Willkommen! Anmelden Ein neues Profil erzeugen

Erweiterte Suche

Jahrestag / "one can never HOPE too much"

geschrieben von Mickey2 
Jahrestag / "one can never HOPE too much"
27. April 2013 23:49
Hm, streng genommen weiß ich noch nicht einmal, warum ich es HIER schreibe, aber es drängt mich danach, da heute der Jahres- und Todestag eines lieben Freundes ist. Ich verbinde seine Tod mit meinem Coming Out, obwohl er gar nicht so viel damit zu tun hat. Oliver - so heißt er - starb heute vor sieben Jahren. Ich hatte damals gerade meinen ersten und einzigen Partner, war bei diesem und deshalb nicht in Bad Bergzabern, wo Oliver zur Reha war. Oliver hatte Krebs, sechs Jahre lang wußten wir es.
Streng genommen war mein CO eine Reaktion darauf - nicht nur, aber auch. Im Juni 2000 begann es bei ihm, er erzählte es mir, als er mich zur Probe unserer Theatergruppe abholte. Ich stieg in sein Auto und - er erzählte es mir einfach. Ein Tumor sei in seinem Fuß, der müsse wohl operiert und untersucht werden. Es sei dennoch recht unwahrscheinlich, daß er bösartig sei. Natürlich war es dann doch ganz anders, der Krebs war bösartig, kurz darauf wurde sein Fuß abgenommen, die Chemo begann. Er hatte eine "ganz seltene" Krebsart. Als Erwachsener dürfe er die gar nicht kriegen. Aber er hatte sie.
So viel geht mir heute durch den Kopf. Ich erinnere mich an das Nina-Hagen-Konzert, auf dem ich mit Freunden war, als wir erfuhren, daß der Krebs bösartig ist. Wir gingen raus aus dem Konzert und alles danach ist wie in Trance.
Es war nicht der einzige Schicksalsschlag im Sommer 2000, aber im September - nach einer schweren Depression meinerseits inkl. Fast-Selbstmordversuch - stand mein Coming Out am Ende dieser Ereignisse. Ich outete mich bei mehreren engeren Freundinnen und Freunden, und auch bei Olli. Es war der Tag, als eine neue Chemo begann. Ich wollte dabei sein, ihm etwas beistehen (soweit man das kann). Wie es mir ginge? Es sei doch irgendwas nicht in Ordnung. Das fragte er mich während seiner (!) Chemo. Ich empfand es als den blödesten Zeitpunkt, um mich jetzt bei ihm zu outen. Aber er fragte nochmal und nochmal und irgendwann sagte er: "Na, wenn Du es mir nicht erzählen willst ...!" O.k., so war es dann doch nicht, und ich sagte es ihm. Und wir redeten dann WÄHREND seiner Chemo über MEIN Coming Out.
Er hatte ES nicht wirklich bei mir erwartet. Jedoch ein wenig schon etc. etc. Dieses Gespräch am Krankenbett von Olli hat viel bewegt. U.a. erfuhr ich von einem gemeinsamen Freund, der schwul sei - ich wußte das aber vorher nicht. War aber schon mal in diesen "unglücklich" verliebt gewesen. Daraus entwickelte sich zumindest eine Wiederbelebung dieses Kontaktes, was aber nun zu weit führen würde, es hier zu berichten.

Ollis Krebs wurde leider nie besser, es gab immer nur Teilerfolge. Aber selbst wenn die Krankheit mal zu pausieren schien, so kam sie immer wieder zurück. Es gäbe so viel davon zu berichten, von Tränen, Hoffnung, Kämpfen ... Olli heiratete sogar noch, bekam ein halbes Jahr vor seinem Tod noch einen Sohn.
Etwa einen Monat vor seinem Tod hatte ich mal kurzfristig das Glück, einen Partner zu haben. Oliver erfuhr davon, er war zu dem Zeitpunkt stark geschwächt. Vier Monate zuvor hatten wir schon einmal das Gefühl, er stürbe, er hatte sich nochmal berappelt. Er erfuhr von meinem Partner und freute sich. Ich erzählte es ihm am Telefon und während ich ihn am gleichen Abend auch noch besuchte, hatte er sich bereits ein Foto von diesem Partner besorgt und angeschaut. Er freute sich so für mich.

Als er starb, war ich zufällig bei meinem Partner - Fernbeziehung. Olli war zur Reha in Bad Bergzabern. Ich bekam einen Anruf eines gemeinsamen Freundes. Olli stürbe. Ich konnte nicht mehr rechtzeitig zurück, dabei wäre ich "gerne" an seiner Seite mit seiner Familie gewesen. Mein armer Partner damals stellte mich just an diesem Abend einer Freundin vor. Was war ich aber sicher für ein lahmer Vorzeige-Freund, ich war gedanklich nur in Bad Bergzabern, wenn auch leider eben nur - in Gedanken!

Olli starb am 28. April 2006 in den frühen Morgenstunden.

Ich werde nie vergessen, wie viele Gespräche wir über meine Homosexualität hatten. Und wie sehr er sich damals darüber freute, als er glaubte noch zu erfahren, daß ich einen Freund hatte.

Ich finde irgendwie, daß er es verdient hat, hier in diesem Forum erwähnt zu werden.

Er hat sechs Jahre gegen den Krebs gekämpft. Es war schon ein Wunder, daß er es so weit schaffte. Sein Spruch war: "one can never HOPE too much".



Ich werde ihn nie vergessen.



5-mal bearbeitet. Zuletzt am 28.04.13 11:53.
Re: Jahrestag / "one can never HOPE too much"
28. April 2013 11:00
Hey Mickey,

danke das du diese Geschichte mit uns teilst.


Ich finde irgendwie, daß er es verdient hat, hier in diesem Forum erwähnt zu werden.

Absolut ! Das hat er. Es ist sehr wertvoll solche Freunde zu haben, auch wenn die Sache kein "Happy End" hatte- schön das du ihn so in Erinnerung behalten kannst.

Ich wünsch' dir was !
LG Billy
Re: Jahrestag / "one can never HOPE too much"
17. Juni 2013 15:56
Hallo Mickey,

als ich das hier eben gelesen habe, hatte ich Tränen in den Augen.

Ich behaupte jetzt einfach mal, Olli wäre stolz auf dich wenn er das hier lesen könnte.

Durch Erinnerungen wie diese leben sie weiter.

Liebe Grüße

Ralf
Re: Jahrestag / "one can never HOPE too much"
19. Juni 2013 07:01
Hi Billy und Ralf,

danke für Eure Worte. Die finde ich sehr tröstlich und tuen gut.

Liebe Grüße,
Mickey2.
Re: Jahrestag / "one can never HOPE too much"
19. Juni 2013 15:30
Hey! Mir gehts beim Lesen Deines Textes wie Raphael.Augenpipi.
Gruß C.

.
In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicke hier, um Dich einzuloggen