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Coming out geschafft - und nun?

geschrieben von Kai74 
Coming out geschafft - und nun?
17. Mai 2022 18:57
Nachdem wir uns im Chat kennengelernt haben, hat Maks mich gebeten, meine Geschichte aufzuschreiben und hier im Forum zu veröffentlichen. Dem komme ich gerne nach – auch in der Hoffnung, dadurch mehr Klarheit für mich selbst zu finden.

Anzeichen dafür, dass ich eventuell schwul sein könnte, gab es schon früh. Das fing in der Kindheit damit an, dass ich gerne mit Puppen gespielt habe, mich seit meiner Jugend immer besser mit den Mädels als mit den Jungs verstanden habe, mich null für die klassischen Jungs-Hobbys wie Fußball, Feuerwehr etc. interessiert habe und zu Hause (zum Graus meines Vaters) kochen und stricken gelernt habe. Das sind zwar alles Klischees aber aus heutiger Sicht passt es ins Bild.
Wegen meiner eher soften Art bin ich oft gefragt worden „Bist du schwul?“. Aber das durfte natürlich nicht sein und wurde von mir immer empört abgestritten. Ich hab alles dran gesetzt, diese Seite von mir zu verstecken. Wurde immer cooler, männlicher, unemotionaler. Bloß nicht schwul wirken.
Ist mir aber nur begrenzt gelungen. Mit 19 hat mich ein Kollege angebaggert weil er meinte ich sei schwul. Das wäre die Möglichkeit gewesen, eine erste Erfahrung mit meiner anderen Seite zu machen. Aber die Chance ließ ich ungenutzt, was ich im späteren Leben oft bereut habe. Der Mut hatte einfach gefehlt, die Angst aus der Norm zu fallen, die Familie zu enttäuschen.
Und da war auch der Wunsch nach einer Familie. So kam es, dass ich irgendwann meine Frau kennen lernte, mich verliebte. Wir haben geheiratet, bekamen zwei Kinder und alles war gut.

Wenn da nicht immer wieder diese Gedanken gewesen wären: „Was wäre wenn?“. „Was wäre passiert, wenn ich die Chance damals wahrgenommen hätte?“, „Warum habe ich öfters Gedanken an Männer?“, „Warum träume ich ab und zu davon?“, „Warum schaue ich mir Schwulen-Pornos an?“. Apropos: Beim Porno schauen hab ich immer darauf geachtet, mindestens genauso viele Hetero-Pornos anzuschauen wie Schwulen-Pornos damit ich mir selber einreden konnte „ich bin ja nicht schwul sondern maximal bi“. Dabei haben mich Pornos mit Frauen null angemacht. Aus heutiger Sicht einfach nur lächerlich. Aber es zeigt, wie sehr man sich selbst etwas vormacht.
Vor mittlerweile vier Jahren ist es dann passiert, dass ich im Alkoholrausch mit einem Typen geknutscht habe und dachte: „Wow - so fühlt sich das also an? Geil. Und es fühlt sich für mich richtig an.“ Aber selbst danach überwog ständig die Angst. Die Angst vor einem Coming-out. Die Angst davor, meine Familie zu verlieren. Und so wurde wieder alles verdrängt und zugeschüttet. Und wieder zogen die Jahre ins Land.
Aber die Gedanken, Träume und Fantasien kamen immer wieder, immer öfter und in immer stärkerer Intensität.

Vor zwei Wochen, als meine Frau für eine Woche außer Haus war, ist mein zugeschüttetes Inneres dann plötzlich „aufgeplatzt“, wahrscheinlich ausgelöst durch einen erotischen Traum. Mir wurde schlagartig bewusst: „Du bist schwul und bist dabei, Dich zu belügen und daran zu Grunde zu gehen. In zehn Jahren wirst Du erkennen, dass Du Dein Leben lang zu feige warst, nach Deinem wirklichen Ich zu suchen und Du wirst es so sehr bereuen, dass du daran zerbrechen wirst“.
(Dass ich jetzt schon immer verbitterter und depressiver werde, habe ich bereits festgestellt - auch wenn ich mir natürlich andere Begründungen dafür zurechtgelegt habe.)
Besuche in einschlägigen Chats im Laufe der Woche bestätigten mich noch weiter darin, zu erkennen, dass ich auf Männern stehe und so hat sich die Entscheidung entwickelt, dass ich endlich Schluss mit dieser Lüge machen und irgendetwas verändern muss, wenn ich nicht die letzte Selbstachtung vor mir verlieren will.

Als meine Frau zurück kam, hat sie sofort gemerkt, dass etwas nicht stimmt und obwohl es ihr Geburtstag war und ich mir fest vorgenommen hatte, es ihr erst in den Tagen danach zu sagen, hat sie so lange gebohrt, bis ich es endlich ausgesprochen habe. Es war ein extrem emotionaler Moment und ich hab geheult wie ein Schlosshund. Die Erleichterung, alles rauszulassen, war enorm.
Die Reaktion meiner Frau war unfassbar und seitdem weiß ich wieder genau, warum ich sie geheiratet habe. Sie hat sich auf das Schlimmste gefasst gemacht und sich ausgemalt, dass ich erzählen werde, dass ich eine unheilbare Krankheit habe und sterben werde. Als sie gehört hat, dass ich „nur“ schwul bin, war sie im zunächst einmal extrem erleichtert. Wir haben danach unheimlich viel und offen geredet. Wir waren uns schon lange nicht mehr so nah wie jetzt. Die Verarbeitung des ganzen hat natürlich etwas gedauert und dauert noch immer an. Ihre Tränen kamen erst etwas später. Sie ist sehr traurig und enttäuscht, mich zu verlieren. Aber sie weiß, dass irgendwas zwischen uns nicht zu 100% gestimmt hat und ich oft unglücklich war. Und dass sie mich wahrscheinlich nie vollends glücklich machen kann. Und umgekehrt natürlich genauso. Letztendlich hat die ganze Familie darunter gelitten. Ich hoffe, dass sich jetzt auch für sie neue Wege erschließen werden. Auf jeden Fall ermutigt sie mich, meine Erfahrungen zu machen und meinen Weg zu gehen.

Ich bin mir bewusst, dass ich unglaubliches Glück mit dieser Reaktion hatte. Und dass das nicht die Normalität ist. Ich habe mit dem Allerschlimmsten gerechnet: dass ich meine Frau, meine Familie verliere, dass ich ausziehen muss, hatte keine Ahnung wohin. „Wie soll das funktionieren?“, „Wo bekomme ich eine neue Wohnung her?“ und so weiter - und trotzdem hatte ich mich dazu entschlossen den Schritt des Coming-outs zu machen. So stark war die Überzeugung, dass ich es machen muss, da ich es sonst irgendwann bereuen werde.

Jetzt bin ich in der Phase „danach“. Ich merke wie mein Kopf wieder die Führung übernimmt und mir einzureden versucht: „Bist Du Dir wirklich sicher? War es das wirklich wert? Was hast Du nur gemacht? Wie stellst Du Dir das vor? Du bist 48, Deine attraktivsten Tage liegen längst hinter Dir und die Typen, die Dir gefallen schauen Dich doch mit dem A… nicht an.“
Ich muss mir immer wieder bewusst machen, dass mein Drang, mich zu outen so stark war, dass ich dafür meine Familie auf Spiel gesetzt habe. Der Moment in dem wieder der Kopf, die rationale Seite, die Führung übernimmt, ist schwierig. Dieser ständige Kampf zwischen Kopf und Bauch macht mich echt fertig.

Vielleicht hätte ich mich ihr gegenüber erst outen sollen, nachdem ich erste Erfahrungen gemacht habe und mir sicherer gewesen wäre. Aber ich wollte sie nicht bewusst hintergehen und betrügen. Wäre für sie wohl auch schwerer zu ertragen gewesen.

Momentan habe ich das Gefühl, völlig ahnungslos an einer riesigen Kreuzung zu stehen und nicht zu wissen, welchen Weg ich nehmen soll. Ich kann mir ein Leben ohne meine Familie nicht vorstellen und träume nicht unbedingt von einer festen Beziehung mit einem Mann. Trotzdem möchte ich jetzt die neue Welt kennen lernen, möchte Leute kennen lernen, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich, mich austauschen, Erfahrungen sammeln.

Mit meiner Frau habe ich mich darauf geeinigt, dass wir zunächst einmal zusammenbleiben - besonders wegen der Kinder (die Jüngste ist erst elf) - und eine offene Beziehung führen, so dass ich mir über meine Zukunft klar werden kann.
Für meine Frau muss das unglaublich schwer sein, denn sie weiß ja nicht, wo es hinführen wird. Aber ich glaube, sie hat sich schon darauf eingestellt, dass sie mit mir nicht alt werden kann und das macht sie sehr traurig.
Ob sie es tatsächlich aushalten wird, weiter mit mir zusammen zu leben, kann ich momentan nicht sagen. Ich habe jedenfalls die allergrößte Bewunderung für Sie und liebe sie mehr als zuvor.

So, das tat gut, sich alles mal von der Seele zu schreiben. Sorry wenn es zu lang geworden ist. Vielleicht findet sich der ein oder andere in der Geschichte wieder und kann mir ein paar Tips geben. Wenn ihr in einer ähnlichen Situation wart, wie ging es für euch weiter? Wo lerne ich am Besten „Gleichgesinnte“ kennen? Welche Fehler sollte ich nicht machen?

Ich würde mich sehr über ein paar Kommentare freuen!

Kai
Re: Coming out geschafft - und nun?
17. Mai 2022 22:41
Hallo Kai,
wenn ich deine Geschichte lese kann ich mich fast eins zu eins wiederfinden.
Vielleicht hast du ja meine auch gelesen und findest Parallelen zu dir selbst.
Ich habe meinen Prozess abgeschlossen und bin seit mittlerweile 5 Jahren mit meinem Freund ein Paar.
Mit meiner Ex Frau habe ich mittlerweile wieder ein gutes freundschaftliches Verhältnis.
Wir hatten auch ein Haus zusammen, Kind ,gutes Einkommen ,also alles was sich ein Mann wünschen kann.
Trotzdem war ich nicht glücklich. Der Gedanke daran mit einem Mann zusammen zu sein ,auf der Couch zu liegen, mit ihm zu kuscheln, beim Fernsehen z.B. ,wurde immer stärker und hat mich Tag und Nacht verfolgt.
Irgendwann war der Punkt erreicht ,ich musste es meiner Frau beichten. Zuerst war sie auch lieb und verständnisvoll, hat mich gedrückt und gesagt alles wird gut, aber das war nur der erste Schock. Keine Ahnung was in ihr vorging.
Das Jahr danach war alles andere als harmonisch. Ich dachte auch erst an eine offene Beziehung oder ähnliches, aber das kannste vergessen. Wir haben uns dann scheiden lassen mit allen Konsequenzen, bin ausgezogen. Hab ihr das Haus überlassen,reichlich Rentenpunkte ,Auto auch. War mir alles egal, wollte nur mit meinem Freund zusammen sein.
Bin heute glücklich und froh den Schritt gemacht zu haben, trotz finanzieller Einbußen.
Man rappelt sich wieder auf.
Aber das Gefühl wenn ich nach Hause komme und meinen geliebten Mann in die Arme schließe ,das war alle Mühen ,Stress und Entbehrungen wert. Es war die beste Entscheidung.
So Kai, ich hoffe du bist jetzt nicht total verwirrt . Vielleicht helfen dir ja meine Erfahrungen.
Ich drück dir die Daumen und wünsche dir alles Gute .
Frank
Re: Coming out geschafft - und nun?
18. Mai 2022 19:57
Hallo Kai74,

was für eine /deine Geschichte. Ich bekomme Gänshaut. Auch bei mir ploppen nun Erinnerungen auf, bei denen ich es hätte auch damals schon wissen oder erahnen hätte können.
Puppen - lach , ich hatte meinen"Ken".
Mädels - ja auch da war ich oft der Hahn im Korb - und später, wenn es ums Tanzen ging, war ich es, der alle betanzt hat, damit die anderen Jungs ihre Ruhe hatten und Bier trinken konnten.
Manchmal denke ich, was wäre passiert wenn ich mit 18 /19 .... angebaggert worden wäre. Hätte ich es zugelassen oder war da nicht der große Wunsch/Traum von Frau - Kinder - Haus und Hof.viel zu groß?
Die Option und die Vorbilder, auch als schwuler Mann eine Familie mit Kindern zu gründen, gab es damals noch nicht.
Schwulenpornos oder Gayzeitschriften - im Rahmen von Selbstbefriediung ist doch legitim - damit bin ich doch nicht schwul. So meine "Ausrede".

Ich freue mich nun über dein coming out. Das Du im Gespräch mit deiner Frau bist. Jeder weis nun woran er ist und kann neue Wege gehen und Entscheidungen treffen.
Der erste Schritt ist gemacht und weitere werden folgen.
Ja, es wird emotional nicht einfach sein, wenn Du in Zukunft auf Tour gehst. Wieviel von deinen neuen Erfahrungen wirst Du mit deiner Frau teilen? Was wird das mit den Gefühlen deiner Frau machen? Was wirst Du fühlen, wenn Du weist, das deine Frau allein zu Hause eventuell grübelt.
Es kann aber auch auf einmal ganz andres kommen. Deine Frau "überholt" dich, mit ihren neuen Wegen. Wer weis. Es wird spannend.
Ein Tip - lies dir mal die Geschichte von Kai - vom Beginn einer spannenden Reise - durch. Auch da wirst Du Gemeinsamkeiten finden.

Die Phase danach. Welcher Typ von Mann gefällt Dir? Ich habe erstmal keine wirkliche Altersbeschränkung festgelegt. Das war mir wichtig, damit mir keiner durch die Lappen geht. Tendenz war letztendlich Jüngere. Aber wie jung dürfen sie sein?
Ich weis von anderen co30-lern, die Ältere ausgeschlossen hatten, und dann auf eimal als Liebe im Spiel war, es egal war. Was will ich damit sagen. Mach Dir darüber nicht so einen Kopf. Lass die Männer auf dich wirken.

Du beabsichtigst erstmal weiterhin mit deiner Frau zusammen zu wohnen. Wir, das heißt mein jetziger Mann, hat nach seinem coming out - und nach dem er mich seiner Frau und Kinder vorgestellt hat, in einer Art WG im eigenen Haus gewohnt. Das ging ein Jahr mehr oder weniger gut. Danach war die Zeit reif, das er und seine Frau getrennte Wege gehen. Sie und die Kinder (10+7) sind ausgezogen.
Junior ist dann aber nach 6 Monaten zu seinem Vater und wir leben nun zu dritt. Eine kleine Regenbgenfamilie mit Haus Hof Hund und Kanninchen.

Gleichgesinnte kennen lernen. MIr war es damals sehr wichtig, schwulen Männer in ihrer Freizeit zu treffen. Zum gemensamen Wandern, Kino (Gayfilmnacht), Theater, Schwul-Lesbische Zentren, CSD,co30Treffen,...
Sexuelle Treffen, waren erstmal nicht angesagt. Dennoch war ich nicht abgeneigt, wenn es dazu kam und ich bereit war, es auch mal zuzulassen. Erfahrungen sammeln. Sehr spannen, und das mit Mitte 40 .
Setzt dich hier auch nicht so unter Druck - schau mal ,was geht und was (noch) nicht. Auch da werden Entwicklungsschritte dabei sein.
Fehler vermeiden - achte auf dich - was du wirklich in dem Moment bereit bist, zu tun.

Ich freue mich, weiter von Dir hier zu lesen.
GLG Maks
Re: Coming out geschafft - und nun?
09. Juni 2022 17:09
Hallo Kai74,

eine interessante Geschichte, die Du gelebt hast und nachdem, was ich von einigen anderen schwulen Männern weiss, die ebenfalls mit einer Frau verheiratet waren und Kinder haben, ist das sicher häufiger anzutreffen, als man vielleicht glauben würde.

Bei mir selbst ist es anders gelaufen, obwohl auch bei mir das Thema Frau und Familie früher eine Rolle gespielt hat. Mich haben in meiner Jugend zwar Jungen interessiert, nur habe ich immer geglaubt, dass ich gerne eine Freund haben möchte, weil ich ansonsten ausgegrenzt und ein Einzelgänger war. Den sexuellen Aspekt habe ich wohl eher verdrängt und teilweise hatte ich auch Angst davor. Das hat sich auch darin gezeigt, dass ich als älterer Jugendlicher am Kings Club - einer Schwulendisco - vorbei ging und mir das unheimlich war. Erst gegen Ende meiner 40er war ich ein paar Mal dort.

Die Frage, wo lerne ich Gleichgesinnte kennen ist sehr gut, nur eben alles andere als leicht zu beantworten. Als ich mit 46 mein Coming-out vor mir selbst hatte, hat sich mir die gleiche Frage gestellt. Aus einschlägigen Büchern war mir GayRomeo bereits ein Begriff und so habe ich dort ein Profil erstellt um als unerfahrener Neuling sogleich die ersten schlechten Erfahrungen zu machen. Zeitgleich habe ich nach Treffs in meiner Nähe gesucht und gefunden. Dort bin ich dann auch hingegangen und habe erste Kontakte geknüpft. Einer der Treffs war ein privater Club, nur waren dort überwiegend ältere und gleichaltrige. Ich bin an deutlich jüngeren interessiert. Später folgten Schwulenparties und Schwulenbars, doch kennen gelernt habe ich dort niemand. Es ist dann schon sehr frustrierend, wenn man stundenlang in einer Bar sitzt und es ergibt sich kein Gespräch oder ich fühle den notgeilen Blick von jemandem, an dem ich kein Interesse habe. Auch Online-Anzeigen habe ich gestartet, doch auch diese waren sehr ernüchternd.

Das, was ich in der Szene und auf DatingPlattformen erlebt habe, hat sich meist sehr intensiv um reinen Sex gedreht, war sehr oberflächlich. Für mich geht das so nie. Für mich sind ein kennenlernen, Gefühle und Zärtlichkeit wichtig. Der Sex kommt dann von selbst, wenn die Grundlage stimmt. Man baut ein Haus auch niemals auf Sand und so sehe ich das mit einer Beziehung oder Partnerschaft eben auch.

Wenn man zu oft verletzt wurde, dann ist man sehr vorsichtig und will das Gegenüber erst einmal richtig kennen lernen und einschätzen können, bevor man sich auf etwas einlässt, was ein hohes Mass an Vertrauen braucht.

Zuletzt habe ich es mit gewöhnlichen Discotheken versucht, denn auch dort gibt es Schwule, wenn auch eher in Gruppen. Es gab dann auch ein paar flüchtige Kontakte, doch nie etwas wirklich greifbares.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
Re: Coming out geschafft - und nun?
28. Juni 2022 18:53
Kai74 schrieb:
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> ...
> Anzeichen dafür, dass ich eventuell schwul sein
> könnte, gab es schon früh. Das fing in der
> Kindheit damit an, dass ich gerne mit Puppen
> gespielt habe, mich seit meiner Jugend immer
> besser mit den Mädels als mit den Jungs
> verstanden habe, mich null für die klassischen
> Jungs-Hobbys wie Fußball, Feuerwehr etc.
> interessiert habe und zu Hause (zum Graus meines
> Vaters) kochen und stricken gelernt habe. Das sind
> zwar alles Klischees aber aus heutiger Sicht passt
> es ins Bild.
Same here.

> die Angst aus der Norm zu
> fallen, die Familie zu enttäuschen.
> Und da war auch der Wunsch nach einer Familie. So
> kam es, dass ich irgendwann meine Frau kennen
> lernte, mich verliebte.
Ich lernte die Mutter meiner Kinder kennen und wir waren uns einig, wie wir uns unser Leben vorstellten.
So kam eines zum anderen.
Aber Liebe? Sicherlich habe ich sie geliebt und liebe sie noch immer - aber nie auf die Art und Weise, auf die Mann die Frau, mit der er sein Leben zu verbringen plant, seine Frau lieben sollte.

Ich springe hier mal, weil ich sonst Dinge schreiben müsste, die eher in eine PM oder einen Tisch mit Tee und Keksen gehören...

> So, das tat gut, sich alles mal von der Seele zu
> schreiben. Sorry wenn es zu lang geworden ist.
> Vielleicht findet sich der ein oder andere in der
> Geschichte wieder und kann mir ein paar Tips
> geben. Wenn ihr in einer ähnlichen Situation
> wart, wie ging es für euch weiter? Wo lerne ich
> am Besten „Gleichgesinnte“ kennen? Welche
> Fehler sollte ich nicht machen?
Für mich lief der Erkenntnisprozess etwas anders ab. Ich habe sehr lange geglaubt, ich könnte beides haben und wäre mit einem etwas "unorthodoxen Arragement" zufrieden. Die Gewissheit keinen Sex mit Frauen haben zu wollen, hat sehr lange gebraucht (wobei ich es nicht völlig ausschließen würde, wenn die Chemie stimmt, aber ich würde vermutlich nie wieder eine längere Beziehung zu einer Frau eingehen).

Dieses Thema ist für mich ohnehin etwas schwierig - im Moment kann ich mir noch nicht einmal eine feste Beziehung mit einem Mann vorstellen. Aber für den Moment glaube ich, mein eigenes "Coming Out" im Sinne einer bewussten Aussage: "DAS WILL ICH" ist noch gar nicht abgeschlossen. Ich bin noch gar nicht soweit, meine Phantasien und Wünsche tatsächlich auf mich zu beziehen. Es wäre schon schwierig sie überhaupt zu benennen, geschweigedenn real dabei zu sein, wenn sie ausgelebt werden.

Der härteste Moment der vergangenen Monate war die Mitteilung meiner Ex "ich bin mit dir als Mann fertig". Ja klar, darauf läuft eine Trennung natürlich hinaus, aber den Satz so im Raum Gestalt annehmen zu sehen, war für mich vmtl. genauso ein Tritt dahin wo es weh tut, wie mein Coming out ihr gegenüber. Dieses Fanal ist schwer zu verdauen.

> Ich würde mich sehr über ein paar Kommentare
> freuen!

Und ich mich über eine Antwort winking smiley

Viele Grüße

Flo
Re: Coming out geschafft - und nun?
29. Juni 2022 08:19
Hallo Flo,

es ist zwar eigentlich der Post von Kai74, dennoch möchte ich gerne einige Worte dazu mitteilen, weil mir das auch für viele andere wichtig erscheint, denen es ähnlich geht.

Nun habe ich gerade zwei Astrologische Bücher zum Thema Beziehung, Partnerschaft, Liebe und Sexualität nochmals gelesen. Nur so am Rande, beschäftige ich mich schon seit meiner Jugend mit Astrologie und habe ca. 100 Fachbücher zu dem Thema, also keine schwachsinnige Tageszeitungsastrologie. Es war allerdings sehr ernüchternd, meine eigene Konstellationen dort bewusst zu lesen und dabei zu erkennen, was meine Seele eigentlich will. Nun gut, mir sind hier ein paar Aussagen aufgefallen, die ich aufgreifen möchte. Auch im Kontext, dass ich mich gerade mit dem Thema „Entmannung“ beschäftige, was ich verbal auch selbst in der Kindheit durch Frauen erfahren habe.

„Aber Liebe? Sicherlich habe ich sie geliebt und liebe sie noch immer - aber nie auf die Art und Weise, auf die Mann die Frau, mit der er sein Leben zu verbringen plant, seine Frau lieben sollte.“

Bitte, woher weiss ein Mann oder ein Mensch generell, wie er einen anderen Menschen lieben sollte. Liebe ist ein Wort, das so unterschiedlich gebraucht wird, wie kaum ein anderes und die Bedeutung ist immer eine andere. Als Beispiel wird von vielen Menschen gesagt: „ich möchte mit dir Liebe machen“, wobei es um den sexuellen Akt geht, der mit Liebe grundsätzlich keinen gemeinsamen Nenner hat. Sicher kann hier Liebe dabei sein, doch es gibt genug Menschen, die Sex ohne Gefühle und erst Recht ohne Liebe praktizieren. Der typische Fall ist die Vergewaltigung. Das als Liebe zu bezeichnen empfinde ich als falsch. Es geht dennoch darum, dass durch die Verletzung (eine Resonanz muss hier schon vorhanden gewesen sein) ein Heilungsprozess stattfinden kann. In der Regel dürfte wohl eher das Gegenteil der Fall sein und das Erlebnis ist erst Recht traumatisch. Das wird dann dazu führen, dass das ganze Leben verpfuscht ist und die Sexualität erst Recht.

Mir scheint, dass hier ein vollkommen falsches und vielleicht in der Kindheit übernommenes Bild von Liebe vorhanden ist, das von der Wirklichkeit abweicht. Eine altruistische, also bedingungslose Liebe ist unter Menschen sicher ein sehr seltener Fall.

„Für mich lief der Erkenntnisprozess etwas anders ab. Ich habe sehr lange geglaubt, ich könnte beides haben und wäre mit einem etwas "unorthodoxen Arragement" zufrieden. Die Gewissheit keinen Sex mit Frauen haben zu wollen, hat sehr lange gebraucht (wobei ich es nicht völlig ausschließen würde, wenn die Chemie stimmt, aber ich würde vermutlich nie wieder eine längere Beziehung zu einer Frau eingehen).“

Wenn ich diese Aussage richtig verstehe, ist hier der Wunsch vorhanden, beides zu leben. Eine Frau und Familie einerseits und der Sex mit einem Mann andererseits. Das käme einer Dreiecksbeziehung gleich, die öfter vorkommt als man glaubt. In der Regel spielt hier im Leben die Zahl 3, Trigone und trigonale Strukturen eine wichtige Rolle - nur mal so als Hinweis zu eigenen Forschungszwecken. Das liegt sicher ausserhalb der Werte dieser Gesellschaft, doch warum sollte man zwischen zwei Dingen wählen, wenn man grundsätzlich beides haben kann? Hier ist doch nur die Frage, ob man sich selbst erlaubt und selbst dazu ermächtigt, das zu leben. Wenn ich von mir sagen kann, dass es mir egal ist, was andere von mir denken und sagen, dann habe ich die FREIHEIT, das zu leben, was ich will. Man sollte dann allerdings so ehrlich sich selbst und den möglichen Partnern gegenüber sein, das offen auszusprechen, denn sonst hat man sehr schnell ein tragisches Drama.

„Der härteste Moment der vergangenen Monate war die Mitteilung meiner Ex "ich bin mit dir als Mann fertig“.“

Diese Aussage impliziert eine klare Demütigung und Erniedrigung. Sie torpediert das Selbstwertgefühl, das wahrscheinlich sowieso schon gering war, weil es in der Kindheit schon Ereignisse gab, die in eine ähnliche Richtung gingen. Ich sehe es gewissermassen auch als eine „Entmannung“ im verbalen psychologischen Sinne. Es geht also ganz sicher darum sich zuerst einmal die Kindheitsthemen anzusehen, die Verletzungen und falschen Glaubenssätze aufzuarbeiten und das Selbstbewusstsein und den Selbstwert wieder aufzubauen. Während dieser Zeit ist es besser alleine zu bleiben, da man sonst wieder jemanden in sein Leben zieht, der genau in diese Schwäche sticht und neue Verletzungen hinzukommen.

Jeder Mensch, egal ob Mann oder Frau, hat eine linke weibliche Seite (Anima) und eine rechte männliche Seite (Animus) und diese zeigen sich in einem Horoskop durch die jeweiligen Planeten in den Zeichen und Häusern, wie auch die Winkelbeziehungen untereinander. Damit wird auch deren Bedürfnisse abgebildet, so dass wir daraus erkennen können, ob ein potentieller Partner diese erfüllen kann, wenn man sich dessen Horoskop zum eigenen Horoskop ansieht. Den meisten Menschen, wäre es empfohlen, sich Hilfe von erfahrenen Leuten zu holen, weil es selten jemanden gibt, der seine Themen selbstständig erlösen kann. Das läuft allerdings wieder gegen die typische Ausrichtung des Mannes, alles selbst bewältigen zu wollen und lieber auf Hilfe von Aussen zu verzichten. Ob Man(n), diesen Teufelskreis durchbrechen kann, kommt auf jeden selbst an.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
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