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Männlichkeit

geschrieben von EinsamerWolf 
Männlichkeit
12. Juli 2022 07:30
Es ist eine interessante Frage, was Männlichkeit überhaupt ist. Gibt es Männlichkeit in dem Sinne, wie es uns dieses oberflächliche Wort sagen möchte so wirklich? Vielleicht sollten wir einen Blick in die Vergangenheit werfen um diesem Wort näher zu kommen. Doch zunächst möchte ich vorstellen, was Wikipedia dazu hergibt.

Wikipedia:
Männlichkeit beschreibt die Summe der Eigenschaften, die für den Mann als charakteristisch gilt. In der Wissenschaft beschäftigen sich vor allem die Evolutionspsychologie und die Gender Studies mit Männlichkeit. Bei den Gender Studies wird Männlichkeit als Konstrukt gesehen, das sich historisch wandelt und kulturell variiert. In der Biologie wird Männlichkeit auch auf den Einfluss von Hormonen,  insbesondere Testosteron, zurückgeführt.
In engerem Sinne wird unter der Virilität (lateinisch virilis „männlich“) die männliche Stärke, die männlich-erotische Ausstrahlung, oft auch die Zeugungsfähigkeit („Manneskraft“) verstanden. Daher ist Mannbarkeit ein außer Gebrauch kommendes gehobenes Wort der Umgangssprache für die Geschlechtsreife des jungen Mannes, und Mannhaftigkeit wird in gehobener Sprache für Tapferkeit verwendet. Auch bestimmte Eigenschaften des männlichen Körpers werden vielfach als Sinnbild von Männlichkeit interpretiert. So gelten körperliche Größe, eine ausgeprägte Muskulatur,   eine tiefe Stimme, breite Schultern, markante Gesichtszüge (insbesondere das Kinn) und eine starke Körperbehaarung (insbesondere der Brust) als typisch männliche Merkmale.


Vermutlich hat es schon eher begonnen, doch entsinne ich mich noch solcher Sprüche wie: „Hart wie Kruppstahl“, „Indianer kennen keinen Schmerz“, „Jungen weinen nicht“, was uns zeigen soll, dass Männer keine Gefühle haben dürfen. Das war das Bild von Männlichkeit sicher seit den 1960er Jahren. Eigenartigerweise waren es gerade Frauen, die solche Sprüche abgelassen haben, was ganz sicher dazu beiträgt, dass ein Junge gewissermassen „entmannt“ und erniedrigt wird. Passiert das oft genug, will der von Mädchen oder Frauen garantiert nie wieder etwas wissen. Sollte das die Zielsetzung sein?

Vor kurzem habe ich dann ein Buch über die Musterung zum Grundwehrdienst / Zivildienst gelesen, das schon erstaunliche und schockierende Einblicke gegeben hat. Da war meine Musterung noch harmlos, obwohl auch mir es unangenehm war, die Hose in Gegenwart einer Frau runterzulassen. Viele andere junge Männer haben ein seelischen Langzeitschaden davon getragen, dass sie nackt vor einer Ärztin und einer Assistentin stehen mussten. Im einem Extremfall hat die Ärztin dem jungen Mann ausgiebig die Hoden abgetastet, ihm die Vorhaut dreimal zurückgezogen und seine Rossette inspiziert. Das ist Erniedrigung und Entwürdigung pur. Unter solchen Umständen verliert dann wohl jeder seine Männlichkeit, sofern er denn eine hatte. Viele dieser jungen Männer hatten dann auch Angst vor der Musterung, weil sie es peinlich fanden, wenn sie dabei zu einer Erektion kommen, was auch verschiedentlich passiert ist.

Da ich wohl genetisch bedingt und vom Wesen her näher am Wasser gebaut bin, war für mich das herrschende Männerbild ein Problem, denn ich war genau das Gegenteil von dem was als Männlichkeit durch die Gesellschaft vorgegeben war. Die Konsequenz war, dass mir das Bild eingeprägt wurde, kein richtiger Junge zu sein und damit gab es für mich auch keine wirkliche Zugehörigkeit zu anderen Jungen, obwohl ich bis zum neunten Lebensjahr immerhin noch so etwas wie Freunde hatte.

In dieser Zeit waren die Familien anscheinend auch intakt, zumindest hat man nach aussen hin so getan als ob. Doch es war bereits zu sehen, dass auch die Beziehungen angefangen haben zu bröckeln und es gab in zunehmendem Masse Trennungen.

In den Folgenden Jahren und Jahrzehnten haben die Scheidungsraten massiv zugenommen und allein erziehende Mütter und manchmal auch Väter wurden schon fast zum Standard.

Die Kita kam erst nach der Wiedervereinigung, doch in den Kindergärten und Schulen waren schon seit jeher ganz überwiegend Frauen als „Erzieherinnen“ tätig.

Jungen hatten so in aller Regel einen Mangel an männlichen Vorbildern und sind schon seit jeher in ihrem Männerbild verunsichert.

Bei mir war zwar der Vater da, doch bedingt durch seine frühzeitige Selbständigkeit nur wenig Zuhause. Abgesehen davon war er für mich emotional unerreichbar. Als Vorbild für Männlichkeit war er ebenfalls ungeeignet. Ich hatte oft Angst vor ihm, wenn er wieder einen Wutanfall hatte oder wegen Nichtigkeiten eine Tracht Prügel erfolgte. Also blieb mir nur, mir selbst Vorbilder zu suchen.

Die fand ich dann in Western, Actionfilmen und asiatischen Kampfsportfilmen. Später bin ich dann ins Fitnessstudio gegangen und habe Gewichte gestemmt um die Muskeln zu bekommen und auch den Kampfsport habe ich ausprobiert. Trotz der einschlägigen Hinweise für den Muskelaufbau blieb es bei einer guten Definition der Muskeln doch ohne Muskelmasse. Erst viel später sollte ich zu der Erkenntnis gelangen, dass ich NIE meine Vorbildern entsprechen konnte und auch NIE den Körper haben konnte, der anderen Respekt vor meiner blossen Erscheinung eingeflösst hätte. Soviel zur Bodyoptimierung, wie sie noch heute von vielen Jugendlichen und Heranwachsenden betrieben wird, damit sie auch als richtige Männer gesehen werden.

Bei vielen Homosexuellen, vor allem denen auf den einschlägigen Dating-Plattformen, die dort nur nach Sex suchen habe ich den Eindruck, dass sie Gefühle sehr gut abspalten können, also gar keine mehr haben und nur noch als Sexmaschinen funktionieren. Anders kann ich mir ein derartige Verhalten kaum erklären. Ist allzeit bereit zu sein Männlichkeit? Definiert sich ein Mann nur über seine Sexualität?

Wenn ich all das so betrachte, keimt in mir das Gefühl, dass es Männlichkeit als solches wohl kaum gibt und geben wird. Als Menschen und eben auch als Männer sind wir so verschieden, dass es eigentlich kein echtes Bild von Männlichkeit geben kann. In der jüngeren Zeit sind viele Jungen wohl eher sehr viel weicher strukturiert, als früher. Leider ist es wohl auch eine Tatsache, dass sicherlich die meisten Männer unter einem Selbstwertmangel leiden. Wünschenswert wäre auf jeden Fall, dass auch Männer Gefühle haben und zeigen dürfen, denn das ist eine wichtige Eigenschaft des Menschen grundsätzlich.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
Re: Männlichkeit
12. Juli 2022 12:22
Schwieriges Thema.

Ich habe mal in einem anderen Zusammenhang ein paar "Eigenschaften" zusammengefasst, die für mich "typisch" Männlich sind:

Wut, Zorn, Verlangen, Begierde, Aggression, Aktivität, Brutalität, Gradlinigkeit, Fürsorge, Behutsamkeit, Schutz, Galanterie, Freundschaft, Loyalität

Damit ist nicht gemeint, daß Frauen diese Eigenschaften nicht hätten oder haben könnten oder daß jeder Mann sie hätte, sondern daß ich die Beherrschung dieser Elemente für einen Mann so wie ich einer sein möchte und so wie ich auch gerne einen hätte, für ideal halte (und erst recht ist damit nicht gemeint, daß ich all diese Werte konsequent verinnerlicht hätte).

Seit dem Wochenende würde ich "Vorsicht" und "Instinktsicherheit" noch dazu nehmen, die man(n) dringend kultiviert haben sollte.

Emotionen abzuspalten ist kein Phänomen, das auf Sex beschränkt ist. Ich habe Zeit meines Lebens Emotionen zurückgehalten, je nach Situation eben. Nur die Wut habe ich nie in den Griff bekommen - was ein immerwährendes Problem zwischen meinem Vater, der für meine Ausbrüche kaum Verständnis aufbringen konnte (also nicht für das Gefühl sondern für die Art, wie ich sie äußerte - aber trenn' das mal als Teenager), und mir war. Spuren verwischen, nicht auffallen, nicht anecken... Alles Prinzipien, die ich von klein auf eingeübt habe und bei denen ich erst seit ca. 10 Jahren versuche, sie abzulegen. Übrigens in völlig verschiedenen Situationen, aber das Muster ist halt immer das gleiche.

Und ja - auch wenn es mir gerade auf extreme Weise um die Ohren geflogen ist - auch für mich ist Sex vorallem ein Spiel. Ob das nun damit zusammenhängt, daß meine Sexualität aufgrund der "falschen" Abzweigung vor 25 Jahren schlicht nicht ausreifen konnte oder ob der Spieltrieb einfach zu meiner Persönlichkeit gehört (im Moment fühle ich mich wie ein 15jähriger im Körper eines 75jährigen), konnte ich bisher noch nicht herausfinden.

Das Thema "Nackheit" ist bei mir auch doppelt besetzt. Auf der einen Seite war ich seit meiner Einschulung ein extrem prüdes Kind. Gemeinschaftsduschen waren für mich bis weit in die Oberstufe ein handfestes Problem, weil mein Selbstbewusstsein im Grunde überhaupt nicht vorhanden war. Das änderte sich erst in einem Sportkurs in dem ich nur mit sehr wenigen Jungs war, die ich alle gut kannte und denen ich traute, drehte sich dann wieder um 180° und wurde erst wieder besser, als meine Kinder geboren waren und ich sagen konnte "ich bin über 30 - ich muss diese Konkurrenzspiele nicht mehr mitmachen" und "es kann mir völlig egal sein, was andere über mich denken - es hat gereicht um die Kinder zu zeugen und bisher hatte noch jeder seinen (zu dieser Zeit eher "jede ihren"winking smiley Spaß". Heute traue ich mich vor allem wegen der "verborgenen" Makel nicht mehr so richtig, habe jetzt aber wieder einen Schub, daß ich zumindest ein paar Sachen doch noch in den Griff bekommen möchte, bevor ich in die letzte Kiste steige.

Vom Kopf her bin ich der Meinung, daß jeder Körper so wie er ist, "gut" ist und es keinen Grund gibt, ihn zu verbergen. Allerdings stelle ich an mich auch mittlerweile den Anspruch, mir jede Wertung verkneifen zu wollen. Ausgehend von mir selbst und zu akzeptieren, daß mein Körper seine Macken hat, größtenteils unveränderlich ist (das einzige, was man wirklich variieren könnte, wäre das Gewicht - Haarwuchs, Größe, Augenfarbe, Länge, Nase, Ohren, etc. sind gar nicht oder nur künstlich zu verändern, was ich pers. für größtenteils völlig hirnrissig halte). Natürlich bleibt am Ende jedem einzelnen die Frage überlassen, was man sexuell anziehend findet (und der eine steht vielleicht auf Muskeln, der andere auf Bauch, der dritte auf Pferdeschwänze, der andere auf Kurzhaarfrisuren, der nächste auf 2-Meter-Männer, der übernächste will was für die Handtasche, etc. etc.).

Sich im Klaren zu sein, was man sexuell will, halte ich grundsätzlich für einen Prozess, den JEDER (auch jeder Hetero) mal durchgemacht haben sollte. Daß man beim Spielen auch vorallem diesen Kriterien folgt ist irgendwo logisch.
Aber: Davon darf nicht abhängen, ob man sich in seinem Körper - mit dem man immerhin 24/7/365/65+ verbringt wohlfühlt oder sich nicht traut zu zeigen, weil andere einen hässlich finden könnten (ich hoffe, daß ich das meinen Kindern habe mitgeben können).

Insofern stehe ich auch mit dem Musterungsprozedere ein wenig auf Kriegsfuß. Zum einen sollte man ja davon ausgehen, daß Mediziner schon so viele Nackte gesehen haben, daß sie gelernt haben sollten den Patienten (oder Rekruten) von ihren sexuellen Wünschen zu trennen. Wer schon mal bei einer Darmspiegelung war oder bei einer Prostataabtastung (die ja wohl hoffentlich schon alle hier aktiven Männer kennen) muss da ganz schnell lernen, daß Scham in diesem Zusammenhang keinen Wert an sich darstellt. Zum anderen finde ich aber auch, daß es einem Mann (und da kann ich nur von Männern reden) eigentlich nichts ausmachen sollte, sich auszuziehen eben weil jeder Körper auf seine Art ein perfektes Wunder ist und die Person nur zu einem im Grunde recht kleinen Teil ausmacht.

Von Frauen weiß ich nur, daß eine ganz normale Geburt ähnliche Erfahrungen von Nacktsein, Exponiertsein und notwendiger Schambewältigung auslösen kann.

Ob die mentale Trennung von Emotion und Sex so gesund ist, ist eine andere Frage, die glaube ich nicht pauschal beantwortet werden kann und sehr von der aktuellen Lebenssituation des einzelnen abängt (ich will rein rational z.B. im Moment keine Beziehung - ich weiß aber auch, daß wenn ich mich verliebe, meine Regeln und sonstigen Vorstellungen völlig ungehört verpuffen). Als Phase kann ich mir das durchaus vorstellen, als Lebensmodell eher nicht.

Meiner Erfahrung nach bedarf jeder Mensch der positiven Anerkennung durch andere. Und wenn diese Anerkennung z.B. nur über Geld läuft oder an Bedingungen geknüpft ist (wie das gute Aussehen, der perfekt modellierte Bauch), dann bleibt die Anerkennung auf lange Sicht hohl und unbefriedigend. Ich denke, das könnte tatsächlich eine Gefahr für die eigene seelische Gesundheit werden.



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 12.07.22 16:46.
Re: Männlichkeit
12. Juli 2022 17:09
Hallo FlorianW,

danke, dass Du Dir die Mühe gemacht hast eine sooo lange Antwort zu geben.

Ja, ich gebe Dir Recht, das Thema ist schwierig und wenn man alle Aspekte beleuchten würde, dann könnte man locker ein Buch daraus machen, was hier jedoch fehl am Platz wäre.

„… sondern daß ich die Beherrschung dieser Elemente für einen Mann so wie ich einer sein möchte und so wie ich auch gerne einen hätte, für ideal halte“

Hm, aus meiner Erfahrung bei mir, habe ich in den mehr als 25 Jahren Arbeit an mir selbst viele dieser Eigenschaften in einen Bereich bringen können, wo ich sie im Griff habe ohne dass sie mich beherrschen. Ich bezeichne das als einen hohen Grad an emotionaler Reinheit und der kann von jedem erreicht werden, wenn er bereit ist die not-wendige Arbeit an sich selbst zu leisten. Dass das auf keinen Fall einfach ist, versteht sich von selbst.

„Ich habe Zeit meines Lebens Emotionen zurückgehalten, je nach Situation eben. Nur die Wut habe ich nie in den Griff bekommen…“

Als Kind oder Jugendlicher ist man immer Opfer, weil man in der schwächeren Position Erwachsenen gegenüber ist. Da kann es überlebenswichtig sein, Emotionen zurückzuhalten oder sie nur dann zu zeigen, wenn man sicher ist alleine zu sein.

Wut war etwas, das mein Vater gerne gezeigt hat und er hat auch klar dazu gesagt, dass man diese bei ihm sehr wohl sehen dürfe. Ich habe sehr lange gebraucht um hinter seine Fassade zu sehen und dann kam die nackte Angst zum Vorschein, die er Zeit seines Lebens mit seiner Wut überdeckt hat. Er hat es nie gewagt, sich seine Kindheitstrauma anzusehen und hat sie teuer mit seiner Gesundheit bezahlt. Die Zusammenhänge sind mir heute sehr klar.

„… auch für mich ist Sex vorallem ein Spiel.“

Das ist einerseits richtig, denn nur wenn es als Spiel gemacht wird, ist man offen für besondere Erfahrungen. Oftmals kann man das mit sich selber besser als mit einem Partner. Bei vielen ist heute auch der Sex mit Leistungsdruck verbunden und dann ist man sehr schnell raus aus der Lust und es ist alles andere als befriedigend oder das, was man sich darunter vorgestellt hat. Als Jugendlicher kann man sich noch ausprobieren und das ist gut so und passt wunderbar in dieses Alter. Was leider so gut wie unbekannt ist, ist die Telegonie und dieses Wissen wird unterdrückt obwohl es zutreffend ist, wie ich selbst beobachten konnte.

„Das Thema "Nackheit" ist bei mir auch doppelt besetzt.“

Mit der Nacktheit ist auch ein natürliches Schamgefühl verbunden und das ist gut so. Das kann schon in der Kindheit anfangen und geht ganz sicher in der Pubertät richtig los. Als Kind war ich mit meinen Eltern oft in einem FKK-Urlaub. Obwohl alle nackt waren, gab es dennoch Phasen wo ich ein Problem damit hatte. Als Jugendlicher bekam ich dann auch mal ein Erektion, bei der ich dann eben auf den Bauch gelegen bin oder ins Meer ging, bis es wieder vorbei war. Im Garten oder auf dem Balkon bin ich gerne nackt und erfreue mich an meiner nahtlosen Bräune, da mich eh niemand sehen kann. Es wäre für mich auch ganz normal mit anderen zusammen nackt zu sein und finde es auch schön.

„Heute traue ich mich vor allem wegen der "verborgenen" Makel nicht mehr so richtig,“

Kein Mensch ist perfekt und auch das ist gut so. Wenn man die Lebensmitte überschritten hat, sieht man zwangsläufig auch keinem frischen Apfel mehr ähnlich - leider. Mir wäre es auch lieber es wäre anders, doch so ist der Lauf der Natur. Es sind dann eben auch die Gebrauchsspuren sichtbar.

„… (das einzige, was man wirklich variieren könnte, wäre das Gewicht - Haarwuchs, Größe, Augenfarbe, Länge, Nase, Ohren, etc. sind gar nicht oder nur künstlich zu verändern,“

Das Gewicht kann man verändern, wenn man seine Themen auflöst und damit auch die Ernährung umstellt. Bis vor kurzem hatte ich noch 61 kg und einen Waschbrettbauch. Ein künstliche Veränderung ist auch aus meiner Sicht Unsinn. Die Russen sind jedoch schon so weit, dass die natürliche Haarfarbe wieder kommt und sogar Zähne nachwachsen. Bei uns fängt man in der Forschung an über Stammzellen die Zähne nachwachsen zu lassen. Bis in wenigen Jahren, bei der schnellen Entwicklung, könnte es durchaus möglich sein, auch andere Körperpartien auf natürliche Weise zu verändern.

„…weil andere einen hässlich finden könnten …“

Das findet nur im eigenen Kopf statt. Wer ein gutes Selbstwertgefühl hat, der steht auf dem Standpunkt, dass es ihm egal ist was andere über ihn denken oder sagen. Wichtig ist nur, dass man sich mit seinem Körper wohl fühlt.

Beim Musterungsprozess ist es ein Unterschied, ob sich ein achtzehnjähriger vor einem Arzt oder einer Ärztin auszieht. Nach dem Buch war es tatsächlich so, dass selbst die Assistentinnen in Foren geschrieben hatten, wie geil sie es fanden, wenn die Eichel beim zurückziehen der Vorhaut zu sehen war. Sexuell befreit war die ganz Sache auf keinen Fall. Für viele der jungen Männer war es zu diesem Zeitpunkt auch das erste Mal, dass sie auf diese Weise Kontakt mit Frauen hatten.

Ich kann hier natürlich nur von mir sagen, dass ich Sex nur mit jemandem haben kann, den ich gut kenne, dem ich vertraue, mit dem ich mich wohl fühle und Zärtlichkeit sowie Gefühle vorhanden sind. Für mich ist Nähe an sich schon ein Thema, zumal ich das Energiefeld eines Menschen deutlich spüre.

„Meiner Erfahrung nach bedarf jeder Mensch der positiven Anerkennung durch andere. Und wenn diese Anerkennung z.B. nur über Geld läuft oder an Bedingungen geknüpft ist (wie das gute Aussehen, der perfekt modellierte Bauch), dann bleibt die Anerkennung auf lange Sicht hohl und unbefriedigend. Ich denke, daß könnte eine Gefahr für die eigene seelische Gesundheit werden.“

Ganz überwiegend habe ich positive Anerkennung in meinem Leben nahezu NUR durch Geld oder materielle Werte bekommen. Mein Vater konnte nie ein Lob aussprechen und das haben im sogar Mitarbeiter zum Vorwurf gemacht. Mit Kritik an mir habe gelernt umzugehen, die gab es in Hülle und Fülle. Ich war gezwungen mir selbst Kriterien zu erschaffen, mit denen ich meine eigenen Leistungen bewerten konnte um mich in dem was ich gemacht habe bestätigt zu fühlen. Vor anderen kam das so gut wie nie oder zumindest sehr selten und das erst nach meiner Lebensmitte.

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
Re: Männlichkeit
12. Juli 2022 17:40
Ehrlich gesagt, kann ich mit dem Begriff "emotionale Reinheit" nichts anfangen. Der Begriff "Reinheit" ist bei mir stark religiös besetzt und das in einer Weise, die ich für mich ablehe. Die Sortierung nach rein und unrein hat für mich immer die Konnotation von "erlöst" und "verworfen", ein Dualismus, den ich aufgrund seiner Konsequenzen für das Zusammenleben (nämlich die physische Separation beider Gruppen für nicht erstrebenswert halte.

Gefühle zu zeigen war mir nicht verboten - und ich habe auch meinen Kindern da hoffentlich keine Flausen ins Ohr gesetzt.
Es war vorallem meine Entscheidung jemand anderen nicht in mich hineinschauen zu lassen.
WARUM diese Idee in mir Fuß fassen konnte, weiß ich nicht.
Bei unseren Kindern waren wir froh, daß sie sich zu Hause trauten ihren Emotionen freien Lauf zu lassen, sich aber "draußen" zusammenreißen konnten.

Über transgenerationale Traumata könnte man allerdings ganze Bibliotheken verfassen.

Auf den Rest gehe ich später noch mal ein. smiling smiley

Viele Grüße

Flo
Re: Männlichkeit
12. Juli 2022 21:31
Teil2:

Leistungsdruck beim Sex: ist in 99% der Fälle das Produkt fehlender Aufklärung, medial-geschürter Erwartungshaltung sowie männlichen Rivalitätsgehabes. Den Jungen wird weder erklärt, was passiert, wie es passiert, warum es passiert und was tatsächlich "normal" ist, durch die omnipräsente Verfügbarkeit von Sex in den Medien wird ein unrealistisches Bild initiert, welches nur sehr schwer zu korrigieren ist und - ob das damit zusammenhängt, daß Jungen sonst körperlich nicht mehr kaum noch konkurrieren dürfen, müsste man untersuchen - durch das Aufeinanderprallen dieser unrealistischen Erwartungshaltungen in den Peergroups werden Unsicherheiten geschürt und Leistungsstandards gesetzt.
Die Telegonie beim Menschen sollten wir wohl besser dahin stellen, wo sie hingehört, nämlich in den Aktenschrank der Medizingeschichte.

Nackheit ist für mich mit vielen Tabus belegt. Es war bei uns zu Hause schlicht nicht üblich sich nackt zu zeigen und zu bewegen. Die von außen herangetragenen Kritiken "zu klein", "zu schmächtig", etc. führten dann dazu, daß ich im Grunde völlig verklemmt bin. Erst durch meine Kinder und den Wunsch ihnen ein etwas "normaleres" Körpergefühl zu vermitteln bin ich da über viele Hürden gesprungen. Heute glaube ich, daß die Aussöhnung mit dem eigenen Körper und seinen "Makeln" eine elementare Notwendigkeit für eine gesunde Beziehung zu sich selbst sein dürfte.
Wenn dieses Selbstwertgefühl nicht früh erlernt und dauerhaft gefestigt wurde, ist es - soweit meine eigene Erfahrung - extrem schwer, zu sich selbst zu finden,

Was die Berichte über die Musterungen angeht und die angeblichen Forenbeiträge von medizinischen Assistentinnen so habe ich daran gewisse Zweifel an der Glaubwürdigkeit. Seit etlichen Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Zirkumzision und bin im Laufe der Zeit über einige Forenbeiträge gestolpert, die bei genauerer Betrachtung aus der Fake- bzw. Fetisch-Ecke stammten (es gibt ganze Fetischforen, die sich medizinisch tarnen). Die Verbreitung von Phantasien in Foren ist durchaus ein Massenphänomen - gerade, wenn es um Sex geht. Das hat mit der Realität nur am Rande zu tun. Ich will gar nicht abstreiten, daß auch das medizinische Personal sexuell angesprochen werden kann - gerade, wenn es sich bei den Patienten ausschließlich um junge, gesunde Männer handelt - allerdings wäre das Herumtratschen darüber schon eine äußerst grenzwertige Dienstpflichtverletzung und der gebotenen Professionalität völlig zuwider.

Anerkennung bzw. das Angenommensein waren zentrale Punkte in der therapeutischen Begleitung vor meinem Outing und ich bin bis heute nicht in der Lage solche ausgesprochene Annahme anzunehmen. Bei mir haben sich tiefsitzende Zweifel eingegraben, ob der Sprecher es wirklich ernstmeint, denn ich bin jetzt schon mehrfach auf solche Typen hereingefallen, die ihre Zuneigung nur vorgegaukelt haben und eigentlich ein ganz anderes Spiel spielten.
Von Seiten meiner Eltern kann ich da wenig sagen, ich wüsste schlicht nicht, daß das bei uns mal in die eine oder andere Richtung Thema gewesen wäre. Es war wohl eher eine Selbstverständlichkeit die vorausgesetzt wurde, die aber ein Kind als solche unter Umständen gar nicht erkennen kann.

Viele Grüße

Flo
Re: Männlichkeit
13. Juli 2022 07:47
Hallo FlorianW,

auch hier wieder vielen Dank für Deine Antwort.

„Ehrlich gesagt, kann ich mit dem Begriff "emotionale Reinheit" nichts anfangen.“

Das ist kein Begriff der mit Religion zu tun hat. Abgesehen davon bin ich weit davon entfernt mich als religiös zu bezeichnen, denn alle Religionen sind für mich dogmatisch. Ich bin spirituell. „Emotionale Reinheit“ bedeutet auf verbale Angriffe oder Trigger durch andere Menschen keine emotionale Reaktion mehr darauf zu haben. Dazu muss man die Resonanz in sich auflösen. Der andere kann dann sagen was er will, es berührt mich in keiner Weise mehr.

„Gefühle zu zeigen war mir nicht verboten…“

Ich würde bezweifeln, dass es um ein Verbot geht. Es ist allerdings so, dass die Gefühle, die - um beim Thema Männlichkeit zu bleiben - männlich untypisch sein sollen, Reaktionen bei anderen auslösen, die verletzend und erniedrigend sind. Daher wird man diese von selbst vermeiden, sofern man dies kann. Mir war es selten möglich meine Tränen einfach zu unterdrücken.

„Es war vorallem meine Entscheidung jemand anderen nicht in mich hineinschauen zu lassen.“

Das ist ja auch in Ordnung, wenn man sich und sein Innerstes vor anderen schützt. Ich denke, dass das wohl die meisten Menschen instinktiv so machen.

„Leistungsdruck beim Sex: ist in 99% der Fälle das Produkt fehlender Aufklärung, medial-geschürter Erwartungshaltung sowie männlichen Rivalitätsgehabes. Den Jungen wird weder erklärt, was passiert, wie es passiert, warum es passiert und was tatsächlich "normal" ist, durch die omnipräsente Verfügbarkeit von Sex in den Medien wird ein unrealistisches Bild initiert, welches nur sehr schwer zu korrigieren ist und - ob das damit zusammenhängt, daß Jungen sonst körperlich nicht mehr kaum noch konkurrieren dürfen, müsste man untersuchen - durch das Aufeinanderprallen dieser unrealistischen Erwartungshaltungen in den Peergroups werden Unsicherheiten geschürt und Leistungsstandards gesetzt.“

Das sehe ich genau so. Wir haben schon seit Jahrzehnten eine abartige Sexualisierung der Gesellschaft mit ernsthaften Folgen. Bei mir hat das dazu geführt, dass ich immer weniger Lust habe. Für mich gibt es noch andere und wichtiger Dinge im Leben als Sex.

„Die Telegonie beim Menschen sollten wir wohl besser dahin stellen, wo sie hingehört, nämlich in den Aktenschrank der Medizingeschichte.“

Die Telegonie ist weit davon entfernt etwas mit Medizingeschichte oder Medizin zu tun zu haben. Es ist ein Tatsache die wirkt, ob man das nun glauben möchte oder davon Abstand nimmt. Wie bereits geschrieben konnte ich es sehr wohl beobachten und daher ist es für mich eine Tatsache, doch jeder wie er meint und möchte.

„Nackheit ist für mich mit vielen Tabus belegt. Es war bei uns zu Hause schlicht nicht üblich sich nackt zu zeigen und zu bewegen. Die von außen herangetragenen Kritiken "zu klein", "zu schmächtig", etc. führten dann dazu, daß ich im Grunde völlig verklemmt bin. Erst durch meine Kinder und den Wunsch ihnen ein etwas "normaleres" Körpergefühl zu vermitteln bin ich da über viele Hürden gesprungen. Heute glaube ich, daß die Aussöhnung mit dem eigenen Körper und seinen "Makeln" eine elementare Notwendigkeit für eine gesunde Beziehung zu sich selbst sein dürfte.
Wenn dieses Selbstwertgefühl nicht früh erlernt und dauerhaft gefestigt wurde, ist es - soweit meine eigene Erfahrung - extrem schwer, zu sich selbst zu finden,“


Eine wirkliche sexuelle Aufklärung hat es bei mir zu Hause nie gegeben, die kam dann erst in der Schule. Nackt bewegt haben wir uns in der Wohnung auch nie. Es hat sich allerdings auch keiner versteckt. Im Urlaub waren wir oft auf FKK-Anlagen. Dennoch war ich sehr lange sexuell verklemmt und es hat auch sehr lange gedauert, bis ich mich dem Thema öffnen konnte und mich damit beschäftigt habe.

Das Buch zum Thema Musterung hat immerhin einen Umfang von über 260 Seite, teilweise auch mit rechtlichen Darstellungen und Schreiben an Regierungsstellen. Der Autor hat sich die Mühe gemacht, wie ein Journalist Interviews von betroffenen zu bekommen und sich in alle Richtungen zu informieren und hatte dabei auch ein kleines Team, das ihn unterstützt hat. Daraus entnehme ich, dass es sehr wohl Hand und Fuss hat, was er schreibt.

„Anerkennung bzw. das Angenommensein waren zentrale Punkte in der therapeutischen Begleitung vor meinem Outing und ich bin bis heute nicht in der Lage solche ausgesprochene Annahme anzunehmen. Bei mir haben sich tiefsitzende Zweifel eingegraben, ob der Sprecher es wirklich ernstmeint, denn ich bin jetzt schon mehrfach auf solche Typen hereingefallen, die ihre Zuneigung nur vorgegaukelt haben und eigentlich ein ganz anderes Spiel spielten.“

Aus meiner eigenen Erfahrung können andere und dazu zähle ich auch Therapeuten viel erzählen, was man tun sollte. Für mich hat das so nie funktioniert, obwohl ich nie eine therapeutische Sitzung hatte. Wenn innere Glaubenssätze - meist aus der Kindheit - die Selbstannahme verhindern, dann wird man das so auch nie fühlen. Gute Erfolge kann man für sich selbst haben, wenn man diesen Glaubenssätze auf die Spur kommt und sie auflöst. Dann kann man sich neu programmieren mit „ICH BIN …“ und dann fühlt man es auch.

Auf Anerkennung von anderen kann ich schon lange verzichten, da ich diese eh selten bekommen habe. Mit Lob oder ähnlichen Anerkennungen kann ich nur schwer umgehen und drücke sie weg.

Viele Grüsse

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
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Re: Männlichkeit
13. Juli 2022 15:16
Hallo FlorianW,

bei meinen letzen Ausführungen hat mir dann die Zeit gefehlt um auf etwas anderes einzugehen, was Du geschrieben hast.

„Seit etlichen Jahren beschäftige ich mich mit dem Thema Zirkumzision…“

Es ist sicher schon 25 Jahre her, dass ich mich mit diesem Thema intensiv beschäftigt habe und alles was ich an Informationen bekommen konnte gesammelt habe. Das Thema hat mich irgendwie getriggert ohne dass ich bis jetzt weiss warum.

Jedenfalls ist das Thema wieder hochgekommen, als in Deutschland ein Urteil dazu ergangen ist. In den Kreisen des Islam und Judentum hat es Wellen geschlagen und das Ganze kam kurze Zeit in die Medien. Seitdem ist wieder Stille.

Mir scheint, dass die Männerwelt hier gespalten ist, da es einerseits harte Befürworter gibt und andererseits absolute Gegner. Tatsache ist, dass sich die Natur etwas dabei gedacht haben muss, diese Haut zu erschaffen, in der immerhin sehr viele Nervenbahnen enden. Muss der Mensch alles verschlimmbessern, was die Natur erschaffen hat?

Die ganzen Argumente, die hierfür vorgebracht werden, sind nur Scheinargumente um ein altes Opfer-Täter-Opfer-Spiel zu rechtfertigen. Zuerst sind die Jungen die Opfer und wenn sie erwachsen und selbst Väter sind, werden sie zu Tätern an ihren Jungen. Das Trauma das dort gesetzt wird, wiederholt sich von Generation zu Generation. Wozu?

Allein über dieses Thema könnte man ebenfalls ein Buch schreiben, doch das würde garantiert die Gemüter erhitzen und hierbei handelt es sich nur um die Beschneidung von Jungen / Männern.

Viele Grüsse

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
Re: Männlichkeit
13. Juli 2022 15:58
"Es handelt sich NUR um die Beschneidung von Jungen / Männern."

Genau in solchen Formulierungen (ich weiß, Du hast es anders betont gedacht, vmtl. schon im Hinblick auf die FGM), finde ich, kommt ein Männerbild und Menschenbild zum Ausdruck, daß ich pers. extrem schwer zu ertragen finde.

Es sind eben nicht einfach "NUR" Männer und Jungen, die das eben einfach abkönnen müssen, bei denen es egal ist was sie am Ende noch fühlen Hauptsache der Peter steht und kann ejakulieren (und wenn nicht halt Pech gehabt). Es ist diese Geringschätzung, die mich wirklich wütend nacht.

Und es ist ja nicht nur in der Zirkumzisionsfrage so, sondern zieht sich ja durch viele Bereiche des Alltags. Ich habe es schon in der Schule erlebt und nach der Schulzeit meiner Söhne ist das nicht besser geworden sondern schlimmer.

Die Genderdebatte macht es dabei nochmal zusätzlich schwieriger, wenn ein Junge oder Mann sich eben nicht einem der diversen Buchstaben in der Suppe zuordnen kann, sondern einfach nur Junge bzw. Mann und wohlmöglich noch hetero ist und sogar sein will.

Ich selbst lege großen Wert darauf, daß ich vielleicht ein kleines, - für meine Begriffe - versautes Bärchen bin, daß Männer(!) extrem geil findet, aber deswegen bin ich noch lange kein "G" in einer Buchstabensuppe auf veganer Wasserbasis.

Insofern gehört für mich zum Mann sein auch die Emanzipation von dieser neuen Form des gesellschaftlich völlig akzeptierten Sexismus. Ich weigere mich schlicht, mich dafür im Grunde entschuldigen zu müssen als Mann geboren worden zu sein, wie ich es in der gesellschaftlichen Debatte immer wieder als Anspruch erlebe. In meinem privaten Umfeld bin ich davon weitgehend verschont geblieben, was aber auch damit zusammenhing, daß ich immer schon "anders" war und vielleicht in vielen Dingen mehr "Mädchen" als andere Jungs in meinem Alter (von diesem "Mädchen" ist allerdings außer einem gewissen Talent in der Küche und einem gewissen Hang zum Tratsch nichts mehr übrig).


Oder der latenten Annahme "der Junge kann das schon ab".

Es ist eben der Unterschied, ob ein jumger Mann sich bei der Musterung im vollen Bewusstsein seiner eigenen Körperlichkeit ausziehen kann oder ob seine Scham dabei einfach ignoriert wird.

Viele Grüße

Flo



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 13.07.22 16:01.
Re: Männlichkeit
13. Juli 2022 18:50
Hallo FlorianW,

wenn ich schreibe „es handelt sich NUR um die Beschneidung von Jungen / Männern“, dann deswegen, weil es weltweit sehr viel häufiger passiert und selbstverständlicher ist als die perverse Beschneidung von Mädchen / Frauen, die wahrscheinlich noch eine sehr viel schlimmere Genitalverstümmelung ist, als die Beschneidung bei Jungen / Männern. Mit der Beschneidung von Mädchen / Frauen habe ich mich nie tiefer auseinandergesetzt, dennoch verurteile ich sie.

„Es ist diese Geringschätzung, die mich wirklich wütend nacht.“

Die Wut hilft diesen betroffenen Mädchen / Frauen in keiner Weise weiter. Diese Traditionen sind tief in der Kultur dieser Menschen verankert. Erst wenn die breite Öffentlichkeit diesem Thema Aufmerksamkeit schenkt, anstatt es zu verschweigen oder wegzudrücken, kann sich etwas verändern. Doch auch das wir viel Zeit brauchen und auch weiterhin viel Leid erzeugen.

Wut ist nur dann konstruktiv, wenn wir sie dazu einsetzen um auf die Missstände aufmerksam zu machen. Ich hatte schon mehrere Blogs, wo ich intensive Gesellschaftskritik geübt habe. Dort habe ich mich mit unterschiedlichen Beiträgen für Schwache und Minderheiten eingesetzt. Interessiert hat es kaum jemanden. Mein letzter Blog viel der Zensur von Wordpress zum Opfer.

„Die Genderdebatte macht es dabei nochmal zusätzlich schwieriger, wenn ein Junge oder Mann sich eben nicht einem der diversen Buchstaben in der Suppe zuordnen kann, sondern einfach nur Junge bzw. Mann und wohlmöglich noch hetero ist und sogar sein will.“

Mit dem Gender habe ich mich viel beschäftigt und kam dabei auch zu der Erkenntnis, dass gerade die LGBT-Bewegung eine Triebfeder ist. Durch einschlägige Erfahrungen auf einer solchen Plattform, wo ich das Treiben an den Schulen aufzeigen wollte, wurde mein Beitrag zensiert. Es ist ABSICHT, bereits die kleinsten in ihrer sexuellen Identität zu verunsichern. Die Verunstaltung unserer Sprache wird immerhin hin und wieder schon kritisiert und von wenigen auch verweigert.

„was aber auch damit zusammenhing, daß ich immer schon "anders" war und vielleicht in vielen Dingen mehr "Mädchen" als andere Jungs in meinem Alter (von diesem "Mädchen" ist allerdings außer einem gewissen Talent in der Küche und einem gewissen Hang zum Tratsch nichts mehr übrig).“

Als Frau im Mann, war ich auch schon immer anders nur hat es eben lange gebraucht, bis ich das erkannt habe. Die Frauen hatten ihre Emanzipation nur haben sie dabei vergessen auch ihre weibliche Seite mit einzubeziehen. Für viele Männer wäre es bitter nötig, sich eben auch ihrer weiblichen Seite zuzuwenden anstatt nur ihre Männlichkeit zu leben. Jeder Mensch trägt beiden Seiten in sich und beide Seiten wollen angenommen und gelebt werden.

Viele Grüsse

Hilf dir selbst, sonst hilft dir niemand.
Die Veränderung beginnt bei mir selbst.
Liebe ist meine Rebellion.
Re: Männlichkeit
14. Juli 2022 18:12
Heute habe ich mir ein Video auf ARTE angesehen, wo es um das Liebesleben der Generation Z - Die Lust am Vorspiel ging.

Ich schreibe das deswegen, weil mich das Video sehr negativ berührt hat und ich ein tiefes Mitgefühl für diese Generation empfinde. Danach kann von einer echten sexuelle Aufklärung noch immer keine Rede sein. Sexting, also das versenden von Nacktbildern - altersbedingt strafbare pornografische Darstellungen - ist der Standard. Das Vorspiel findet schon fast rituell, nach vorgegebenen Regeln statt, wovon die Eltern und Erwachsenen generell keine Ahnung haben.

Das Männlichkeitsbild ist erschütternd grotesk verzerrt und oft immer noch gewalttätig. Abgesehen davon sind Homosexuelle nach wie vor ausgegrenzt. In diesem Video kamen auch Homosexuelle zu Wort.

Der Umgang mit sich selbst und dem Gegenüber kann hier nur als komplett gestört bezeichnet werden. Wohin will diese Gesellschaft und die Jugend bzw. jungen Heranwachsenden eigentlich gehen?

Wo ist das Einfühlungsvermögen der Eltern, die offensichtlich keine Ahnung von den Seelenqualen ihrer Kinder haben? Wo sind die Lehrkräfte, denen es wohl egal ist, was auf dem Schulgelände passiert? Wie schlecht ist das Vertrauen der Jugendlichen zu ihren Eltern, wenn sie sich verschliessen und lieber schweigend leiden?

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Re: Männlichkeit
14. Juli 2022 18:54
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß es praktisch unmöglich ist, das Tun von Teenagern zu kontrollieren. Man kann nur warnen und hoffen, daß sie sich an ein paar Grundregeln halten (was man als Erwachsener übrigens auch tun sollte...).

Es ist sehr schwer mit seinen Kindern über Sex und alles, was damit zusammenhängt zu sprechen. Das war es im Grunde schon immer (zumindest ich habe diese Gespräche gemieden wie der Teufel das Weihwasser und die Generationen vor uns waren da auch nicht sonderlich kommunikativ).

Bei meinen eigenen Söhnen löst der Satz "X wir müssen mal reden." mittlerweile rollende Augen und demütige stille Ergebenheit ins Leiden hervor (beim nicht-angesprochenen üblicherweise Lachkrämpfe).

Insofern kann man wirklich nur versuchen ihnen 1. genug Selbstbewusstsein mitzugeben, 2. Regeln, die sie verstehen und bei denen ihnen die Konsequenzen eines Regelbruchs bewusst sind und 3. irgendwie und möglichst früh eine Basis zu schaffen, daß sie jederzeit wissen, daß sie mit ihren Problemen zu einem Erwachsenen gehen sollen, gehen können und gehen müssen. Das muss ja noch nicht mal ein Elternteil sein. Erster Anlaufpunkt kann auch ein anderes Familienmitglied, ein Lehrer, ein Arzt, ein Therapeut oder sonst jemand sein, von dem die Kinder wissen, daß die eigenen Eltern diese Person kennen und schätzen. Aber man kommt halt irgendwann auch nicht mehr ohne weiteres an sie ran.
Re: Männlichkeit
15. Juli 2022 08:22
Hallo FlorianW,

auch hier wieder meine Dank für Deine Antwort.

„Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, daß es praktisch unmöglich ist, das Tun von Teenagern zu kontrollieren.“

Hier bin ich vollkommen bei Dir. Man muss Jugendlichen die Freiheit lassen, die sie brauchen um ihre eigenen Erfahrungen zu machen. Darauf habe ich auch meine Mutter schon x-mal bei meinem Neffen und meiner Nichte hingewiesen, die glaubt sie müsse sie auf wenig sensible Art und Weise massregeln.

„Es ist sehr schwer mit seinen Kindern über Sex und alles, was damit zusammenhängt zu sprechen. Das war es im Grunde schon immer (zumindest ich habe diese Gespräche gemieden wie der Teufel das Weihwasser und die Generationen vor uns waren da auch nicht sonderlich kommunikativ).“

Wenn man selbst offen über Sex reden kann, dann bin ich mir sicher, dass man über das angeblich natürlichste beim Menschen auch mit Kindern und Jugendlichen reden kann. Mir wäre es lieber gewesen, von mir vertrauten Menschen, wie meinen Eltern, etwas darüber zu hören. Leider waren sie in diesem Punkt wohl selber verklemmt. Meiner Mutter war das Thema eher unangenehm und ist es bis heute noch immer. Mein Vater hat sich davon komplett distanziert und wenn etwas von ihm kam, dann in einer aggressiven Art und Weise. So kann man doch keinen offenen Umgang mit der Sexualität haben. Leben wir immer noch in einer Zeit, der angeblichen Freizügigkeit, wo man es dann im Dunkeln treibt?

Ausgerechnet das Thema, das uns in den Medien ständig begegnet ist noch immer massiv mit Tabus, Prüderie und Verklemmtheit belastet.

„Bei meinen eigenen Söhnen löst der Satz "X wir müssen mal reden." mittlerweile rollende Augen und demütige stille Ergebenheit ins Leiden hervor (beim nicht-angesprochenen üblicherweise Lachkrämpfe).“

Lach, das kann ich sehr gut verstehen. Ich kann hier nur aus meiner Sicht schreiben und bin insofern aussen vor, weil ich keine Kinder habe - zum Glück. Nur, würde ich dieses Thema so nie angehen, wenn ich Kinder hätte. Ich gehe hier von meinem Empfinden aus, wo ich dann mit Sicherheit auch so reagieren würde, wenn man mich so direkt darauf angesprochen hätte. In so ein Thema würde ich, bei passender Gelegenheit, sanft überleiten und es sich entwickeln lassen. Das braucht einen vertrauensvollen Raum, ohne Druck und ohne den Eindruck zu erwecken, man wolle ihnen jetzt etwas sagen, von dem sie keine Ahnung haben. Die sind durch das Internet aufgeklärter als wir damals. Wenn schon Achtjährige Hardcorepornos auf dem Handy haben, dann ist schon alles klar. Zum Thema Porno und Sexsucht habe ich einen Beitrag geschrieben, der auch das Thema von Jugendlichen, teilweise auch aus der Sicht der Polizei, darstellt. Hierbei hat sich dann auch herausgestellt, dass die Deutschen auf Platz Nr. 1 beim Porno schauen stehen. Offenbar findet der Sex heute eher auf den Bildschirmen statt, als im Schlafzimmer.

Als wir in der Schule „Sexualkunde“ hatten, war die erste Stunde schon sehr seltsam, Es gab so eine schamhafte Stimmung. Ich hatte auch das Gefühl, dass die junge Lehrerin das zum ersten Mal gemacht hat und es ihr irgendwie auch etwas peinlich war. Wenn ich mich recht erinnere, waren wir damals so 14 Jahre alt. Mir wäre es lieber gewesen, wenn das wenigsten zwei Jahre früher stattgefunden hätte.

„…und möglichst früh eine Basis zu schaffen, daß sie jederzeit wissen, daß sie mit ihren Problemen zu einem Erwachsenen gehen sollen, gehen können und gehen müssen. Das muss ja noch nicht mal ein Elternteil sein. Erster Anlaufpunkt kann auch ein anderes Familienmitglied, ein Lehrer, ein Arzt, ein Therapeut oder sonst jemand sein, von dem die Kinder wissen, daß die eigenen Eltern diese Person kennen und schätzen.“

Aus meiner Sicht wäre es wichtig, dass sie sich mit ihren Problemen an die Eltern wenden können. Das geht jedoch nur, wenn die Eltern offen dafür sind und die Kinder / Jugendlichen das auch spüren und ein echtes Vertrauensverhältnis da ist. Das war bei meinen Eltern keineswegs so. Es scheint mir noch immer der Ausnahmefall zu sein, dass es hier eine echtes Vertrauensverhältnis gibt. Aus meiner Erfahrung auch bei Bekannten, mit deren Sohn - allerdings in einem anderen Bereich - ist mir auch klar, dass Kinder / Jugendliche einen Erwachsenen ausserhalb der Familie brauchen, ZU DEM SIE VERTRAUEN HABEN und dem sie sich öffnen können. Sie müssen auch absolute Gewissheit haben, dass das, worüber sie erzählen, BEI DEM BLEIBT, dem sie es erzählen. Mir ist allerdings auch bewusst, dass man diese Menschen nur sehr schwer, wenn überhaupt findet.

Bei dem Sohn meiner Bekannten - er war damals 10 Jahre alt - war es so, dass er mir durch ein Spielzeug zu verstehen geben wollte, was ihn belastet. Sein Zimmer war das reinste Chaos und er wollte so oft wie möglich wo anders schlafen um nur aus dem Zimmer raus zu kommen. Als bei mir der Groschen gefallen war, konnte ich ihm helfen und das Problem lösen.

Als Erwachsene brauchen wir ein Gefühl dafür, was uns Kinder / Jugendliche zu verstehen geben wollen. Manchmal ist das mehr symbolhaft, weil sie Hemmungen haben oder keine Ahnung haben, wie sie es uns mitteilen sollen, wo ihr Problem liegt. Dazu müssen wir uns allerdings ihnen auch offen zuwenden.

Wenn wir einmal alt sind und diese Kinder / Jugendlichen in verantwortungsvollen und leitenden Positionen sind, wie werden sie dann mit uns umgehen?

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