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Selbstfindung mit 36?

geschrieben von arthur1978 
Selbstfindung mit 36?
06. April 2015 22:49
Hallo,

bin 36 und zurzeit ziemlich durcheinander. Seit 3 Jahren bin ich Single, hatte davor über 3 Jahre lang eine heterosexuelle Beziehung (meine erste Beziehung überhaupt mit 30 Jahren, da ich ziemlich schüchtern bin).

Seit einigen Monaten entdeckte ich mich immer wieder dabei, dass ich attraktiven Männern auf der Straße/in der U-Bahn usw. verstohlene Blicke zugeworfen habe. Vor einigen Wochen ist mir nun bei meiner Arbeitsstelle ein Kollege aufgefallen, den ich total sympathisch und auch attraktiv gefunden habe. Wir haben dienstlich nichts miteinander zu tun, man grüßt sich aber wenn man sich auf dem Gang oder in der Kantine begegnet. Vor drei Wochen jedoch sind wir auch mal kurz ins Gespräch gekommen, und seitdem will er mir nicht mehr aus dem Kopf... Ich ertappe mich immer wieder dabei, dass ich an ihn denke, ja, ich kann durchaus sagen, dass ich mich ein wenig in ihn "verknallt" habe...! Die letzten Male als wir und auf dem Gang begegnet sind, hatte ich total Herzklopfen... Habe ihm letzte Woche sogar eine Mail geschrieben (total nichtssagend, habe nur mal angedeutet dass ich ihm gerne mal eins ausgebe wenn er mag - zu mehr habe ich mich einfach nicht getraut), er hat auch ganz nett aber auch sehr unverbindlich geantwortet. Ich weiss nicht ob er schwul ist, die Wahrscheinlichkeit ist rein statistisch deutlich höher dass er es nicht ist.

Bis dahin war ich nie in Jungs/Männer verliebt, sondern nur in Mädchen/Frauen. Allerdings habe ich mir schon in meinen Zwanzigern immer wieder mal im Internet Fotos von nackten Typen bei der Selbstbefriedigung angeschaut, und ich war dabei ziemlich erregt und hatte mich dann selbst dabei befriedigt. Da ich aber wie gesagt immer nur in Frauen verliebt war, habe ich das damals als eine vernachlässigbare Neigung bzw. als eine vorübergehende Phase abgetan.

Nun wollte ich mich jedoch mal testen und habe mir in den letzten Monaten immer wieder mal pornografische Gay-Filmchen (mit allen sexuellen Handlungen, die dazu gehören) angeschaut, und muss zugeben, dass ich dabei sehr erregt war...

Habe ich die ganzen Jahre meine homosexuellen Neigungen unterdrückt? Bin ich vielleicht bisexuell und zurzeit in einer homosexuellen Phase? Oder gar ganz schwul??? Der Gedanke, ich könnte schwul sein, macht mir, was meine eigene Person betrifft, nicht mehr so viel zu schaffen. Für mich selbst könnte ich das akzeptieren, habe auch einen guten homosexuellen Kumpel, den ich in meinen momentanen Gemütszustand bereits eingeweiht habe, und als nächstes möchte ich gerne meinem besten Freund davon erzählen, wenn sich dafür eine gute Gelegenheit ergibt. Ob ich meine Liebe für jemanden in einer Partnerschaft eines Tages schenken werde, der männlich oder weiblich ist, das macht für mich nicht mehr den großen Unterschied. Für mich ist es eigentlich nur noch wichtig, dass alles in Liebe geschieht!

Viel mehr Sorgen habe ich davor, es meiner Familie zu erzählen, da ich vor ihrer Reaktion doch große Angst habe. Heute beispielsweise war sie bei mir zu Besuch, es lief ein Videoclip im Fernsehen, bei dem sich 2 Männer geküsst haben, und mein Vater hat dabei einen Gesichtsausdruck gehabt, der einen ziemlichen Ekel vermuten lässt, und ich musste dabei innerlich ziemlich schlucken... Wie würde er reagieren, wenn ich selbst mit so etwas komme...??

Ich wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr mir Eure Gedanken zu meinem Post schildern könntet.

Viele Grüße und alles Gute!
Arthur
Re: Selbstfindung mit 36?
07. April 2015 06:38
Lieber Arthur,

vielen Dank, daß Du Deine Geschichte hier geschrieben hast.

Natürlich ist es nur eine "Ferndiagnose", aber ich denke schon, daß Du schwul bist oder ggf. bi. Und Tendenz eher zu ersterem. Daß man auch auf Frauen steht, ist manchmal auch darin begründet, daß das eben der "normale Weg" zu sein scheint, der auch der Schlüssel zu einem "normalen Leben" zu sein scheint. Und wenn man schwul ist, kann man auch dennoch Frauen attraktiv finden, zumal es eben "normal" ist und man damit ja auf dem rechten Weg zu sein scheint. Wenn man bi ist, kann es auch durchaus sein, daß man im Zweifelsfall lieber die Nähe zu Frauen sucht, weil die andere Option ja zunächst erst einmal sehr komplex und schwierig erscheint.
Auch daß Du schreibst, daß Du erst "spät" eine Freundin hattest, deutet für mich ein wenig in diese Richtung, wenngleich das aber auch Zufall gewesen sein kann. Ich kenne viele Heteros, die erst spät eine Freundin hatten.

Wegen Deines Vaters ist es natürlich auch schwer einzuschätzen. Es kann sein, ein Vater wirkt total tolerant gegenüber Schwulen und tickt dann aus, wenn der eigene Sohn schwul ist. Oder umgekehrt: er findet schwul grundsätzlich schlimm, aberr beschäftigt sich dann mehr damit und wird verständnisvoller, wenn der geliebte eigene Sohn so ist. Vielleicht hat Dein Vater bislang das Thema Homosexualität noch gar nicht allzu sehr reflektiert und daher hat er nur so ein Halbwissen, daß aus Vorurteilen besteht? Wenn es ihn bislang nicht betraf, gab es für ihn vielleicht keine Veranlassung, ausführlicher darüber nachzudenken?
Ggf. wäre es eine Option, wenn Du erst Menschen um ihn herum einweihst, die ihn etwas auffangen, wenn Du es ihm sagst. Klar, es wird für ihn ein Schock sein, Eltern können da grundsätzlich noch andere Gedanken mit verbinden. Sie wollen stets das Beste für ihre Kinder und meinen damit, ein "normales" Leben, Familie, Kinder - gleichzeitig ihre Enkelkinder. Und plötzlich müssen sie erfahren, daß der Weg des Kindes ein ganz anderer ist, als sie seit 35 Jahren gedacht haben. Er wird Zeit brauchen. Aber es ist schwer zu sagen, wie er langfristig reagiert.
Wie gesagt: vielleicht beschäftigt er sich um Deiner Willen ja auch nach Deinem Coming Out sehr damit und unterstützt Dich. Alles ist möglich.

Aber WENN Du schwul sein solltest, dann solltest Du auch versuchen, Dein Leben in diese Richtung zu korrigieren. Du hast ja gute Voraussetzungen, wenn Du einen schwulen Freund hast bzw, ein Freund schon eingeweiht bist. Du fällst nicht ins Bodenlose.

Ich wünsche Dir ganz viel Glück, Erfolg und Kraft, ich glaube aber - so wie Du schrebst -, Du bist schon sehr weit auf Deinem Weg und hast schon sehr viel nachgedacht über dieses Thema.

Liebe Grüße,
sendet Dir
Mickey2.
Re: Selbstfindung mit 36?
08. April 2015 11:45
Hallo,

mir geht es ähnlich: Früher war ich nur in Frauen verliebt und ganz sicher heterosexuell zu sein. Die Gelegenheiten, die das Internet bietet, sich mal "woanders" umzuschauen, haben mir offenbart, dass ich durch gleichgeschlechtliche pornografische Darstellungen wesentlich mehr erregt werde als durch heterosexuelle.
Die Entwicklung in Richtung Homosexualität läuft seither bei mir in Schüben aber unaufhörlich. Daher glaube ich von meiner Erfahrung her eher nicht, dass es sich um vorübergehende Phasen handelt. Ankämpfen dagegen ist zwecklos.

Ich bin etwas älter als du und bereue die verlorene Zeit ungemein. Dennoch fehlt mir der Mut, mich in meinem Beziehungsgeflecht zu outen. Einen Rat kann ich dir also auch nicht geben, höchstens den Trost, dass es sehr vielen Männern offenbar ähnlich geht.

Alles Gute!
Markus
Re: Selbstfindung mit 36?
16. Juni 2015 22:45
Lieber Arthur,

zwar bin ich eine Frau, aber mir ergeht es ganz ähnlich wie Dir.
Ich stehe auch vor der Frage: Was bin ich? Wer bin ich? Bin ich homo-bi-oder doch nur heterosexuell?

Ich bin fast 34 Jahre alt, und mein Traum war immer Mann-Kinder-Familie.
Allerdings haben die Beziehungen zu Männern bei mir nie richtig funktioniert.
Ich war schon verliebt, aber etwas in mir hat mich immer in innerer Distanz zu Männern gelassen.
So torkelte ich von einer Männer-Beziehung in die nächste.

Bis ich mich in eine Frau verliebte.
Mit 33.

Wir kannten uns seit ein paar Monaten über eine gemeinsame Freundin.
Das erste Mal in meinem Leben fühlte ich mich mit einem Menschen wirklich verbunden.
Ich war süchtig nach ihr, und sie nach mir.
Eine ganz außergewöhnliche Freundschaft begann zwischen uns.
Ich fühlte mich von ihr verstanden und angenommen wie nie bei einem Menschen vorher in meinem Leben.

Es dauerte fast fünf Monate bis ich begriffen hatte, dass ich mich in sie verliebt hatte.

Zwar hatte ich mich in der ersten Klasse in ein 15-jähriges Mädchen verliebt, dem ich sogar einen Liebesbrief schrieb,
und währen meiner Pubertät hatte ich immer wieder nächtliche Träume, in denen ich Sex mit Frauen hatte.
Trotzdem hatte ich vorher überhaupt keine sexuelle Erfahrung mit Frauen.

Anfangs versuchte ich mich von meiner Freundin zu distanzieren, weil ich die freundschaft nicht riskieren wollte.
Aber nach weiteren zwei Monaten hielt ich es nicht mehr aus, und gestand ihr, dass ich mich in sie verliebt hatte.

Zu meinem großen Glück erwiderte sie meine Gefühle.
Sie hatte vor mir bereits eine zweijährige Beziehung mit einer Frau.

Der erste Sex mit ihr war ein Schlüsselerlebnis für mich!
Noch nie vorher hatte ich solch schöne und erregende Gefühle erlebt.

Wir hatten eine sehr schöne Zeit, und ich war überglücklich, und zutiefst dankbar, dass auch ich jetzt endlich Glück in der Liebe finden durfte.

Meine Mutter und mein Bruder reagierten absolut positiv darauf.
Bloß, mein Vater.
Er zwang mich quasi zu meinem coming out.
Ich wollte es ihm in Ruhe SELBST erzählen.
Doch er überfiel mich, und sagte mir, dass er sich das ja schon gedacht hätte, dass es ihm jetzt sehr schlecht ginge, und er schwer enttäuscht sei von mir.
Und ob ich denn überhaupt kein Interesse mehr an Männern hätte, und ob das jetzt für immer so sei.

Zuerst dachte ich, dass ich über seine Worte stehen würde.
Doch seine Worte haben mich leider sehr beeinflusst, und mich in eine schwere Identitätskrise gestürzt.
In der mich monatelange Zweifel an mir, meiner sexuellen Identität, und leider auch an der Beziehung zu meiner Freundin plagten.
Ich hatte regelrechte Angst-und Panikattacken, und wurde depressiv.

Es führte sogar dazu, dass ich die Beziehung zu meiner Freundin beendete, da ich nicht mehr wusste, wer ich war.
Eine Psychologin, die selbst Mutter eines schwulen Sohnes ist, und beim coming out Schwule/Lesben/Bisexuelle berät,
sagte mir, dass ich mich erst jetzt im eigentlichen coming out befände.
Und das eine schwierige Phase sei.

Deshalb sei froh, dass Du jetzt Dein coming out erlebst, bevor Du Dich Hals über Kopf in einen Mann verliebst, der Dir am Herzen liegt.

Ich rate Dir, folge Deinen Gefühlen, auch wenn sie vielleicht noch indifferent sind.
Und wenn Dein Herz für Männer schlägt, dann oute Dich, bevor Dir Dein Vater das outing vorwegnimmt.

Liebe Grüße,

Dalila
Re: Selbstfindung mit 36?
26. Juni 2015 23:11
Hallo,

naja, Outen muss man sich eigentlich garnicht, aber man sollte versuchen es zu leben.

Und dann gibt es Leute, denen sagt man es besser vorher, als dass sie es "hintenrum" erfahren.

Welcher Personenkreis dazu gehört, musst Du selbst wissen.
Mir war wichtig, dass es meine Frau und die Kinder VON MIR erfahren. Alle anderen waren mir mehr oder weniger egal. Gesagt habe ich es nur meiner Schwester und meinem besten Freund ... eben telefonisch, und meiner Mutter ... 1/2 Jahr später selbst. Alle anderen haben es mehr oder weniger selbst herausgefunden oder von anderen gesagt bekommen ...

Quote

Die letzten Male als wir und auf dem Gang begegnet sind, hatte ich total Herzklopfen... Habe ihm letzte Woche sogar eine Mail geschrieben (total nichtssagend, habe nur mal angedeutet dass ich ihm gerne mal eins ausgebe wenn er mag - zu mehr habe ich mich einfach nicht getraut), er hat auch ganz nett aber auch sehr unverbindlich geantwortet. Ich weiss nicht ob er schwul ist, die Wahrscheinlichkeit ist rein statistisch deutlich höher dass er es nicht ist.

Das mit der Statistik und Wahrscheinlichkeit sehe ich nicht sooo negativ.

Ich glaube nicht, dass ich auf einen Kerl "anspringen würde", der "stockhetero" ist. Irgendwie muss da eine "Schwingung" sein, dass man sich offen oder heimlich verliebt. Es kann natürlich sein, dass man auf einen "verdeckt schwulen" Kerl trifft, was die Sache nicht einfacher macht. ...

Nur Mut, die Leute kommen schon klar damit, wenn DUUUUU damit klarkommst :_)))

Liebe Grüße
Victor
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