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Moin - hier meine Geschichte

geschrieben von Jan-David 
Moin - hier meine Geschichte
12. Februar 2015 20:22
Moin, liebe CO30er,

vor ein paar Monaten habe ich diese Seite im Netz entdeckt und habe den einen oder anderen Beitrag gelesen. Eure Geschichten bewegen mich sehr. Ich dachte immer, ich hätte es schwer gehabt. Doch wenn ich Eure Lebenswege anschaue – da bin ich noch gut dran. Ich kann nur mit stiller Bewunderung auf das schauen, was Ihr geleistet habt!

Aber nun möchte ich mich Euch erst einmal kurz vorstellen. Ich bin 46 Jahre alt, lebe in einer kleinen Stadt in der Region zwischen Münster und Bremen. Beschäftigt bin ich bei der katholischen Kirche und bin unter anderem auch in der Seelsorge tätig (aber kein Priester). Meine Liebe zur Kirche und meine kirchliche Sozialisation haben mir das Coming Out ziemlich schwer gemacht. Trotzdem kann ich der Kirche nicht den Rücken kehren, denn Homophobe Äußerungen und Haltungen sind für mich kein Bestandteil eines echten Glaubenslebens. Meine Haltung ist diese: Das einzig „sündhafte“, das ich an meinem Schwulsein feststellen kann ist, daß ich es verleugnet und verdrängt habe.

In den 80er Jahren, zu meiner Jugendzeit, war Schwulsein ein „No-Go“. Das wißt Ihr alle genausogut wie ich. In meiner Schule gab es keinen einzigen geouteten Mitschüler. „Schwul“ gab es gar nicht – nicht mal als Schimpfwort. Im Strafgesetzbuch gab es noch Reste vom § 175, in meiner Kirche galt (und gilt) Schwulsein als Generalschlüssel für das Höllentor. Außerdem bin ich auf dem Land aufgewachsen. Meine Eltern hatten einen kleinen Betrieb mitten im Dorf. Ein schwuler Sohn wäre da unter Umständen sogar geschäftsschädigend gewesen. „Was die Leute sagen“ konnte man in diesem Umfeld nicht einfach ignorieren.

Für Mädchen habe ich mich nie interessiert. Zwar hatte ich schon als Kind gute Freundinnen, aber meine Bewunderung galt stets den Jungs. Mit 12 Jahren habe ich deutlich gespürt, daß es die männlichen Reize sind, die mich in besonderer Weise anrühren. Als Jugendlicher habe ich es nie verstanden, daß meine Freunde aus der Clique den Mädchen hinterherschauen. Ich dachte immer, „das macht man halt so“. Aber ich habe nie einem Mädchen auf den Hintern oder in den Ausschnitt geschaut. Es hat mich einfach null interessiert.

In manche Jungs war ich hoffnungslos verliebt. Da ich aber augenscheinlich der einzige Schwule weit und breit war, sah ich für mich keinerlei Möglichkeiten der Annäherung an einen anderen Jungen. Ich frage mich heute noch, wie es damals überhaupt möglich war, einen Freund zu finden. Es gab weder das Internet, noch irgendeinen Menschen, mit dem ich hätte Reden können. Ich stand mit meinem Schwulsein jahrelang absolut allein da.

Von meinen Eltern habe ich als Jugendlicher gehört: „Einen Freund mit nach Hause bringen wäre das schlimmste“. Das kam unvermittelt, ohne daß ich einen Anlaß hätte erkennen können. Das hat gesessen. Ein Versuch des „ich muß Euch mal etwas sagen…“ hatte nur Aussicht auf ein größeres Desaster. Als Jugendlicher, der in der Schule nicht besonders gute Noten hatte, nicht viel Anerkennung bekam und auch nicht gerade der coole Typ war, mußte ich mir so ein Desaster um jeden Preis ersparen. Ein Outing wäre in den 80er Jahren mein Ende gewesen. Ich war froh, daß ich ein paar Freunde hatte, mit denen ich gut klar kam. Als Schwuler wäre ich vermutlich „außen vor“ gewesen. Schön war das nicht. Und es macht mich auch heute noch traurig, wenn ich an die Zeit denke.

Eigentlich ist es wunderbar, als Jugendlicher sich und seine Welt mit neu erwachenden Gefühlen zu entdecken. Und es war auch wunderbar, den hübschen Jungs hinterherzuschauen. Doch meine Devise war: Niemand darf je erfahren, daß ich schwul bin. Koste es, was es wolle. Dafür gibt es dieses häßliche Wort „Klemmschwester“. Auf sexuelle Themen angesprochen habe ich immer sehr ausweichend reagiert. Es war mir alles unendlich peinlich. Jedoch kann ich mir zugute halten, daß ich mir keinen anti-schwulen Anstrich gegeben habe, um einen auf Hete zu machen. Auch wenn es merkwürdig klingt: Ich habe mich nie dafür gehaßt, schwul zu sein. Ich habe nie gebetet, daß ich morgen früh bitte als Hete aufwache. Das wäre mir gar nicht in den Sinn gekommen.

Es ist auch das eine oder andere Mal vorgekommen, daß sich ein Mädchen (oder später eine junge Frau) in mich verliebt hat. Das war sehr belastend für mich. Ich war so in meiner Rolle gefangen, daß ich unmöglich hätte sagen können, „Du, das finde ich jetzt total süß, aber ich bin leider schwul“. Wie also aus der Geschichte wieder rauskommen? Sagen, „ich will Dich nicht“? Eine junge Frau hat auf einem Spaziergang mal meine Hand genommen und ist Hand in Hand mit mir ein Stück spazierengegangen. Die Situation war für mich unerträglich. Da hätte ich den Mut haben müssen, klar und ehrlich zu sein. Aber ich habe es nicht fertiggebracht. Niemand durfte an meiner Fassade kratzen. Schwergefallen ist es mir auch besonders deshalb, weil es keine fremden Mädchen oder Frauen waren. Ich kannte sie oft über Jahre und mochte sie auch. Aber Annäherungen von Frauen bedeuteten für mich stets eine unangenehme Bedrängnis.

Ein erster Durchbruch kam, als ich Mitte 20 war. Ich war aus meinem Heimatort weggezogen, hatte eine Arbeitsstelle in einer Stadt und habe auf dem Weg zur Arbeit täglich einen Kollegen mitgenommen. In dieser Zeit hatte er sein Coming Out. Selbst da hatte ich noch nicht den Mut und die Kraft, mich zu outen. Es wäre die Möglichkeit gewesen, die Chance auf dem Silbertablett serviert… Doch immerhin kam es so: Er hat einen anderen Schwulen, der zu Hause rausgeflogen ist, für ein paar Monate bei sich wohnen lassen. Und der hat sich dann unsterblich in mich verliebt. Er hat mich mal gefragt, ob er mich küssen dürfe. Ich habe es ihm erlaubt und erwartete einen kleinen Schmatzer auf die Wange. Aber ich bekam einen ganz ordentlichen Kuß verpaßt. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Ich habe gedacht, ich würde von der Hölle in den Himmel katapultiert. Es war so wunderschön. Da konnte ich zum ersten Mal fühlen, wie schön körperliche Nähe ist. Ich weiß nicht, ob ich je wieder so glücklich war, wie in diesem Augenblick. Als ich wieder zu Hause war, habe ich den ganzen Abend nur heulen können vor Glück.

Nach und nach konnte ich mich dann bei verschiedenen Menschen outen. Aber ich war immer sehr vorsichtig. Niemand durfte es weitererzählen. Obwohl ich jedes kleine Outing wie einen Befreiungsschlag empfunden habe, konnte ich ein „richtiges“ Outing nicht wagen. Vor allem, weil ich nicht wollte, daß meine Eltern es erfahren. Die Schmach wollte ich ihnen ersparen. Erst Jahre später, als erwachsener Mann, habe ich begriffen, daß ich meinen Eltern jegliche Chancen nehme, mit mir und an mir zu wachsen und zu reifen, wenn ich ihnen nicht erzähle, daß ich schwul bin. Zunächst habe ich mich meinem Bruder gegenüber geoutet. Er war ganz überrascht und hätte nie vermutet, einen schwulen Bruder zu haben. Er konnte auch nicht abschätzen, wie unsere Eltern es aufnehmen würden. Das hat mich zunächst verunsichert. Aber irgendwann habe ich meine Eltern besucht und mir vorgenommen, nicht eher vom Kaffeetisch aufzustehen, bis ich es ihnen gesagt habe. Meine Mutter war tatsächlich schockiert, aber nicht, weil ich schwul bin, sondern weil sie es nicht bemerkt hat. Eine Mutter merkt sowas doch… Wieso hatte sie es nicht bemerkt? Ich glaube, das macht ihr heute noch Kopfzerbrechen, daß sie mich in einer entscheidenden Lebensphase nicht hat unterstützen können. Ich habe meinen Eltern keine Vorwürfe zu machen. Wir konnten alle miteinander nicht anders umgehen. Die Kirche, die Sünde, die Schande, die Leute, das Gerede… Wir haben alle in diesem Käfig gesessen und uns unter die herrschenden Umstände gebeugt. Heute schäme ich mich dafür, auch wenn ich weiß, daß ich es damals kaum anders hinbekommen hätte. Aber ich habe es auch nicht versucht.

Heute bin ich sehr, sehr froh, daß ich als geouteter Schwuler leben kann. Trotz Dienst in der Kirche. Ich habe auch keine Sorge vor einer Kündigung oder Versetzung. Das kann mir alles nichts anhaben. (Manch anderen kirchlich Bediensteten geht es leider nicht so gut!) In einer Jugendgruppe habe ich einmal zum Thema „erwachsen werden“ erzählt, wie sehr ich mich gefürchtet habe, mit meinem ersten Freund von Bekannten gesehen zu werden, mich für den Freund hätte rechtfertigen müssen. Ich fand, das war eine sehr "elegante" Art des Outings. Es hatte gar nichts Spektakuläres. Weder für mich, noch für die Gruppe. Als Schwuler fühle ich mich heute ganz normal, lebe mein Leben, brauche nicht in einer Szene einen parallelen Lebensraum suchen. Wobei ich nichts gegen die schwule Szene sagen möchte! Ich liebe es, in schwule Cafés und Kneipen zu gehen! Ich habe der Szene auch viel zu verdanken. Ich bin einfach froh, nach all den Jahren der Gefangenschaft endlich in Freiheit leben und denken zu können. Und zu wissen: Wie es ist, ist es gut.

Liebe Grüße aus dem Nordwesten!
jd
Re: Moin - hier meine Geschichte
12. Februar 2015 20:48
Hallo Jan-David,

es ist immer schön, hier mal einen Lichtblick und keinen Hilfeschrei vorzufinden! Herzlich willkommen und danke für Deine wunderbare Geschichte.

"Wie es ist, ist es gut!" Ich wollte wir könnten diese Worte häufiger unter Lebensgeschichten finden!

Schöne Grüße

Volker
Re: Moin - hier meine Geschichte
14. Februar 2015 19:06
Moin Volker, danke für Deine liebe Rückmeldung. Hätte ich diese Seite früher entdeckt, hätte hier bestimmt ein Hilferuf von mir gestanden. Ich habe meine Geschichte dennoch geschrieben. Denn: Auch nach vielen schwierigen und krisenhaften Jahren kann etwas Gutes entstehen. Kein Lebensweg ist hoffnungslos. Kein Coming Out zu spät. Ich habe lange gedacht, daß ich mich viel zu spät geoutet habe, daß es jetzt eigentlich "zu spät" sei. Aber vielleicht hat jedes CO seine eigene Zeit. Ich weiß nicht - zumindest für mein Leben nicht -, ob ein früheres CO "besser" gewesen wäre.

Ein weiterer Grund für meine Geschichte ist, daß ich glaube, daß noch viel zu viele gläubige Menschen mit dem Gefühl leben müssen, daß an ihrem Schwulsein (oder Lesbischsein) etwas Sündhaftes wäre. Und man leidet Jahre und Jahrzehnte unter Lev 20,13 und ähnlichen Bibelstellen. Vielleicht gibt es dem einen oder anderen Leser einen Impuls, sich davon zu lösen. Denn man kann das, was vor Jahrtausenden verfaßt wurde nicht mit dem auf eine Stufe stellen, was wir heute über Homosexualität und homosexuelle Liebe wissen. Der Kontext der Bibel ist ein anderer. Auch, wenn das von vielen Seiten oft bestritten wird.

Viele Grüße!
jd
Re: Moin - hier meine Geschichte
15. Februar 2015 18:44
Hallo Jan-David,

ich habe mich gescheut, den religiösen Aspekt Deiner Situation zu kommentieren. Als fester Ungläubiger steht mir das nicht zu, finde ich. Auch fehlt mir für meine Sicht der Welt jeglicher missionarischer Antrieb. Dabei möchte ich betonen, dass ich in christlich-abendländischer Tradition und ursprünglich als Protestant aufgewachsen und erzogen wurde. Ich sehe mich auch nach wie vor in dieser Kultur verwurzelt. Aber von der religiösen Seite habe ich mich radikal getrennt. Sünde, noch dazu Erbsünde gibt es für mich nicht. Ich brauche keine Gottheit, die mich auf dem rechten Pfad hält.

Ich bin Dir deshalb dankbar dafür, wenn Du als Gläubiger das hier so offen (fast offensiv) ansprichst, denn ich weiß, dass sich viele mit diesen Fragestellungen herumschlagen. Es tut mir immer wieder weh zu sehen, wie manche von ihrer Religion in Fesseln geschlagen werden, ohne eine Chance, diesen zu entkommen.

Schöne Grüße

Volker
Re: Moin - hier meine Geschichte
15. Februar 2015 18:52
Hallo miteinander,

das eine ist als gläubiger Schwuler, endlich zu kapieren und zuzulassen, dass Homosexualität nichts Abartiges ist, ja, durchaus gottgewollt. Das andere ist, in einem späten coming out zu stecken, mit der ganzen heterosexuellen Vita eines schwulen Gläubigen. Was ist, wenn man ganz bewußt und mit großem Herzen eine christliche Ehe eingegangen ist, Kinder hat und erst nach 23 Jahren Ehe weiß, ich bin schwul und möchte dazu stehen. Was ist, wenn die Ehefrau, die diese christliche Ehe ebenso bewußt und mit ganzem Herzen eingegangen ist, nach dem coming out auf dem Standpunkt steht, du hast mir ein Versprechen gegeben, bis dass der Tod uns scheidet. Du magst ja jetzt schwul sein, gut, daß Du und ich das endlich realisieren, aber jetzt ist auch wieder gut, Du bist die Ehe mit mir eingegangen, Sexualität ist nicht alles, ich will mit Dir auch gar nicht schlafen, so viel Männer, wie du gehabt hast, nimm Deine ganze Spiritualität zusammen, mach Exerzitien, und wir werden es schaffen, eine Josefsehe zu führen, in der Du Deine "Begierde" im Griff hast und der "Versuchung" nicht widerstehst. Wir müssen uns nur auf dem Weg machen. Denn Du hast mir ein Versprechen gegeben. Was ist dann?

quebrado
Re: Moin - hier meine Geschichte
16. Februar 2015 15:27
@ Jan-David

Danke für diesen Beitrag. Du hast recht, es gibt noch viel zu viele Christen die mit ihren zwiespältigen Gefühlen leben und leiden. Aber es gibt eben auch vielerorts Bewegung und Verbesserung in dieser Sache und das muss man einfach auch immer wieder betonen. Ich habe mittlerweile mit so unglaublich vielen Betroffenen (und gelegentlich auch mit den Angehörigen) gesprochen und ich finde es sooo wichtig, zu zeigen das es auch anders geht ! Ich selbst will mich damit auch nicht mehr ausnehmen, d.h. ich betreibe vermehrt Öffentlichkeitsarbeit zu "unserem Thema".
Schön, das du deinen Weg gefunden hast !

@ queprado

Natürlich ist deine Situation schwierig, wobei...eigentlich recht typisch. Mir gehen dazu so einige Fragen durch den Kopf:

-Du schreibst: "...endlich zu kapieren und zuzulassen, dass Homosexualität nichts Abartiges ist, ja, durchaus gottgewollt..." erst nach 23 Jahren Ehe weiß, ich bin schwul und möchte dazu stehen"

Also auch bei dir ein (vielleicht sogar unbewusstes) Verdrängen ? Spätes Zulassen ? Gab es dafür bestimmte physische/psychische Auslöser ?

- deine Frau sagt:..." Du magst ja jetzt schwul sein, gut, daß Du und ich das endlich realisieren, aber jetzt ist auch wieder gut,"

Was meint sie damit genau ? Ist ihr denn klar, das Homosexualität keine Sexfrage, sondern DEINE IDENTITÄT ist ? Wie sollst du das denn gut sein lassen ? Deine Identität wieder verdrängen ? Ich glaube davon haben noch viel zu viele Heteros eine verkehrte Vorstellung. Wie soll jemand sein SEIN seinlassen ?
Sexualität ist nicht alles, da hat sie vollkommen recht, aber wie sollst du dein SEIN den leben können/dürfen. Wie weit würde sie mitgehen in DEINE Richtung auf EUREM Weg? Oder meint sie damit nur IHREN Weg? Es gibt ja durchaus Paare, welche weiter gemeinsam gehen- aber auf einem gemeinsamen auch für den Partner NEUEN Weg.

Ich gehöre da ja selbst dazu. 25 Jahre christlich verheiratet, 3 Kinder, und nun ? Wir gehen bislang gemeinsam weiter, aber der Weg ist ein anderer als vorher. Ich gehe nicht wieder zurück in die Versenkung und mein Partner hat die Wahl: mit aufbrechen und neugestalten...oder an Altem festhalten und zurückbleiben. Unsere Ehe ist mir nach wie vor heilig, deshalb lasse ich ihm auch Zeit- aber bewegen muss auch er sich !

Ich hoffe das waren ein paar Denkanstöße für dich und es soll auf gar keinen Fall wertend sein...nur mal zum drüber nachdenken.

Alles Gute dir
Billy

Auf die Exerzitien mag ich eigentlich gar nicht eingehen. Die Ex-Gay-Bewegungen(wüstenstrom etc.) fliegen uns ja derzeit geradezu um die Ohren... funktioniert eben nicht.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 18.02.15 07:38.
Re: Moin - hier meine Geschichte
17. Februar 2015 17:44
Dieser blog passt recht gut zum Thema [esistso.de]
Re: Moin - hier meine Geschichte
18. Februar 2015 12:29
Hallo Billy,

spätes Zulassen: ich hab mir immer eingeredet, ich sei bisexuell. Ich glaube, daß reden sich viele in unserer Situation ein. Bin ich aber nicht, definitiv nicht. Ich bin schwul, aus. Und wie so viele ging auch ich in Gaysaunas, usw.. In meinem Kopf trennte ich die Familien- von der Männerwelt, fein säuberlich. Auslöser für mein CO war, daß ich mich unsterblich in einen Mann verliebt habe. Solche Gefühlsstürme hatte ich nie zuvor. Gott, was hab ich vor Glück oder auch Liebeskummer geweint.

Identität: Ich glaube, meine Frau sieht es eher als Sexfrage. Sie will nicht, daß ich umgepolt werde oder sowas. Die Exerzitien wären dazu gedacht, meine Trennung von ihr zu überdenken. Sie kann akzeptieren, daß ich schwul bin. Sie möchte, daß ich als schwuler Mann mit ihr zusammen bleibe, denn das Eheversprechen steht über allem. Und es ist für sie vollkommen klar, daß ich - wie sie schon jetzt - vollkommen auf Sex verzichte. Eine Josefsehe eben. Mit einem tiefen, ernst gemeinten Glauben würde ich meine Sexualität in den Griff bekommen. Doch ich hab lang gegen meine "dunkle Seite""angebetet", es wurde nur immer noch "schlimmer", die Sehnsucht nach einem Mann. Dass ich mich irgendwann in einen Mann verlieben würde, ist mir rückblickend klar geworden. Diese Sehnsucht werde ich nicht mehr los, auch wenn ich zurückkäme. Ich würde wieder ausbrechen. Von meiner Frau würde ich jetzt zu hören bekommen: Du versucht es erst gar nicht, dein Glaube ist lau.

Liebe Grüße
Re: Moin - hier meine Geschichte
18. Februar 2015 19:58
Moin queprado,
hab' Dir eine PN gesendet. Für Deine Zeilen bin ich sehr dankbar. Nach dem, was Du schreibst, kann ich mir nicht vorstellen, daß Du ein lau gläubiger Mensch bist. Mir gefällt Dein Satz: "Ich bin schul, aus." Du bist sehr aufrichtig Dir selbst gegenüber. Das ist eine Grundvoraussetzung, wenn man auch anderen Menschen aufrichtig gegenübertreten will. Und mit dieser Aufrichtigkeit konfrontiert, rufen nicht alle Menschen "hurra!" Das bringt auch Probleme mit sich, Verletzungen, Fragen...
Dir weiterhin viel Kraft für Deinen Weg!
jd
Re: Moin - hier meine Geschichte
19. Februar 2015 19:25
Moin Billy, Dir auch danke für Deine Antwort und für den Hinweis auf die Seite "ESISTSO". Ich hatte noch nicht viel Gelegenheit, auf dieser Seite zu stöbern. Das wird aber sicher geschehen. Ich bin erst seit ein paar Tagen hier in diesem Forum angemeldet, und habe schon so viele wichtige Impulse und Kontakte bekommen. Darüber bin ich wirklich froh. Auch wenn man geoutet ist, lebt man halt immer noch in der Hetero-Welt, die rundherum ist. Und die schwule Glitzer-Welt im Internet ist nicht meine. Von daher bin ich wirklich froh, daß ich diese Seite gefunden habe.
Liebe Grüße!
jd
Re: Moin - hier meine Geschichte
21. Februar 2015 22:17
Hallo Jan-David,

spannend Deine Geschichte und Ansichten zu lesen.

Auch ich dachte erst, ich sei Hetero mit "bi"-Neigung ... und im Fragebogen oder jedem Interviewer hätte ich "hetero" angekreuzt oder gesagt (soviel zur "Selbstbeschreibung" und allen Umfragen, die darauf basieren ...)

Ich sage ganz großes Dankeschön für MEINE Frau. Sie hat kapiert, dass es nichts zum Umdrehen gibt, "zurück zu Vorher" oder "sich anstrengen" geht nicht ... von daher gehen wir das pragmatisch an.

Wir sind beste Freund, ich habe eben meine beste Freundin geheiratet, ich habe meine Gaby zu Hause!

Es liegt aber auch am Mann, der Frau unmissverständlich zu sagen, dass es keine Kompromisse, kein Versuchen, kein Glauben an "wie Vorher" gibt.
Der größte Fehler ist, aus Gründen der Höflichkeit oder für die Familie, Freunde, Nachbarn oder Arbeitskollegen irgendeine Show abzuziehen oder "Wohlverhalte" zu mimen.

Ich habe meiner Frau unmissverständlich gesagt, dass ich sie freigebe. Sie durfte sich frei fühlen, sich verlieben und auch für den Teil des Lebens etwas suchen, der sich hinter der Schlafzimmertür abspielt ...

Für das Außenverhältnis gilt nach meiner Erfahrung: Klare Ansage, klares Verhalten, wird relativ zügig akzeptiert ... maximal ein erkennendes "ach, so ist das" und dann geht man zur Tagesordnung über ... sei es im Dorf, in der Familie, in der Gemeinde, im Bekanntenkreis etc, (man muss es nicht jedem sagen ... LEBEN REICHT!)

lg.
Victor
Re: Moin - hier meine Geschichte
23. Februar 2015 09:53
es ist eben nicht die realität einfach so zur tagesordnung über gehen zu können...schön wäre es, bei dir mag es geklappt haben, du bist da aber auch eine ausnahme.

es stimmt, dass es schlussendlich nicht so "schlimm" ist, wenn man sich outet, aber zur tagesordnung über gehen, wenn familien dahinter stecken, ist für mich immer noch ein zeichen, dass die gemeinsame zeit vorher einem wohl nicht so wichtig war. nicht nach 20 bis 30 jahren kann jeder den hahn umdrehen und das so machen wie du, ihr es gemacht habt.

das ist die realität!!!!

es geht weiter, das stimmt. aber zeiten vorzugeben wann und wie schnell das geht, das muss jeder für sich heraus finden, und jede muss sich die zeit nehem dürfen die er dazu braucht.

glg eni
Re: Moin - hier meine Geschichte
23. Februar 2015 19:40
Hallo,
Quote
Eni
es stimmt, dass es schlussendlich nicht so "schlimm" ist, wenn man sich outet, aber zur tagesordnung über gehen, wenn familien dahinter stecken, ist für mich immer noch ein zeichen, dass die gemeinsame zeit vorher einem wohl nicht so wichtig war. nicht nach 20 bis 30 jahren kann jeder den hahn umdrehen und das so machen wie du, ihr es gemacht habt.

das ist die realität!!!!

für mich enthält das obige Zitat eine gewisse Wertung ... die ich aus meiner Sicht für nicht angemessen halte.

Wenn es hinterher gut ist, dann IST es gut, wenn alle Beteiligten das so empfinden. Daraus noch ein "schlechtes Vorher" abzuleiten, erschließt sich mir nicht.

Ich sehe das komplett anders: Je besser die Zeiten davor, um so einfacher die Zeiten danach. Und warum soll die Tagesordnung geändert werden, wenn sie vorher gut war????

Niemand hat etwas davon, sich wegen "alten" Zeiten an "alten" Zöpfen oder "alten" Vorurteilen festzuhalten.

Man könnte auch umgekehrt schließen, wenn es hinterher Hauen und Stechen oder Rosenkrieg gibt, dann war es vorher auch nicht erste Sahne ... Das ist wirklich Realität, wie man sie oft liest!
Tatsächlich spricht dann vieles dafür, getrennte Wege zu gehen ...

Ich finde es wirklich sehr abwertend und missachtend, seine (ach so geliebte) Familie im Unklaren zu lassen, und dauerhaft zu hintergehen. Jede Lüge und Vertuschung belastet den Lügner und das Verhältnis untereinander und in der Familie ... ggf. sogar die berufliche Situation.
Ist das fair gegenüber Menschen, die man angeblich liebt ?????

Quote
Eni
es geht weiter, das stimmt. aber zeiten vorzugeben wann und wie schnell das geht, das muss jeder für sich heraus finden, und jede muss sich die zeit nehem dürfen die er dazu braucht.

Nein, Zeiten kann man nicht exakt vorgeben ... aber, mal ehrlich, zuuu lange sollte man es auch nicht aufschieben. Ot habe ich hier gelesen, dass aufgeschoben werden sollte, dass aber durch irgendeinen Umstand das Ganze ziemlich beschleunigt wurde ... und es war fast immer viel besser als und kam kaum jemals so schlimm wie man es sich ausgemalt hatte.

Aus meiner Sicht gibt es kein "kann nicht", sondern nur WILL nicht ... aus verschiedensten Gründen ......

(In meiner Geschichte schrieb ich mal verzweifelt ... "und dann wäscht sie meine Wäsche nicht mehr" ... da schrieb einer zurück ... "wenn es nur das ist, dann hast Du kein Problem" ... diesem Menschen bin ich tausendmal zu Dank verpflichtet ...)

Ich las dieses Buch, über den Kerl, der mit 40 merkt, dass er schwul ist. Seiner Frau zuliebe und mit ihrer Unterstützung macht er Kuren, Kurse, Beratungsgespräche, Paar- und Partnertherapie ... und ... und ... und hat mit 60 seinen ersten Kerl im Bett ... (das geht früher, dachte ich bei mir ... aber nur "ehrlich"!)


Von daher soll jeder die Geschwindigkeit selbst bestimmen ... wartet man zu lange, passiert irgendwas sowieso ...

Von daher kann ich nur jeden ermutigen, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen.
Geht nicht, gibt's nicht !

lg.
Victor
Re: Moin - hier meine Geschichte
23. Februar 2015 21:30
mir geht es lediglich um deine bemerkungen...nach einer woche redet keiner mehr darüber , dann geht man zur tagesordnung über. und eine woche hat es tränen und wut gegeben, oder so in etwa schreibst du das in deinen beiträgen. das war bisher nur bei dir hier....gut für euch.

aber nicht die realität!!!!

alles andere habe ich schon oft genug versucht zu erklären....teils teile cih durchaus deine meinung, nur ich bringe sie anders an den "mann". weil ich nie weiß, wer da auf der anderen seite tippt....und anfangs ist sensibilität wichtig....zu gegebener zeit, wenn ich mein gegenüber mehr kennen lernen durfte, dann ist sicher richtig, auch mal tacheles zu reden.

das ist mein weg....und den finde ich gut, und kritisiere dann auch die, die mir zu heftig rangehen, nur weil sie eine seltenheit in diesem universum sind....nach einer woche "frieden"....wäre das so einfach mal für alle....

eni
Re: Moin - hier meine Geschichte
23. Februar 2015 23:29
Hallo eni,

Quote
eni
mir geht es lediglich um deine bemerkungen...nach einer woche redet keiner mehr darüber , dann geht man zur tagesordnung über. und eine woche hat es tränen und wut gegeben, oder so in etwa schreibst du das in deinen beiträgen. das war bisher nur bei dir hier....gut für euch.

nein ... mit dem plakativen "oder so in etwa schreibst Du "... das finde ich oberflächlich, und sachlich ist es falsch (...)

Ich habe unterschieden ... .Coming-Out im "Innenverhältnis" ... Ehe, Frau, Kinder ... das gibt erstmal eine Berg- und Talfahrt mit schwarzem Rauch, schmutziger Wäsche und Phasen der Erleichterung und des Verstehens ... und das Ganze mehrfach und wiederholt ... bis nach einiger Zeit (bei mir war es 1/2 Jahr) sich die Wogen glätten können ... egal, wie man sich entscheidet, Trennung oder Freundschaft ... (und je eher desto besser für alle!)

Das Andere ist das Coming-Out im "Außenverhältnis" bei der Frau an der Fleischtheke, einem guten Freund, ggf. bei einem Kollegen oder im Verein ... ob du jetzt zeitlich die "Woche" auf die Goldwaage legst ... ist mir egal.
Aber auch dabei ist es Tatsache: Je selbstbewusster man damit umgeht, je normaler man das SELBST findet umso "kleinlauter" sind die anderen. Neugier, Interesse, klar, das gibt es ... und ggf. auch "Gerede" hinter dem Rücken ... aber spätestens nach zwei Wochen ist fertig damit, dann geht "man" zur Tagesordnung über, weil es normal geworden ist, und andere interessante Dinge im Dorf passieren.
(meistens ist es garnicht notwendig, sich mit großen Reden zu "outen" ... einfach leben, die anderen kapieren es schon ... oder sie fragen ... und dann kann man die richtigen Antworten geben ohne zu viele Details preiszugeben!)

(Kollege: "Hattest auch Besuch gestern Abend" ... "Ja" ... "ahh ... Freundin" ... "so ähnlich" ... ."Freund??" ... "Ja!" ... Damit war das Thema ein für allemal besprochen und durch )

Von daher ... ist das auf jeden Fall differenziert zu sehen.

lg.
Victor
Re: Moin - hier meine Geschichte
24. Februar 2015 19:50
ok


lg eni



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 25.02.15 08:54.
Re: Moin - hier meine Geschichte
25. Februar 2015 06:38
Hallo Victor und eni...sorry, aber ihr seid völlig OT !!! Macht doch bitte einen eigenen Thread für euren "Rosenkrieg" auf, anstatt hier das Thema zu Schreddern. thumbs down

Jan-David hat, wenn ich das richtig verstanden habe , gar keine Frau und quebrado hat die Frage in den Raum geworfen, wie damit umgegangen werden kann, wenn vermeintliche christliche Glaubensgrundsätze mit der Lebenswirklichkeit zusammenprallen.
Eigentlich wollte ich den Beiden gerade etwas antworten... mache ich später, wenn ich mich wieder abgeregt habe.

LG Billy
Re: Moin - hier meine Geschichte
25. Februar 2015 08:57
sorry, billy

das sollte so nicht rüber kommen, will hier auch keinen kleinkrieg...das wäre das letzte.
werde mich in zukunft einfach bei einigen beiträgen versuchen zurück zu halten, da es eh nichts bringt.
gelobe besserung!!!

glg eni
Re: Moin - hier meine Geschichte
25. Februar 2015 17:31
Quote
Ich bin erst seit ein paar Tagen hier in diesem Forum angemeldet, und habe schon so viele wichtige Impulse und Kontakte bekommen. Darüber bin ich wirklich froh. [b]Auch wenn man geoutet ist, lebt man halt immer noch in der Hetero-Welt, die rundherum ist[/b]. Und die schwule Glitzer-Welt im Internet ist nicht meine. Von daher bin ich wirklich froh, daß ich diese Seite gefunden habe.

@ Jan-David,
da kann ich dir nur zustimmen. Ich bin auch froh. In der "Glitzerwelt" ist es oft so, dass mein Christsein nicht verstanden wird und in christl. Kreisen halt mein Schwulsein nicht. Deshalb suche ich gezielt nach Leuten/ Foren etc. wo ich beides verbinden kann. Zum Glück gibt's da genügend Austausch für mich...hier, bei Zwischenraum, im LGBTI- Hauskreis...
...ohne das alles wäre ich ziemlich unzufrieden mit soviel Heterowelt rundherum.

@ queprado
Quote
[b]Auch wenn man geoutet ist, lebt man halt immer noch in der Hetero-Welt, die rundherum ist[/b]

Dieser Satz bringt so ziemlich auf den Punkt, was ich weiter oben mit Identität leben meinte.
Lassen wir das Thema Sex mal außen vor. Wenn deine Frau meint sie akzeptiert dein Schwulsein, aber du sollst weiter mit ihr in eurer Ehe leben. Wie soll das praktisch aussehen ?

Ihr lebt dann weiter in eurem Heteroumfeld. Sollst du es nicht nach außen tragen, oder kocht sie z.B. für deine bei euch zu Hause eingeladenen schwulen Freunde und geht mit dir auch mal mit dahin ?

Ich befürchte nach deiner Schilderung, du darfst ES zwar sein, aber du sollst ES nicht (öffentlich) leben.
So nach dem Motto: kein SEX = ja eigentlich wie Hetero, den Rest muss ja auch keiner wissen... nach außen alles beim Alten... wo sollst dann DU bleiben ???

Schwulsein reduziert sich ja eben nicht einzig und allein auf SEX !? Habt ihr darüber schon mal gesprochen ?

@ eni smiling smiley

LG euch Allen



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 25.02.15 17:32.
Re: Moin - hier meine Geschichte
26. Februar 2015 17:47
Hi Billy,

du bringst es aus meiner Sicht auf den Punkt. smiling smiley Es geht um Identität, ob nun in der Familie oder in der Kirche. Ich will nichts vorspielen, was ich nicht bin.

Ich bin ausgezogen, ich lebe mit meinem Freund zusammen, den fast alle kennen - und trotzdem versteht meine Frau nicht, warum ich nicht ungezwungen mit ihr umgehen könne, wenn ich bei ihr (und den Kindern) bin.
Eine gemeinsame Freundin sagte mir jetzt, dass meine Frau mich noch liebe. Da ist viel dran. Sie will unverändert alles halten. Wenn meine Eltern zum Familiefest einladen, ist mein Freund nicht eingeladen und meine Frau meint, er solle auch aus Feingefühl wegbleiben. Meine Eltern wollen schließlich mich und meine Frau dort sehen. Sie versteht scheinbar nicht, dass das weder für meinen Freund und vor allem für micht nicht geht. (Letztendlich sind mein Freund und ich nicht hingegangen).

Ich wünsche jedem Menschen, dass er/sie für einen anderen Menschen die Nummer eins ist. Genauso ist es aber wichtig, sich als Person ernst genommen zu fühlen.
Letztendlich war auch dieser Punkt für meinen Bruch mit der Kirche verantwortlich und nicht ein Tebartz van Elst. Nun denn, jetzt habe ich einmal laut geseufzt smiling smiley

LG
Zeev
Re: Moin - hier meine Geschichte
26. Februar 2015 22:28
Hallo zusammen,

wenn ihr einem Ungläubigen erlaubt ... ?

In einer PN habe ich an Jan-David geschrieben
Quote
Volker
Ja, ich bin Atheist. Ich bin aber christlich-abendländisch erzogen und aufgewachsen und stehe zu meinem kulturellen Hintergrund. Ich habe kirchlich geheiratet und damals versprochen, meine Kinder im christlichen Sinne zu erziehen. Das habe ich auch getan. Damals war ich noch evangelisch. Aber nach der Konfirmation bin ich aus der Kirche ausgetreten. Ich habe damals mit dem Kreuz in der Kirche Zwiesprache gehalten und ich habe ihm gesagt: Wenn es Dich in dieser Allmacht und Allwissenheit geben sollte, dann verstehst Du jetzt auch, warum ich nicht an Dich glauben kann, denn Du hast mich so gemacht.
Den letzten Satz kann man etwas umformulieren: "... dann verstehst Du jetzt auch, warum ich nicht anders sein kann, denn Du hast mich so gemacht ... " Dann bezieht er sich auf Orientierung. Ihr, die Ihr glaubt: hat Euch Gott nach seinem Ebenbild gemacht? Ich denke schon. Mein Schreiben an J-D ging noch weiter:

"Der letzte Satz bezog sich damals, vor 10 Jahren, auf den Glauben. Heute bezieht er sich auch auf meine Orientierung. Mit ein wenig Sophisterei könnte man fragen: Gott hat Dich nach seinem Ebenbild gemacht! Ist er denn auch schwul? und die Antwort lautet: Ja sicher! Aber nicht nur, er ist auch hetero, weiblich wie männlich, lesbisch, trans ... schwarz und weiß und gelb und rot ..."

Mir scheint, dass Ihr diesem allmächtigen Gott Fesseln aus menschengemachten Worten anlegt. Lasst ihn frei und lebt mit dem, was er Euch gegeben hat.

Schöne Grüße

Volker
Re: Moin - hier meine Geschichte
27. Februar 2015 07:22
Lieber Volker,

mal so von Gläubigen zu Ungläubigen *lach, wie theatralisch*

Ich sehe die Sache ehrlich gesagt so wie du.

Quote
Ihr, die Ihr glaubt: hat Euch Gott nach seinem Ebenbild gemacht? Ich denke schon.

Ich glaube das Gott mich genauso gemacht hat, wie ich eben bin und es ist gut so, wie es ist.
Wenn man schon an Gottes Schöpfung glaubt, muss man sie denn dann nicht im Ganzen annehmen ? Kann man sich als Mensch dann überhaupt hinstellen und sagen: "Na, der Teil ist aber falsch ?" bzw. "Dieser Teil ist so nicht gewollt ?"
Wenn sie an Gott glauben, wieso wollen sie dann selbst bestimmen wer richtig und falsch ist... trauen sie Gott nicht zu, das er es richtig gemacht hat und das er es ändern könnte, wenn er wollte...ist nicht dann deren Glauben lau ...

Quote
Mir scheint, dass Ihr diesem allmächtigen Gott Fesseln aus menschengemachten Worten anlegt. Lasst ihn frei und lebt mit dem, was er Euch gegeben hat.

Welch' weise Worte Volker ! Ich würde sogar noch weiter gehen:...ENTFALTET was er euch gegeben hat !



...in diesem Sinne

Liebe Grüße
Billy
Re: Moin - hier meine Geschichte
27. Februar 2015 15:14
Hallo Zeev,

danke für deine Zeilen. Hab lange nichts mehr gehört von dir, aber du klingst jetzt viel entspannter und sicherer.

Ja du hast recht, man will ernst genommen werden- was nichts anderes heißt, als mit allen seinen Facetten ANGENOMMEN werden. Anders geht es nicht, jedenfalls irgendwann nicht mehr.
Ich finde es schade, dass deine Frau und Eltern so reagieren. Aber du hast deine Entscheidung getroffen und man merkt das dir das gut tut.thumbs up

LG Billy
Re: Moin - hier meine Geschichte
27. Februar 2015 22:10
Hallo Zeev,

ich möchte mich Billy anschließen, wollte das aber nicht mit meinem anderen Beitrag vermischen. Das Problem der Akzeptanz treibt auch mich um. Allerdings habe ich keinen festen Freund, der für mich als Bezugsperson in Frage käme. Was nicht ist, kann aber sicher noch werden!

Vor zwei Jahren las ich von Dir den Satz "Ich will alles so behalten, wie es ist." Kann sein, dass ich nicht ganz korrekt zitiere, es ist aus der Erinnerung. Jetzt scheint der Wunsch auf Deine Frau übergegangen zu sein. Sie kann sich nicht lösen. Sie weigert sich aus meiner Sicht, anzuerkennen, dass Du allenfalls auf dem Papier noch ihr Ehemann bist.

Und Deine Eltern scheinen mir ebenfalls die Augen zu verschließen, wenn sie Deinen Freund nicht einladen. Denn aus Deinen Worten schließe ich, dass sie sehr wohl informiert sind?

Das ist sicher eine harte Zeit für Dich und sicher auch für Deinen Freund, der ja nun gar nichts dafür kann. Ich drücke Euch die Daumen, dass ihr dran bleibt! Lasst Euch nicht unterkriegen. Wenn Du Deine Kinder besuchst, nimmst Du ihn mit? Oder geht ihr als Paar mal auf ein paar Minuten bei Deinen Eltern vorbei? Steter Tropfen höhlt den Stein! In den Köpfen muss sich diese Vorstellung bilden: Zeev und der untrennbare Mann an seiner Seite. Da wünsche ich Euch Glück dabei!

Schöne Grüße

Volker
Re: Moin - hier meine Geschichte
28. Februar 2015 21:19
Guten Abend,
ich wollte erst nichts schreiben , unsicher ob es passt aber nun muss ich doch mal was einwerfen :-). Hier gibt es den Streitpunkt das der Partner meines Ex mit zum Geb. meiner Tochter kommen möchte. Gut es ist noch Zeit aber er hat mir vorgeworfen das ich es in diesem Jahr nicht zugelassen hab..... Muss ich das in meinem persönlichen Bereich? Das kann doch eh nur krampfig werden.
Mein Standpunkt ist er soll aufkreuzen wo er will sei es bei den Eltern oder im Freundeskreis, dann bin ich eben nicht dabei völlig o.k. aber in meiner Wohnung darf ich die Regeln bestimmen?!

Was anderes finde ich es wenn es "Erwartungen" gibt von wegen als Paar "aufzutreten" das ist Quatsch, die Ehe besteht auf dem Papier aber nicht mehr wirklich. Da kann doch niemand erwarten, auch ich als Frau nicht das wir irgendwo gemeinsam auftauchen. Was soll das bringen? Gut bei uns ist es so das seine Eltern meinen jedem gerecht werden zu müssen was nicht funktionieren kann.... Also kann ich nur den Rückzug antreten oder bei gemeinsamen Einladungen absagen und dadurch den Weg frei machen?!

Liebe Grüße



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 28.02.15 21:22.
Re: Moin - hier meine Geschichte
01. März 2015 14:33
Ihr Lieben,

Jan-David, beschwer dich bitte, wenn wir hier zu sehr abschweifen smiling smiley
Folk und Billy - vielen Dank für eure Reaktionen. Das Leben dümpelt zwar arg vor sich hin, aber lebenswert ist es immer, auch wenn es mal Tage gibt, an denen einem das nicht auffällt.

Zu deinen Fragen möchte ich etwas schreiben, liebe Kaffeetante. Selbstverständlich musst du in deinem persönlichen Bereich, in deiner Wohnung die Regeln bestimmen! Das gehört dazu, um seiner Tochter ein starkes Vorbild für das eigene Leben zu bieten.
Auch wenn deine Tochter sich ein gemeinsames Treffen mit Papa und dessen Partner wünschen sollte, könntest du ihr erklären, dass du das nicht möchtest. Dazu würde gehören, dass du es ihr gönnst, den Papa mit Freund zu treffen, nur vielleicht an einem anderen Tag für einen Ausflug oder eine kleine Feier in Papas Wohnung. Solange deine Tochter keine Verantwortung für die Beziehung der Erwachsenen untereinander übernehmen muss, wird sie damit bestimmt klar kommen.

Kommen die Erwachsenen klar? Es sollte kein Problem sein. Meine Eltern können gern sagen, dass sie meine Frau und mich zusammen bei sich sehen möchten, aber sie dürfen es nicht erwarten! Wenn mein Freund und ich mal eingeladen werden (und meine Frau nicht dabei sein will), könnte es sich auch ergeben, dass je nach Gelegenheit vielleicht an andermal meine Frau und ich bei den Eltern zusammentreffen und mein Freund bei seiner Familie ist (wir haben beide Eltern, Kinder, Geschwister).

Liebe Grüße
Zeev
Re: Moin - hier meine Geschichte
01. März 2015 16:54
Danke lieber Zeew!
Ja Jan David, das stimmt deshalb hatte ich auch gezögert, ist dein Beitrag und deshalb möchte ich auch gar nicht zuviel schreiben. Wünsche Dir alles Gute, Du hast Deinen Weg ja offenbar gefunden was super ist!!

Euch allen einen schönen Abend, liebe Grüße
Re: Moin - hier meine Geschichte
11. April 2015 06:12
Moin zusammen,
vielen Dank für Eure Beiträge und auch jegliches Abschweifen. Es gibt halt nicht "die" Antwort auf "das" Thema. Und ich hab viele Gedanken und Impulse bekommen durch das, was Ihr geschrieben habt. Auf meine Geschichte hin habe ich auch einige PN's bekommen und geschrieben. Das alles hat mich bereichtert, dafür bin ich echt sehr dankbar.
Viele Grüße!
jd
Re: Moin - hier meine Geschichte
12. April 2015 22:12
Servus miteinander,

auch ich will mich mal, wie Jan-David, bei Euch bedanken, für Eure Gedanken, Eure Erfahrungen, Eure Ratschläge. Es treibt einen um, tagtäglich, wenn man im coming out steckt, wenn sich so gar nicht wieder irgendeine Form von Normalität einstellen möchte. So viele unserer Geschichten gleichen sich, so manche Reaktionen des Umfelds nicht.

Ich möchte Billy noch auf seinen letzten Kommentar zu meiner story antworten. Meine Frau akzeptiert meine Homosexualität, hatte ich geschrieben. Vielleicht wäre es besser gewesen zu schreiben, sie nimmt es zur Kenntnis. Du hast recht, sie geht davon aus, ich komme zurück und alles ist wie zuvor. Wir müssen niemanden sagen, daß ich schwul bin, geht ja niemanden was an. Aber du mußt ja Deine Sexualität ausleben, mußte ich mir heute erst wieder vorwerfen lassen. Was meiner Frau vorschwebt, was sie denkt, aus Liebe zu ihr bringe ich das ultimative Opfer, den größten Liebesbeweis, und ich verzichte (wie sie schon in den letzten Jahren) um ihrer und unserer Ehe willen darauf, meine Sexualität, meine "schwule Seite" auszuleben. Denn es gibt soviel anderes, was in den Jahren der Ehe uns zusammengeführt und -gehalten hat. Ein Opfer bringen, aus Liebe, vielleicht wie ein katholischer Priester, der "um des Himmelreichs willen" zölibatär leben muß. Liebe hat mit Opfer, einen Teil von sich aufgeben, zu tun. Und hat sie nicht irgendwie damit recht? Ich weiß, daß ich es nicht mehr einzäunen kann, mein Schwulsein, daß es keinen Sinn macht, dagegen anzukämpfen. Daß es nur Sinn machen kann, meine Sexualität in eine Liebesbeziehung einzubinden. Und ich habe einen Partner an meiner Seite, der eine monogame und dauerhafte Partnerschaft will, keine offene Beziehung. Aber ich sitze zwischen den Stühlen, das Versprechen meiner Frau gegenüber, das ich bereitwillig und freudig gegeben habe, mein Lebensentwurf, eine Frau lieben, Kinder erziehen, etwas gemeinsam aufbauen und meine Sehnsucht nach einem Mann, die ich nicht mehr unterdrücken kann, das nicht mehr nur eine irgendwie nicht akzeptierte "dunkle Seite" von mir ist.

Wie sehr wünschte ich mir, in der Rückschau, Homosexualität wäre von Kirche und Gesellschaft anerkannt gewesen, es wäre nicht als "schmutzig" angesehen worden. Ich hätte Vorbilder gehabt, dauerhafte schwule Partnerschaften, und nicht nur die Vorstellung, Schwulsein habe immer mit Promiskuität zu tun. Erst jetzt während meines Coming-outs setze ich mich mit der Sexualethik der kath. Kirche auseinander. Es hat plötzlich mit mir zu tun, wenn die kath. Kirche unser Tun ablehnt. Sehe mir die Bibelstellen an, die angeblich Homosexualität verurteilen (sehr hilfreich Valerie Hinck: Streitfall Liebe). Sehe, wie der Sophismus das frühchristliche Denken beeinflusst hat. Unter Augustinus galt Geschlechtsverkehr als etwas "Böses", da hierdurch die Erbsünde weitergegeben wird. Und wenn schon Sex, geht ja nicht irgendwie ohne die Art zu erhalten, dann ausschließlich zum Zweck der Fortpflanzung. Durch Thomas von Aquin abgemildert, aber nicht grundsätzlich in Frage gestellt. In der Tradition steckt die kath. Kirche fest, schließlich weht der heilige Geist in der Kirche durch alle Jahrhunderte. Im 20. Jahrhundert galt der Fortpflanzungszweck schon nicht mehr absolut, gibt ja noch sowas wie Liebe, aber Homosexualität, da nicht zur Fortpflanzung beitragend, wird nach wie vor mit Bausch und Bogen abgelehnt. Das wird auch noch lange so bleiben, auch unter Franziskus. Dabei öffnet sich die kath. Kirche nicht mal zaghaft anderen Disziplinen. Die Evolutionsbiologie kann einen Sinn darin sehn, schwul zu sein. Homosexualität trägt zur Arterhaltung bei. Ist sie doch bei allen höheren Arten, die in größeren Sozialverbänden leben, verbreitet. Minderung der Rivalität, Aggressivität unter Männchen um des Sozialverbandes willen, etc.. Homosexualität dient der Fortpflanzung, liebe katholische Kirche!

Und jetzt steh ich da, nicht mehr Teil des großen Ganzen, sondern abseits, Außenseiter, und bastle mir meinen Privatglauben. Gehe in den queer-Gottesdienst, die Regenbogenfahne hängt über den Altar. Ein versprengtes, aber engagiertes Häuflein Menschen. Und denke, weiter und gescheiter zu sein als die ganze katholische Kirche. Auf sie läßt meine Frau nix kommen.

Liebe Grüße

quebrado
Re: Moin - hier meine Geschichte
17. April 2015 10:38
Moin zusammen,

mal wieder hier etwas unterwegs, bin ich auf diese Geschichte gestoßen. Das Thema Kirche & Homosexualität wird uns noch lange Zeit begleiten. Vielleicht hat der eine oder andere letzte Woche den Panorama-Bericht gesehen und auch die angrenzende Diskussion (Oma Marie tritt aus der Kirche aus).

Ich selbst habe mit Kirche überhaupt keine Schwierigkeiten, wofür ich sehr dankbar bin. Mein Partner selbst ist Pastor und leben seit gut einem Jahr im Pastorat. Kirche und Gemeinde wussten bereits seit seinem Dienstantritt vom schwulen Pastor. Mit meinem "hinzukommen" haben wir nun keine Werbung betrieben, dass ergab sich von ganz alleine. Nach wenigen Wochen gehörte ich als Freund des Pastors einfach dazu. Die Gemeinde und Gremien akzeptieren uns.

Als ich mich beruflich neu orientieren wollte, habe ich mich auch bei der Kirche beworben. Im Bewerbungsgespräch habe ich alle Anwesenden mit meiner/unserer Homosexualität in Kenntnis gesetzt. Ich wollte mich ja nicht mehr verbiegen lassen.... und es hat niemanden gestört. Selbst meine unmittelbaren Kollegen wissen Bescheid. Für mich ist es soviel leichter, endlich offen damit umzugehen.

Auch so kann Kirche funktionieren.

Euch allen ein schönes Wochenende
Manfred
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