Mein Coming Out mit 32
geschrieben von: Martin1975bln (-)
Datum: 24. August 2007 01:14
Mein Coming Out mit 32
Es ist geschafft, mein Coming Out mit 32 und so glücklich. Mein Name ist Martin und wohne in Berlin, schreibe hier das erste mal. Möchte aber allen mitteilen die hier lesen, das tat ich auch wochenlang habe ich hier alles nach und nach gelesen. Es war eine Erleichterung zu lesen das ich nicht der einzige bin, der mit über 30 Jahren noch kein Coming Out hatte. Das ich schwul bin ist mir seid dem 14. Lebensjahr klar gewesen, aber es bestand nie wirklich eine Möglichkeit mich zu Outen, oder ich wollte es nicht. So vergingen die Jahre, ohne das ich mich geoutet habe. Schule, Lehre & Bundeswehr und genau da bemerkte ich ein cooler Verein die Bundeswehr, viele süße Jungs da willste bleiben. Natürlich war es genau dort unmöglich ein Coming Out zu machen, Schwulen feindlich würde ich hier unter treiben. Hatte mich aber dennoch für 23 Monate Verpflichten, eine schöne Zeit war es dort, nur das Duschen ist mir halt immer wieder recht schwer gefallen, weiter muss ich dieses aber nicht vertiefen.
Die Jahre verstreichen, die aktive Dienstzeit ist vorbei ... was nun ? Da gibt es doch noch die Reserve dachte ich, OK also Reservist ist auch cool. Es folgten ein privater Schützenverein, sportlich bin ich ne Niete aber Schießen kann ich echt sehr gut. Aber es sind zwei Bereiche wo man(n) sich nicht outen sollte. Also wieder nichts mit einem Coming Out. Mittlerweile habe ich es auch geschafft ein Natozebra zu werden. Eine weitere Beförderung war dann erstmal nicht mehr möglich, da ich mich beschlossen hatte mich selbstständig zu machen, besser als Arbeitslos. Mit 0 Euro und einer guten Idee machte ich es dann auch.
Immer wieder bekam ich eine Frage gestellt von meiner Mutter: „Wann machst Du mich zur Oma.“ Jahrelang bin ich dieser Frage ausgewichen, mit vielen blödsinnigen Begründungen, machte ich es meiner Mutter klar das ich nicht Schwul bin, nur noch nicht die richte gefunden zu haben. Ich stritt es immer ab Schwul zu sein, bestimmt in den letzten Jahren 20x.
Meine Freunde wunderten sich auch schon, aber auch da hatte ich die besten Ausreden gehabt, obgleich es mir immer mehr auf den Keks ging, immer wieder nach ausreden zu suchen, das schlimmste daran in den vielen Jahren hatte ich eine Art Meisterleistung hingelegt ich war in Ausreden zu erfinden sehr gut. Alle glaubten mir mehr oder weniger.
Viele Jahre sind vergangen, bin jetzt 32, Selbstständig, Reservist & im Schützenverein, was soll ich bloß machen dachte ich mir immer wieder.
Dann geschah es, meine Schwester kam im Juni 2007, mich in meinem Laden besuchen. Sie gestand mir Schwanger zu sein und das schönste Sie möchte das Kind behalten. Ein schwerer Stein ist mir von der Schulter genommen worden, das bemerkte ich aber erst ein paar Tage später. Ich gestand mir immer öfter ein Schwul zu sein und auch endlich so Leben zu wollen, Schluss aus Ende und vorbei mit diesem Doppelleben dachte ich mir. Immer öfter Sätze ich mich auf Motorrad um mein Leben zu genießen, Orte an zu fahren wo ich nicht gesehen werden wollte die letzten Jahre.
Ich bemerkte an mir ein Wandel der durch mich hindurch ging, ich wühlte mich frei und erleichtert, aber ich hatte immer noch nicht mein Coming Out. Das sollte ein Ende haben, aber wie soll es möglich sein. Am Dienstag dem 21.08.2007 sprach ich mit meiner Schwester über Yahoo über dies und das .... nach gut einer Stunde habe ich es geschafft ich steuerte das Gespräch in die richtige Richtung, nun folgte der schwerste Satz den ich je aussprach „Du wirst nie Tante, Mama nie Oma den ich bin Schwul.“ Eine kurze Zeit war eine gewisse Stille, es war raus. Die erste Person die über mich Bescheid weiß. Wir redeten noch eine sehr lange Zeit über Yahoo miteinander. Das Gespräch war positiv, Sie ist meine kleine Schwester und wird es immer sein, sagte Sie zu mir. Sie findet es schade nie Tante zu werden aber Sie kann mich verstehen das ich es leid bin ein Doppelleben zu führen. Und dass seid 18 Jahren.
Am 22.08.2007 folgte mein Geschäftspartner gleichzeitig sehr guter Freund (zur Info Hetero) alles stellte ich mir vor, wie er reagieren wird. Aber nichts von allen, er nahm es voll geil hin und sagte nur: „Ist doch OK, Schwul, Hetero das ist deine Sache wir sind Freunde und daran wird sich nichts ändern.“ Ich war baff, überrascht und doch sehr froh darüber. Wie selbst er reagierte. Also ich verstehe es alles nicht, warum habe ich nur solange gewartet, dachte ich mir nach dem Gespräch.
Schlag auf schlag, ich wollte es wissen und klärte am 23.08.2007 also gestern einer guten Freundin, besser gesagt die Freundin meines Geschäftspartners auch auf das ich Schwul bin. Sie schaute mich an, lächelte und meinte: „Schön das Du es mir gesagt hast, es ist ein großer Vertrauensbeweis von Dir mir gegenüber.“ Wieder eine positive Reaktion, was ist nur los ... dachte ich mir. Aber toll, na dann. Das schlimmste Geständnis musste ich noch über mich bringen, meiner Mutter gegenüber habe ich es bisher noch nicht gestanden. Aber das hatte ich auch noch am gleichen Abend vor. Sie kam in meinen Laden, so kurz vor Feierabend, ich sagte zu Ihr das ich um 18:05 Uhr bei Ihr bin und mit Ihr sprechen muss, natürlich fragte Sie was den los ist, aber ich sagte nur das machen wir nicht hier im Laden. Komme nachher vorbei. Gesagt getan, die Weg zur Wohnung zu meiner Mutter kam mir nie so lang vor wie heute. Ich klingelte und bin sofort ins Wohnzimmer durchgestartet, der Fernseher lief noch den ich aber sofort ausschaltete. Ich sah in den Augen meiner Mutter, da muss es echt schlimm sein wenn ich sofort den Fernseher ausschalte. Aber ich habe soviel erreicht in den letzten zwei Tagen, da wollte ich der allerwichtigsten Person in meinem Leben es auch sagen das ich Schwul bin. Leichter gesagt als getan. Es folgten einige Minuten schweigen, als ich zu Ihr sagte: „Du Mama, ich hatte letzte Woche ein Gespräch von deiner Seite her abgebrochen, wo es darum ging warum ich immer noch keine Frau gefunden habe. Nun ich kann einfach nicht mehr, seid 18 Jahren weiß ich das ich Schwul bin. Schwul halt, ich kann in keiner weise etwas mit Frauen anfangen und habe es nie.“ Stille eine Ewigkeit für mich folgte, aus Sekunden wurden Minuten. Dann unerwartet „Martin du bist mein Sohn und wirst es immer sein, egal ob Du schwul bist oder nicht.“ „Aber warum hast Du es nicht viel früher gesagt, das Verstehe ich nicht, wann bist Du Schwul geworden ?“ Ich sagte zu Ihr es war unmöglich für mich, mich zu Outen zu einem früheren Zeitpunkt und ich bin nicht schwul geworden, sondern war es schon immer. Es ist nicht einfach, ich hatte 18 Jahre Zeit mich auf diesen Tag vorzubereiten, Du wirst auch noch eine Weile brauchen, wenn Du Fragen hast so frage mich ich werde Dir Antworten.
Mein Coming Out dauerte 3 Tage, alle Personen die es Wissen sollten Wissen es jetzt. Alle anderen die es noch nicht Wissen, werden es in den nächsten Wochen oder Monaten mitbekommen. Ich werde mich nicht mehr Verstellen, Verstecken oder anderen was vormachen. Nein, ich bin jetzt stolz sagen zu können „Ja ich bin Schwul“
Ich ändere mein Leben komplett, werde meine Uniform abgeben und aus der Reserve austreten, mich von meinem Schützenverein trennen, denn auf falsche Kameradschaft bzw. einem Spiezrutenlauf habe ich keine Lust, ich muss mir oder anderen dort nichts beweisen. Eine schöne Zeit geht zu Ende, wenn es am schönsten ist soll man Schluss machen. Mein Leben fängt jetzt neu an.
In diesem Moment 24.08.2007 01:08 Uhr in dem ich das schreibe, unterhalte ich mich über Yahoo mit meinem Vater, er fragte mich was ich um die Uhrzeit noch im Internet mache. Ich sagte ihm die Wahrheit, das ich Schwul bin. Selbst er überraschte mich gerade, auch er ist nicht überrascht. Was ist nur los, ich habe es mir spätestens bei Ihm etwas anders vorgestellt.
Das ist der Anfang von meinem Neuen Leben.