besuche , Party oder einfach nur Abhängen. Nicht missen möchte ich die regelmäßigen Telefonate. (kann schon mal Stunden dauern winking smiley )Einfach nachhören, wie es dem anderen gerade geht. Da wir etwas weiter auseinander wohnen, sind halt die Reisekosten etwas mehr geworden als früher winking smiley

In meinem alten Umfeld fühle ich mich nicht mehr so wohl. Da bin ich auch eher der, der sich zurückzieht.
Ich bin zwar geoutet , aber ich habe keine Lust mit meinem alten Umfeld groß über mein neues Leben zu sprechen. Kann sich vielleicht ändern, falls ich mal einen Partner habe. Ich kann mir das zwar aktuell nicht so wirklich vorstellen, ob ich mit einem Partner zur Feuerwehr oder zum Schützenfest gehen würde. Fühle ich /wir uns dort wohl ?
Mich interessieren auch die Themen meines alten Umfeldes irgendwie nicht mehr.
Ich stelle aber auch fest, das dort viel in Bewegung ist. Alte Struckturen brechen auseinaner, neue bilden sich. Sie haben ihre eigenen Probleme.

Zurück zu deinem "Problem" es in deinem Umfeld zu sagen. Das die endlich bescheid wissen.
Ich hab in diesem Jahr zwei Newcomer begleitet. Der Druck, den die beiden hatten, es ihrem Umfeld zu sagen, machte mich mit fertig.
Ich denke, geholfen hat ihnen, das wir sehr viel in diesem Jahr gemeinsam unternommen haben. Das die beiden erlebt haben, wie normal schwules Leben sein kann. Wie selbstverständlich es ist , das Männer Männer lieben.Man braucht sich nicht zu erklären, da wir alle Männer lieben. Die vielen Gespräche. Alles hat geholfen den Mut entstehen zu lassen , es einfach zu sagen. Schritt für Schritt. Einem nach dem Anderen. Die Dynamik , war zum Schluss nicht mehr aufzuhalten. Ihr coming out im Familien und Freundeskreis hat gerade mal ein halbes Jahr gedauert. Das war so nicht vorhersehbar.
Gut, es sind noch weitere Schritte notwendig, aber der größte Klos ist weg. Und sie leben jetzt ihr Leben.

Lieber Hen , ich lade dich ein aus deiner unbequemen Komfortzone herauszukommen. Du bist nicht allein. Es gibt so nette co30ler cool smiley

Liebe Grüße Maks
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
25. November 2013 20:16
Hallo Hen,

hast du nicht den ersten Schritt schon gemacht? Du hast hier geschrieben, toll!
Und du hast es geschafft, mich mal wieder hervorzulocken - danke! smiling smiley

Ich bin bei allen geoutet, die mir wichtig sind - auf der Arbeit halte ich es z. B. nicht für nötig. Ich habe das Gefühl, dass ich dich gut verstehen kann, aber wer weiß?

Irgendwie haben wir hier zwei Aspekte nebeneinander: zum einen den falschen Film, das versteckte eigene ICH, ein Selbstverständnis, das nicht mehr zu deinem Bild in deine Umgebung passt.
Auf der anderen Seite ist hier bei einigen die Rede vom Rausgehen, Kontakte knüpfen, letztendlich von sexueller Erüllung.

Ich denke, dass du von ersterem gesprochen hast, dem Wunsch sich endlich im richtigen, eigenen Film zu fühlen. Wie hat Maks geschrieben: "Hier fühle ich mich wohl. Hier bin ich so wie ich bin." Genau das war mein Grund mich auf biegen und brechen bei meiner Frau, meinen Kindern, Freunden und schließlich auch Geschwistern und Eltern zu outen. Gut, ein Bruder weiß es noch nicht, aber der interessiert sich eh nur für sich selbst.

Frau und Kinder - das musste unbedingt sein, damit sie ihre eigenen Entscheidungen treffen können, damit ich den Kindern ein authentisches Vorbild sein kann. Freunde musste dann irgendwann einfach sein, weil ich deutlich spürte, dass ich einen immer größeren Abstand zu ihnen empfand. Also entweder sind sie es mir als Freunde wert, ihnen so etwas zu erzählen, oder ich hätte sie als Freunde abgeschrieben. Wer bin ich, dass ich ihnen keine Chance geben sollte?

Die ersten Freunde, denen ich es sagte, rief ich eines Abends an, dass ich nochmal vorbeikommen wolle. Sie sagten gut, wobei ich normalerweise nicht abends ohne meine Frau unterwegs war, also saßen sie tatsächlich am Kamin ohne Kinder, die Rahmenbedingungen stimmten. Ein bisschen Geplänkel und ich sagte, dass ich noch etwas erzählen wolle, es würde mich belasten, meine Frau wäre dagegen, dass ich es erzählen würde - jetzt erwarteten sie schlimmes und ich sagte, dass ich auf Männer stehen würde, schon immer gewusst, aber nie wirlich realisiert usw.

Es war letztendlich nicht schlimm, gute Reaktion. Mit meinem harmlosen Anruf, dass ich abends vorbei kommen wollte, hatte ich eine Weiche gestellt, aus der ich nicht mehr rauskam (und auch nicht raus wollte). Es geht - wirklich!

Herrje, ich schreibe schon wieder zu viel smiling smiley, aber eines noch. Auf das Problem des outens habe ich hier irgendwann einmal salopp geschrieben "auch wenn es blöd klingt, such dir ein größeres Problem". Ich erinnere mich nicht mehr an die Sätze drum herum, es ist hoffentlich richtig angekommen.
Denn: für mich habe ich das outen bei Freunden nicht mehr als schlimm empfunden, weil der Umgang mit meiner Frau, die Schuldgefühle ihr gegenüber, den Kindern gegenüber für mich einen unheimlich viel größeren Raum eingenommen haben, mich viel stärker belastet haben. Insoweit bin ich seit drei Jahren am klären und es klärt sich. Man muss manchmal auch den anderen Zeit geben, schließlich brauchten wir selbst genug Zeit, um uns so weit zu entwickeln.

So, jetzt reicht es wirklich.

Dir alles Gute und liebe Grüße aus dem glatten und verschneiten Westerwald (ich übertreibe ein bisschen smiling smiley )
Zeev
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
26. November 2013 16:33
Hallo Zeev,

schön, mal wieder von Dir zu lesen.

Quote
Zeev
Irgendwie haben wir hier zwei Aspekte nebeneinander:

zum einen den falschen Film, das versteckte eigene ICH, ein Selbstverständnis, das nicht mehr zu deinem Bild in deine Umgebung passt.

Auf der anderen Seite ist hier bei einigen die Rede vom Rausgehen, Kontakte knüpfen, letztendlich von sexueller Erüllung.

Ok, Du hast den Schwerpunkt auf den ersten Aspekt gelegt (...)

Ich finde allerdings, dass auch der zweite Aspekt einen sehr sehr großen Einfluss auf des Wohlbefinden hat und auch zu einer Art "Komfortzone" dazugehört.

Wie sieht es mit Deiner "Komfortzone" aus?

Wenn ich das richtig lesen, hast Du (immer/noch) Schuldgefühle Deiner Frau und Deinen Kindern gegenüber.

Für mich kann ich sagen, dass ich die Schuldgefühle relativ schnell über Bord geschmissen habe, denn ich bin NICHT SCHULD ... ich wusste es nicht besser ... (und ob es ein Irrtum war, oder MEIN Weg, da bin ich mir nicht mehr ganz sicher ...)

Ich denke, es ist viel wichtiger sich mit dem HIER und JETZT zu beschäftigen, und mit der ganzen Situation einigermaßen klarzukommen ... von bewegenden Schuldgefühlen und gemachten oder unterlassenen Aktivitäten bloß der Frau oder den Kindern zuliebe (weil man schuldig ist) halte ich überhaupt nichts ... da hat in Wirklichkeit niemand was davon.

Wenn man später mal erzählt, dass man 10 Jahre lang nach seinem Coming-Out noch sowas wie "Rücksicht aus Schuldgefühl" genommen hat, auf Unternehmungen, Ausleben oder was anderes verzichtet hat, wird man nur mitleidiges Lächeln ernten ... "nee, wegen mir hättest Du das nicht machen müssen" ... "hättest Dich ruhig früher um Dich kümmern können " ...

Wie, ob und wann man es "alten" Freunden, Bekannten oder Arbeitskollegen sagen will, soll oder muss ... das wird jeder für sich rausfinden ... Mein Motto ist ... "Lieber Leben statt sagen". Einladung mit Partner ... "darf ich meinen Freund mitbringen" ... bingo! ... das spart langes Gelaber

(und wo man sowieso alleine hingeht, da muss es niemand wissen ...)

Uuups sorry dafür.

Liebe Grüße
Victor
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
26. November 2013 17:54
Hallo Jungs

und vielen Dank für Eure Antworten. Ich denke viel über das nach, was ich und daraufhin auch ihr geschrieben habt, und bin gar nicht mehr so sicher, ob mein Unmut darüber, mich bei dem ein oder anderen nicht geoutet zu haben haben, tatsächlich die Wurzel allen Übels ist. Letztendlich fühle ich mich bei meinen Freunden schon wohl, und ich habe ebenso das Gefühl, dass sie (zumindest die meisten) sich auch in meiner Gegenwart wohlfühlen. Sich die ganze Zeit selbst von außen zu betrachten und sich vorzustellen, zu welchen Verwerfungen es kommen könnte, würde einer von ihnen erfahren, dass ich schwul bin, ist gleichermaßen ungesund wie sinnlos.

Wie hat Zeev gesagt? Such Dir ein größeres Problem? So ist das nunmal mit introvertierten Menschen, sie können aus allem ein Problem machen. Meine Figur, meine Haare, meine Zähne, mein Job, mein Intellekt, mein Verdienst, zu feige, einen netten Kerl anzusprechen... wenn ich will, kann ich den ganzen Abend Probleme aufzählen und sie alle für unüberwindlich halten, anstatt mich mit den Hindernissen zu beschäftigen, die ich bereits überwunden habe, bzw. gerade überwinde.

Ich sehe drei Kategorien von Freunden/guten Bekannten/Kollegen. Die, die wissen, dass ich schwul bin, die die es nicht wissen, und die, die es nicht wissen, und bei denen es mich stört. Überlege ich genau ist die dritte Kategorie ganz ganz klein, vielleicht zwei oder drei Leute. Ich sollte doch in der Lage sein, mich bei diesen zwei, drei Leuten einfach nicht zu verstellen, es einfach drauf ankommen zu lassen, oder?

Oder? Dieser Abstand, den Zeev erwähnt hat, den möchte ich bei einigen nicht aufkommen lassen, denn irgendwie ist es ja schon so, dass mit den Jahren viele Freund zu Fremden werden, ja sogar Familienmitglieder leben sich auseinander.

Auch sexuelle Erfüllung zu finden hat damit erst mal nichts zu tun, glaube ich. Das ist ein anderes Thema, ebenso wichtig, ebenso dringend, aber ein ganz anderes. Aber Perseus hat recht wenn er sagt, dass dies vielleicht die Schritte sind, die man gehen muss, um die Energie zu finden, sich "einfach" zu outen.

Liebe Grüße
Henning
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
27. November 2013 08:09
Hen schrieb:
-------------------------------------------------------
> Auch sexuelle Erfüllung zu finden hat damit erst
> mal nichts zu tun, glaube ich. Das ist ein anderes
> Thema, ebenso wichtig, ebenso dringend, aber ein
> ganz anderes. Aber Perseus hat recht wenn er sagt,
> dass dies vielleicht die Schritte sind, die man
> gehen muss, um die Energie zu finden, sich
> "einfach" zu outen.

Für mich ist noch nicht mal unbedingt die sexuelle Erfüllung das wichtigste. Sehr viel Energie geben gemeinsame Ausflüge und Aktionen. Das kann ein Ausflug in die Szene genau so wie eine Wanderung in der Eifel sein. In der Nachschau ist es unglaublich, wie wenige Schritte (der erste Schritt 140km smiling smiley ) nötig waren. Es ist einfach toll Freunde zu haben, die so sind wie man selber ist. Ich habe ein paar sehr gute Freunde mit einer unheimlichen Vertrautheit gefunden, die ich mir nicht mit meinen Heterofreunden vorstellen könnte. Ich hatte vorher keine Idee, was alles auf mich zu kommt. Die Welt ist bunt geworden.
.
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
28. November 2013 12:58
Hallo Henning,

nun komme ich auch noch dazu!

Ich kann meinen Vorrednern nur zustimmen. Ich selbst hatte erst dieses Jahr, im Februar, mein CO mit 63 Jahren und praktisch keine Vorerfahrungen.

Ich bin es schrittweise angegangen: Ich wollte andere Schwule in ihrer normalen Umgebung kennen lernen und bin dazu auf das Pfingsttreffen dieses Forums gefahren. Das war einfach toll. Keine Maske zu tragen, wahrzunehmen, dass alles so ist, wie bei allen anderen auch, bis wir die Tür zum Schlafzimmer hinter uns zu machen ... Bitte nicht falsch verstehen, das war kein Sex-Treffen.

Aber wir sind in ein paar Schwulenkneipen gegangen und auf die Pink Party in Bremen. Dann sind plötzlich lauter Schwule um dich rum und erstaunlich ... sie beißen nicht! Und sind auch sonst ganz zivil. Ich gehe gerne in solche Kneipen. Du schaust Dich um und da sind lauter durchschnittliche Typen ... sie sehen nicht schwul aus (großes Vorurteil) und benehmen sich auch nicht so. Ja, es gibt auch schrille Typen. Das hängt auch ein bisschen davon ab, wo man hingeht. Aber es ist nicht jeden Tag CSD! Man geht da rein, geht zur Theke, bestellt ein Bier (oder was Du sonst gern trinkst) und entspannt sich.

Aber ich wollte nicht nur Bier. Um mich selbst zu zitieren, ich wollte von einem Mann in die Arme genommen werden. Das ist in meiner Gegend nicht so leicht, Unterfranken, ländlich, kleiner Ort, auch im nahen Würzburg ist nicht viel los. Also bin ich auf die blauen Seiten gegangen. Das hat dann auch nicht lange gedauert, bis ich in die Arme genommen wurde ... und es hat mir sooo gut getan. Es hat sich so RICHTIG angefühlt. Ich war endlich angekommen, nach 40 Jahren Suche! Ich habe meine Homosexualität ohne wenn und aber angenommen.

Meine Familie (Frau und 2 Töchter) wissen Bescheid und akzeptieren mich. Das war der schwerste Teil, es nahen Angehörigen zu sagen. Mein Schulfreund (seitdem ich 14 war) hat es einfach zur Kenntnis genommen, er kennt mich schon so lange, wirklich überrascht war er nicht. Freunde vor Ort waren genau so: Kenntnisnahme, Akzeptanz.

Dann habe ich aufgehört, mich weiter zu outen. Die Leute, die mir wichtig sind, wissen Bescheid. Der Rest ... kann mich mal. Ich verstecke mich aber nicht. Ich habe ein Facebook-Account unter meinem vollen Namen und da verlinke ich mich in zunehmendem Maße mit schwulen Freunden, schwulen Organisationen. Aber natürlich auch mit meiner sehr weitläufigen Familie, meinen sonstigen Freunden und Bekannten. Wenn da einer genau hinschaut, mag er sich wundern. Soll er doch! Wenn jemand den Mut aufbringt, mich zu fragen, dann wird er auch die Wahrheit zu hören bekommen!

Schöne Grüße

Volker
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
29. November 2013 21:35
Hallo,
Quote
Folk
Aber ich wollte nicht nur Bier. Um mich selbst zu zitieren, ich wollte von einem Mann in die Arme genommen werden. Das ist in meiner Gegend nicht so leicht, Unterfranken, ländlich, kleiner Ort, auch im nahen Würzburg ist nicht viel los. Also bin ich auf die blauen Seiten gegangen. Das hat dann auch nicht lange gedauert, bis ich in die Arme genommen wurde ... und es hat mir sooo gut getan. Es hat sich so RICHTIG angefühlt. Ich war endlich angekommen, nach 40 Jahren Suche! Ich habe meine Homosexualität ohne wenn und aber angenommen.

leider versuchen einige den "Heiligen" zu spielen ... neee, auf Sex und Körperlichkeit kommt es nicht an :----( pfff alles "kopfgesteuerter Schwindel".

Wenn die wüssten, wie gut und notwendig es ist, ab und zu von einem Mann in den Arm genommen zu werden, sich angenommen, akzeptiert und angekommen fühlen ... und das ohne wenn und aber ... auch nur für einen Moment, eine Stunde oder einen Abend.

Wer sich das versagt, schiebt aus meiner Sicht mindestens noch ein Lebensjahrzehnt bewusst in den Kamin ....
(wenn ich das richtig sehe, hat Folk sich in der Beziehung, den absoluten Sparkurs auferlegt *sfg*)

Wünsche allen, so etwas baldmöglichst erleben zu können.

lg.
Victor
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
02. Dezember 2013 08:37
Victor schrieb:
-------------------------------------------------------
Quote
Victor
wenn ich das richtig sehe, hat Folk sich in der Beziehung, den absoluten Sparkurs auferlegt *sfg*

Ja, stimmt. Aber nur, weil ich nicht wußte, wie ich es hätte anders tun sollen.

Ich fürchte, ich bin ziemlich promiskuitiv gewesen in den letzten 10 Monaten. Manche nennen das 2. Pubertät. Aber ich glaube, es flaut langsam ab. Und auch das ist Teil von mir. Ich stehe dazu. Es hat mir gut getan und meinen Partnern auch. Ich gehe mit denen so offen um, wie hier mit Euch auch. Und das hat mir eine Reihe sehr angenehmer Begegnungen verschafft.

Schöne Grüße

Volker
Re: ...wenn die Komfortzone unbequem wird. confused smiley
02. Dezember 2013 10:28
Hallo,

Quote

Ich fürchte, ich bin ziemlich promiskuitiv gewesen in den letzten 10 Monaten. Manche nennen das 2. Pubertät. Aber ich glaube, es flaut langsam ab. Und auch das ist Teil von mir. Ich stehe dazu. Es hat mir gut getan und meinen Partnern auch. Ich gehe mit denen so offen um, wie hier mit Euch auch. Und das hat mir eine Reihe sehr angenehmer Begegnungen verschafft.

nun, die Pubertät gehört zum Leben und zum "Erwachsenwerden" ... leider hatte ich zu der Zeit, wo sie eigentlich dran war irgendwie einen Fehler in der Optik, so dass ich die Zielgruppe, mit der ich das gerne gehabt hätte ... nicht gefunden habe ...

Genau wie Volker habe ich in recht kurzer Zeit wohl die Pubertät nachgeholt bzw. die 2. Pubertät erlebt. (ok, er war da noch etwas radikaler und schneller, aber ich bin ja auch noch ein Jungspund und etwas zurückhaltender!)

Erziehungstechnisch habe ich jetzt wieder den Vorsprung vor meinen Kindern, den man als Elternteil haben sollte ... und kann mit voller Brust meiner Tochter Ratschläge geben ... wenn sie sich mit dem Thema "Jungs" beschäftigt ... hihi.

Promiskuitiv ist ein negativ besetztes Wort ... genauso wie Slut und Schlampe ... ok Folk, wir verstehen uns *sfg*.

Ich weiß, dass es "nachlässt", wenn man eine Beziehung hat (ganz vorbei war die Lust an "fremden" Kerlen nie ...) ... jetzt wo ich wieder Single bin ... kommt sie wieder.

Allen denen, die es noch nicht erlebt haben, und die versuchen es zu unterdrücken, kann ich nur raten: "Lebt es aus".

Ob es schlimm ist oder nicht entscheidet IHR ... aber seid Euch bewusst auf welcher Grundlage ihr diese Entscheidung trefft ... manchmal sind Traditionen und Gewohnheiten und auch Religion aus meiner Sicht nicht immer der beste Ratgeber.

Vieles kann man erst einschätzen und dann auch "sein lassen", wenn man es mal gemacht hat :-D

Von daher ... traut Euch ... ZU LEBEN!

lg.
Victor
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