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Ein langer Weg bis zur Selbsteinsicht Teil 2

geschrieben von Andreas 
Ein langer Weg bis zur Selbsteinsicht Teil 2
26. Februar 2014 21:30
Hallo,

nachdem ich am 14.1.14 den ersten Teil geschrieben habe, verspüre ich heute das Bedürfnis, Euch zu schreiben, was sich bisher seit meinem Selbsteingeständnis vor ca. 3 Monaten getan hat. Ich habe viele schöne Stunden im Chat verbracht, es hat richtig gut getan, sich auf diese Weise auszutauschen. Auch viele Zuschriften auf meine Geschichte hier im Forum habe ich bekommen und diese haben mir sehr gut getan. Mit einem "ich möchte heute sagen Freund" aus dem Chat habe ich zwei schöne Abende bei Bier und Essen in einem Bistro verbracht, das habe ich schon viele Jahre lang nicht mehr getan und umso schöner war es jetzt. Alles in allem waren die Wochen schön, das Thema "Comming out" habe ich allerdings weitgehend ausgeblendet. Ich habe Angst vor den Konsequenzen meiner Entdeckung, die mich erst so froh gemacht hatte. 30 Jahre bin ich mit meiner Frau zusammen, mehrfach in Deutschland umgezogen und immer wieder gemeinsam neu angefangen. Das schweißt zusammen! Ich will sie eigentlich nicht verlieren, aber so wie ich sie kenne wird sie mich verlassen wenn ich mich bei ihr oute. Und ich verspüre eigentlich ein großes Bedürfnis, es alle wichtigen Mitmenschen wissen zu lassen. Auf der anderen Seite möchte ich aber sehr gern (große Sehnsucht) mein Schwulsein ausleben. Ich habe endlich eine Welt gefunden, in der man sich achtet und ernst nimmt, in der man tiefgehender miteinander reden kann als nur über Fußball, Autos und Frauen. Mit meiner Therapeutin (ich war fast ein Jahr stationär in der Psychiatrie wegen Depressionen) bin ich offen gewesen, habe es ihr erzählt und das hat gut getan. Sie rät mir dazu, nichts zu überstürzen aber trotzdem mein Leben zu leben und dazu zu stehen. Gestern hatte ich ein Notfallgespräch (sie macht Notfallgespräche mit mir, weil mein Kontingent für reguläre Therapiestunden vorerst ausgeschöpft ist) mit ihr, ich bin in den letzten Tagen etwas niedergeschlagen weil ich im Moment keinen gangbaren Weg für mich sehe. Aber vielleicht ist das ja auch ganz normal so: Auf die erste Euphorie folgt oft eine Phase der Ernüchterung. Eines allerdings weis ich: Den jetzigen Zustand werde ich nicht lange aushalten können, ich will meine Neigung leben um zu leben, und ich habe ein großes Problem damit, dazu auf Heimlichkeiten und Lügen angewiesen zu sein.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 26.02.14 21:31.
Re: Ein langer Weg bis zur Selbsteinsicht Teil 2
27. Februar 2014 08:12
Hallo Andreas,

schön von dir zu lesen, wie es dir geht.

Ich sah damals auch keinen Ausweg zwischen "leben müssen" und "altes bewahren müssen".

Wie ich schon in ei anderen Faden schrieb ... der selbst ausgedachte 'Worstcase" trifft fast nie so ein.

Heimlichkeiten und Lügen sind kein Ausweg, die töten von Innen ...

Dir ist klar, was jetzt fällig ist .. :-)

(das Gespräch mit Deiner Frau ...)


Wünsche dir Kraft und Mut ...

LG. Victor
Re: Ein langer Weg bis zur Selbsteinsicht Teil 2
27. Februar 2014 10:03
Mensch Andreas,

Quote
Andreas
Eines allerdings weis ich: Den jetzigen Zustand werde ich nicht lange aushalten können ...

Dieses Gefühl habe ich auch gehabt, vor einem guten Jahr. Ich bin sonst ziemlich gelassen, eher ein Pflegmatiker, aber ich war sowas von aufgewühlt ... ! Da hatte ich schon fast 3 Monate CO30-Mitgliedschaft hinter mir, hatte alle für mich relevanten Lebensgeschichten bestimmt dreimal gelesen.

Dann meine eigene geschrieben und das hat den Kessel richtig zum Kochen gebracht! Für mich war damals der einzige Weg, den Druck wieder los zu werden, mich meiner Frau zu offenbaren. Gestern erst habe ich an Thalia geschrieben:
Quote
Volker
Als ich vor einem guten Jahr bei meiner Frau saß und ihr gestand, dass ich Männer bevorzuge, gähnte vor mir ein Abgrund an Ungewissheit. Wie würde sie reagieren? Würde sie ihre Sachen packen und mich verlassen? Wir sind finanziell nicht besonders gut aufgestellt, wie würde das weiter gehen? Was würden unsere Töchter daraus machen? Würde es ihre Berufsausbildung (Studium) gefährden? Wie würden unsere Freunde, die erweiterte Familie reagieren? Würde es denn andere Männer geben, die sich mit einem 64-jährigen noch einlassen wollen? Würde ich einsam sein? ... Das ließe sich noch lange fortsetzen.

Würde, würde, würde ... menschenunwürdig, ein würdeloser Zustand! Wir werden es nie wissen, wenn wir es nicht versuchen. Du und Deine Frau, ihr seid meiner Frau und mir sehr ähnlich. Zwei tolle Töchter haben wir aufgezogen, in jetzt 28 Jahren Ehe 4mal umgezogen, ich selbst arbeitslos geworden, dafür meine Frau in ihren alten Job zurückgekehrt, Fortbildung, spätere Selbstständigkeit, meine Frau hat immer hinter mir gestanden und mich gestützt. Und dann, nach 27 Jahren drehe ich mich herum und sage: "Ich bin schwul?"

Und an der Stelle hat sich dann gezeigt, dass ich meine Lebensgefährtin gut gewählt hatte. Vielleicht unterschätzt Du Deine in dieser Hinsicht?

Nein, eine Garantie kann keiner geben. Alles kann auch ganz anders laufen. Aber schau auch mal auf die Alternative: Du bist 54. Bei unserer durchnittlichen Lebenserwartung hast Du noch 30 Jahre vor Dir. 30 Jahre Selbstzerfleischung, tiefe Depression, vielleicht permanente Psychiatrie ...

Quote
Andreas
ich will meine Neigung leben um zu leben

Tu es!

Schöne Grüße

Volker
Re: Ein langer Weg bis zur Selbsteinsicht Teil 2
27. Februar 2014 14:41
Hallo,

Quote
Folk
Und an der Stelle hat sich dann gezeigt, dass ich meine Lebensgefährtin gut gewählt hatte. Vielleicht unterschätzt Du Deine in dieser Hinsicht?

Ja, ich denke "Mann" wählt schon die passende Lebensgefährtin, wobei auch das Wort "Lebensgefährtin" genau richtig beschreibt, um was es geht ... nämlich Gefährt, Freund, Vertrauter, Vertreter und Beichtvater oder -schwester zu sein ... (nein, es geht nicht um rauschenden Sex ... ****)

Auch ich habe meine Frau unterschätzt ... aber im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass ich "richtig gewählt" hatte ...

... und eigentlich hat auch sie richtig gewählt, denn (ohne "ihm" wehtun zu wollen), mit ihrem jetzigen Freund hätte sie das alles über die letzten 20 Jahre nicht aufgebaut ... :-X

...

Von daher ... die Versuche im Bett erfolgreich und befriedigend sein zu wollen, können und dürfen ENDLICH ad acta gelegt werden ... bei allem anderen, was IMMER SCHON GEPASST hat, bestehen gute Chancen, dass viel davon übrig bleibt.

Quote
Folk
Aber schau auch mal auf die Alternative: Du bist 54. Bei unserer durchnittlichen Lebenserwartung hast Du noch 30 Jahre vor Dir. 30 Jahre Selbstzerfleischung, tiefe Depression, vielleicht permanente Psychiatrie

hast du überhaupt eine andere Chance ??? :-O

Liebe Grüße
Victor
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