Verzweiflung und völlig hilflos
21. Januar 2020 10:12
Da ich nun auch schon seit einigen Tagen mitlese und schon einiges an geschichten gefunden habe die meiner sehr ähnlich sind, möchte ich nun auch so mutig sein und meine Geschichte gern aufschreiben und hoffe auf ein paar Antworten. Aber vorsicht, ich glaube es wird lang.

Angefangen hat alles vor ca. 2 jahren als ich mit meinem Mann und meinen zwei kindern schon einen kompletten neuanfang wagen musste. Meine mutter ist leider an krebs verstorben und ich habe sie gepflegt. 6 Wochen die mich völlig zerstört haben. Dann gab es noch streit um das vorhandene Haus mit ihrem Mann und wir haben unsere Zelte abgebrochen und sind über 300 km weit weggezogen. Im neuen Zuhause habe ich mich auch von anfang an wohlgefühlt. Es war als wenn der ort auf mich gewartet hat. Dann hab ich über die schule auch direkt anschluss gefunden und eine mutter kennengelernt mit der ich mich auf anhieb verstanden habe. Wir haben uns alle paar wochen mal auf einen kaffee getroffen und uns einfach total gut verstanden. Ganz viele gemeinsame interessen, kinder im gleichen alter die sich auch wunderbar verstehen. Die freundschaft wuchs immer mehr, wurde enger und enger. Mittlerweile ist sie meine beste Freundin und ich könnte niemals auf sie verzichten. Soweit so gut.

Seit letztem Jahr wurde alles eben noch viel enger. Zuerst haben wir was mit unseren Familien unternommen, haben uns auch so immer häufiger gesehen. Haben für uns festgestellt das wir eine Seelenverwandtschaft teilen. Ich spüre sie wenn es ihr schlecht geht und umgekehrt. Wir können einfach über alles reden, uns völlig fallen lassen, geben uns Sicherheit und Geborgenheit. Seit letztem sommer ist es so das wir uns wirklich täglich sehen. Wir haben erst mit hundespaziergängen angefangen, dann hat sie mir das joggen näher gebracht ( da hätte ich schon selbst hellhörig werden müssen, weil mein motto früher war: Sport ist mord!) und seit sie vormittags wieder arbeiten geht hole ich unsere kids von der schule, wir treffen uns danach, essen was zusammen und machen hausaufgaben mit den kids, quatschen und gehen laufen. Dann war erst noch so das wir abends abwechselnd bei ihr oder uns gekocht haben und wir eben mit beiden familien zusammen gegessen haben und danach noch eine serie zusammen geschaut haben. Es war tatsächlich alles sehr eng. Ja, wir sind sogar zusammen in den urlaub gefahren. Im Herbst war es so das sie mit ihrer familie schon eine woche vorgefahren ist, und da hab ich das erste mal gedacht was stimmt nicht mit mir. Ich habe sie so unglaublich doll vermisst das ich die ganze woche so sehr gelitten habe. Sie genauso.
Ständiger nachrichtenaustausch war bei uns eh an der tagesordnung, also auch da. Bildchen mit wie sehr wir uns vermissen und wie lieb wir uns haben waren keine seltenheit. Aber dieses vermissen hat mich fast wahnsinnig gemacht. Es war als wenn jemand einen teil von mir mitgenommen hat. Zugute kam, das wir uns trotz der entfernung immer spüren konnten und wir eben immer im ständigen nachrichtenaustausch standen. Dann der urlaub war für uns alle wunderschön, allerdings haben wir uns da schon geärgert das wir nie zeit für uns hatten. Haben uns diese dann genommen wenn wir morgens joggen gegangen sind. Ansonsten nur zeit mit allen familien zusammen. Nie zeit allein zu quatschen oder eben was wir auch kurz vor dem urlaub angefangen hatten, uns in den arm zu nehmen. Haben wir uns vor den männern nicht getraut. Dann in der woche nach dem urlaub ging das chaos los. Der mann meiner freundin ist völlig durchgedreht, weil er plötzlich eifersüchtig war und uns vorgeworfen hat wir hätten was miteinander. Was aber eben nie der fall war und wir das auch beide vehement abgestritten haben das wir je in erwägung gezogen hätten etwas mit einer frau anzufangen. Er war und ist wirklich plötzlich krankhaft eifersüchtig und kontrollsüchtig geworden. Hat meine freundin psychisch und seelisch komplett fertig gemacht. Außerdem wurde dann noch eine depression festgestellt die sich wohl im laufe der jahre schon zusammen gebraut hatte. Ich war jedenfalls diejenige, zu der sich meine freundin dann geflüchtet hat. Unser mittage endeten jedesmal mit endlosen gesprächen. Ich habe sie jedesmal erneut aufgefangen. Ihr versucht kraft und trost zu spenden, denn sie wollte ihren mann ja nicht einfach aufgeben und kämpfen. Und ich habe mir des öfteren gedacht das er das nicht verdient hat, so sehr wie er sie fertig gemacht hat. Es tat mir jedesmal in der seele weh wie sehr er sie zerstört hat und ich habe mich so hilflos gefühlt. Bei unseren gesprächen folgten lange umarmungen die mir jedesmal so unglaublich viel gaben. Ich fühlte mich zuhause, sicher, geborgen. Hatte das gefühl endlich angekommen und vollständig zu sein. Und immer dieses unglaubliche, unbeschreibliche gefühl dabei was ich nicht einorden konnte. Ich schob es immer wieder auf unsere verbindung und seelenverwandschaft. Wir beide, denn wir sprachen auch drüber wie sehr wir uns dadurch kraft geben können. Ich dachte immer mehr nach, verstand mich selbst nicht mehr was ich immer mehr für gedanken hatte. Beispielsweise das ich eine gewisse eifersucht spürte wenn ihr mann sie in den arm nahm oder sie küsste. Weil ich zu dem zeitpunkt immer dachte, wie kann sie das wo er ihr doch so unglaublich weh tut. Und habe auch versucht mir meine gedanken zu verbieten, denn schließlich ist es ihre entscheidung und ihr mann der das ja auch darf.
Dann im november sollte es endlich soweit sein, und meine freundin und ich hatten mädelstag. Wir gingen gemeinsam auf ein konzert. Leider war es anfangs durch dieses ganze chaos mit ihrem mann ziemlich schwer andere gedanken zu bekommen. Ich tröstete sie auf der hinfahrt. Arm in arm und hand in hand fuhren wir in die stadt. Es war ein so wunderschönes gefühl. Auch wenn ich manchmal den gedanken hegte, was sollen die leute nun denken. Wir sehen aus wie ein pärchen. War mir allerdings egal. Ich habe nur diesen moment absolut genossen und dachte mir eben „ich tröste doch nur meine beste freundin“.
Beim Konzert war es das unglaublichste erlebnis was ich je hatte. Haben uns bei bestimmten songs gegenseitig halt und unterstüzung gegeben in dem wir uns eben auch ganz innig und intensiv umarmt haben. Es war echt so wundervoll. Kann das gar nicht in worte fassen. Und auch die rückfahrt fand wieder arm in arm statt. Anschließend haben wir noch im auto die ganze zeit geredet. Keine von uns wollte diesen wunderschönen abend beenden. Und ab da war mit klar das ich mehr fühle als ich sollte und durfte.
Denn ich bin ja schließlich verheiratet und habe kinder. Anschließend habe ich versucht alles zu verdrängen und zu bekämpfen. Hatte ich doch nie so richtig drüber nachgedacht etwas mit einer frau anzufangen. Warum auch. Hab ja mann und kinder.

Die Ehe an sich ist toll. Hier und da natürlich mal einen streit. Fühle mich nicht immer wirklich ernst genommen aber dachte mir immer: anderern frauen geht es deutlich schlechter und du hast doch alles was du willst. Ne, wohl nicht je mehr ich drüber nachdachte. Ich hatte schon immer das gefühl das mir was fehlt. Hab in meinem leben immer nur beziehungen mit männern gehabt und naja, was den sex angeht.. ja gehört dazu, aber es gibt mir nicht wirklich was. Im gegenteil.. seit jahren überwindung mich überhaupt in stimmung zu bringen, es einigermaßen genießen zu können. im prinzip einen gefallen für den mann. Und ich habe mich schon immer gefragt was mit mir nicht stimmt. In Büchern, filmen etc. ist immer alles so toll, die partner können die finger nicht voneinander lassen und ich freue mich schon am anfang darauf wenn es vorbei ist. Genauso das ich schon immer ein problem mit dem männlichen geschlechtsteil hatte. Während andere davon vorschwärmen wie toll es ist, „ihn“ in den mund zu nehmen, hätte ich nur weglaufen können und hab mich auch mein leben lang geweigert. Tat mir auch leid für alle männer aber wenn ich was nicht will, nicht mit mir.

Naja,jedenfalls blieben die täglichen treffen. Stark sein für meine freundin und ich zerrte von den umarmungen. Jeden tag aufs neue. Dieses gefühl war jedesmal unglaublich schön. Ich hätte sie am liebsten gar nicht mehr los gelassen. Dann folgte ein weiteres Konzert bei dem wir 4 erwachsenen zusammen hingegangen sind. Da am abend vorher schon ein riesiger familienstreit bei meiner freundin war, ihr mann wieder panikattacken schob war die stimmung erst ziemlich angespannt. Alkohol lockerte das ganze. Leider hat mein mann es etwas übertrieben und machte mir in aller öffentlichkeit eine szene weil ich in einem karussel nicht mitfahren wollte. Er hat mich noch nie so angeschrien und schon gar nicht in der öffentlichkeit. Ich wusste gar nicht wie mir geschieht. Vorallem nur weil ich was nicht wollte. Es war einfach nur schrecklich. Haben dann noch versucht uns auszusprechen und gesagt wir wollen das konzert erleben. Zwischendurch hat er mir noch dinge an den kopf geworfen von wegen ich solle doch lieber zu meiner freundin gehen. Da wäre ich glücklicher und noch einiges mehr.ich habe die welt nicht mehr verstanden.
Das konzert war jedenfalls dank ihm natürlich erst recht verkrampft. Aber ich habe meinen frust in met und tanzen betäubt. Und indem ich meine freundin mehrmals mit zur toilette genommen habe und wir uns da auch umarmt haben. Wir hand in hand durch die Menge sind (natürlich um uns nicht zu verlieren ?) und einfach „unser“ gefühl genossen haben. Unsere letzte Umarmung kurz vor abfahrt endete damit das eine frau reinkam mit den worten“ aaawww, die schmusen“.. ich in dem moment in schockstarre gefallen bin und mir gedacht habe was tue ich hier eigentlich??!!Ich schmuse doch nicht. Wir umarmen uns doch nur. Danach haben wir aber noch händchen gehalten als wir auf die männer gewartet haben. Und ich war einfach nur verwirrt.
Dieses gefühlschaos war der wahnsinn. Auf der einen seite die wut auf meinen mann. Und auf der anderen seite dieses unglaubliche gefühl mit meiner freundin. Zumal sie es in jeder situation schafft mich da raus zu holen. Mich zu beruhigen. Natürlich folgten gespräche mit meinem mann das mich das total verletzt hat was er da gemacht hat und das ich mir sowas nicht nochmal gefallen lassen würde. Dann 2 tage später lange gespräche mit meiner freundin. Wir wollten laufen gehen und haben uns vorher nochmal umarmen wollen. Das war so mega intensiv das es alles andere vorher in den schatten gestellt hat. Wir beide so verwirrt waren das wir erstmal geflüchtet sind und uns umgezogen haben, los gelaufen sind. Beide nicht reden konnten und später über belangloses geredet haben. Ich konnte keinen klaren gedanken mehr fassen. Musste ständig an sie denken, war auch vorher schon so, aber nun war es als wenn etwas aus mir raus gebrochen war. Meine freundin und ich sprachen darüber das es für uns unglaublich intensiv war und eben beide geflüchtet sind. Keiner traute sich jedoch auszusprechen was wir vermuteten.

Das sollte sich 2 tage später ändern. Wir waren zusammen unterwegs und sind zwischenzeitlich bei einem kaffee in einer restauration gelandet. Die stimmung war irgendwie die ganze zeit merkwürdig angespannt. So gar nicht wir. Und dann sprach sie davon das sie für mich mehr fühlt als sie sollte. Und glaubt das sie allein wäre. Da hab ich nur gesagt, nein, ich fühle genauso. Und dann haben wir uns mitten in dieser restauration an den händen gehalten und für mich war es mit einer der schönsten tage meines lebens. Und es wäre wunderschön, wenn da nicht zum einen unsere familien wären, und unser gefühlschaos. Weil eigentlich niemand von uns daran gedacht hat je das leben mit einer frau zu teilen.
Wir beide in diesem chaos hängen und nicht mehr weiter wissen. Ich stand völlig neben mir. Eine woche lang. Dann haben wir den männern gesagt was wir fühlen. Es folgte ein wochenende aus wut, verletzbarkeit, enttäuschung. Es war alles dabei was mein mann mir an den kopf geworfen hat. Dabei wollte ich nur ehrlich sein und ihm eben beichten das ich mich in meine beste freundin verliebt habe. Und eben auch klar stellen das ich ihn nie betrogen habe ( ja, die einen werden jetzt vielleicht sagen, betrügen fängt im kopf an oder oder, für mich wenn ich mit jemand anderem intim werde!)und vorallem das ich eben zeit brauche über alles nachzudenken.
Das ich mich eben selbst in frage stelle. Was oder wer bin ich überhaupt? Was will ich? Kann ich mir überhaupt ein leben mit einer frau vorstellen? Was ist wenn es doch nicht so schön ist wie ich es mir vorstelle?

Weil ja, ich gebe zu, ich stelle es mir unglaublich schön vor. Schon allein wenn meine freundin mich nur kurz berührt kribbelt es überall. Ich behaupte auch das ich ein so intensives gefühl nur bei der kleinsten berührung noch nie gespürt habe. Und ich will mehr davon. aber ich habe so unglaublich viele ängste. Zum einen steckt sie noch genauso fest wie ich und weiß genauso wenig was sie will und hat genauso angst wie ich.
Von daher meine angst hinter her völlig allein da zu stehen wenn ich jetzt meinen mann verlasse ( ja ich weiß, ich bin wahrscheinlich grad komplett egoistisch!), und sie hinter her für sich feststellt das sie doch lieber in ihrer ehe bleibt. Wir haben uns zwar geschworen, egal was passiert für immer beste freundinnen zu bleiben, aber ehrlich gesagt weiß ich nicht ob mir das dann reicht.
Weil ja, ich liebe sie, so unglaublich doll, mit ihr kann ich mir dinge vorstellen die ich mir sonst nicht mal ansatzweise gewünscht hätte. Dieses verlangen, diese sehnsucht bringen mich um den verstand. Und ich kann mir ein leben ohne sie nicht mehr vorstellen.
Dann allerdings auch die angst das mich meine kinder hassen werden,dass mama jetzt plötzlich eine frau liebt( ihre kinder und meine sind quasi wie geschwister). Das sie sich von mir abwenden.
Dann was generell mit meinem leben wird. Ich bin bisher nur hausfrau und mutter und hatte jetzt vor mein leben in die hand zu nehmen und eine ausbildung zu starten. Aber ich habe quasi nichts und bin völlig abhängig von meinem mann. Was mich auch schon immer gestört hat, aber es hieß immer ich brauch das nicht. Er würde doch genug geld verdienen. Das reicht für uns. Und nun steh ich da und weiß nicht weiter. Komme mir vor als wenn ich 10 jahre meines lebens verschenkt habe. Ich bereue nichts mit meinem mann. So ist es nicht. Wir hatten glückliche jahre und unsere kinder sind ein geschenk für mich. Aber ich hatte so oft das gefühl ausbrechen zu müssen. War aber nie stark genug. Und auch das mir alte geschichten von früher wieder einfallen. Als teenie hatte ich schon gefallen an einem mädchen gefunden von der ich wusste das sie gleichgeschlechtlich liebt. Allerdings wollte sie nichts von mir wissen und als ich meiner damaligen besten freundin davon berichtete wurde ich ausgelacht und es wurde abstand gesucht. Von daher habe ich mir diesen Gedanken komplett verboten. Alles in eine kiste gesperrt, abgeschlossen, ganz tief unten vergraben und nie wieder hervor geholt- bis jetzt. beim nachdenken ist mir auch aufgefallen wie toll ich frauen schon immer gefunden habe. Das ich frauen schon immer schöner, atrraktiver, sinnlicher und sexy fand. Es mir aber immer verboten habe so zu denken. Jedenfalls rede ich jeden tag mit meinem mann, er weiß auch nun meine ganzen gedankengänge und dennoch hält er noch hoffnung. Und ich habe angst den letzten schritt zu gehen. Und es ist momentan einfach nur furchtbar. Er ist so verletzt und traurig und ich fühle mich so unglaublich schuldig. Andrerseits denke ich mir auch , ich kann doch nicht alle gefühle, empfindungen wieder zurückdrängen und mit ihm ein leben in lüge leben damit er glücklich ist.

Ich bin so verzweifelt. Vielleicht mag ja jemand mit ein paar denkanstößen helfen. Würde ich mich sehr drüber freuen.
liebe grüße
Re: Verzweiflung und völlig hilflos
21. Januar 2020 16:39
Ich finde es es gut, dass du ihm die Wahrheit gesagt hast und würde jetzt mit ihm zusammen eine Beratungsstelle aufsuchen oder eben allein um Klarheit zu bekommen und zu sortieren. Emotional ist das ja ganz schwierig und auch eure Kinder spüren das. Während du schon länger mit dir kämpfst und schon deinen neuen Weg gehst muß er etwas annehmen was er noch gar nicht verstehen kann. Er ist auch verzweifelt ebenso wie du. Ich wünsche dir und deinem Mann die Kraft und auch die Würde mit dieser Situation bedacht umzugehen und das jeder für sich klären kann was er gerade braucht damit erstmal Ruhe reinkommt. Kinder wollen ihre Eltern glücklich sehen und nicht auf Krampf in geordneten Verhältnissen...

Ich habe nur den Verdacht, dass mein Mann auch mit sich kämpft und unsere Ehe und auch unser Familienleben ist in eine völlige Schieflage geraten, ich wäre froh wenn es diesen Punkt zum Ansetzen gäbe und er sich öffnen würde aber das kann wohl nicht jeder.

Du hast den Mut gehabt und das ist ein großer Schritt. Eure Männer haben ja schon etwas geahnt und werden sich auch Gedanken machen und Gespräche suchen.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 21.01.20 16:51.
Re: Verzweiflung und völlig hilflos
21. Januar 2020 17:24
Hallo Lagatha,

bei so einer Geschichte versucht man (frau) alles hinein zu packen und dann fehlen doch ein paar wichtige Einzelheiten. Wie alt sind denn Eure Kinder und wie lange seit ihr denn verheiratet?

Wenn ich das so durchlese, erstaunt mich nicht, wie eure Männer reagieren. Beide haben schon seit einer Weile gemerkt, dass da was läuft. Die Szene in der Toilette macht das sehr klar. Da kommt eine fremde Frau rein und macht eine Bemerkung, dass ihr schmust. Das macht ihr natürlich nicht vor Euren Männern, aber schon die Art, wie ihr euch anschaut, wie ihr miteinander redet, wie ihr körperliche Nähe zulasst, das kann vermutlich jeder sehen. Eure Männer jedenfalls haben es gesehen. Und was Du aus Deiner intimen Eheerfahrung erzählst, verstärkt das ganze. Du hast Deinem Mann über Jahre signalisiert, das Sex mit ihm nicht zu den erstrebenswertesten Dingen gehört.

Ich kenne das aus der spiegelbildlichen Situation. Ich habe früh erkannt, dass ich mich zu Sex mit meiner Frau zwar nicht zwingen musste, aber es war nie die große Erfüllung. Und Oralverkehr ... da ging es mir mit meiner Frau genauso wie Dir mit Deinem Mann. Ich will das nicht vertiefen. Aber ein Partner merkt das. Dein Mann hat sich vielleicht oft gewundert, was er noch alles anstellen muss, um bei Dir punkten zu können. Das macht einen Partner, der Dich ja liebt und Dir was Gutes tun möchte, schon unsicher. Als Ehemann zweifelt er vielleicht an seiner Männlichkeit. Dem Mann Deiner Freundin geht es vielleicht ganz ähnlich.

Wie dem auch sei, ihr habt Eure Männer ja schon vorbereitet. Sie würden nicht so reagieren, wären nicht aggressiv oder depressiv, wenn Sie nicht schon einen Verdacht oder wenigstens ein dumpfes Gefühl hätten. Manchmal macht man auch die Augen zu und will nicht akzeptieren, was man da gerade gesehen hat. Sie sind in ihrer Rolle als Familienväter verunsichert. Du und Deine Freundin, ihr müsst Euch überlegen, ob ihr mit ihnen reden wollt.

Und vorher müsst ihr euch überlegen, wie ihr euer zukünftiges Verhältnis von Frau zu Frau seht. Ich lese aus Deiner Geschichte bisher nicht heraus, dass ihr intim gewesen seid. Ich weiß nicht, ob ihr das wollt. Sexualität kennt viele Spielarten. Ich muss als Mann da passen, drüber was zu sagen. Da gibt es hier bestimmt Berufenere. Aber irgendwann bald klären solltet ihr das schon.

Und was die Kinder angeht: Die nehmen euch doch schon lange als enges Paar wahr. Meine Kinder haben damit kein Problem gehabt, dass Papa plötzlich schwul war.

Trennung von Deinem Mann? Ich gebe hier keine Ratschläge. Das muss die Zeit zeigen. Sicher wäre es eine gute Idee, zu einer Eheberatung zu gehen. Das bist Du auch Deinen Kindern schuldig, denn Trennung kann sehr schmerzhaft werden.

Schöne Grüße

Volker
Re: Verzweiflung und völlig hilflos
21. Januar 2020 18:27
Hallo Lagatha,

ist ja nun noch nicht lange das du / euch bewusst geworden ist was los ist. Deine Verzweiflung und auch deine Schuldgefühle kann ich nachvollziehen, den Drang deinen Gefühlen nachzugehen auch. Logisch das du da jetzt erst mal keinen Weg siehst.
Deinen Mann kann ich auch verstehen, wird ihm auch den Boden unter den Füßen wegziehen die Situation.
Am wichtigsten scheint mir das ihr das Gespräch sucht , einen Anfang habt ihr da gemacht. Eine Beratungsstelle kann da hilfreich sein. Ich war alleine bei Pro Familia die bieten (zumindest hier in unserer Gegend ) spezielle Betreuung für Menschen in so einer Situation, mir hat das geholfen meine eigenen Wünsche und Bedürfnisse besser ordnen und benennen zu können.
.
Den Respekt nicht voreinander verlieren, wenn euch das gelingt und ihr ehrlich miteinander umgeht dann habt ihr einen guten Grundstein für eine
, wie auch immer geartete Zukunft , gelegt. EIns ist sicher , egal wie es bei euch weitergeht, eure gemeinsamen Kinder bleiben Teil eures Lebens und werden euch somit auch immer verbinden. WIe sich das gestaltet das wird sich zeigen. Sicher wird das erst einmal schwierig werden.

Überstürzt nichts , gebt euch beide Zeit. Im Streit ist aus Überforderung oder Hilflosigkeit schnell ein böses Wort gesagt das sich später nicht mehr auslöschen lässt...….und lasst euch nicht von Freunden oder Verwandtschaft sagen wie es weitergeht, das entscheidet ihr ...am besten in Ruhe. Das wird sicher eine Zeitlang dauern in der es holprig wird.

Lg Daniela
Re: Verzweiflung und völlig hilflos
04. März 2020 20:16
Hallo Lagatha!

Deine Geschichte ist sehr berührend...ich kann deine Verzweiflung aber auch sehr gut nachvollziehen.

Wenn ich so etwas lese, denke ich mir, ihr ward beide irgendwie in euren Ehen ich will jetzt nicht sagen "gefangen", aber eben arrangiert. Und ich kenne das, sobald du Mutter bist und einen Mann hast, stellst du deine Bedürfnisse ganz hinten an bzw. lösen sie sich förmlich auf, vor lauter "für andere Sorgen müssen" und Kind, Kegel, womöglich Job unter einen Hut zu bringen.

Nun, die Begegnung mit deiner besten Freundin und schließlich Flamme hat dir dann vielleicht deine Gefühlswelt und deine Bedürfnisse wieder mal wachgerüttelt und klar hat man dann ein ganz starkes Verlangen nach dieser anderen neuen und womöglich auch erfüllenderen Beziehung, wo es nicht nur um Pflichterfüllung geht.

Ich weiß nicht wie eure Geschichte weiter geht. Ich wünsche euch auf jeden Fall alles alles Gute und bleibt euch treu. Die Ehen müssen eben neu geordnet werden, kommt dann auch darauf an wie viel Toleranz der Ehemann aufbringen kann und wie viel mehr als Gewohnheit da noch in dieser Beziehung steckt.
Für Kinder ist es in erster Linie nicht wichtig wen du sonst noch so liebst, solange du SIE liebst. Ich denke Kinder sind toleranter als die meisten Erwachsenen.

Ich kann dir sagen, dass sich nach der noch so schlimmsten Krise, irgendwann die Gewitterwolken legen und man die Chance auf echtes Glück und Freiheit hat, wenn man sich selbst und seinen Gefühlen treu bleibt. Ich habe einen ziemlich hässlichen langen Obsorgestreit nach meiner Trennung hinter mir und hätte mir in dieser schwierigen Zeit niemals vorstellen können, dass sich alles noch zum Guten wendet. Doch das hat es getan. Ich wünsche das auch dir und deiner Freundin!
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