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Jennifer - Transgender / (ex) TV-Prostituierte & mein heutiges Leben als Frau mit meinem Schatz Thomas

geschrieben von Jennifer-GAY 
Vorwort
Hallo Liebe Foren-Gemeinde,

ich bin Jennifer (45 Jahre), (homosexueller) Transgender und möchte mich euch hier vorstellen. Ich führe den Begriff "Transgender" mal mit an, jedoch sehe ich mich als Frau und werde so auch wahrgenommen!
Ich freue mich auf einen Austausch mit euch - meinetwegen kann dieser auch über PN stattfinden - wenn jemand über intimes sprechen möchte, was nicht ins Forum passt...


Meine Anfänge...
Stellt euch vor ihr seit ein Junge von 15, 16 Jahren und spürt immer mehr diesen Drang nach femininen Dingen zu denen man bisher keinen Bezug hatte. Anfangs tut man dies als Lappalie ab, jedoch verschwindet damit das eigentliche Bedürfnis nicht - im Gegenteil, es wird eher intensiver. Für mich fühlte sich das sehr befremdlich an, da ich diese neuen Empfindungen nicht einordnen konnte. Woher kamen sie? Warum habe ich sie? Wieso gefallen sie mir? Damals konnte man nicht einfach ins Internet gehen, um sich dort Informationen zu holen oder sich mit "Gleichgesinnten" austauschen. Eine andere Möglichkeit wäre, sich damit an die Eltern zu richten. Was meine Erziehung in Sachen Sexualität und Geschlechtsidentität betrifft, waren meine Eltern wie zwei gegensätzliche Pole: meine Mama war in diesen Punkten sehr offen und brachte mir bei, daß es völlig egal sei, in welche sexuelle Orientierung oder Identität (m oder w) ich hineinwachse, mein Papa war in diesen Dingen sehr konservativ und hatte gegen die "offene Erziehung" meiner Mama natürlich einiges. Als Sohn sieht man zu seinen Papa auf, fühlt sich aber auch immer eingeschüchtert, wenn dieser eine klare Linie vorgibt. Somit war ein Gespräch mit meinen Eltern nicht möglich und ich weiterhin mit meinen Bedürfnissen völlig allein.


Erste Anzeichen...
Als Transvestit äußern sich die ersten Anzeichen nach femininen Dingen zumeist darin, sich optisch als weiblich "herauszuputzen": man trägt den Nagellack der Mama auf, oder probiert einfach mal einen Lippenstift. Gesteigert wird dies noch mit einem befangenen herumstöbern in Mamas Kleiderschrank - schnell waren BH, Kleid, Strumpfhose und Damenschuhe gefunden. All das probieren zu können löste in mir keine Scheu aus, vielmehr war es ein Hochgefühl. Dennoch blieb die Frage: warum gefiel mir dies als JUNGE? Als meine Eltern außer Haus waren, nutze ich jede Gelegenheit und kleidete mich feminin und betrachtete mich im Spiegel. Was ich dort sah fand ich toll, allerdings wusste ich nicht ob das lediglich ein Fetisch sei oder ob sich mehr daraus entwickeln wird. Da ich nicht immer die Sachen meiner Mama tragen wollte, ging ich los und kaufte mir eigene - als Junge in der Damenabteilung Mode zu kaufen war beängstigend...was mögen die anderen über mich denken? Da ich mich zu Hause immer nur heimlich "verkleiden" konnte, stagnierte meine Transition über einen langen Zeitraum.


Eigene Wohnung, endlich mehr Freiheiten
Mit dem Umzug in meine eigene Wohnung, boten sich für mich völlig neue Möglichkeiten. Nun konnte ich den ganzen Tag zu Hause feminin verbringen, wodurch sich mein Passing (das Zusammenspiel aus Schminken und passender Kleidung als optischer Gesamteindruck) hin zum Positiven entfaltete. Mit den neuen Möglichkeiten kamen aber auch die Überlegungen, was ich mit meiner weiblichen Seite anfangen möchte. Will ich nur eine Mode-Barbie sein oder entwickelt sich mehr in Sachen Geschlechtsidentität? Außerdem kann es keinen Fortschritt geben, wenn sich meine Transition nur auf meine Wohnung bezieht. Der nächste logische Schritt war somit, den Weg in die Öffentlichkeit zu suchen. Ich malte mir aus, wie die Menschen mich unterwegs wahrnehmen - würden sie mich auslachen, dumme Bemerkungen machen...? Es dauerte einige Zeit bis ich den Mut aufbrachte und meinen ersten "en femme"-Ausflug (wie es im Trans*-Bereich genannt wird - also komplett als Frau gekleidet) zu unternehmen. Nervös und aufgeregt ging ich nach draußen und stellte sehr schnell fest, daß sich die Leute für mich gar nicht interessierten, sie waren eher mit sich selbst beschäftigt. Diese äußerst positive Erfahrung legte für mich den Grundstein, von nun an deutlich mehr in der Öffentlichkeit zu unternehmen. Somit erledigte ich meine Einkäufe (und vieles andere), während ich dabei auf fremde Menschen traf und mit ihnen ins Gespräch kam - diese Entwicklung tat meinem Selbstvertrauen sehr, sehr gut!


Freiwillig in die Prostitution gegangen
In meinen 20ern war ich perspektivlos und wusste nicht so recht, was ich als homosexueller Transgender mit mir anstellen sollte. Natürlich hatte ich auch sexuelle Verlangen, die aus fehlenden Gay-Kontakten niemand stillen konnte. Ich nahm den Kontakt zu einer Domina auf die mich ausgebildet hat und wurde so eine TV-Domina. Die Anfänge gestalteten sich etwas schwierig, denn nur wenige Kunden wollten sich von einer TV-Domina bedienen lassen. Nach diesen Startschwierigkeiten änderte sich dies plötzlich und ich bekam immer mehr Kunden. Da ich zu dieser Zeit arbeitslos war, meinte die Domina zu mir "...warum arbeitest du nicht als TV-Prostituierte?" Nach einiger Überlegung entschied ich mich, als Vollzeit TV-Hure ins Bordell zu ziehen. Während ich täglich meine Freier auf meinem Zimmer empfing, arbeitet ich weiterhin nebenbei als TV-Domina - nun aber als Selbstständige, was neue Verpflichtungen und Verantwortung mit sich brachte. Zudem wurde ich auch als Sklavin für die Sessions meiner Domina gebucht - praktisch das Gegenteil meiner sonstigen "Arbeit". 18 Monate schaffte ich als Vollzeit TV-Hure im Bordell an. Als ich dies verließ, "arbeitete" ich aber weiter als TV-Domina und hatte so unter der Woche einige Sessions.


Mein Outing
Da mein Vater verstorben war, meine Mama in eine andere Stadt zog, konnte ich meinen Prostitutionsjob gut vor allen verbergen - ich schämte mich zu sagen, daß ich als Hure im Bordell anschaffe! Einige Zeit nach dem ich meinen Hurenjob gekündigt hatte, zog meine Mama wieder zurück und sprach zu allererst mit meiner Mama darüber, daß ich von nun an offen als Transgender leben möchte, wobei sie sich überrascht zeigte und emotional-berührt losheulte. Sie nahm mich in den Arm und sagte zu mir "...warum hast du dich mir nicht schon viel früher anvertraut?" Mit so einer herzlichen Reaktion hatte ich nicht gerechnet!!! Die nächsten Wochen (oder Monate...?) verbrachten wir fast jeden Tag miteinander. Wenn man nicht als Mädchen erzogen wurde, hat man eine Menge nachzuholen. Wir sprachen über alles und besser als von der eigenen Mama zu erfahren gibt es nicht! Über all die femininen Dinge die ich in den letzten Jahren aus Büchern und Zeitschriften herausgelesen habe, konnte ich nun mit meiner Mama sprechen, wobei sie mir in vielen Aspekten neue Einblicke und Ratschläge vermittelte. Unter diesem Gesichtspunkt machte meine Transition enorme Fortschritte! So positiv wie meine Mama haben einige Verwandte und Freunde mein Outing nicht aufgenommen - einige kamen damit gar nicht klar...
Jedoch kam noch der schwierige Teil, indem ich ihr anvertrauen musste, daß ich als Vollzeit-Hure im Bordell anschaffen war. Wie gedacht, nahm sie es nicht gut auf, was uns für eine kurze Zeit entzweite. Nach einer kurzen "Entzweiung" fanden wir wieder zusammen, wobei wir uns richtig aussprachen und ich ihr meine Hintergründe und Erfahrungen schilderte. Auf diese Weise arbeiteten wir gemeinsam meine damalige Zeit auf, wobei wir nur innerhalb der Familie darüber sprachen - erst Jahre später gingen wir damit öffentlich und ernteten ein durchwachsenes Echo. Heute sprechen wir ohne Probleme offen mit jedem darüber und ich merke immer wieder, daß die Leute neugierig sind und so manches darüber erfahren wollen.


Liebe - Als Transgender den richtigen Partner finden
Einen Singlehaushalt führen hat viele Vorteile, bringt aber einen großen Nachteil mit sich: man ist meist allein. Natürlich wünschte ich mir einen Partner an meine Seite, als (homosexueller) Transgender den richtigen Partner zu finden, war eine ernsthafte Herausforderung. Es geht nicht darum, der Beziehung wegen mit einem Menschen zu leben, sondern man hat auch gewisse Vorstellungen wie der Partner sein soll - für mich sind das folgende:
- wir müssen gleiche Interessen teilen
- mein Partner sollte NICHT rauchen, keine Tätowierungen/Piercings und keinen ausschweifenden Alkoholkonsum haben
- das Aussehen/Figur sollte auch meinem Geschmack entsprechen, das Alter hingegen spielt für mich keine große Rolle
- ganz wichtig, wir müssen dasselbe Verständnis für Humor haben
Über viele Jahre gab es so nur kurze Affären und One-Night-Stands, bis ich dann vor 18 Monaten einen Mann kennenlernte. Wir haben uns sofort gut verstanden, zudem gab es von Beginn an keine "Berührungsängste" und seit gut einem Jahr leben wir zusammen. Das ist meine erste richtige Beziehung, wobei ich hier zum ersten Mal wirkliche Liebe empfunden habe - glücklicher könnte ich mit keinem anderen Partner sein!


Eine Identitätsfrage, wo gehöre ich dazu - m / w / d?
Unter uns LGBTQ´lern wird die Pronomenzugehörigkeit immer wieder diskutiert, während sich einige dadurch in Schubladen gesteckt fühlen (da sie sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen/unterordnen möchten), ist anderen ein bestimmtes Pronomen wichtig. Als Transgender finde ich es bedeutsam, welchen Geschlecht ich mich zugehörig fühle, denn nicht umsonst habe ich die vielen Jahre mit dem Wechsel vom Mann-zum-Frausein verbracht, um dann in eine Identitätskrise zu fallen. Auch wenn ich nicht Transsexuell bin, zudem über keine weiblichen Körpermerkmale verfüge, sehe ich mich als weiblich und möchte (bzw. werde...) so wahrgenommen! Dementsprechend ist es mir wichtig als "Frau" und mit "Sie" angesprochen zu werden.


Mein heutiger Alltag
Mittlerweile bin ich 45 Jahre, bereits seit über 10 Jahren geoutet und kann gar nicht genug betonen, wie glücklich ich deshalb bin! Die Heimlichtuerei war nur mühsam zu ertragen und mit dem Outing konnte ich mich endlich überall offen zeigen. Das danach vieles für mich leichter wurde, habe ich der wundervollen Unterstützung meiner Mama zu verdanken!!! Sie stand mir hilfreich zur Seite, gab mir zahlreiche Ratschläge die mir weiterhalfen - bei so viel Beistand schritt meine Transition weiter voran, zudem bekam mein Selbstbewusstsein einen beachtlichenen Schub. Dieses neugewonnene Selbstvertrauen wirkte sich arriviert auf meine Persönlichkeit aus. Nach einer Auszeit bewarb ich mich (nun als Transgender) auf eine neue Arbeitsstelle und erhielt den Job. Nach einer "Eingewöhnungsphase" mit allen Kollegen*innen gab es keinerlei Schwierigkeiten am Arbeitsplatz und nach Jahren der Zusammenarbeit kann ich unser Betriebsklima nur als vorzüglich bezeichnen.
Abseits der Arbeit ging ich neue Wege, ich lernte neue Menschen kennen, schloß viele Freundschaften - mein heutiger Freundeskreis umfasst 90% (Frauen) und 10% (Männer). Diese hohe Diskrepanz erklärt sich ganz einfach: als transidente Person habe ich entschieden mehr feminine Interessen, weshalb ich daher mehr Freundschaften mit Frauen schließe. Bei Männern merke ich meistens ein Distanzverhalten bezüglich meines transidenten Hintergrunds, was ein näherkommen schwierig gestaltet.

Daß man "im Leben als Frau" angekommen ist merkt man, wenn man morgens aufsteht und nicht darüber nachdenkt, welche Identität man verfolgt. Stattdessen habe ich meinen jahrelangen Rhythmus, der mich gar nicht mehr zum Überlegen bringt, daß ich ursprünglich männlich geboren wurde - man kann das auch gut mit "täglicher Routine" beschreiben. Das einige Züge meiner männlichen Natur noch in mir stecken, offenbart sich bsw. in meiner Ungeduld und streckenweise lebhaften Art - alles nicht sehr ladylike, ich arbeite daran...
Ganz und gar meines angeborenen männlichen Naturells konnte ich mich familiär lösen, wobei ich schon lange von meiner Mama und Stiefpapa als "Tochter" gesehen werde, ein schöneres Kompliment kann man als transidente Person nicht bekommen! Stiefpapa? Richtig. Seit einigen Jahren hat meine Mama ihr neues Glück gefunden und auch ich habe zu ihm ein fabelhaftes Verhältnis.

"Erholung" vom Alltagsstress finde ich bei meinen Freundinnen. Ich pflege Kontakt mit einigen Mädels mit denen ich mich alle paar Wochen mal treffe. Engere Freundschaft teile ich mit meiner Mädels-Clique, wobei wir uns regelmäßig (unter der Woche) sehen. Wir sind 9 "gackernde Hühner" die gerne tratschen, viel unternehmen und immer füreinander da sind - bessere Freundinnen kann man sich nicht wünschen! Das i-Tüpfelchen stellt jedoch meine Beziehung zu meinem Schatz Thomas dar - verliebt zu sein ist so magisch! Der Wechsel vom Singleleben zum Zusammenwohnen mit einem Partner fiel mir nicht allzu leicht. Da ich es gewohnt war jeden Tag für mich einzuteilen, war die Umstellung zu einem 2-Mann-Haushalt etwas mühevoll. Inzwischen möchte ich es gar nicht anders - es gibt nichts tolleres, als sein leben mit einem Partner zu teilen!

Wie ihr seht, besteht mein gegenwärtiger Alltag aus vielerlei Dingen: Arbeit, Familie, mein Freund, Treffen mit meinen Freundinnen, Haushalt führen, tägliche Besorgungen und neben all dem muß auch noch Zeit für mein Hobby Ballett bleiben!!!


Jennifer
Vielen lieben Dank, für das Teilen Deiner Geschichte, Jennifer .

So erhalten viele Leser eine kurzen, und doch intensieven Ablauf, wie das Leben eines Transgender laufen kann.
Und dann auch noch mit einem Hapy End.
Wiese "End" ? - Nein es die der Anfang Deines neuen Lebens als Paar.

Möge Deine Geschichte anderen Menschen Mut machen, Ihren ganz eigenen Weg zu gehen.

Ganz liebe Grüße - Maks
Maks schrieb:
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> Wiese "End" ? - Nein es die der Anfang Deines neuen Lebens als Paar.



Hallo Maks,

so kannst du es auch ausdrücken...smiling smiley Dennoch, ein Anfang ist es nicht mehr, da ich mit meinem Schatz bereits über 1 Jahr zusammen bin. Man kann es vielleicht eher Fortführung oder Weiterentwicklung nennen, denn unsere Liebe/Beziehung stagniert nicht, sondern wächst jeden Tag, bzw. machen wir neue Erfahrungen.

Jennifer
Hallo Jenifer,
genauso war es von mir gemeint. Den Weg der Liebe gemeinsam gehen. Vom Zusammenwachsen und zusammen Wachsen.

GLG Maks
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