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Gedankenkarussell confused smiley

geschrieben von murdock83 
Gedankenkarussell confused smiley
19. September 2020 17:46
Hallo aus der Schweiz

Ich bin 36 Jahre alt. Bereits vor ein paar Jahren bin ich, als die Gedanken angefangen haben, auf dieses Forum gestossen und habe viele Geschichten gelesen. Vorallem dann, wenn es mir schlecht ging. Versteht das bitte nicht falsch, aber so wusste ich, dass ich nicht alleine bin. Das gab mir kurzfristig etwas Ruhe in meinem Kopf.

Aber zuerst mal zurück auf Start. Eine ganz ganz leise Stimme in mir flüsterte ab und an in meinem Leben die Frage, ob ich evtl. schwul bin. Ich ignorierte sie gekonnt und über Jahre. Oft war das Thema dann auch jahrelang vergessen. Ich hatte kurz vor 20 eine Beziehung zu einer Frau, in welche ich wirklich verliebt war - und ich fühlte mich sehr wohl in dieser Beziehung. Wie es in jungen Jahren so ist, ging die Beziehung zu Ende, denn es warteten ja noch ganz viele schöne Liebesgeschichten auf mich. Ich ging dann gute 4 Jahre als Single durchs Leben und tobte mich mit Frauen aus. Freundin Nummer zwei kam mit 24. Aus einer Affäre wurde eine Beziehung. Ich fühlte uns zwar nie als Team, nicht als Einheit, hatte ganz andere Prioritäten - und geliebt habe ich die Frau nie, aber es war angenehm. Nach ca. 2 Jahren war Schluss. Danach folgten weitere Jahre mit vielen weiblichen Bekanntschaften - teilweise nur ganz kurz, teilweise über mehrere Monate. Gegen Ende 20 das gleiche Spiel: aus einer Affäre wurde eine Beziehung. Auch hier: es war schön, aber wir waren kein Team. Die Story wiederholte sich. Dann passierte, was ich immer gehofft habe: ich verliebte mich Hals über Kopf. In meine Physiotherapeutin. Ich war zwar noch in besagter Beziehung, aber da sie sich entschieden hatte, ein Jahr auf Reisen zu gehen, war es eine gute Ausrede, Schluss zu machen. Ich kam mit meiner Physiotherapeutin zusammen und war überglücklich. Endlich angekommen. Die Stimmen im Kopf waren falsch. Ich habe sie besiegt. Dachte ich zumindest. Nach ein paar Monaten dann die ersten Zweifel, die rosarote Brille wurde etwas klarer und das Verliebtsein liess nach. So schnell wie ich mich verliebte, ent-liebte ich mich auch wieder. Verliebtheit sollte in Liebe übergehen. Bei mir war das nie so. Ich hasste meine Gefühle! Wie soll ich denen noch trauen? Dann kam ein entscheidender Tag/Satz/Wort. Ich lief aus dem Büro und hörte eine Kollegin zu ihrer Kollegin sagen: „Der Marc ist sicher schwul“. Ich wusste sofort, dass es sich nicht um mich, sondern um einen gleichnamigen Arbeitskollegen handelt, der etwas tuntig wirkt (sorry für diese Aussage). Doch dieser Satz katapultierte meine innere Stimme mit Lichtgeschwindigkeit und voller Wucht vom Verborgenen direkt in meinen Schädel - und ging nicht mehr weg! Die Frage war da: bin ich schwul? Ich war wie paralysiert. Sass zuhause im Dunkeln auf der Couch und starrte einfach ins Nichts. Das Karussell im Kopf war in Bewegung und wurde immer schneller. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Über Wochen und Monate. Meine Freundin hatte ich noch - wohl bemerkt. Es dauerte sicher noch ein Jahr, bis wir dann die Beziehung beendeten. Da war ich 31.

Irgendwann lernst du mit diesen Gedanken klar zu kommen. Du gewöhnst dich daran. Momente und Tage werden wieder besser, doch frei bist du nicht. Ein ständiges up and down. Ich versuchte mit unzähligen Affären zu Frauen, die Gedanken wieder ganz tief zu verstauen. Verliebt habe ich mich nicht mehr - irgendwie bewusst!

Ich möchte anmerken, dass die letzten 5 Jahre jedoch verdammt viel Fun waren! Ich fand eine neue Passion: das Mountainbiken, kaufte mir einen VW-Bus, war an coolen Orten im Urlaub, hatte ein WG-Zimmer in den Bergen im Winter zum Snowboarden und hatte/habe einen saucoolen Lifestyle, den ich auch nicht missen möchte. Auch Frauenbekanntschaften waren an der Tagesordnung. Ich suchte das Abenteuer aber wusste immer von Anfang an, dass daraus keine Beziehung wird. Und ja natürlich, es war auch Ablenkung.

Grundsätzlich ging es mir gut. Doch wie oben geschrieben: frei war/bin ich nicht. Es ging auch ab und an mal ordentlich nach unten. In einer dieser Phasen vertraute ich meine Gedanken einem guten, verständnisvollen Freund an. Das war vor 1.5 Jahren. Er stand auf, umarmte mich und sagte mir, dass er mich jetzt sogar noch ein bisschen besser mag. Er war so glücklich, dass er endlich wusste, warum ich nicht „frei“ bin. Im Jan 2020 vertraute ich meine Gedanken auch einer neu gewonnen Kollegin (welche aus einer Affäre entstand) an. Das gleiche Szenario: ich kriegte ne Umarmung und sie wusste endlich, warum das zwischen uns nicht klappt.

Dann kam Corona und die Isolation. Man verbringt eher viel Zeit mit sich selber. Der Job wurde intensiver und die Weiterbildung war auch nicht ohne. Die Phasen, in welchen es mir schlecht ging, wurden mehr. Die letzten 5 Jahre fühlte ich mich nicht mehr wie früher und war/bin nicht mehr derselbe wie früher und das nervt mich. Ich verlor Empathie, konnte mich nicht fallen lassen, lebte in der Vergangenheit, hatte Bammel vor der Zukunft, war depressiv verstimmt, etc. Ich nahm meinen Mut zusammen und erzählte es meinen besten zwei Kumpels. Getrennt voneinander. Beide reagierten mit einem Schulterzucken und sagten, dass das doch kein Ding sei. Scheissegal. Ich sei ich und daran ändere sich nichts in unserer Freundschaft. Komischerweise war ich nicht mal wirklich erleichtert. Irgendwie hatte ich damit gerechnet. Das war vor ca. 3 Monaten.

Nun, ich bin noch immer in der genau gleichen Phase und es geht mir nicht wirklich gut. Randbemerkung: alle haben das Gefühl, ich sei der fröhlichste Mensch auf Erden ;-) Das strahle ich zumindest aus.

Ich habe mir (noch) nicht eingestanden, dass ich schwul bin. Ich weiss es nicht mal. Wenn ich es wüsste, wäre alles kein Problem. Doch lustigerweise ziehen mich Männer sexuell nicht an. Ich finde einige zwar attraktiv, doch irgendwie kann ich mir Sex mit einem Mann nicht vorstellen. Hatte vor kurzen mal wieder einen Bi-Porno mit zwei Männer geschaut und mich nicht wirklich erregt gefühlt. Ich liebe Sex mit Frauen. Ich liebe Brüste. Ich schaue Frauen hinterher. Aber ich kann mir eher vorstellen, mit einem Mann zusammen zu wohnen, zu verreisen, das Leben zu verbringen. Mit einer Frau nicht. Ich lese oft das Gegenteil: Sex mit Männer ja, Beziehung nein. Wie gesagt, bei mir ist das genau das Gegenteil. Und genau das ist mein Dilemma!

Meine Gefühle und Gedanken sind ein einziges Karussell!

Geht oder ging es irgend jemandem auch so?

Für’s erste tat es einfach mal gut, das Ganze aufzuschreiben und den Mut zu fassen, es auch zu posten. Mal sehen, was sich daraus ergibt ;-)

Viele Grüsse
Marc
Re: Gedankenkarussell confused smiley
14. Oktober 2020 16:51
Hallo,

mich hat erstmal angesprochen, dass du aus der Schweiz bist. Ein Sehnsuchtsort von mir...

Ich bin lesbisch und tue mich auch schwer damit, obwohl ich in einer glücklichen Beziehung bin.

Nachdem was du am Schluss schreibst, frage ich mich, ob du vielleicht bi bist???
Auch würde ich dir raten, mal schwule Männer kennen zu lernen und dann einfach mal gucken, was passiert. Also nicht unbedingt auf Beziehung oder Sex aus sein, sondern einfach mal als Bekanntschaft oder Freundschaft.

Lg von der Ameise😉
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