Fortgeschrittenes Alter - unsicher über CO

Hallo Gerhard,
ich finde es gut, dass Du hier über Deine Gedanken, Zweifel, Wünsche, einfach über Dich geschrieben hast. Ich kann aber auch gut verstehen, dass Du nach diesem Riesenschritt erst mal wieder Zeit zur Sammlung brauchst.

Wiedemann, der das Buch über Kirche und Schwule geschrieben hat, war auch mal bei uns in der ESG. Das war dann für mich etwas merkwürdig, ich war dort ungeoutet und der Stundentenpfarrer wollte eigentlich eher über Homophobie diskutieren und gab dann auch noch selbst zum Besten, wie unschön er es findet, wenn sich zwei Männer küssen. Da war mir klar hier oute ich mich nicht. Aber Wiedemann hat erzählt, wie er zu diesem Thema kam er hat einen Anruf bekommen und ein Arzt fragte nach einem Pfarrer, der zum Thema Schwule und Kirche Stellung nimmt, Wiedemann wollte ablehnen, aber der Anrufer bekam einen Riesenwutanfall, er wäre jetzt der fünfte Pfarrer, den er anrufen würde und alle würden sich um das Thema drücken. Wiedemann hat noch mal überlegt und sich dann entschlossen dabei zu sein und hat sich ja dann dem Thema angenommen und eine Entwicklung mitangestoßen, die zur Veränderung der kirchlichen Sicht auf Schwule geführt hat. Bis hin zu dem neuen Statement in Sachen Familie duch die EKD.

Kirche und Schwule ja das geht zusammen, auch wenn ich das lange nicht glauben wollte. Ich habe es jetzt schon ein paarmal auf Kirchentagen erlebt. Dort hat die Arbeitsgemeinschaft HuK (Homosexuelle und Kirche) immer ein Zentrum und es gibt dort Workshops und andere Angebote für Schwule, Lesben, Trans.... aber eben auch nette Menschen mit denen man quatschen kann. Mit einigen die ich 2007 zum ersten Mal auf einem Coming out Workshop getroffen habe, habe ich heute noch Kontakt.
Aber es gibt sicher auch Menschen, die verneinen, dass Schwulsein und Glaube zusammengeht. Und wenn Du so einer Glaubensgemeinschaft angehörst, dann ist das sicher schwierig. Denn ich kann gut verstehen, dass Du diese Gemeinschaft nicht verlieren möchtest. Denn Glaube lebt ja oft erst, wenn er mit anderen geteilt wird. Und da einfach mal ans andere Ufer zu "schwimmen", kann sehr viel Kraft kosten. Aber indem Du hier geschrieben hast, bist Du ja schon einmal ans andere Ufer geschwommen und hast Dich mal umgesehen. Sicher das ist erst mal sehr verstörend und einiges hier finde ich auch sehr verunsichernd. Ich frage mich manchmal, warum mancher hier so laut seine Wahrheiten "rausbrüllt", vielleicht um sich selbst Mut zu machen und sich selbst zu hören. Vielleicht steckt in unseren Botschaften nicht unbedingt eine Botschaft an einen anderen, als vielmehr eine Botschaft an uns selbst.
Aber wie Du schon geschrieben hast, nimm Dir hier das raus, was Du gebrauchen kannst und lass das liegen, was Dir nicht gut tut. Nur Du kannst Deinen ganz eigenen Weg gehen und nur Du weißt, was Dir gut tut. Aber es kann ja auch gut sein, mal zu hören, wie es anderen auf ihrem Weg so ergangen ist und selber zu erzählen wie es einem so ergangen ist.

Und für diesen Austausch ist dieses Forum da.
Ich wünsche Dir Frohe Weihnachten und einen guten Rutsch.
LG Finn

Hallo,

mein Bruder weiss es jetzt und hat relativ gelassen reagiert. Ein wenig zweifelt er es an und spricht von eine Bandbreite zwischen Homo- und Heterosexualität. Und ich müsste mehr aus meiner Isolation heraus. Aber es ist ein Anfang. Ich konnte es einem Ersten aus meinem Umfeld sagen.

Viele Grüße
Gerhard

Hallo Gerhard,

Super! GLÜCKWUNSCH ... Du hast den ersten Schritt in die "Öffentlichkeit" getan.
(und damit bist Du Dir für Dich auch im Klaren, was "DU" bist)

Das Thema "Bruder" habe ich in wirklich allerunangenehmster Erinnerung ... das war mein letzter und schwerster Akt beim Coming Out ... (...)

Ich bin sicher du startest jetzt durch :-) ... du gelangst von dem mit Dickicht, Gestrüpp und Balken beladenen Pfad auf einen offeneren Weg, mehr Licht, mehr Luft ... altes Holz hinter sich lassend ... geht's ans Licht ...

... wünsche weiterhin viel Erfolg auf DEINEM Weg.

Drücke Dich!

Ganz liebe Grüße
Victor

Lieber Gerhard,

auch meinerseitz , herzlichen Glückwünsch. Ich freu mich, über deine ersten Schritte in die neue , deine Welt.

LG Maks

Hallo Gerhard,

toll, dass Du den Schritt getan hast! Ich komme leider erst 4 Tage später dazu, Dir zu schreiben, ich war n Weihnachtsurlaub.

Und wie fühlt es sich jetzt an?

Ich werde nicht vergessen, wie schwer es mir bei meiner Frau und meinen Töchtern gefallen ist. Und eigentlich möchte ich es meiner Schwester noch sagen, wozu sich vielleicht bald eine Gelegenheit ergeben wird.

Schöne Grüße

Volker

Hallo,

wie ich mich fühle? Nach dem Outing vor meinem Bruder gab es einem Moment der Euphorie. Diese ist längst wieder dem Trübsinn gewichen, da sich einfach zu viel Unerledigtes und Unverarbeitetes in meinem Leben angehäuft hat. Das belastet und blockiert. Da ist noch einiges wegzuräumen. Das Gespräch mit meinem Bruder musste jetzt sein, weil die Gelegenheit so schnell nicht wiederkommt. Wir sehen uns eher selten. Ich merke, dass mir ein schwuler Freundeskreis fehlt, der mir etwas Rückhalt und Stabilität geben könnte. Ich hoffe, dass sich das mit der Zeit ergeben wird.

Allen ein helles und ungetrübtes neues Jahr 2014!
Gerhard

Hallo Gerhard

an die Momente der Euphorie und die Momente der Ernüchterung kann ich mich gut erinnern ... das wechselt ab ... und irgendwann wird man sich "kurz unterhalb der Euphorie" auf einem angenehmen Level einfinde.

Allerdings wird man vorher ein paar Sachen aufräumen, über Bord werfen oder für unwichtig erklären und einfach liegenlassen (manches erledigt sich von alleine oder über mehrere Ecken).

Du bist auf dem richtigen Wege ... Deinem Wege ... und das Wichtigste ... Du gehst und Du WILLST gehen.

Freue mich für Dich und wünsche ein
ganz tolles, ein ganz neues 2014

Liebe Grüße
Victor

Kurzer neuer Stand zu meiner Geschichte

Letzten Sonntag habe ich mich per Facebook meinen Facebook-Freunden geoutet. Dies ist ein überschaubarer Kreis,
sodass es nicht gleich die ganze Welt erfährt. Die direkte Konfrontation habe ich gescheut.
Die Reaktionen von meinen Arbeits- und Gewerkschaftskollegen auf FB war durchweg positiv. Von meinem Pfarrersfreund und seiner Familie kam erstmal nichts. Dann abends hat er mich angerufen, wir haben geredet wie schon häufiger, kein Wort zu meinem Outing, weder von ihm, noch von mir. Es war bizarr. Ich hatte immer im Hinterkopf, hat er es schon gelesen oder nicht. Später dann eine Mail, er hat es gelesen und falls ich doch darüber reden wollte, er sei für mich da. Also alles eher positiv. Die Gerichtsverhandlung und das Urteil sind verschoben.

Was habe ich erwartet? Irgendwas zwischen "es ist alles wie immer" und Kündigung von Freundschaften und Übergabe an die ewige Verdammnis. Das ist nicht eingetreten. Ein Kick und ein Freudensprung? Auch das ist nicht wirklich eingetreten.
Ich merke, dass die Ängste und die Ablehnung in mir drin, in meinem Kopf sind.

Was habe ich erreicht? Eine Etappe. Doch ist es noch ein langer Weg zu Selbstakzeptanz und Unbefangenheit. Noch bin ich, bis auf die etwas unfreiwillige, intime Begegnung mit dem einen Mann, weitgehend unberührt. Werde ich jemals wirkliche Nähe zulassen können und zur Liebe fähig sein? Ich weiss es nicht.

Der Alltag ist wie immer, Begegnungen schwierig und ich fühle mich nicht wirklich integriert.

###



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 29.07.16 19:24.

Hallo Marcello,

wenn ich das recht sehe, geht Dein eigentliches Coming-Out, nämlich "das gegenüber Dir selbst", etwas langsamer voran, als das "äußere" ...

Sich auf Facebook zu Outen ... das ist schon was ... stellt sich bloß die Frage, "muss das sein" ... "interessiert das da draußen wirklich jemanden" ... ist es wichtiger, als der Sack Reis, der in in China umgefallen ist ...

Offensichtlich brauchst Du das äußere Outing, damit Du merkst, dass es ziemlich egal ist, ob Du schwul, hetero, geoutet oder sonstwas bist ... Du könntest es einfach sein, wenn Du bloß wolltest (innerlich).

Ich habe es nicht erlebt: Kündigung von Freundschaften, ewige Verdammnis, Mobbing etc. (also wird sowas auch nicht wirklich eintreten bzw. wenn es in Nuancen auftritt, wird man damit fertig ... einen Freund zu verlieren ist nicht so schlimm, solange es nicht der einzige war ... und wenn ... dann ist es eben so ... denn es warten viele neue Freunde auf Dich).

Wie Du selbst gemerkt hast, Dein Weg ist garnicht sooo schwierig!

Genieße es trotzdem, wenn es weniger Mühe und Aufsehen erregen sollte, als geplant.

Alles ganz normal!

;-)

lg.
Victor