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Was bin ich ?

geschrieben von CGN1988 
Was bin ich ?
22. März 2023 16:06
Hallo zusammen,

ich heiße Tim und bin 35 Jahre alt. Gerne würde ich mal über meine Geschichte schreiben,
vielleicht hat ja der ein oder andere einen Tipp bzw. Rat wie es mit mir weitergehen soll smiling smiley.

Ich muss zugeben bin doch eher ein feminerer Mann, so habe ich in der Kindheit lieber mit Mädchen
gespielt wie z.B. mit unserer damaligen Nachbarin und auch da dann mit Ihren Barbies oder als
wir verkleiden gespielt hatten, habe ich immer die Kleider Ihrer Mutter mir angezogen.

Naja Kindheit halt. In der 5 Klasse als dann das andere Geschlecht "In" wurde, viele meiner
damaligen Freunde Ihren ersten Kuss mit einen Mädchen hatten, war ich einer der sich da rausgehalten
hat weil mich dieses null gereizt hatte.

Ein paar Jahre später 7-8 Klasse kamen dann auch die ersten Mittschüler auf mich zu und haben
mich gefragt ob ich schwul bin. Ich muss gestehen bis dato habe ich mir da null Gedanken gemacht
(weder Mädchen, noch Jungs haben mich interesiert). Durch Zufall bin ich dann im Internet in dieser
Zeit auf einen Gay-Chat gelandet und muss zugeben, dass die Chats mich dann doch schon ein wenig
erregt hatten.


Mit 18 Jahren dann hatte ich meine erste Freundin und die Beziehung mit Ihr war auch super, Gefühle die
ich bis dato noch nicht kannte, das erste mal Schmetterlinge im Bauch gehabt und das ganze lief auch 2 Jahre mehr als Gut.

Kurz nachdem wir uns getrennt hatten, hatte ich dann im Urlaub die ersten Erfahrungen mit einem Mann (auch
wenn der Mann um einiges älter war, dachte ich mir ja genau das ist es), da aber hier echt einiges an Alkohol
im Spiel war, habe ich dieses als Ausrutcher angesehen und um ehrlich zu sein nie wieder drüber nachgedacht.

Die Jahre vergingen dann so allmälich, da mal was mit einer Frau gehabt, hin und wieder was mit einem Mann ( leider allerdings immer nur beim Feiern, wo Alkohol im Spiel war, daher kann ich null mehr beurteilen was mir besser gefallen hat bzw. was mir gar nicht gefallen hat smiling smiley )


Vor 8 Jahren habe ich dann Anna kennengelernt (auch wieder beim feiern, auch von Ihr wurde ich eigentlich von 80% der Frauen anfangs gefragt ob ich nicht auf Männer stehen würde, was ich da noch verneint hatte), wir habe uns super verstanden auf freundschatlicher Basis uns häufiger getroffen und waren irgendwann Best Friends.


Als wir dann ein paar Monate später zusammen in den Urlaub gefahren sind, ans Meer und ich mich dabei ertappt habe, dass ich doch dem ein oder anderen Mann hinterher gucke war es soweit ich habe mich bei Ihr geoutet das ich Männer doch nicht so uninteressant finde wie ich immer dachte.

Auch als ich dann später, als wir zu Hause waren und ich meinen anderen Bekannten (weiblichen"winking smiley davon erzählte kamen so Sätze "Tim, wir wussten es doch schon immer" "Tim, wir haben die eh schon immer eher als eine von uns angesehen" etc... Irgendwie wurde mein Outing direkt so aufgefasst, dass ich schwul dabei habe ich doch nur gesagt, dass ich Männer nicht ganz uninteresant finde, aber irgendwann dachte dieses dann auch von mir selber.

Jetzt kommen wir zu den heutigen Stand: Seit diesen Vorkomnissen von vor 8 Jahren bin ich nicht wirklich schlauer,
einerseits fühle ich sexuell eher zu Männern als zu Frauen hingezogen, auf der anderen Seite kann ich mir trotzdem keine Beziehung mit einem Mann vorstellen. Mit ner Frau dagegen schon, aber das körperlich passt da wiederum nicht.
(die weiblichen Geschlechtsteile, vorallem untenrum finde ich nicht schön sad smiley )


Auf der anderen Seite hatte ich sowohl mit Männern, als auch mit Frauen (mit Ausnahme, meiner ersten Beziehung) nie wirklich nüchtern Sex, wie kann ich das ganze beurteilen? Wieso habe ich noch nie wirklich für einen Mann geschwärmt?


Um es kurz zu machen, aktuell würde ich mich ganz klar als Schwul bezeichnen, da ich allerdings mit 35 Jahren nach wie vor keine wirkliche Beziehung kam, geschweige denn mal für ein Mann geschwärmt habe und meine sexuellen Erfahrungen jetzt doch schon einiges her sind, frage ich mich ob ich mir das ganze ggf. nicht alles nur eingebildet habe? Oder doch einfach nur Mr. Right finden muss smiling smiley
Re: Was bin ich ?
24. März 2023 13:18
Mir geht es da ähnlich, Tim. Ich fühle mich sexuell eher zu Männern hingezogen, habe aber noch nie für einen Mann geschwärmt. Vielleicht mag mal jemand erzählen, wie es ist, bevor man es sicher weiß.
Re: Was bin ich ?
25. März 2023 06:10
Hallo, ihr beiden!

Die Gefühlswelt, die ihr beschreibt, kenne ich gut. Ich habe jahre-, nein tatsächlich jahrzehntelang nach dieser blöden Schublade gesucht, in die ich reingehöre (nicht nur in Bezug auf meine sexuelle Identität). Und immer, wenn ich meinte, sie gefunden zu haben, festgestellt, dass es das doch nicht ist. Manche Themen lassen sich einfach nicht fix einordnen. Vielleicht ist es auch ganz gut so. Denn durch diese Festlegungen „beraubt“ man sich auch vieler anderer Chancen.

„Ich weiß es gerade nicht“ oder „aktuell eher so“ sind jedenfalls meine eigenen Antworten, wenn ich mich zur Zeit mit der Frage beschäftige, wo in diesem Spektrum zwischen homo und hetero ich mich befinde. Nicht immer zufriedenstellend, aber zunehmend entspannter. Aber ich weiß, wie essentiell diese Frage sein kann, gerade wenn dann auch noch eine Ehe und Kinder dazugehören.

Was also ist mein Fazit? Es ist die Empfehlung, verkrampft euch nicht in dieser Suche und akzeptiert Gefühle, die ihr habt, auch wenn sie euch irritieren. Es gibt ein breites „von-bis“. Lasst euch nicht von andern in Schubladen stecken. Entdeckt euch selbst, aber zieht keine voreiligen Schlüsse. Vertraut eurem Bauchgefühl.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 25.03.23 22:35.
Re: Was bin ich ?
26. März 2023 22:44
Lieber Tim, lieber Manuel,

"Ordnung" ist doch des Deutschen Steckenpferd und dazu gehört, alles geregelt zu sehen und in Schubladen einzusortieren. So werdet ihr sicher auch die Erfahrungen gemacht haben, dass breits nach einem ersten Gespräch mit einer Person, die man gerade kennen lernt, der Beruf, der Familienstand, die Urlaubsziele und ähnliche Daten ausgetauscht sind und eine gedankliche "Klassifizierung" und Einordnung in eine Schublade des Gegenübers erfolgt ist. Und viele Leute unterwerfen sich auch diesem Druck, sich selbst irgendwie einzuordnen, mit anderen zu vergleichen und daraus ihre Position zu bestimmen. Schließlich geben die sozialen Netzwerke vor, wie wer zu funktionieren hat.
Braucht´s das wirklich? Möchtet ihr euch dem auch unterwerfen? Das kann man dann, wenn man das also will, zutreffend aber nur in Bereichen, in denen man definierbare Daten zum Vergleich hat, z.B. Monatseinkommen, Vermögen, Kinderzahl etc.
Aber so wie du bei Kunst nicht definieren kannst, was nun schön oder nicht schön ist oder was das Kunstwerk aussagt (es sei denn, es ist z.B. ein weißes oder schwarzes Blatt), kann man meines Erachtens auch Menschen nicht kategorisieren und erst recht nicht bewerten.
Die Bandbreite ist riesig und nicht nur zwischen homo- oder heterosexuell. Und wenn man dann meint, sich nun einschätzen/einordnen zu können, können dann plötzlich wieder neue Gefühle kommen.
Es verändert sich im Laufe des Lebens nicht nur der Körper, sondern meistens auch, nennen wir es mal einfach, der Geist und mit ihm die Gefühlswelt. Nun kann man daraufhin stets eine neue Positionsbestimmung versuchen, oder versuchen, sich so als vollkommen zu verstehen, wie man "tickt", sofern daraus nicht schädliche bzw. strafbare Empfindungen und Handlungen (z.B. Pädophilie) entstehen.
Ja, ich habe in meinem Leben auch schon viel gehadert mit meiner Gefühlswelt, meiner Neigung und das, obwohl ich eine sehr verständige Frau habe. Aber es hat mich innerlich dennoch manchmal fast zerrissen, weil ich eben nicht einfach "schwarz" oder "weiß" sein konnte. Wenn man dann noch eine "Vorzeige-Ehe" führt oder eine "Vorzeige-Familie" und eine besondere gesellschaftliche Stellung hat, führt der "Ausweg" leicht in die Subkultur und damit zu Erfahrungen, die eher schädigen, als befriedigen.
Als es mir möglich war, mein Wesen, so wie es ist, anzunehmen und sogar die beidseitigen Empfindungen auch als Gewinn zu erkennen, als ich auch mit meiner Frau dazu einen für beide Seiten "gewinnbringenden" Weg gefunden hatte, wurde mein Leben endlich ruhig, dennoch sehr reich und alles andere als langweilig.
Wäre es für euch auch eine Option, eure derzeit noch verwirrende Gefühlswelt auch einmal von diesem Standpunkt zu betrachten und euch nicht unbedingt in eine Schublade einzuordnen?
Es würde mich sehr interessieren, wie ihr euch entscheidet und wie es da bei euch weitergeht.

Liebe Grüße
Tom
Re: Was bin ich ?
04. April 2023 17:05
Hallo zusammen smiling smiley

das Phänomen (ich nenne es mal so) dass ich mich körperlich nur zu einem Mann hingezogen fühle, mir eine Beziehung aber nur mit einer Frau vorzustellen konnte, hatte ich exakt auch so 1:1 früher (und ich wette die meisten hier auch).

Das hat sich bei mir irgendwann geändert, als ich meine eigene Identität besser erforscht habe und auch viel in Kontakt mit anderen schwulen Männern gekommen bin.

Woran liegt diese Unsicherheit?
Eine mögliche Erklärung ist, dass am Anfang einfach ein positives Rollenmodell von 2 Männern in einer Beziehung fehlt, während es Rollenmodell von Mann und Frau zu Hauf gibt (angefangen bei den eigenen Eltern).
Man kann sich etwas nur schwer vorstellen, was man selbst nicht kennt. Das heißt, die Vorstellung kann noch kommen, je mehr ihr euch selbst entwickelt und andere schwule Menschen erlebt (und sei es nur in TV-Serien oder Filmen)

Was wichtig ist: Presst euch nicht in Glaubenssätze "Wie etwas sein sollte" oder "zu sein hat". Darunter haben wir alle doch genug gelitten bis zum Coming-out oder? smiling smiley Wir waren alle hypersensible für die Meinung anderer, um unsere Gefühle abzuwehren und uns in eine heteronormative Welt hineinzupressen, damit wir irgendwie das Gefühl erzeugen können dazuzugehören.
Es ist nämlich genau wie Piwi sagt: Gefühle erzählen erstmal die Wahrheit. Seine eigenen Gefühle in Frage zu stellen ist zwar unsere Paradedisziplin (früher durften wir so nicht fühlen), aber heute dürfen wir alle genauer hinschauen oder besser hin fühlen. Gerade das, was im Körper an Emotionen entsteht, wenn man einen schönen Mann erblickt ist doch das, was wirklich spannend ist.

Wie ist es für einen Mann zu schwärmen? Gegenfrage: Was bedeutet für euch "schwärmen"? Bei mir kann es was ganz banales sein z.B., dass ich einen Film oder Serie schaue und dort einen Mann sehe und hoffe, dass er schnell wieder ins Bild kommt, damit ich ihn möglich lange anschauen kann weil ich ihn süß/attraktiv/toll finde. Ist jetzt nur ein fiktiver Charakter auf ner Leinwand, aber sowas passiert mir auch wenn ich durch die Stadt gehe.
Ich kann also für jemanden schwärmen, ohne dass ich je ein Wort mit ihm wechsel und ohne dass er selbst schwul ist.
Auf Partys hab ich früher Jungs, die mir gefallen haben, einfach mit meiner offenen Art in ein Gespräch verwickelt und mich für sie interessiert.

Michael Kensy
Coming-out Coach
[www.michael-kensy.de]
[www.tiktok.com]
[www.instagram.com]
Re: Was bin ich ?
16. April 2023 07:39
Hallo in die Runde,

ich war in einer vergleichbaren Situation wie der Ersteller und Manuel.

Ich konnte mir jahrelang auch nicht mehr als Sex mit Männern vorstellen und hatte auch ab und an mal eine Freundin (meine Geschichte findet man hier im Forum).

Mein Wendepunkt war mein Outing und die damit verbundene Auseinandersetzung mit mir selbst. Nach nunmehr über 10 Jahren (bin Mitte 30) weiß ich, dass die Unvorstellbarkeit einer Beziehung etc. mit einem Mann an meiner inneren Blockade bzw. noch nicht abgeschlossenen Akzeptanz meiner selbst lag.

Rein objektiv betrachtet ist ed ja bereits was anderes, sich heimlich zum Sex mit Männern zu treffend oder mit Männern auf ein Date, ins Café oder ins Kino zu gehen. Dort wird die Homosexualität ja öffentlich. Damit meine ich nicht zu sehr für anderen, sondern vor allem für einen selbst.

Vor einem Outing bzw. meiner vollständigen Akzeptanz meiner selbst war schwärmen für einen Mann ja gar nicht im Rahmen des Möglichen für mich. Getreu dem Motto: Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Erst als ich diese unbewusste Blockade gelöst hatte, waren Beziehungen und mehr mit Männern auf einmal im Rahmen des möglichen und machbar.

Ich habe auch in der Zeit davor schon öfter für Männer geschwärmt, also ihnen hinterher geguckt, mich für die interessiert. Diese Art der Zuneigung hatte ich aber immer nur auf sexuelles geschoben. Ich für meinen Teil weiß nun, dass es damals nicht nur das sexuelle Interesse war, sondern ein allgemeines Hingezogensein zu Männern. Für mich ist das, so schreibt es auch Michael, schwärmen.

Der Vollständigkeit halber will ich noch erwähnen, dass für mich nie im Raum stand Bi zu sein.

VG Flo



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.04.23 07:43.
Re: Was bin ich ? Was bist Du?
16. April 2023 16:38
Hallo CGN1988,

am Wochenende bin ich über das neuste Video von Tommy Toalingling gestolpert.
In dem geht es gar nicht um schwul oder nichtschwul, sondern eher um die Indentität eines Menschen.

" Heute ist Lauren zu Gast bei Tommy und gemeinsam räumen sie mit Klischees auf, reden über den Unterschied zwischen Mann und Frau und klären, was Gender und nicht-binär bedeutet. "

[www.youtube.com]

Wie fühlst Du dich eigentlich CGN1988?

GLG Maks



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 16.04.23 16:39.
Re: Was bin ich ?
17. April 2023 22:43
Hi!
Ich (59) bin verblüfft, dass dieses Phänomen offenbar verbreiteter ist, als ich dachte. Ich dachte schon, ich sei ein Einzelfall.
Tatsächlich erregen mich sexuell nur noch Männer. Das hat sich im Laufe der Zeit kontinuierlich so entwickelt. Als ich die Gedanken irgendwann nach langer Gegenwehr zuließ, war der Knoten geplatzt. Ich will euch keine Angst machen, aber ich befinde mich schon seit über 30 Jahren im inneren Coming-out. Zurzeit merke ich, dass sich die Entwicklung in Richtung schwul etwas beschleunigt, je mehr ich es zulasse und dann das Gefühl auch genieße. Mehr als ein Gefühl ist es aber nicht, denn ich bin verheiratet und habe keine realen Erfahrungen.
Seltsam ist, dass ich immer wieder auch (nicht sexuell) Mal durch eine Frau angezogen fühle.
Möglicherweise ist mein Leben eine Sackgasse...

Tut mir leid, dass ich hier nun doch nur über mich selbst geschrieben habe.
Re: Was bin ich ?
19. April 2023 14:34
Nein, du bist kein Einzelfall.
Re: Was bin ich ?
19. April 2023 22:49
Hallo zusammen,

ja, dieses Gefühl, wohl der einzige zu sein, der einfach nicht normal "gepolt" ist, hatte ich schon vor fast 50 Jahren. Von 14 bis zum Alter von 24 Jahren hatte ich sexuelle Erfahrungen nur mit dem eigenen Geschlecht, auch wenn ich "große Bauchschmerzen" dabei hatte.
Damals galt Homosexualität noch als Todsünde und wie das damals in mir, der ich aus einer recht katholischen Gegend und Familie stamme gewirkt hat, kann sich wohl jeder vorstellen. Aber das ist Schnee von gestern.
In meiner Ausbildung kam ich dann auch öfter nach München und erfuhr dort, dass es ja noch viel mehr "von meiner Sorte" gab.
Als ich mich mit dieser Erkenntnis anzufreunden begann und mich ein schwules Pärchen in die schwule Welt Münchens einführen wollte, kreuzte sich mein Weg mit meiner jetzigen Frau.
Lange Rede kurzer Sinn, sie war der Mensch, mit dem ich durchs Leben gehen wollte, aber nicht, ohne ihr auch meine "Vorgeschichte und Neigung" zu offenbaren.
Wir heirateten mit diesem Wissen, wir gründeten eine Familie, wir lebten ein gutes Leben, aber auch immer "überschattet" von der Tatsache, dass mein Ich eben zwei Hälften hat.
Wir haben uns ganz gut arrangiert und trotz mancher Herausforderungen ein recht harmonisches Leben geführt. Doch vor fast 25 Jahren wurde mein Ausflug in die "Männerwelt" eine große Belastung, da ich mich regelrecht, aber zunächst unbemerkt in einen jungen Mann, der mit mir erstmals seine Männergefühle entdeckte, verknallte. Das gab dann heftige gefühlsmäßige Eruptionen bei mir und in unserer Ehe, aber die Verbundenheit mit meiner Frau hat dabei nie in Frage gestanden.
Es folgten arbeitsreiche Jahre, die wir zusammen meisterten. Meine "zweite Seite" konnte ich mit einer gewissen verantwortungsvollen Freiheit leben, was sich aber mit der Zeit eher als Belastung, denn als Freiheit entpuppte. Nach dem Motto "ein erfüllter Wunsch weckt den nächsten" entwickelte sich fast eine Sucht nach neuen Erfahrungen, die aber letzlich keine dauerhafte Befriedigung sondern eher jeweils eine folgende Leere verursachten. Darunter litt auch mein Sexualleben mit meiner Frau.
Nun begegnete ich an einem Punkt, wo ich mich in einer Sackgasse wiederfand einem jungen Mann, mit dem ich erfüllende Sexualität und körperliche Nähe erfuhr, was mir einerseits wieder viel Ruhe und Ausgeglichenheit und ein neues Miteinander mit meiner Frau bescherte. Dazu pflegen wir eine absolute Offenheit und Ehrlichkeit miteinander. Es ergab sich so die unwahrscheinlich glückliche Fügung, dass sowohl die Ehe und Partnerschaft mit meiner Frau einen neuen "Frühling" erlebte, als auch die Beziehung mit meinem Freund daneben bestehen konnte. Beide Seiten geben mir eine sexuelle Erfüllung und mentale Stärke. All das hätte ich mir in den auch mir nicht unbekannten Pasen der Zerrissenheit und Anspannung nicht träumen lassen.
Ich möchte euch damit einfach nur bestärken, auch in zunächst schwierigen und vielleicht scheinbar ausweglosen Situationen nicht aufzugeben, Offenheit und Austausch mit vertrauenswürdigen Mitmenschen zu pflegen, Begegnungen zuzulassen und sich auf andere Menschen einzulassen. Manche Lösungen liegen so nahe und sie gehen an uns vorbei, wenn wir uns zu sehr mit uns selbst beschäftigen. Ihr seid kein Einzelfall. Ihr seid, wie ihr seid und da liegt viel Positives darinnen. Entdeckt es.
Viel Glück zusammen!
Re: Was bin ich ?
14. Juni 2023 11:08
Du, Michael, schreibst an anderer Stelle von dem "Klick", diesem Moment, den du erlebt hast. Was aber, wenn man diesen Moment einfach nicht erlebt und es bei der Unsicherheit und der Verwirrung bleibt? Wenn man es einfach nicht sicher weiß. Einen solchen Moment kann man ja nicht erzwingen.
Re: Was bin ich ?
14. Juni 2023 17:58
Hallo Manuel,

Braucht es den Klick denn?

Ich musste mich "festlegen" um eine Situation zu klären, die mich krank gemacht hat, aber am Ende des Tages spielt es heute - anderthalb Jahre später - eigentlich keine Rolle mehr ob ich mich als schwul, bi oder unentschieden bezeichnen würde.

Auf der Straße sortiere ich nur Männer nach "Fuckability" und mein Rechner sucht wenn, dann gay, aber im normalen Leben habe ich noch keinen Moment gehabt, wo das sonst noch wichtig gewesen wäre.

Ok - in Männerchats wo Schwule und Bi-Typen gleichermaßen zu finden sind, wird man schon mal gefragt, aber ich habe noch nie erlebt, daß das mehr als ein Gesprächsaufhänger gewesen wäre. (Na gut: wenn ich mich über's Gendern oder den Buchstabensalat aufrege, rutscht es mir gegenüber überengagnierten Heten schon mal raus.)

In meimen Livekontakten spielt es schlicht keine Rolle. Im Hinterkopf ist klar, daß ein sexuelles Angebot einer Frau keine Chance bei mir hätte, aber flirten, quatschen, etc. warum nicht? Wichtig ist doch nur, daß es einem gut geht (so gut es eben geht) und man sich, sorry, daß ich das jetzt sehr therapiemäßig ausdrücke, über seine Gefühle und Bedürfnisse im Klaren ist.

Viele Grüße

Flo
Re: Was bin ich ?
14. Juni 2023 20:37
Mit "Klick" meinte ich genau das: sich über seine Gefühle und Bedürfnisse im Klaren sein.

Das ist, solange das innere Coming-out noch nicht erfolgt ist, eben nicht der Fall.

Männer auf der Straße nach "Fuckability" zu sortieren, ist mir, das muss ich gestehen, eher fremd.
Re: Was bin ich ?
14. Juni 2023 20:55
Manuel schrieb:
-------------------------------------------------------
> Mit "Klick" meinte ich genau das: sich über seine
> Gefühle und Bedürfnisse im Klaren sein.

Kann man das so übergeordnet überhaupt?

Ich gebe zu, ich habe manchmal schon Probleme mir in einer konkreten Situation über meine Gefühle und Bedürfnisse im Klaren zu sein 🙄

> Das ist, solange das innere Coming-out noch nicht
> erfolgt ist, eben nicht der Fall.

Ich verstehe, was Du meinst.

Nun bin ich jenseits der 40. Ein Coming Out war damals eine Riesensache. Heute denke ich mir manchmal: was ein Aufriss. Paradoxerweise hätte ich völlig unauffällig mit Jungs genauso schlafen können, wie mit Mädchen. Es hätte - außer den üblichen Lästermäulern - im Grunde genommen niemanden irritiert oder gestört. Meine Eltern hätten ziemlich daran zu knabbern gehabt, aber sie hätten aufgrund ihres liberalen Selbstbildes nie etwas sagen können (selbst, wenn es sie zerrissen hätte...). Ich hätte einfach tun können, was ich gerne tun wollte - es gab leider andere Zwänge, die mich in eine völlig andere Richtung getrieben haben.

Worauf ich hinaus will: Wer zwingt einen?

> Männer auf der Straße nach "Fuckability" zu
> sortieren, ist mir, das muss ich gestehen, eher
> fremd.

Wenn man es so formuliert, hast Du recht - aber ich liebe Testosteron und Männerkörper... 😎

Viele Grüße

Flo
Re: Was bin ich ?
01. Juli 2023 11:59
Manuel schrieb:
-------------------------------------------------------
> Mit "Klick" meinte ich genau das: sich über seine
> Gefühle und Bedürfnisse im Klaren sein.
>

Das darfst du nicht verwechseln smiling smiley bei mir hat es "Klick" gemacht und ich war noch sehr lange nicht soweit, dass ich mir über meine Gefühle und Bedürfnisse im Klaren war.

Ein einmaliges Aha-Erlebnis ist tatsächlich auch eher die Seltenheit. Das hat viel mit Verdrängung zu tun und irgendwann macht es dann Boom.
Viel häufiger ist ja der Prozess in dem du dich gerade befindest. Du weißt da ist was, du kannst es aber noch nicht greifen. Du kannst dir viele Dinge (noch) nicht vorstellen. Wenn du dir selbst die Erlaubnis gibst, diesen Teil langsam und behutsam zu erforschen, dann kommt der Rest ganz natürlich von alleine. Warte nicht auf einen *Klick-Moment, gewöhne dich einfach langsam an das was da in dir ist und raus will.. smiling smiley

Michael Kensy
Coming-out Coach
[www.michael-kensy.de]
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