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YOSSI

geschrieben von Mickey2 
YOSSI
21. Januar 2013 08:52
Hi zusammen,

nun kommt also die "Fortsetzung" des israelischen Films "Yossi und Jagger" in die Kinos, und da Jagger ja im ersten Teil verstarb, heißt er nun folgerichtig nur noch "Yossi".
Wieder führt Eyton Fox Regie und Ohad Knoller über nimmt die Titelrolle. Es sind zehn Jahre seit dem ersten Teil vergangen, Yossi hat noch immer nicht den Tod seines Freundes Jagger verwunden und arbeitet mittlerweile als Arzt. Sein Leben ist festgefahren, er sieht längst nicht mehr so aus, wie er sich im Internet präsentiert und bekommt dies, mehr resignierend denn kämpfend, auch zu spüren. Als er in der Klinik zufällig Jaggers Mutter begegnet, werden dadurch die alten Wunden noch einmal aufgerissen, nach anfänglichem Zögern nimmt er Kontakt zu ihr und ihrem Ehemann auf und wagt ein spätes "Coming Out" des verstorbenen Jaggers.
Bei einem Ausflug trifft Yossi zufällig auf ein paar junge Soldaten, alte Erinnerungen werden aufgerissen und der schwule Tom tritt in sein Leben. Zehn Jahre nach seiner eigenen Militärzeit sieht er, daß man offenbar im Militär intern mittlerweile deutlich lockerer umgeht als noch zu seiner Zeit. Dennoch begegnet er dem einfühlsamen Tom zunächst mit äußerster Zurückhaltung und zieht sich zunächst in sein festgefahrenes Schneckenhaus zurück ...

Wir waren ja gestern mit einer Gruppe des Filmstammtisches in dem Film, bei dem auch zwei CO30er mit dabei waren. Mir gefiel der Film zum einen recht gut dahingehend, daß ich das Thema sehr interessant war. Im Vordergrund stand nicht ein erfolgreicher "Szenetyp", es ging auch nicht um eine Coming-Out-Geschichte, sondern im Mittelpunkt war Yossi, der aufgrund der Trauer um seinen verlorenen Partner und das Zurückziehen in sein Schneckenhaus den Anschluss an das leben aus den Augen verlor. Er lebt in seiner Welt und zieht sich immer wieder auch dann dahin zurück, wenn von außen gerüttelt wird. Eine solche Hauptfigur finde ich sehr spannend, entspricht sie ja vielleicht viel mehr dem "Durchschnitts-Schwulen" als vielleicht so mancher hochgestylter Schönling. Auch behandelt der Film damit andere Schwerpunkte als der erste Teil und ist nicht nur ein bloßes Anhängsel. Die Handlung und die Figur des Yossi wird sehr glaubhaft und einfühlsam erzählt.
Dennoch habe ich mit "Yossi" das gleiche Problem wie mit seinem Vorgänger: ich empfnde angesichts der Langsamkeit der Geschichte, daß der Film dann aufhört, wenn er gerade beginnt zum Laufen zu kommen. Das war auch bei "Yossi und Jagger" so, als Yossi am Ende nach dem Tod seines Freundes zu dessen Eltern kommt und es im Raum steht, daß er diesen von der wahren Natur ihrer Beziehung berichtet. Nun könnte man sagen, daß dies dem Vorstellungsvermögen der Zuschauer überlassen bleibt, wie es weitergeht, die notwendigen Weichen sind ja gestellt. Dennoch hinterlies mich der Film dann am Ende sehr unbefriedigt und ähnliche Stimmen habe ich auch von einigen meiner Begleiter gehört.

"Yossi" ist sicher sehenswert, aber der ganz große Film-Tipp ist es leider für mich nicht.

Dennoch hatten wir einen schönen Kino-Abend mit Sekt-Empfang und netter Ansprache, ich freue mich auf die weiteren Ausgaben der Gay-Filmnacht. Und vielleicht gibt es ja in zehn Jahren einen Film mit dem Titel "Yossi und Tom"?

Liebe Grüße,
Mickey2
Re: YOSSI
21. Januar 2013 21:45
Erstaunlich, dass ich mal für einen handlungsarmen Film ein gutes Wort einlege ;-)
Im ersten Moment dachte ich auch, dass es eigentlich am Ende noch weitergehen müsste. Aber das ist ja gar nicht, das was erzählt werden soll. Liebesgeschichte sind schon so oft erzählt worden. Und der Regisseur zeigt ja auch mit Mary Lou einen hinreißenden aber auch tragischen Liebesfilm.
Es geht aber in dem Film in meinen Augen um etwas anderes. Yossi hängt total in der Vergangenheit fest. Er flüchtet sich in Arbeit und hat sein Schwulsein vollkommen an den Rand gedrängt. Der Versuch von Arbeitskollegen ihn zurück ins Leben zu holen scheitert. Erst als die Mutter seines verunglückten Freundes auftritt, gelingt es Yossi sich seinem Trauma zu stellen und den Eltern zu sagen, dass er und ihr verunglückter Sohn ein Paar waren. Die Reaktion des Vaters der gar nicht viel sagt, aber sehr einfühlsam reagiert und der Blick ins Zimmer von Yagger bringt Yossi dazu sich wieder seinen Träumen zu nähern. Aber eben auch sein Trauma zu bewältigen.
Und da erlebt er, dass sich die Welt weiterentwickelt hat. Schwule im Militär müssen sich nicht mehr verstecken und auch er kann langsam wieder Nähe zu lassen. Und dass er am Ende auch sagen kann, ich bleibe hier für immer, das ist doch ein großer Schritt aus dem Hamsterrad raus. Jetzt kann er wieder leben und nicht nur funktionieren.
Was für eine Riesenentwicklung für jemanden, der so einen großen Verlust verkraften musste und sich zehn Jahre eingeigelt hat.
Soweit meine Einschätzung zu dem Film, sicher gibt es viele andere ...
LG Finn
Re: YOSSI
21. Januar 2013 22:59
Lieber Finn,

ja, das sind wichtige Motive in dem Film, da gebe ich Dir recht. Und er wird mir wohl auch mit einigen Szene lange in Erinnerung bleiben :-) Er ist auch nicht unintelligent gemacht, ganz im Gegenteil. Ich glaube, das abrupte Ende hat mich einfach schon beim ersten Teil gestört, umso mehr, daß mein Gedankenmodell, das daraus entstand, nun mit dem zweiten Teil widerlegt wurde - ich dachte, am Ende outet Yossi den verstorbenen Jagger. Und auch hier endet der Film wieder am Ende einer Entwicklung. Nur störte mich (bzw. uns), daß der Film bis dahin so langsam erzählt wurde und wir auf "irgendwas" gewartet hatten, was uns überrascht. Das kam aber nicht. Statt dessen war der Film zu Ende. Aber in sich logisch ist der Film auf jeden Fall, er stellt interessante Themen in den MIttelpunkt und allein, daß wir hier schon über ihn diskutieren können, zeigt, da er nicht so "ohne" ist :-)))

Also, wer ihn noch nicht gesehen hat: einfach anschauen und selbst eine Meinung bilden :-)

Liebe Grüße,
Mickey2.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 21.01.13 23:48.
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