Hallo!
Nach längerem Zögern will ich mich heute doch mal trauen, hier meine bisherige Geschichte aufzuschreiben. Denn erst mit 30 ist mir klar geworden, dass ich auf Männer stehe.
Eigentlich war ich immer darauf aus, eine Frau zu finden. Das hatte ich so als Denkmuster in mir drin. Vor allem seitdem ich mich als Teenager zum ersten Mal in ein Mädchen "verguckt" hatte. So etwas wie Homosexualität war einfach nie ein Thema für mich.
Allerdings bin ich sehr schüchtern und irgendwie hat es nie mit einer Beziehung mit einer Frau geklappt. Ich wollte mich dabei auch nicht unter Druck setzen und dachte eher, dass es mit der Einen schon noch klappen wird. Außerdem war ich überzeugt davon, dass ich eine Frau erst einmal kennen lernen muss, bevor es richtig funkt. Und schließlich hat mir auch nichts gefehlt. Es war in meinem Leben immer genug anderes los, da hat das Thema Liebe keine sehr große Rolle gespielt.
Vor ungefähr einem Jahr kam dann die Wende. Denn innerhalb kurzer Zeit gab es einige Situationen, die alles in eine ganz andere Richtung gelenkt haben.
Unter anderem begann ich damit, einige Dinge in meinem Leben zu überdenken, etwa ob ich das Thema Partnersuche nicht mal offensiver angehen sollte. Dabei spielte ich mit dem Gedanken, mich bei einem Datingportal anzumelden. Aber schon bei der zweiten Frage, nämlich ob man eine Frau oder einen Mann sucht, kam ich ins Zögern. Musste ich nicht erst mal ernsthaft darüber nachdenken, was ich wirklich suche?
Ähnlich war es, als ich eines Abends einen Film schauen wollte und mich aus dem Bauch heraus für einen entschied, in dem ein Jungendlicher entdeckt, dass er schwul ist. Natürlich hat mich der Film dann emotional sehr bewegt.
Eine andere Situation war, als das Anschauen eines Musikvideos von Shawn Mendes in mir solche Gefühle auslöste, wie ich es vorher noch bei keinem Film oder Video erlebt hatte. Und das durch einen Mann! Und durch einen, den ich gar nicht kenne und noch nie persönlich getroffen habe!
Das alles hat mich sehr bewegt und ich wollte mich nun endlich mal mit der Frage nach meiner sexuellen Orientierung auseinandersetzen. Deswegen beschloss ich, in den nächsten Wochen einfach auszutesten, welches Geschlecht mich eher anzieht. Ich versuchte also möglichst unvoreingenommen durch die Welt zu gehen und einfach mal intensiv auf die eigenen Gefühle und Reaktionen zu achten. Nun ja, das Ergebnis war ziemlich eindeutig...
Natürlich hätte es mir auch schon früher auffallen können und manchmal ärgere ich mich darüber. Nützt jetzt aber wenig, dem nachzutrauern. Nur bekommen so im Nachhinein manche Situationen eine andere Bedeutung, die ich vorher nicht richtig einordnen konnte. Denn irgendwie war da schon immer etwas im Unterbewusstsein. Ich habe es nur sehr spät entdeckt. Oder es musste erst der richtige Zeitpunkt zum Herausbrechen kommen.
Nach dem anfänglichen Gefühlschaos musste ich erst einmal über Vieles nachdenken. Eigentlich war mir ziemlich plötzlich klar, dass ich auf Männer stehe. Aber dies für mich auch komplett zu akzeptieren war ein längerer Prozess und ich bin mir nicht mal sicher, ob der schon ganz abgeschlossen ist. Jedenfall ist die Phase der großen inneren Aufgewühltheit vorbei. Ich habe in den letzten Monaten vieles angeschaut und gelesen und bin unter anderem hier im Forum hängen geblieben. Es wäre jetzt natürlich schön, auch Gefühle zu jemandem im "echten Leben" zu entwickeln. Das würde mir noch die endgültige Sicherheit geben, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Der nächste Schritt wäre jetzt also: Rausgehen und die "unbekannte Welt" kennen lernen.
Das würde ich auch gerne, aber leider war ich noch nicht so mutig, diesen Schritt zu gehen. Das größte Problem ist wahrscheinlich, dass es mir sowieso sehr schwer fällt, auf andere Menschen zuzugehen. Außerdem kenne ich niemanden, mit dem ich mitgehen und einfach mal irgendwo hineinschnuppern könnte. Und allein traue ich mich das (noch) nicht. Habe bis jetzt auch noch nicht das passende Angebot gefunden. In diesen Zeiten ist das Treffen neuer Leute ja nicht gerade leicht. Und bei allem schwingen noch meine Bedenken mit, zum Beispiel weil ich ungeoutet bin. Deswegen fühle ich mich im Moment irgendwie wie in der Sackgasse und der nächste Schritt fällt mir unglaublich schwer.
Freue mich über alle Gedanken und Tipps von euch.