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Spät, aber nicht zu spät!

geschrieben von Elb_JungeHH 
Spät, aber nicht zu spät!
18. März 2014 13:36
Hallo liebe Gemeinde,
erst gestern bin ich auf Eure Homepage gestossen und habe viele interessante Beiträge gelesen. Meinen Respekt dafür. Ich geselle mich mit meiner Geschichte einfach mal dazu, obwohl es keine großen Unterschiede zu den anderen gibt.

Ich bin 43 Jahre alt, seit 1995 verheiratet und habe eine 15-jährige Tochter. Alles in allem ein Heteroleben, wie es im Buche steht. Wären da nicht die ersten "Erfahrungen" in der Pubertät gewesen... Aufgrund viele familärer Belastungen (Krankheit und Pflege der Eltern, Erkrankung der Schwiegermutter, Verlust eines Bruders) habe ich sehr erfolgreich, meine schwulen Gedanken verdrängt. Außerdem wurde ich so erzogen, dass ein Mann seine Familie schützen muss und unter keinen Umständen alleine lässt oder ihr gar Schaden zufügt. Aber mit 30 kam die erster Krise und ich wollte wissen, wie es sich anfühlen kann.

Das Internet war hier eine große Hilfe. Foren waren schnell gefunden und es gab die ersten Kontakte zur schwulen Gemeinde. Und in der Tat, ich lernte ihn kennen. Für mich der Mr.Right. Es waren viele schöne Momente dabei, geniessen allerdings konnte, so sehe ich es heute, keiner von uns. Zunächst war die Entfernung zwischen unseren Wohnorten größer und allein hieraus entwicklten sich Probleme. Trotzdem konnten wir sagen, dass wir uns lieben. Die ganze Geschichte war aber zum scheitern verurteilt, weil ich damals nicht bereit war, für diese Liebe zu kämpfen; hatte ich doch eine Familie. Schließlich trennten wir uns. Zurück blieb ein leere, die sich komisch anfühlte, mich aber nicht umbrachte. Irgendwann verblasste der Schmerz und widmete mich wieder komplett meiner Familie und den familiären Belastungen. Eine Sehnsucht nach Männern blieb. Auch wenn ich mich heute dafür schäme, so brach ich dann und wann aus der Familie aus und stillte eben genau diese Sehnsucht. Die Begegnungen waren allesamt sehr schnelllebig und hinterliesen kaum Spuren, weder auf der Seele noch im Herzen. Das schlimmst dabei war, dass ich mit niemanden reden konnte, wie es mich langsam innerlich zerfraß. Ich habe also weiterhin alle meine Bedüfnisse an meine Familie angepasst und komplett zurückgestellt. Es kann nicht sein, was nicht sein darf.

Meine Fassade, die ich mir aufbaute, war nahezu perfekt. Die meisten hatten keine Ahnung wie es in mir aussah. Rein optisch war ich jetzt auch kein Highligt, mit einer Größe von 170 cm und nahezu 110 kg kein Mann wie er von anderen für eine Partnerschaft gesucht wurde. Die familiären Belastung im Hinblick auf die zu pflegenden Angehörigen hörte auf und plötzlich konnte ich mich auf mich selbst konzentieren. Ich spürte, dass ich unglücklich war. Irgendetwas fehlte mir zum glücklich sein. Wenn ich jetzt sagen würde, meine Ehe war eine Farce, dann würde ich lügen. Die gemeinsamen Jahre mit meiner Frau waren gut, allerdings haben wir uns irgendwann verloren und lebten wie in einer WG zusammen. Wir teilten zwar Tisch und Bett, im letzteren wurde es zunehmend ruhiger und schlief irgendwann ein. Darunter gelitten habe ich kaum, fühlte ich mich doch eh zu einem Männerkörper hingezogen. Ich stellte innerlich die Weichen und entschloss mich, wenn meine Tochter 18 Jahre alt ist, alles was mir bis dahin wichtig war, zu korrigieren. So der Plan.

Die Realität holte mich aber schneller ein. Der Schmerz des unglücklich sein, die innere Zerissenheit brachen in immer kürzeren Abständen aus und die Abstände, in denen ich aus dem Familienleben ausbrach ebenso. Es kam ein Zeitpunkt, da war es mir sogar egal, ob mich Familie, Freunde, Kollegen sehen hätten können. Ich habe es vielleicht sogar gehofft, dann wäre dieses Versteckspiel aufgeflogen und ich hätte zu mir stehen können. Aber ich war zu feige, Angst vor der Entdeckung, Angst vor dem Verlust der Familie, Freunde und auch Kollegen. Ein echter Teufelskreis.

Es begann damit, dass ich zunächst anfing, erstmal den Ballast meines Gewichtes los zu werden. Ich war erstaunt, wie gut dies doch funktioniert und sich mein Körper zum positiven veränderte. Mein Selbstbewusstsein wuchs und das blieb auch kaum jemanden verborgen. Ich ging zum Sport, hielt mein Gewicht und änderte meinen Kleidungsstil. Plötzlich konnte ich die Farben tragen, die ich mochte und legte schwarz und grau ab. Teilweise habe ich damit provoziert und ich denke, die ersten Menschen haben gemerkt was los, sich aber nicht getraut mich anzusprechen.

Meine komplette Veränderung wirkte aber eben auch auf andere, insbesondere auf Männer. Ich wurde begehrt und genoss es. Es fehlt aber etwas; glücklich sein. Und dann kam er. Was mit einer flüchtigen Bekanntschaft begann und auch so bleiben sollte, entwickelte sich zu einer echten Beziehung. Ich spürte so etwas wie glücklich sein. Sehr zu meinem Leidwesen, hat die Beziehung nur ein Monate gehalten und wir trennten uns. Das Gefühl glücklich sein, war plötzlich weg, dafür spürte ich Schmerz. Und nicht wie sonst, der nur ein paar Tage anhielt, nein es Tat mehrere Wochen weh. Ich spürte so etwas wie Leben in mir und ich wusste, das ich genau das Leben, welchem ich immer hinterher lief. Aber meine Tochter war noch keine 18. Was sollte ich also tun? Weiter abwarten, der Schmerz wird schon vergehen oder sich aber dem zu stellen, was ich fühlte. Ich wollte mich nicht mehr verstecken, keine Geheimnisse mehr haben, endlich ein Gefühl von Freiheit haben.

Der Trennungsschmerz lies in der Tat nach ein paar Wochen nach und ich begann mein Leben zu ordnen. Der Fahrplan wurde aufgestellt. Wie es mit Plänen immer so ist. Es kommt immer anders und trifft dich unvorbereitet. Es war kurz vor Weihnachten 2013, die Glühweinstände auf den Märkten waren im vollen Gange und ich lernte wieder jemanden kennen. Es war so ganz anders, es war einfach nur schön. An einem Abend, wir waren jeder mit unseren Freunden verabredet, kam das Gespräch auf meine Familie zu sprechen. Diese Freunde ahnten schon, dass ich nicht mit mir im reinen bin, also sagte ich zunächst, dass wohl eine Trennung ins Haus steht, diese aber erst nach Weihnachten vollziehen werden. Die Freunde wurden unsicher, akteptierten dies, bis eine Freundin nachfragte, ob es denn schon eine andere Frau gäbe. Und plötzlich war alles da, wie ich es haben wollte, keine Lügen, keine Geheimnisse mehr. Ich antworte darauf, nein keine Frau, aber einen Mann. Rumms es war raus und tat gar nicht weh. Die Gesichter ich sehe sie noch heute vor mir, waren göttlich. Für einen Moment verstummten sie irritiertm hatten sie richtig gehört? Ich konnte es endlich sagen, ich bin schwul und dann war es auch gut. Es wurde akzeptiert. Kann das so einfach sein, dachte ich mir. Am gleichen Abend trafen sich beide Freundeskreise und selbst in der Öffentlichkeit hatte ich keine Scheu, diesen Mann in den Arm zu nehmen. Da war es wieder.... ich spürte Glück!

Aber wo Glück ist, ist meistens auch das Gegenteil. Ich konnte so nicht weitermachen und musste mich meiner Frau und meine Tochter offenbaren. Jetzt war sie wieder da, die Feigheit, die Angst und ich fühlte mich wieder klein und gefangen. Was tue ich den beiden an? Habe ich eine Recht dazu, sie unglücklich zu machen um selbst glücklich zu sein? Ich wusste es nicht mehr. Zufällig waren er und ich am nächsten Wochenende wieder verabredet und aus ein paar Stunden wurden zwei Tage an denen ich um mich herum alles vergaß. Natürlich blieb dies meiner Familie nicht unentdeckt und so kam es, dass meine Frau tags darauf, die alles entscheidende Frage stellte, was los sei. Ich hätte doch jemanden kennengelernt und nun mit der Sprache rausrücken sollte.... Mann oder Frau! Ich war wie gelähmt. Ich konnte nicht mehr lügen und erzählte ihr die Geschichte. Jetzt war es raus. Neben allen Emotionen, hat meine Frau großartig reagiert und ich bewundere sie dafür. Unserer Tochter erzählten wir ein paar Tage später, dass ich, ihr Vater, schwul bin. Das war auch der schwerste Moment und hat mich fast zerissen. Von nun an gab es kein zurück mehr. Nach ein paar Tagen voller Tränen und Unsicherheit konnten wir unsere Angelegenheit klären. Es war klar, dass ich mir eine Wohnung suchen werde, auch wenn dies nicht dem Wunsch meiner Frau entsprach. Alles andere hätte aber nicht funktioniert. Beide haben mich in dieser Phase meines neuen Leben unterstützt und tun es heute noch, wofür ich beiden sehr dankbar bin.

Heute drei Monate später, habe ich mein vollständiges Coming-Out hinter mir, Familie, Freunde und Kollegen wissen, dass ich schwul bin und dieses Leben jetzt leben möchte. Ich habe meine eigene kleine Wohnung und neue tolle Menschen kennengelernt. Auch wenn es zwischen meiner Frau und mir nicht immer ohne Reibung geht, so sind wir auf einem sehr guten Weg, sehr gute Freunde zu werden. Man kann eben fast 20 Jahre Ehe nicht verleugnen. Und zu wem kann man soviel Vertrauen haben.

Ich bin endlich angekommen und geniesse jeden einzelnen Tag. Es stellt sich auch nicht die Frage, nach einem frühreren richtigen Zeitpunkt, nein, denn diesen gibt es nicht.

Ich wünsche Euch allen einen schönen Tag.
Viele Grüße
Manne
Re: Spät, aber nicht zu spät!
18. März 2014 19:01
Hallo Manne,

wilkommen im CLUB :-)

Mit fieberndem Blick und steigender Spannung habe ich Deinen Bericht gelesen.
(es wundert Dich nicht, dass ich ganz viele Details und Facetten aus eigener Erfahrung kenne)

Wahnsinn, wie Du es "cliffhangen" lässt und auf die Spitze treibst.

Der Moment wo Du der Freundin sagst ... "Mann" ... da muss im Kino ein "Huch" durch die Reihen gehen ... und Totenstille einsetzen (kein Bonbon auswickeln, keine Chips suchen, kein Popkorn kruscheln ... nichts .... :-o )

(Erstaunlich ist immer wieder, dass nach dem ersten "Huch" NORMALITÄT eintritt ... und bis auf ein paar Rückfragen und Erklärungen sich die Situation beruhigt, und einfach zur Tagesordnung übergegangen wird ... spätestens beim nächsten oder übernächsten Treffen steht ein anderes Thema an "Nummer 1 ... von daher tritt der Wors-Case beim Coming-Out im Freundeskreis fast nie ein ...)

Was aber frappierend ist, dass es auch bei Dir so sein musste, dass es eigentlich nicht mehr so weiter geht ... erst dann ist man soweit, aktiv zu werden.

Die Änderungen im "Klamottenstil" habe ich auch bei mir bemerkt ... es ging über grau nach schwarz ... komplett schwarz bis zu Socken und Unterwäsche.

Direkt nach meine CO habe ich bunte T-Shirts und Hemden gekauft, schwarz steht nur noch in Ausnahmefällen auf der "Klamottenliste".


Interessant ist, wie Du die Gefühle des Glücks und der tiefen, länger dauernden Trauer beschreibst. Genau das habe ich auch gerade erlebt. Eigentlich hatte ich sie zum ersten Mal im Leben ... denn in der Pubertät gab es das nicht .... es ist ein Wahnsinn, das zu erleben, jetzt weiß ich, wie es meinen Kindern gehen wird ...


Das, was Dich und Deine Frau vor 20 Jahren zusammengebracht hat, und 20 Jahre zusammengehalten hat, das sollte nicht so einfach zerbröseln, sondern überdauern (denn es war nicht hauptsächlich der Sex).

Diese 20 Jahre sind nicht verloren oder vertan, ich bin sicher, es waren auch schöne Jahre dabei ... sie gehören zu Deinem Leben, genau wie die Personen, die noch "da" sind.

Ich wünsche Dir und Deiner Frau, dass ihr noch lange partnerschaftlich verbunden bleibt.



Mit einem neuen Partner wird man neue und andere Erfahrungen machen ... die alten sollten für immer in Deinem Herzen bleiben!

Wünsche ganz viel Stärke und Glück

Liebe Grüße
Victor
Re: Spät, aber nicht zu spät!
19. März 2014 11:26
Hallo Manne,

ganz herzlich willkommen!

Mir ging es ähnlich, wie Victor. Dein Werdegang mit seinen Irrungen und Wirrungen hat eins ums andere Saiten in mir zum Schwingen gebracht. Ich konnte es sehr gut nachvollziehen.

Und wie Du die Szene geschildert hast, in der die Frage einer Freundin Dir die entscheidende Situation geliefert hast, Dich zu offenbaren ... toll. Dazu gratuliere ich Dir wirklich.

Allerdings glaube ich auch, dass es viele gibt, die so einen Moment dahingehen lassen, ihn nicht nutzen. Es braucht eine bestimmte Kombination an äußerem und innerem Druck, gepaart mit der spontanen Entscheidung, eine Klärung herbeiführen zu wollen. Es ist nicht leicht. Auch Du hast dann ja auf einen geeigneten Moment zu Hause gewartet und bist letztlich von Deiner Frau konfrontiert worden.

Immerhin, Deine Frau hatte eine Ahnung, dass etwas im Busche war ... das heißt, sie war ein Stück weit gewappnet. Sie hatte sich bereits auf verschiedene Antworten eingestellt. Deshalb konnte sie auch auf Dich zugehen.

Dass Deine Freunde relativ cool reagiert haben, wundert mich eigentlich nicht. Mir ging es genau so, auch wenn ich jetzt keinen großen Kreis informiert habe. Ich denke, zum einen leben wir in einer immer stärker toleranten Gesellschaft und ich kann mir vorstellen, die Weltoffenheit Hamburgs hat ihren Anteil daran. Oder habe ich Deinen Nick falsch interpretiert? Und zum anderen machen sich ja unsere Freunde ihre eigenen Gedanken, sie sehen die Veränderungen, vor allem in Deiner Kleidung und Deinem Verhalten und als Du Dich geoutet hast, da ist der letzte Puzzlestein von selbst an die richtige Stelle gefallen und hat das Bild komplettiert.

Jetzt drücke ich Dir die Daumen für die Zukunft und danke Dir dafür, dass Du unseren vielen namenlosen Lesern hier mit Deinem Beispiel gezeigt hast:

Es geht! Habt Mut! Ihr seid nicht allein!

Schöne Grüße

Volker
Re: Spät, aber nicht zu spät!
28. April 2014 14:11
... seit meinem letzten Eintrag sind nun ein paar Wochen vergangen und erlaubt mir, Euch ein kleines Update zu liefern. Seitdem ist viel passiert...

Der Kontakt zu meiner "Frau" ist seit einigen Wochen ziemlich abgekühlt. Wir haben uns einfach nicht mehr viel zu sagen. Wenn wir uns dann unterhalten, geht es ihr immer nur darum, ob ich jemanden kennengelernt hätte oder ob ich mir mein neues Leben nun wirklich so vorgestellt habe und den hohen Preis hätte zahlen wollen. Kurzum, wir reden im Moment wirklich nur das notwendigste und versuchen weitesgehend unsere Tochter aus den Streitigkeiten raus zu halten. Ich bin mir sicher, die kühle Situation wird noch etwas anhalten, wird aber bestimmt besser werden. :-)

Klar, es gab nach meinem CO einige unverbindliche Begegnungen; nur wer möchte nicht irgendwann in seinem Leben ankommen? Die diversen "blauen" Seiten sind hierzu nur bedingt hilfreich (meine Einschätzung). Ich hatte mich vor einigen Monate auf einem "seriösen" Partnerportal angemeldet; jedoch nur mit wenig Erfolg und wollte diese Mitgliedschaft schon beenden, als ich bei einem meiner letzten Besuche auf ein Profil gestossen bin, welches mich sehr neugierig gemacht hat. Aber wie so oft, waren Bilder nur verschwommen sichtbar und eigentlich passten unsere Gemeinsamkeiten anhand unserer hinterlegten Matchingpunkte nicht zusammen. Aber wer nicht wagt, gewinnt auch nichts... Also mal ein kurzes lächeln hinterlassen.

Die Antwort lies nicht lange auf sich warten. Es kam eine lächen zurück, er gab seine Bilder frei und es war um mich geschehen. Das was ich sah, fühlte sich nur noch gut an. Diesen Mann musste ich kennenlernen und wir verabredeten uns für den Abend am Telefon. Ich konnte diese Zeit kaum noch abwarten und als ich ihn dann nicht erreicht habe, war ich schon enttäuscht... wieder so einer, der es mit Verbindlichkeit so hat. Etwas später kam dann aber eine SMS, ob er sich später noch melden dürfte. Natürlich sagte ich zu. Wir telefonierten in der Tat zu späterer Stunde und es war so etwas wie Vertrautheit da, als wenn wir uns schon lange kennen würden. Es wurde schnell klar, wir wollten uns beide kennenlernen und so hielten wir einen Sonntag fest. Bereits am nächsten Tag telefonierten wir regelmäßig miteinander und es setzte sich die Idee fest, dass wir mit einem Treffen nicht so lange warten wollten. Dummerweise wohnt er ca. 100 km von mir entfernt und aufgrund dessen, dass ich kein Auto habe und auf den ÖPNV angewiesen bin, kein ganz so leichtes Unterfangen.

Aber irgendetwas in mir sagte, sei mutig. Also löste ich mir kurzerhand ein Ticket und setzte mich spontan in den Zug und fuhr zu ihm. Was hatte ich zu verlieren? Nichts. Wir hatten besprochen, dass ich ein paar Klamotten und die Zahnbürste einpacke; er bot mir an, sollte das Treffen total daneben gehen, könnte ich im Gästezimmer übernachten und er würde mich dann morgens zum Bahnhof bringen.

Und nun kam ich relativ spät abend dort an. Er stand dort auf dem Bahnhof und woran ich noch nie in meinem Leben, nämlich an Liebe auf den ersten Blick, geglaubt hatte, schlug zu. Da war er, der Mann, von dem ich so lange geträumt hatte. Die ersten Minuten waren etwas steiff, aber das legte sich ziemlich schnell und wir plauderten und plauderten, sehr zu seinem Ärger. Er vergass die Geschwindigkeit, mit der er unterwegs war und promt wurde er geblitzt. Trotz des Ärgers, haben wir viel darüber gelacht.

Bei ihm zuhause angekommen, verwöhnte er mich mit einem tollen Essen und die Luft knisterte. Ich der eigentlich stets der zurückhaltende war, ging plötzlich in die Offensive. Es war ein wunderschöner Abend, so wie ich ihn schon lange nicht mehr erlebt hatte. Ich selbst habe mir in den letzten Jahren, die passive Rolle zugedacht und das war auch ok für mich. Plötzlich durfte ich aber den Gegenpart übernehmen und spürte, wie sehr dies harmoniert.

Entsprechend der ganzen Situation, endete diese Nacht morgens mit dem Weg nach Hause. Wir waren beide entsprechend traurig und wollten uns schnellstens wieder sehen. Nur ist hier die Entfernung zu überbrücken. Aber einen Tag später, wie telefonierten, fragte er mich, ob er nicht nach HH kommen könnte. Er würde dann am nächsten Morgen wieder nach Hause fahren und am Wochenende, so war es geplant, würde ich dann wieder zu ihm fahren. Beim zweiten Besuch stellte er mich dann bereits, diversen Freunden vor und die mich gut in "ihrer" Mitte aufgenommen haben.

Mittlerweile sind wir ein Paar und trotz der Entfernung können wir gut damit umgehen. Mein Mann ist bei sich eine "Person des öffentlichen Lebens" und kann daher seinen Lebensmittelpunkt nicht aufgeben. Mich selbst hält in HH nicht mehr so wahnsinnig viel und ich bin auf der Suche nach einem neuen Wirkungskreis in Schleswig-Holstein. Wir haben uns gefunden und sind einfach glücklich.

Was ich damit sagen möchte, gebt niemals auf an die Liebe zu glauben. Manchmal trifft sie einen völlig unerwartet. Seit bereit, wenn möglich, neue Wege zu gehen und genießt alle diesen Augenblick der Magie.

Viele Grüße
Manne
Re: Spät, aber nicht zu spät!
28. April 2014 16:27
Hallo Manne,

ich freue mich so für Dich.

Wie man sieht, haben Blaue Seiten oder ander Partnerportale mehr als "eine" Seite oder Facette... man muss Profile finden und lesen können ... und den Mut haben, mal zu schreiben, oder sich zu melden.

"Schlimmstenfalls" hat man einen Tag, eine Fahrkarte oder ein paar Kilometer aufgewendet, aber Erfahrungen muss man eben sammel (wer das nicht in der Pubertät gemacht hat, der ist eben jetzt dran)

Wahnsinn, es scheint so, als ob Du Dich endlich mal wohl fühlst, geborgen, zufrieden, "befriedigt" :-)

Ich wünsche Dir, dass Du noch viel schönes erlebst und hoffe, dass Du mit Deiner Partnerin eine Ebene findest, um "im Reinen zu sein".

Die Diskussion oder Frage, ob es sich gelohnt hat "das alles aufzugeben" ist müßig, den sie müsste mit einem lauten "JAAAAA"-Schrei beantwortet werden .... aus der Frage danach ist immer auch der Frust des Zurückgebliebenen zu hören oder zu lesen. Ermuntere sie, sich zu öffnen und neue Kontakte, auch zu Männern zu suchen. Wir haben uns gegenseitig freigegeben ... "ja, Du darfst Dich verlieben, Du darfst Sex haben, Du darfst einen neuen Partner bekommen!" und das war und ist ernstgemeint ... und es fühlt sich gut an, wenn die Person, die man eigentlich noch immer "lieb hat" endlich oder wieder glücklich ist.

Alles Liebe und Gute.

Victor
Re: Spät, aber nicht zu spät!
29. April 2014 08:20
Hallo Victor,
ja du hast recht. Es geht mir seit langem richtig gut. Ich fühle mich angekommen und schließe mit mir einen inneren Frieden. Es hat sich alles gelohnt. Das Outing war der beste Schritt den ich machen konnte, nur so kann ich wirklich frei sein. Die Jahre davor waren natürlich nicht alle schlecht und ich gönne meiner Frau das allerbeste und würde mich freuen, wenn sie eines Tages wieder glücklich wird und wir so etwas hinbekommen, wie eine Freundschaft. Der Moment in dem ich mir öffnete, hat ihr natürlich den Boden weggerissen. Mir ging es damit nicht gut und auch noch heute habe ich teilweise ein schlechtes Gewissen, wenn ich merke wie glücklich ich bin und sie, gerade jetzt in meinem Verliebtsein, noch unglücklich ist. Aber sie sagt auch, dass sie sich für mich freut und die Zeit die Wunden heilen wird. Allerdings bin ich in den Jahren zuvor meiner Verantwortung als Ehemann und Vater immer nachgekommen und habe meine Bedürfnisse immer zum Wohle der Familie hinten angestellt. Jetzt bin ich ein Stück weit egoistisch und sage mir... Jetzt bin ich dran!

Ich danke dir für deine warmen Worte und bin froh dieses Forum gefunden zu haben und wünsche mir, dass alle in unserer Situation glücklich werden. Ich weiß auch, dass hier Frauen von schwulen Männern mitlesen. Diesen möchte ich mitgeben, dass ich Euren Schmerz sehr gut nachvollziehen kann und Verständnis für die jeweilige schwere Situation habe. Ich habe vieles in den letzten Monaten gehört, das schlimmste war, das ich als Täter beschimpft wurde, wobei meine Frau als Opfer genannt wurde. Dem kann ich nicht zustimmen. Vielen von uns ist das schwulsein erst sehr spät bewusst geworden. Hier von Täter und Opfer zu sprechen ist ein no go. Wenn ich eines gelernt habe, dann dies: ich bin nicht schuldig!

In diesem Sinne
Manne
Re: Spät, aber nicht zu spät!
30. April 2014 07:30
Hallo Manne,

es hört sich gut an, was und wie Du schreibst ... echt, befreit, angekommen ... aber nicht verantwortungslos.

Täter, Opfer ... nein, sowas habe ich weder zu hören noch zu lesen bekommen. Nur mein Bruder verstieg sich dazu, mich (uns) aufzufordern, noch solange "Theater" zu spielen, bis Mutter tot ist und die Kinder groß sind ("Heile Welt"winking smiley ... uahhh war mir da schlecht ...

Tatsächlich ist es wohl so, dass man, obwohl schwul sein im Moment "relativ normal" rüberkommt, für Leute, die das "erst jetzt" merken, noch um Verständnis werben und ringen muss. ("Ja, wie blöd waren der oder die denn ... " "Das merkt man doch"winking smiley. Nein, man war nicht blöd, und richtig gemerkt hat man es nicht.

Nein, der Mann ist NICHT Täter, und die Frau ist nicht Opfer ... vor "wasweisichwievielen" Jahren haben sich "die beiden" zusammengefunden, und zu einem Paar gehören immer zwei. Von daher waren es gute Jahre, unter allen Voraussetzungen, Wüschen, Erwartungen und Pflichten ... aber die Zeiten ändern sich, wahre Wünsche und Gefühle "kommen raus", und wenn die in der "alten" Konstellation zu kurz kamen, dann ist auch mal ein "Szenenwechsel" drin.

Keine Frau hat etwas davon, weitere 20 Jahre ausschließlich mit einem schwulen Man zu verbringen, der nicht aus sich heraus darf. Das Mädel verglüht im Bett, kauft geile Klamotten, stakst auf High-Heels durch die Gegend, stellt Kerzen auf, duftet wie ein Parfumladen, klimpert mit den Wimpern, dass es nur so wedelt ... und der Kerl kümmert sic um Hobbys und legt sich vor den Fernseher und schaut 22 Jungs beim Kicken zu (die erstens geil aussehen, und von denen auch ein paar schwul sein müssen ... ).

Wenn man diesen "hetero-monogamen" Ansatz aufgibt, ergeben sich viel mehr Möglichkeiten, in Partnerschaft oder sogar "platonischer" Liebe zusammen zu sein und zu bleiben. Wenn für Leben UND Lust nicht nur EIN gegengeschlechtlicher Partner ausreicht, wo ist das Problem, mal eine andere Konstellation zu suchen oder zu probieren. Immer noch besser als dauerhaft unzufrieden und "unbefriedigt".

Ok, ich schweife ab.

Ich finde es gut, wie Du für Dein "altes Leben" empfindest, und wüsche Dir, dass ein großer Teil davon die Chance erhält, "übrig zu bleiben".

Alles Liebe
Victor
Re: Spät, aber nicht zu spät!
03. Juni 2014 10:19
Kurzer Nachtrag zu meiner Geschichte und welche Facetten sich ergeben....

Wie bereits im 1. Nachtrag geschrieben, wollte ich mich nach einem neuen Job umsehen und was soll ich sagen, es hat geklappt. Innerhalb von 4 Wochen doch ziemlich nah bei eine neue Stelle. Aufgrund einer kurzen Kündigsfrist werde ich Hamburg nun zum 01.07. verlassen und mich komplett auf mein neues Leben einlassen. Wir werden zusammen wohnen und dann endlich auch den Alltag miteinander teilen können, wie in guten, so aber auch in schlechten Tagen. Ich freue mich drauf und werde Euch von Zeit zu Zeit ein Update zukommen lassen.

Euch schöne Pfingsten.

LG
Manfred
Re: Spät, aber nicht zu spät!
03. Juni 2014 12:59
Hallo Manfred,

ach ist das schön ... manchmal stellt das Leben die Weichen, und man muss bloß noch fahren :-)

Wünsche Dir alles Gute an Deiner neuen Wirkungsstätte.

Und viel Spaß, beim "Alltag teilen" ;-D

Liebe Grüße
Victor
Re: Spät, aber nicht zu spät!
07. Juni 2014 19:28
Hallo Namensvetter,

ich bin 20 Jahre älter und seit 16 Jahren geschieden, aber ich begreife erst jetzt was mit mir los ist.
Ich wünsche dir alles Glück dieser Erde!
Meine Geschichte werde ich demnächst mal schreiben, wenn ich das heulen über all diese Geschichten hier aufgehört habe.

LG Mani



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 07.06.14 20:12.
Re: Spät, aber nicht zu spät!
16. Juli 2014 20:45
gut das ---
Re: Spät, aber nicht zu spät!
27. März 2015 09:57
Hallo liebe Gemeinde,
mein letzter Beitrag ist nun bereits einige Monate her....

Seit Juli wohne ich bei meinem Partner und was soll ich sagen, es ist nahezu perfekt. Die Wogen des CO haben sich gelegt, selbst der Kontakt zu meiner Noch-Frau hat sich normalisiert und wir können vernünftig miteinander reden. Das war in den ersten Monaten nicht möglich. Es heißt doch so schön, die Zeit heilt alle Wunden; irgendwie stimmt es. Die Scheidung läuft und es ist nur noch eine Frage der Zeit.

Auch meine Tochter hat die Lebensumstände sehr gut angenommen. Sie sieht meinen Partner als ihren Stiefvater und pflegen regelmäßigen Kontakt. So oft sie kann ist sie bei uns.

Unser Umfeld in unserer Kleinstadt, hatte von Anbeginn keine Berührungsängste mit unserer Beziehung und "unser" öffentliches Leben akzeptiert es. Selbst als neuer Feuerwehrkamerad wurde ich auf herzlichste begrüßt. Alle meine Ängste haben sich in Luft aufgelöst.

Auch wenn es immer noch verrückt ist, unser Kennlerntag nähert sich dem 1-jährigen. Wir haben uns nun entschieden, unsere Partnerschaft auf eine legalisierte Ebene zu stellen und werden uns im Herbst verpartnern.

Ich habe alle meine Zelte in HH abgebrochen. Mittlerweile habe ich auch nochmal den Job gewechselt und bin nun endlich angekommen.

Ich halte Euch mal wieder auf dem laufenden.

Allen, die neu in dieses Forum hinzugekommen sind. Lasst Euch nicht verunsichern. Steht zu Euren Gefühlen. Jeder Tag, der nicht gelebt wird, ist ein verlorener Tag.

Liebe Grüße aus Dithmarschen.
Manfred
Re: Spät, aber nicht zu spät!
07. Juni 2016 11:45
Nach über einem Jahr mal wieder ein Update.

Viel ist passiert. Leider konnte der Termin zur Hochzeit nicht stattfinden, da sich das Gericht mit der Scheidung viel Zeit gelassen hat. Nun gut, war halt so. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.

Wir leben weiterhin im Pastorat unter den öffentlichen Augen der Gemeinde. In unserer Feuerwehr verbringen wir viel Zeit (mein Mann und ich). Die Kameradschaft ist super. Mittlerweile sitze ich sogar im Vorstand. Hinzugekommen ist, und das ist etwas sehr besonderes, dass ich zum 1. Vorsitzenden des Bürgerverein einstimmig gewählt wurde. Bei über 400 Mitgliedern im Altersdurchschnitt von 70+ nicht selbstverständlich.

Aber es ist nahezu perfekt. Das ganz bekam jetzt leider einen etwas unschönen Beigeschmack. Mein Mann wurde gebeten, sich auf eine neue Stelle als Pastor zu bewerben. Lange haben wir darüber nachgedacht, was geben wir auf, was passiert mit meinem Job, welchen Gewinn haben wir durch die Veränderung?

Wir haben uns dann gemeinsam entschieden die Veränderung zuzulassen und sind in den Bewerbungsprozess eingestiegen. Bei Kirche dauern solche Prozesse immer etwas länger, aber wir sind in der Endphase und wir werden im September auf eine große Nordseeinsel ziehen. Ich habe bereits einen neuen Job gefunden.

Die dortige Gemeinde hat uns bereits kennengelernt und sehr herzlich und offen aufgenommen. Sie freuen sich sogar auf uns. Mehr Glück geht eigentlich nicht, meint man; aber doch...

1. Die alten Familienkonstellation ist beendet. Meine Ex-Frau und wir haben immer wieder tolle Gespräche und Familienfeiern. Das ist richtig schön.

2. Meine Tochter und mein Mann verstehen sich richtig gut.

3. Seit Mai 16 sind wir nun vor dem Gesetz verpartnert und 01.07 läuten die Glocken. Unser Propst daselbst erteilt uns den Segen.

Nun gilt es, sich auf den Umzug vorzubereiten. Ich melde mich wieder.
Re: Spät, aber nicht zu spät!
07. Juni 2016 12:45
Herzlichen Glückwunsch und alles Gute.


Fazit: Man muss es nur leben ... mit ganzem Herzen ... Fast immer geht es gut ;-))

lg.
Victor
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