Nachdem ich jetzt schon länger im Forum chatte, versuche ich mal, meine Geschichte rückblickend aufzuschreiben.
Dass ich schwul bin, hätte ich eigentlich immer wissen können, aber es war halt nicht so. Seit ich mich erinnern kann, habe ich mich für Männer interessiert und ihnen hinterhergeschaut. Anfangs wusste ich noch gar nicht, was das war. Als es mir allmählich dämmerte, tat ich es als vorübergehend ab. Da ich von Frauen sehr gemocht wurde, machte ich mir auch nicht so viele Gedanken. Für mich waren das aber eher Freundschaften und nicht mehr. Ich hatte vor 20 auch zweimal eine feste Freundin, aber da ist nichts gelaufen. Daneben habe ich mich immer in andere Jungen verliebt, aber auch da ist nie wirklich was passiert. Mit 18 hatte ich mich wieder verliebt und freundete mich tatsächlich mit dem Jungen an. Das war eine sehr schöne Freundschaft aber als ich irgendwann mit der Sprache herausrückte wurde klar, dass er nicht schwul war. Dann kam noch dazu, dass er in meine Ex-Freundin verliebt war und am Ende wusste ich nicht mehr, auf wen ich eigentlich eifersüchtig sein sollte. Jedenfalls geriet ich in eine Krise und wusste nicht wie es weitergeht. Ich fing dann mein Studium in einer anderen Stadt an und sagte mir ganz klar: Jetzt gehst du weg und siehst was passiert. Ich war für alles offen.
Die erste Person, die ich in der neuen Stadt traf, war meine zukünftige Frau. Wir wurden recht schnell gute Freunde. Ich erzählte ihr meine ganze Geschichte - als erstem Menschen überhaupt. Nach einigen Monaten wurden wir ein Paar und zwar für die nächsten 29 Jahre. Wir verstehen uns wunderbar, haben viele gemeinsame Interessen, haben auch beruflich miteinander zu tun. Sexuell klappte es zeitweise auch, obwohl ich merkte, dass mich das nicht so sehr faszinierte. Nebenher hatte ich auch Fantasien über Männer. Ich sprach das auch manchmal an, aber das war nicht so das große Thema. Als das Internet kam, lebte der ich einen Teil dieser Neigung dort aus. Pornos, Chats, Geschichten lesen...
Inzwischen hatten wir auch eine Tochter bekommen, was zu dem Schönsten gehört das einem passieren kann.
Genau dann verliebte ich mich wieder in einen Mann. Ich gestand es meiner Frau, aber auch diesmal wurde nichts daraus. Bei diesen Gesprächen hatte ich auch das Gefühl, dass es Grenzen gibt, hinter denen Reden nur noch verletzend ist. Wenn ich meiner Frau offen sage, dass ich Sex mit einem Mann will, ist das zwar ehrlich, aber auch sehr verletzend für sie und es stellt die Beziehung in Frage.
Ich schaffte das damals nicht und fing an, heimlich Männer zu treffen und Sex zu haben. Gleichzeitig lief die Beziehung zu meiner Frau auf Sparflamme und wir zogen uns beide sehr zurück.
Vor zwei Jahren nahmen wir einen Anlauf, um unsere Beziehung zu retten. Wir begannen mit Gesprächen und es kam sogar zu einer Paartherapie. Dabei war auch meine Homosexualität Thema. In der Zeit gestand ich meiner Frau auch meine Seitensprünge. Wir gingen beide noch immer von Bisexualität aus und versuchten, alles unter einen Hut zu bekommen. Das Ergebnis war nicht klar und wir wussten nicht wirklich, wie es weitergeht.
Dann stieß ich auf CO30, las viele Geschichten und begann zu chatten. Das hat mir sehr geholfen. Dafür möchte ich hier mal ein ganz großes DANKESCHÖN loswerden.
Und irgendwann war es da in meinen Kopf: Ich bin schwul!
Das habe ich dann meiner Frau gesagt. Für sie war das schwer, weil die Hoffnung auf die Rettung der Beziehung damit weg war. Für mich war es wie eine Befreiung. Ich muss nichts mehr sein, was ich nicht bin. Vor einer Woche bin ich in eine eigene Wohnung gezogen.
Da stehe ich jetzt und habe mit meinem CO begonnen. Wie es mir damit ergeht, schreibe ich in einem nächsten Beitrag. Ach ja, ich bin 54.