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Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen

geschrieben von EinsamerWolf 
Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen
07. August 2022 09:47
Wie ist das, wenn man so ganz ohne Gefühl für sich selbst ist? Der ganze Körper oder auch nur eine Körperhälfte ist total verspannt und es sind Schmerzen da, ohne dass es einen gesundheitlichen Grund dafür gibt.

Wir bezahlen für ALLES im Leben einen Preis ohne dass es sich um einen monetären Betrag handeln muss. Dieser Preis kann sehr hoch sein. Wir zahlen ihn für unsere Handlungen UND für unsere Unterlassungen.

Was uns in der Kindheit geschützt hat, wendet sich später gegen gegen uns. Das können wir an folgenden Aussagen erkennen:
- Ich spüre mich nicht / nicht mehr
- Ich fühle nicht wirklich
- Ich kann nicht wirklich fühlen und sagen, ob es mir gut oder schlecht geht

Das sind erlernte Schutzreflexe, die für ein Kind überlebenswichtig waren. Doch heute wenden sie sich gegen uns.

Bereits als kleines Kind haben die meisten Menschen gelernt, das Atmen zu unterdrücken - unbewusst. Ziel war es, starke Gefühle nicht mehr zu spüren.

Wenn man flach atmet, werden Angst, Wut und auch Freude abgemildert. Das sind Emotionen und Gefühle, die in dieser Gesellschaft wenig geschätzt sind oder es wird uns sogar vermittelt, dass sie schlecht sind. Die darf man auf keinen Fall haben. Wird der Atem angehalten, kann man beängstigenden Gefühle regelrecht „ausknipsen“ und genau das passiert.

Für ein kleines Kind beispielsweise ist es lebensbedrohlich, die Eltern lautstark streiten zu hören, die es doch liebt. Den Atem anhalten vermindert diese Angst. Sicher hat das der eine oder andere auch bereits beobachtet oder man erinnert sich jetzt daran. Deshalb haben so viele Menschen als Erwachsene eine „flache“ Atmung. Deshalb vermeiden es so viele bis tief in den Bauch hinein zu atmen. Sie folgen ihrem “Erfolgsrezept” aus der Kindheit und ihr Körper verspannt sich.

Neben dem Atem anhalten passiert noch mehr, denn gleichzeitig spannen sich die Muskeln reflexartig an und verhärten. Auch dies ist wieder unbewusst.

Das hat das einzige Ziel, damit dem Kind den natürlichen - sanktionierten - Impuls zu schreien, zu wüten, zu schlagen oder wegzulaufen gewaltsam zu unterdrücken, denn es hat sonst keine Möglichkeit sich zu wehren.

Mit dieser Kombination aus Atem anhalten + Muskeln anspannen klappt es dann:
1. angstauslösende Impulse unter Kontrolle zu halten

 2. starke Gefühle nicht mehr fühlen

Zu dem „nicht mehr fühlen müssen“ kommt der Gefühlspanzer hinzu, der meist Jahrzehnte oder auch das Leben über bestehen bleibt.

Diese Überlebensmuster der Kindheit schränken uns als Erwachsene zunehmend ein. Sie wirken sich körperlich und auch geistig-emotional aus. Äußern kann sich dies durch Angstzustände, eine resigniert-depressive Grundstimmung, Schmerzen ohne körperlichen Befund (Schmerzpatienten), Beziehungs- und Sexualstörungen bis hin zu Themen wie beruflichem Misserfolg, seine Ziele nicht verfolgen, reduzierte Empfindungen von Freude und Lebenslust oder gar Todessehnsucht. Oft besteht auch das Gefühl keine „Wurzeln“ zu haben.

Das kann so weit gehen, dass man sich quasi eine Panzerung zum Schutz „antrainiert“ hat. Bei der Betrachtung dieses Panzers, vor allem des „Herzpanzers“, der weder Liebe hinein noch hinaus lässt, ist man getrennt von sich selbst und die meisten Menschen empfinden sich als getrennt. Getrennt von was? Getrennt von der Quelle, von Gott oder wie immer dazu sagen möchte, von der eigenen Göttlichkeit in unserem Herzen.

Die meisten Menschen sind davon betroffen und besonders hart sind diejenigen betroffen, die sehr sensibel, sehr sensitiv, sehr kreativ und eher weiblich strukturiert sind. Dazu zählen ganz sicher auch Homosexuelle. Vor allem schwule Männer haben nach meiner Erfahrungen und das hat sich auch aus ihren Horoskopen heraus bestätigt, mehr weibliche Energien als männliche. Ein Umstand, der bisher von Astrologen ausgeblendet wird.

Wir sollten uns jetzt dieser Muster bewusst werden und sie dann gezielt mit oder ohne fremde Hilfe aufarbeiten. Möglichkeiten hierzu gibt es viele, doch jeder braucht hier die Methode, die für IHN/SIE, die passende ist.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
Re: Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen
08. August 2022 18:58
Ein sehr schön geschriebener Text, in dem viel Wahrheit steckt.

Sich dieser Muster bewusst zu werden ist der wichtigste Schritt in ein freies Leben.
Allerdings auch der Schwerste.

Denn wir leben so sehr in unserem gewohnten Denkmustern, dass wir sie nur schwer selbst erkennen können.
Einigen gelingt es gut, anderen weniger gut.

So wie ein Fisch im Meer niemals wissen wird, dass er sich im Wasser befindet, weil es eben seine gewohnte Umgebung ist.
Erst wenn er herausgenommen wird, erkennt er den Unterschied.

Wir brauchen ein Gegenüber, der uns unsere Denkweise sanft reflektiert, so dass wir anfangen können diese zu hinterfragen und zu verändern.
Ein behutsames "rausschubsen" aus unserer gewohnten (Denk-)Umgebung.

Warum hilft reden mit jemanden mehr als stundenlanges Grübeln? Weil wir uns mit reden selbst therapieren können. Wir reflektieren laut und können zu anderen Einsichten kommen.

Also sollten wir mehr miteinander reden und füreinander da sein smiling smiley
____________________________________________________________________

Michael Kensy
Coming-out-Coach
www.michaelkensy.net



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 08.08.22 19:00.
Re: Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen
09. August 2022 08:17
Hallo Michael,

danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast um zu antworten.

„Denn wir leben so sehr in unserem gewohnten Denkmustern, dass wir sie nur schwer selbst erkennen können. Einigen gelingt es gut, anderen weniger gut.“

Richtig. Es liegt daran, dass es Menschen mit sehr unterschiedlichem Bewusstseinszustand gibt. Die meisten haben sehr grosse Probleme damit, sich selbst zu reflektieren und den anderen als Spiegel für die eigenen Themen zu sehen.

„Wir brauchen ein Gegenüber, der uns unsere Denkweise sanft reflektiert, so dass wir anfangen können diese zu hinterfragen und zu verändern.“

Auch das sehe ich so und lege eine starke Betonung auf das „SANFT“. Wenn ich allerdings in meinem Leben zurückblicke, dann war da nie ein Gegenüber, das mir nahe gestanden hätte. Es war das ganz „normale“ Umfeld und das war alles andere als sanft sondern sehr verletzend. In der Kindheit und Jugend ist man dem zumeist hilflos ausgeliefert und damit das Opfer. Erst später mit zunehmendem Bewusstsein - sehr viel harte Arbeit - ist man dann hoffentlich in der Lage, das aufzulösen und sich auch selbst einzugestehen, dass man sich hat verletzen lassen. Es ist ein langwieriger Prozess, um von einem „schwachen“ Menschen zu einem „starken“ Menschen zu werden, aus welchen Gründen das auch immer sein soll.

„Warum hilft reden mit jemanden mehr als stundenlanges Grübeln? Weil wir uns mit reden selbst therapieren können. Wir reflektieren laut und können zu anderen Einsichten kommen.“

In meinem Leben hat es sich schon oft ergeben, dass Menschen mir von sich aus ihre Themen erzählt haben. Es ging nur darum, dass ich es mir einfach angehört habe. Sie waren dann oft froh darüber, dass sie es sich endlich einmal von der Seele reden konnten. Das extremste Erlebnis war ein Langstreckenflug, bei dem jemand neben mir sass und mir über die gesamt Flugzeit hinweg seine Lebensgeschichte erzählt hat. Es war auch kurzweiligste Flug meines Lebens.

Es wäre wirklich wichtig, dass die Menschen wieder mehr zueinander finden und über ihre Themen reden. In den letzten zwei Jahren hat es sich allerdings genau in die umgekehrte Richtung entwickelt. Vielleicht ist auch das gut so. Dadurch wurde jeder auf sich selbst zurückgeworfen und musste sich mit Themen auseinandersetzen, vor denen er bisher nur weggelaufen ist.

Viele Grüsse

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
Re: Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen
12. August 2022 21:33
Hallo EinsamerWolf

»Gefühlspanzer - ohne zu fühlen« ... das traf/trifft auf mich zu. Auch die Beschreibung einer schweren Kindheit, wie die Faust aufs Auge ...

Ich war bisher so weit, dass meine Schmerzen mit meiner inneren Spannung und Verkrampfung zu tun haben müssen und auch mit der Atmung zusammenhängt. In den letzten Jahren habe ich viel verändert in meinem Leben, um der Heilung die Türen zu öffnen ... einiges hat sich verbessert, aber diese Schmerzen an ganzen Körper bleiben.

Therapie hat mit sehr geholfen. Ich habe wieder ein Gefühl für mich und meinen Körper. Ich bin dankbar, dass ich so viel lernen konnte.

Was hilft dir? Hilft dir was?

Hat wer Lust, hier zu diskutieren und zu teilen? Das würde ich freuen.

Es grüßt . Beera
Re: Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen
13. August 2022 16:31
Hallo Beera,

den Beitrag hier habe ich geschrieben, nachdem andere hier etwas in dieser Richtung geschrieben hatten. Darauf habe ich im Netz recherchiert und einiges gefunden. Klar konnte ich mich dort auch wiederfinden, da auch ich eine schwierige Kindheit und Jugend hatte. Dazu kam, dass Gefühle ein riesiges Thema in meiner Sippe mütterlicherseits sind. Viele hatten nah am Wasser gebaut - auch astrologisch über die Wasserzeichen. Für Frauen ist das leichter zu leben, für Männer in dieser Gesellschaft noch immer ein Unding.

Ich hatte mir dann die harten Typen als Vorbild genommen und wollte so werden, damit ich keine Gefühle - vor allem Tränen - mehr zeigen musste. Ein Junge mit Tränen ist schwach und weichlich - also kein richtiger Junge. Nur das eigene Wesen lässt sich allerdings kaum unterdrücken und wenn es zu extrem wurde, waren die Tränen eben doch wieder da.

Mit Ende zwanzig habe ich sehr intensiv angefangen mich selbst zu heilen. Mir haben Bücher sehr gut und viel geholfen. Wenn ich bei dem was ich gelesen habe eine Resonanz in mir gespürt habe, dann war es relativ einfach diese zu spüren und aufzulösen. Auch Selbstreflektion war gut, wenn ich durch andere getriggert wurde und mich gefragt habe, was das mit mir zu tun hat.

Heute reagiere ich sehr selten emotional, da es kaum noch etwas gibt, das mich triggert. Es gibt jedoch so manche Geschichte, so manches Buch und so manchen Film der mich berührt und bei dem mir die Tränen kommen. Doch da bin ich alleine und da kann ich es auch so annehmen wie es ist. Vor anderen ist das immer noch schwierig.

Viele Grüsse

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Re: Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen
13. August 2022 18:08
Nachtrag zur Gefühlspanzerung:

Wie entstehen Panzerungen?


Nahezu alle Menschen der westlichen Welt sind seit Generationen körperfremd erzogen worden - das erkennt man durch Sätze wie:

- Augen zu und durch

 - Zähne zusammenbeißen

 - kneif die Hinterbacken zusammen
- heul nicht

- stell dich nicht so an

 - Indianerherz kennt keinen Schmerz
- stell dich nicht in den Vordergrund
- schweige still, wenn Erwachsene reden

Das Ausdrucksverbot von Gefühlen und Schmerz ist uns sozusagen in „Fleisch und Blut“ übergegangen und stellt die Grundlage des „Panzers“ dar.

Der Panzer selbst entsteht aus zwei essenziellen Bedürfnissen heraus:

1. „Ich möchte dazugehören“. Um dieses Bedürfnis erfüllt zu bekommen, wendet der Körper viel Muskelkraft auf.
2. „Ich möchte nicht angegriffen/verletzt werden“. Hierbei entsteht Anspannung und unterdrückte Atmung. Beides soll davor schützen, allzu
schmerzhafte Gefühle zu spüren.

Die Ursachen von Panzerungen sind also konditionierte Reflexe. In der Erwartung auf bestimmte emotionale, soziale und mentale „Trigger“, reagiert der Mensch immer mit derselben, konditionierten Verspannung und Atemunterdrückung.

Was verursachen Panzerungen?

Die Panzerungen und die damit verbundenen Vermeidungs- und Verdrängungsmuster werden oft bewusst vom Betroffenen selbst nicht wahrgenommen, führen aber zum Beispiel dazu, sich „nicht gut genug“, „irgendwie fremdbestimmt“ oder „nicht mit sich selbst im Reinen“ zu fühlen.

Durch Panzerung bilden wir Ablenkungsmechanismen wie:

- Vermeiden von Situationen und Personen

- Entwicklung von Krankheiten

 - Entwicklung von Verhaltensmustern, mit denen wir hoffen, unsere schmerzhaften Gefühle nicht mehr spüren zu müssen
- Entwicklung von Kommunikationsmustern, die uns vor solchen Gefühlen schützen sollen.

Auch Menschen, welche lange Jahre klassische Therapien absolviert haben, kommen meistens in diesen Panzerungen nicht weiter und stehen wie vor unsichtbaren Wänden in ihrem Leben.


In meinem Umfeld höre ich in den letzen Jahren zunehmend von Hüftoperationen, bei denen künstliche Hüften eingesetzt werden. Aus meinen Beobachtung heraus - auch bei mir selbst - sehe ich jedoch massive Spannungen in der Oberschenkelmuskulatur, die sich bis in die Fusssohlen einerseits und in den Bauchraum andererseits ausstrahlen. Die Erdung bzw. Verwurzelung fehlt oder ist nur sehr schwer zu erreichen. Energiearbeit oder barfuss laufen kann die Ladungen abfliessen lassen.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
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Liebe ist meine Rebellion.
Re: Gefühlspanzer - ohne sich zu fühlen
23. Dezember 2022 13:34
Hallo EinsamerWolf!

Ich habe deinen Betrag bereits gestern gelesen und er ließ mich seitdem nicht mehr in Ruhe. Besonders der Abschnitt mit dem „Atmen unterdrücken“.
Ich selbst habe mir einen harten Panzer aufgebaut und bin dabei ihn langsam wieder abzubauen.

Lange Zeit habe ich geglaubt, es wäre eine Art Superkraft, dass alles an mir abprallt. Es ist ja auch irgendwie beruhigend, wenn einem verbale oder emotionale Pistolenschüsse wie Superman nichts anhaben können.
Doch wenn man dann plötzlich nicht mal mehr die eigenen Emotionen spürt, kann man sich in der inneren Leere verlieren.

Ich wurde öfters gefragt, wie ich so gelassen bleiben konnte und wusste selbst nie eine Antwort. Durch deine Zeilen begreife ich jetzt, dass ich die antrainierte flache Atmung aus der Kindheit bis heute perfektioniert habe.

Als ich in diesem Sommer für mich erkannt habe, dass ich bisexuell bin, war es wie das erste Mal lange und tief durchzuatmen.

Ich finde es sehr beunruhigend, wie stark sich solche Verhaltensweisen aus der Kindheit manifestieren können und noch schlimmer finde ich, dass dieses „flache Atmen“ ein gesellschaftlich erwünschtes Verhalten ist.
Es benötigt viel mehr Aufklärung über die kindliche Psyche und über sämtliche toxische Erziehungsstile, die seit Generationen als „normal“ gelten.

Ich finde deine Beiträge sehr wertvoll! Danke!

Liebe Grüße
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