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Meine Geschichte

geschrieben von Mickey2 
Meine Geschichte
17. März 2012 20:21
Meine Geschichte
geschrieben von: Mickey2 (-)
Datum: 29. April 2002 20:46

Hallo,

lange habe ich mir überlegt, ob ich meine Story hier erzählen soll, zum einen, weil ich sie in anderem Zusammenhang auszugsweise bereits berichtet habe, zum anderen, weil ich nicht weiß, ob sie – außer für mich selbst – überhaupt interessant ist. Da es mir aber selber sehr viel hilft, die Geschichten anderer zu lesen oder hören, habe ich mich nun schließlich doch dazu entschlossen.

Ich heiße "Mickey", bin 34 Jahre alt und lebe in Freiburg. Das ich schwul bin, weiß ich eigentlich schon lange. Schon so mit 12 Jahren fühlte ich mich eher zu anderen Jungs als zu den Mädels hingezogen, wenngleich ich mich stets bemühte dies zu verbergen. Irgendwelche Gefühle in die Richtung versuchte ich stets vor mir selber damit abzutun, daß es "nur eine Phase" oder so sei. Man hört ja dann auch immer irgendwelche Begriffe wie "Jugendhomosexualität" und daß dies sich legen würde. Also kein Grund zur Sorge.
Nur ein einziges Mal habe ich mich mal "ganz kurz" in dieser Zeit geoutet. Es war in der Zeit, als im Fernsehen und sonstwo immer wieder Berichte über AIDS etc. kamen. Völlig verwirrt rutschte mir vor meiner Mutter dann mal der Satz heraus: "Ich bin schwul!" Aber sogleich nahm ich das selbst wieder zurück und auch meine Mutter beruhigte mich damit, daß ich dies ja noch gar nicht wissen könne etc. Seither habe ich nie mehr mit ihr darüber gesprochen. Ich weiß nicht, ob sie über diesen einen Satz jemals wieder nachgedacht hat und seither von meiner Veranlagung ahnt. Jahre später äußerte sie mal völlig unerwartet – im Beisein einer Bekannten – den Satz: "...wenn Du jetzt auch noch homosexuell wärst, dann wäre ja alles aus..." – dann nichts mehr. Außerdem stochert sie hie und da mal vorsichtig in dem Thema "Hast Du eine Freundin?" oder "Wäre nicht ... etwas für Dich?" herum. Aber sobald das Thema sich vertiefen könnte, schwenken wir beide jeweils gekonnt ab.

Aber zunächst mal zurück in meine Kindheit. Bis auf den einen unglücklich-naiven Ausrutscher sprach ich eigentlich nie mit jemanden über das Thema "Schwulsein". Ich hatte während meiner Schulzeit durchgängig einen besten Freund, für den ich zu diesem Zeitpunkt alles getan hätte (und der dies zuweilen auch schwer ausnutzte), aber damit hatte es sich schon. Hie und da verliebte ich mich auch mal in einen anderen Jungen, aber ich schaffte es in der Regel stets, allzu große "Peinlichkeiten" und Fettnäpfchen zu umkurven (hoffe ich jedenfalls...). Doch je älter ich wurde, desto gewisser war mir auch, daß sich an meiner Neigung nichts mehr ändern würde. Mit aller Vorsicht versuchte ich mich auch "auf Katzenpfötchen" dem Thema zu nähern, doch irgendwie waren die wenigen Schwulen, die ich real sah, eher abschreckend für mich. Beim Bund (ich war dort für zwei Jahre) kannte ich während der Grundausbildung mal einen Schwulen, der auch unglücklich in einen Kameraden verliebt war und sich dadurch – da es allzu offensichtlich und gleichzeitig hoffnungslos war – vor den anderen leider zum Narren machte. Ich war damals zu feige, um ihm evtl. beizustehen und sah dem Ganzen eher aus der Entfernung zu.
Eine andere Begegnung einige Jahre später mit einem anderen offensichtlich Schwulen verlief auch eher abschreckend für mich. Als ich einen Freund anläßlich einer Theateraufführung in seinem Ort besuchte, rannte mir dort ein ebenfalls an der Produktion Beteiligter regelrecht "hinterher", so aufdringlich, daß ich größte Panik bekam.
Das waren – wenn ich es mir genau überlege – die einzigen "realen" Schwulen, die mir in den Jahren nach meinem Abi begegneten. Beides fand ich eher abschreckend und ich dachte: so willst Du nicht sein (mir tut heute meine damalige – fast – Abscheu leid, aber ich sah mich damals irgendwie nicht in der Lage, mich diesem "Problem" zu stellen).
Abgeschreckt von den wenigen "Begegnungen" mit Schwulen, dem Bild von Schwulen in den Medien (und wie ich es aufnahm) zusammen mit der Angst vor den Reaktionen meiner Familie und meiner Freunde beschloss ich, mich niemals zu outen und meine Homosexualität auch niemals ("never ever"winking smiley auszuleben. Und so erschrak ich auch entsetzlich, als bei einem Wachdienst während meiner Bundeswehrzeit irgend jemand (war es ein Scherz oder hatte jemand mich wirklich verdächtigt?) an meinen Namen am Schild meiner Stube "Schwuler" hinzufügte!!! Schnell wischte ich es weg und versuchte, fortan überaus hetero zu wirken.

Nach meiner Bundeswehrzeit änderte sich, obwohl ich in Freiburg blieb, mein Freundeskreis fast vollständig. Bis auf einen Freund, ich nenne ihn hier mal "Eddie", den ich schon die gesamte Schulzeit kannte, und der später eine wichtige Rolle bei meinem Coming Out übernahm, blieben mir vielleicht 3-5 weitere Bekannte. Der restliche Freundeskreis aus der Schule zerbrach (ein Freund starb leider auch durch einen tragischen Unfall). Aber nach langem Einzelgängertum hatte ich das große Glück, in einen neues Freundeskreis hineinzustolpern, der bis heute existiert. Und innerhalb dessen fand ich einen neuen "besten Freund", den ich hier mal "Andreas" nennen möchte. Auch er hat bei meinem Coming Out eine besondere Rolle gespielt.
Mittlerweile war ich Student. Privat machte ich eine schwere Zeit durch, denn meine Großmutter (zuletzt 90 Jahre alt aber sehr fit und für mich eine wichtige Bezugsperson), dann mein Vater (nach mehreren Jahren Pflegeheim) und meine Schwester (von Geburt an schwerstbehindert) starben innerhalb weniger Jahre, zurück blieben meine Mutter, die alle gepflegt hatte, und ich. Fortan waren wir eine Art Zweier-WG und ich bin der letzte aus der Familie, der ihr blieb.
Trotz fand ich damals in meinem neuen Freundeskreis, besonders "Andreas" nahm sich meiner an und unterstützte mich, wo es nur ging. Dadurch fasste ich natürlich großes Vertrauen in ihn. Als ich in dieser Zeit auch wegen meiner Homosexualität in eine Depression hineinschlitterte – die gab es trotz meiner Verdrängungsmechanismen immer wieder mal -, vertraute ich mich ihm schließlich an und outete mich bei ihm. Schwupps, da war es raus! Streng genommen lies ich ihn eigentlich so lange raten, bis er es aussprach. Er verhielt sich großartig, machte zwar klar, daß er hetero sei, aber daß für ihn meine Neigungen keine Rolle spielt. Fortan führten wir viele Gespräche miteinander und er hörte mir oft geduldig zu. Aber ich erklärte ihm auch, daß ich mich eigentlich nicht weiter outen wolle und niemand davon wissen soll (Ausnahme wäre natürlich gewesen, er bekäme mal aus irgendwelchen Gründen Probleme mit seinem exklusiven Wissen, dann dürfe er natürlich in Absprache mit mir darüber reden). Er versprach es mir, doch schon bald bemerkte ich, daß ich ihm wohl zuviel zugemutet hatte, denn irgendwie veränderte sich unsere Freundschaft etwas. Vordergründig blieb alles beim alten, aber irgendwie "pflaumte" er mich immer öfter aus heiterem Himmel an, wurde unfreundlich, so sehr, daß andere deswegen aufmerksam wurden (immerhin waren wir ja "beste Freunde"winking smiley. Irgendwann sprach ich mit ihm darüber. Er gestand, daß ihm das exklusive Wissen doch mehr zusetzte, als er zunächst angenommen hatte. Die Neuigkeit hatte ihn doch mehr beschäftigt, als er dachte, und ohne daß er es wollte, reagierte er diese seltsame Weise. Aber nach dem Gespräch war alles geklärt (ich bot ihm an, mich ihm zuliebe noch weiter zu outen, aber das hielt er nicht für nötig), und wir fanden wieder zur alten Freundschaft zurück.

Und es blieb zunächst dabei – über Jahre – über fast ein Jahrzehnt. Ich arbeitete mittlerweile, neben meinem Studium, an einem kleinen professionellen Theater, bald tat dies sogar ein Großteil meines Freundeskreises. Darüber hinaus war ich in einer Theatergruppe, drehte einen Amateur-Spielfilm, sang in einem Chor – kurzum, ich war überaus beschäftigt, ständig im Stress, und größere Grübeleien kamen nur phasenweise vor.
Ein Coming Out meinerseits war weit in Ferne gerückt, eigentlich nicht wirklich geplant. Nur einmal stellte sich diese Frage. Zu meiner Freundschaft mit Andreas gesellte sich noch eine Freundin, ich nenne sie mal "Linda", und wir waren eine super Dreiergruppe. Einziges Problem: Andreas verliebte ich in Linda, diese aber nicht in Andreas. Stattdessen hatte ich den strengen Verdacht, sie könnte sich in mich verliebt haben. Mir war das zum einen wegen Andreas unangenehm, zum anderen wollte ich Linda niemals das Gefühl geben, ich sei in sie verliebt. Während ich mit Linda nie darüber wirklich sprach, tat ich es aber mehrfach mit Andreas und bot auch mehrfach an – falls er es wünsche und falls es seine Chancen bei Linda erhöhen könnte -, mich bei ihr zu outen. Er lehnte es aber ab, versicherte mir auch glaubhaft, er habe mit ihr gesprochen und sie sei todsicher nicht in mich verliebt.
Wie dem auch sei, irgendwie ging das so über Jahre hinweg, ohne daß sich etwas an den Grundkonstellationen änderte. Immer wieder hatte ich ein schlechtes Gewissen, daß ich mich bei Linda nie outete, beruhigte mich aber immer damit, daß sie schon nicht in mich verliebt sei.

Ansonsten kam Homosexualität nur am Rande in meinem Leben vor. Vereinzelt sah ich mal einen Film, der das Thema thematisierte, bei Diskussionen über diese "Problematik" spitzte ich stets die Ohren, aber stets war ich auch darauf bedacht, mich nicht zu verraten. Schwulen begegnete ich auch vereinzelt am Theater, da einige Schauspieler es eben waren. Selbstredend sprach ich aber nie mit ihnen darüber.

Zu meinem Coming Out kam es dann aber doch. Es begann damit, daß sich Eddie, mit dem ich schon seit der Schulzeit befreundet war, vor drei Jahren bei mir outete. Es war der Lacher des Jahres: er druckste ewig herum und erzählte mir, daß er verliebt sei. "Und was würdest Du nun denken, wenn es keine Frau wäre...?"
Ich ahnte schon was und sagte: "Bist Du etwa schwul?
Er nickte.
Und dann sagte ich wie selbstverständlich: "Ich auch."

Die Verwunderung war groß, das Gelächter auch. Und an dem Abend sprachen wir über alle die Dinge, die ich seit Jahren verdrängt hatte. Es war einfach schön, Wörter wie "schwul" und so mal aussprechen zu können und nicht herumzudrucksen. Einige Tage darauf informierten wir auch Andreas davon, daß wir uns gegenseitig geoutet hatten, und er war sichtlich erleichtert, nicht mehr als einziger davon zu wissen.
Aber in der Folgezeit schwand mein Coming Out auch wieder im weite Ferne. Eddie veränderte sich nämlich in meinen Augen deutlich, ging relativ im neuen Leben auf, hatte – so schien mir – viele Freunde und Partner und fand alles, was nicht zur Szene gehört, zunächst mal eher langweilig. Man sah ihn kaum noch und ich kam wieder in eine große Sinn- und Seinskrise: Will ich auch so werden? Will ich mich komplett oder zumindest größtenteils verändern? Ich fand diese Vorstellung eher abschreckend und vom anfänglichen Enthusiasmus, einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, blieb bald kaum was zurück (wohlbemerkt war Eddies "neues Leben" nur für mich nichts, für ihn war es sicher das Richtige).
Nach ca. einem 3/4 Jahr war ich wieder fest entschlossen, mich niemals zu outen. Doch dann kam der Sommer vor zwei Jahren. Es fing an, daß ich noch einen zweiten sehr, sehr guten (Hetero)Freund namens "Peter" hatte, der sehr um meine Freundschaft – wie mir schien – buhlte. Er wirkte den meisten Anderen eher verschlossen und unverständlich, mir aber vertraute er oftmals intime Details aus seinem Leben mit und schenkte mir großes Vertrauen. Immer wieder gestand er mir – der sonst nicht so gerne über Gefühle sprach – ich sei einer der wichtigsten Menschen in seinem Leben etc. Ich war sehr gerührt. Ich wußte, daß er todsicher hetero war (kein Zweifel!), und war daher von seiner Offenheit mir gegenüber sehr gerührt. Und so sah ich ihn fast täglich. Einmal, nachdem er mir einiges über seine Freundinnen etc. erzählte, fragte er mich: "Und wie sieht es mit Dir und den Frauen aus? In wen bist Du so verliebt?" Er bohrte etwas, doch ich stotterte etwas davon herum, ich sei gerade nicht verliebt, nein, auch nicht in den letzten Wochen und Monaten... Aber ich fühlte mich sch... Er vertraute mir so viel von sich an, ich aber verbarg etwas Wesentliches von mir vor ihm. Und eines abends dann sagte ich zu ihm:
"Ich hoffe, Du sprichst gleich noch mit mir. Ich habe nämlich – hüstel, hüstel – das gleiche Problem wie Dein Bruder..." (Sein Bruder, soviel wußte ich, war auch schwul).
Er grinzte und sagte: "Wenn Du das noch einmal PROBLEM nennst, kriegen wir Ärger!"
Offenbar hatte er keines damit. Was ich sehr wichtig empfand war Folgendes: Peter hatte sich in den vergangenen Jahren sehr um meine Freundschaft bemüht. Vor ca. 2 Jahren hatten wir sehr oft etwas mit einem schwulen Schauspieler unternommen und er fand ihn richtig nett. Ich fragte ihn nun, ob er es schon länger bei mir vermutet hatte und er sagte: Ja, seit eben diesem Schauspieler. Er fand ihn sehr nett und er habe ihn an mich erinnert. Ich fand es ein schönes Kompliment, vor allem, weil er sich ja vor allem danach erst so richtig um meine Freundschaft bemüht hatte.

Das war aber so eigentlich das einzige gute Ereignis in jenem Sommer gewesen. Ansonsten sah es recht düster aus. Ein großes berufliches Projekt war jämmerlich gescheitert, ein sehr guter Freund von mir hatte bösartigen Krebs und verlor einen Fuß (wir bangten ständig um sein Leben), ich verlor auf sehr unschöne Weise den Job am Theater, die Freundschaft mit Linda ging fast entzwei und noch einiges mehr. Eigentlich war meine Homosexualität zu diesem Zeitpunkt anfangs keines meiner Probleme, aber von den anderen wurde ich regelrecht erdrückt und ich war nahe am Selbstmord. Ich war in der tiefsten Krise meines Lebens und irgendwie fühlte ich mich auch sehr alleine (trotz vieler Freunde, die aber gerade ebenfalls irgendwie in diversen Krisen steckten). Plötzlich fand ich es für mich erstrebenswert, mich wenigstens mal des einen "Problemes" zu entledigen. Ich weiß nicht warum, aber ich begann mich zu outen. Nach und nach erzählte ich es den meisten engeren Freunden. Und alle reagierten super, waren sehr interessiert, fragten das eine oder andere nach (Linda war übrigens, wie sie mir bei gleicher Gelegenheit verriet, tatsächlich dereinst in mich verliebt gewesen!). Manche Freundschaften verstärkten sich sogar, da es als positiv angesehen wurde, daß ich etwas so Intimes ihnen erzählte.

Einzig meiner Mutter sagte ich bis heute nichts. Nicht deswegen, weil ich fürchte, sie würde mich verstossen oder so. Ich denke eher, sie würde es schwerer nehmen als ich. Nicht ich säße bei der Rosa Hilfe sondern evtl. sie in der "Selbsthilfegruppe von Eltern schwuler Kinder". Ich glaube manchmal, daß sie es wohl ahnt, aber einfach nicht Gewissheit haben möchte. Sie hatte in den letzten Jahren viele Schicksalsschläge hinter sich, muß ich nun auch noch mit was Neuem zu ihr kommen. Ich verschob daher mein Outing bei ihr immer weiter, und da ich erst im vergangenen Sommer (ein Jahr nach meinem Outing) daheim auszog, dachte ich, es reicht noch danach. Ich dachte, es sei ein guter Zeitpunkt, wenn wir in verschiedenen Wohnungen leben, zumal sie mittlerweile einen neuen sehr lieben Lebenspartner gefunden hatte. Allerdings verstarb dieser vor Kurzem, so daß ich mein Coming Out bei meiner Mutter angesichts ihrer erneuten Trauer wieder verschoben habe.

Probleme habe ich aber nach wie vor mit der "Szene". Es dauerte nach meinem Coming Out einige Monate, bis ich zum ersten mal eine schwule Lokalität betrat, und das auch nur in Begleitung mit Freunden. Nach anfänglicher Begeisterung über den aufgebrachten Mut schwand aber mein Enthusiasmus wieder. Ich glaubte, dort nicht das zu finden, was ich suche. Ich suchte auf gar keinen Fall einen ONS sondern eigentlich gleichgesinnte Freunde, die zufällig auch noch schwul sind. Ich begreife auch meine "neue Seite" eher als Ergänzung zu meinen sonstigen Interessen. Ich bin, so glaube ich, noch immer der "alte" Mickey, nur mit einer neuen Facette. Ich will auf keinen Fall meinen (Hetero)Freundeskreis vernachlässigen.

Aber irgendwie geschah es dann, daß ich bald das Gefühl hatte, ich trete auf der Stelle. Aufgehalten hat mich auch noch, daß ich mich in einen schwulen Freund auch noch unglücklich verliebte. Ich habe es ihm nie gestanden, aber ich kann relativ sicher sagen, daß es einseitig ist. Aber dies hemmte mich auch noch zusätzlich in den letzten Monaten.

Ich hatte mich geoutet, aber sonst war nicht in meinem Leben geschehen. Ich entdeckte das Internet, aber gleich mein erster Chatversuch ging – in meinen Augen – in die Hose. Kaum war ich im Chat, wollte gleich ein Gesprächspartner in einer halben Stunde vor meiner Türe stehen... und ich wollte das Chat ja eigentlich nur mal testen. Ich war total geschockt und überfordert und dachte: wieder nichts für mich.
Ich schrieb in Foren, aber die meisten Bemühungen, sich über ein Thema auszulassen, versandeten, einzig eine Adressenpool mit dem Titel "Jenseits vom Vögeln..." brachte einige nette Mailbekanntschaften (Leider ist diese Einrichtung gerade stillgelegt).
Auch bei co30 – das ich sehr sehr gut finde (Kompliment!) – versuchte ich mich, aber ich erwischte mich dabei, daß die erste Kritik an meinem "neuen Problem" mich gleich wieder einschüchterte, obwohl sie sehr konstruktiv war. Zur Zeit versuche ich, mich etwas von meiner passiven Rolle etwas zu lösen. Bislang wartete ich z.B. stets darauf, daß sich in Freiburg zu einem gewissen kulturellen Interessengebiet von mir mal eine Vereinigung bildet, zu der ich dann mal gehen könnte. Da dies aber nie eintraf, versuche ich gerade selber etwas in der Richtung zu organisieren. Mal sehen, ob es was wird. Für mich aber – so unspektakulär das eigentlich klingt – ist dies schon ein wichtiger Schritt und ich bin mal gespannt...

So, jetzt versandet meine Story irgendwie... Ist - glaube ich - auch schon etwas lange geworden. Wenn ich mal am Erzählen bin... schrecklich. Danke an alle, die bis hierher meiner nicht allzu spannenden Geschichte gefolgt sind. Ich freue mich über jede Meinung und bin auf Eure Geschichten sehr gespannt.

Ich wünsche Euch allen alles Gute,

viele Grüße,

Euer
Mickey.

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: Rüdiger (-)
Datum: 17. Mai 2002 17:37

Hallo Mickey,

Deine Geschichte hat mir gefallen. Es interessiert mich, mit welchen Problemen andere Menschen bei ihrem Outing kämpfen. Ich finde aber, Du machst es Dir unnötig schwer. Ich lebe jetzt seit etwa 2 Jahren mit meinem Freund zusammen. Kennengelernt habe ich ihn im Internet in einem Chat. Ich fand das Internet als Treffpunkt für gleichgesinnte sehr nützlich. Aber ich hätte es sicher zu verhindern gewusst, dass gleich jemand an meiner Tür steht. Nun gut, ich war damals noch mit meiner Frau zusammen und die hätte es nicht so gern gehabt.
Ich finde jedenfalls, schwul sein hat nicht unbedingt etwas mit Szene zu tun. Ich fühle mich dort auch nicht so wohl. Aber mein Leben hat eigentlich erst mit Outing und mit meiner jetzigen Paartnerschaft begonnen.

Ich wünsche Dir viel Glück und einen Mann zum Leben

Rüdiger

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Re: Meine Geschichte-interessant!
geschrieben von: Tom (-)
Datum: 13. Februar 2005 22:18

Lieber Mickey,

ich habe gerade nochmal deine Geschichte gelesen.
Sie ist schon eine Zeit lang her,doch ist sie für viele im co30 auch heute noch sehr lesenswert und hilfreich-auch für mich.
Deine Geschichte hast Du auch sehr interessant geschrieben und ich fand sie überhaupt nicht zu lang,wenn man bedenkt welchen Zeitraum Du verständlich wiedergegeben hast.
Ich wünsche,dass sie sehr viele lesen.

liebe Grüße tom

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Re: Meine Geschichte-interessant!
geschrieben von: Mickey2 (-)
Datum: 18. Februar 2005 10:26

Hi Tom,

vielen Dank. War gerade ganz überrascht, das "Meine Geschichte" von Seite drei ganz nach oben gerutscht ist... Bin selber überrascht, daß das schon drei Jahre her ist, als ich dies schrieb. Und im Prinzip war das sicher die wichtigste Zeit meines COs, die ich "damals" aufschrieb.

Viele liebe Grüße,
sagt Mickey2.

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Meine Geschichte - Drei Jahre später
geschrieben von: Mickey2 (-)
Datum: 23. Februar 2005 19:31

Hi nochmal,

wie ich erschrocken dem Datum hinter "Meiner Geschichte" entnehme, schrieb ich diese vor knapp drei Jahren. Ab und an wies ich mal jemanden, der sich dafür interessierte, auf "Meine Geschichte" hin.
Neulich plötzlich tauchte sie dann durch einem anderen Forumsteilnehmer wieder mal bei den aktuellen Beiträgen auf. Und so las ich "Meine Geschichte" selber mal wieder und stellte fest, daß sich seit meinem ersten Text so manches getan hat. Und so kam ich auf die Idee, eine kleine Ergänzung zu meinem drei Jahre alten Text zu schreiben.

Der Text ist sicher nicht mehr ganz so spannend, obwohl es drei wichtige Jahre in meinem Leben waren. Ich will mich damit auf gar keinen Fall in den Mittelpunkt stellen, aber sollte jemand die Fortsetzung interessieren, so folgt sie nun...

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Als ich "Meine Geschichte" niederschrieb, belastete mich nach wie vor ein Problem: ich war noch nicht bei meiner Mutter geoutet. Das war eigentlich zunächst nicht schlimm, da dies - da ich nicht mehr daheim wohnte - nicht mein tägliches Leben beeinflusste. Zum einen hatte ich ja keinen Freund und auch keine ONSs, d.h. so wahnsinnig viel "Geheimes" versteckte ich auch gar nicht vor ihr, zum anderen war sie zunächst in tiefer Trauer um ihren neuen Lebenspartner, der gerade verstorben war. Es war der aktuellste Schicksal in ihrtem Leben, nachdem sie ja schon meine Schwester, meinen Vater und (bedingt) ihre Mutter gepflegt hatte, bis sie in den Jahren zuvor verstarben. Meine Mutter war selber über 70 und hatte bis auf mich niemanden mehr (so zumindest ihre Worte). Und - wie es auch bei den Todesfällen zuvor war - nach dem Tod eines Familienmitgliedes, dessen Pflege ihr zuvor sehr viel Kraft abverlangte, kam die Erschöpfung bei ihr erstmal so richtig heraus. Plötzlich hatte sie andauernd was, lag mal in der Notaufnahme, stürzte die Treppe hinunter, hatte dies und hatte jenes. Ich machte mir um sie große Sorgen.

Gleichzeitig aber merkte ich, daß ich - wenn ich mal ein wenig mein "schwules Leben intensivierte - so etwas wie Schuldgefühle gegenüber meiner Mutter entwickelte. Hatte sie mir nicht immer gesagt, ich könne ihr alles sagen? ALLES! Wäre ich nicht sogar selber hochbeleidigt, wenn sie mir nicht alles Wissenswerte von sich anvertraute?
Dann aber kam in mir immer wieder die Frage auf: Verkraftet Sie es überhaupt, wenn ich mich bei ihr oute? Nicht daß ich im Entferntesten die Sorge hegte, sie könne mich verstoßen. Das natürlich nicht. Aber: ihr Vater war kriegsblind und verstarb früh, ihre Tochter war schwerstbindert, ihr Mann zuletzt auch... war es nun nicht ein weiterer Schicksalsschlag, daß auch bei mir etwas anders war, als vielleicht "normal"? Könnte nicht mal eine "Sache" in ihrem Leben einfach ganz "normal" verlaufen. Es muß ja nicht glänzend verlaufen, einfach unauffällig und wie es "halt" so in der Regel verläuft?
Und in der Tat sprach sie mich immer wieder auf eine potentielle Freundin an. Gäbe es da vielleicht jemanden? Arbeite ich zu viel und kümmere ich mich nicht recht um mein Privatleben? Verpasse ich "mein Glück"? So unattraktiv sei ich doch gar nicht. Und wie schön fände sie es, wenn es gar Enkelkinder gäbe. Ihr Leben hätte dann vielleicht doch wieder einen Sinn! Einen Sinn - wo doch zuletzt alles bei ihr eher schlecht verlief.

Und sie schien den Wunsch allmählich in Hoffnung umzuwandeln. Durfte ich diese Hoffnung zerstören? Und würde sie das - der "Hoffnung" entrissen - überhaupt überstehen? Oder bräche sie innerlich zusammen?

Die folgenden 1 1/2 Jahre dann war ich oft hin und gergerissen, "es" ihr zu sagen, ich habe das auch oft hier im Forum angesprochen, beriet mich mit Freunden. Und die Situation wurde grotesker: denn Freunde von mir, bei denen ich mich geoutet hatte, hatten es etwas unbedacht ihren Eltern erzählt. Und die wiederum sahen oft meine Mutter. Und meine Mutter klagte bei ausgerechnet diesen Eltern darüber, daß ich keine Freundin, keine Kinder hätte. Und sie sprach auch dort von ihrer Hoffnung. Zumal ich ja ihr einziger Sohn war/bin.

Im Sommer 2003 dann merkte ich, daß ich näher daran war, "es" ihr zu sagen als länger zu schweigen. So war ich z.B. mal "kurz" auf dem Freiburger CSD, und bemerkte, daß ich - obwohl nur kurz dort - immer Angst hatte, es könnte mich rein zufällig ein Pressefotograf ablichten - nicht mich persönlich natürlich, aber vielleicht mich mit anderen -, und dann wäre womöglich meine Bild beim CSD in der Zeitung, und meine Mutter läse es!
Ich empfand es als eine Last, dauernd ein Doppelleben zu führen.

Hinzu kam, daß ich in dem folgenden Herbst überraschend mein "erstes Mal" hatte (mit 35!). Es wurde zwar "nur" eine ganz nette Freundschaft daraus, aber der "Knoten" schien irgendwie geplatzt. Irgendwie war ich zuvor geoutet, aber daß damit ein evtl. Sexualleben in Verbindung hätte stehen können, schien mir dann doch eher theoretisch. Nun war es - zumindest das eine Mal - Realität gewesen.

Ein weiterer Rutsch zum CO bei meiner Mutter war, daß sie Bekannten gegenüber in meiner Anwesenheit über Schwule (aus dem TV) sprach. Da waren doch einige in der "Lindenstraße", andere in einem Fersehfilm, und es seien immer "feine Menschen", fast die "besseren Männer". Wollte mir meine Mutter etwa eine Brücke bauen? Wußte sie "es" und wartete darauf, daß ich mich ihr anvertraute. Mit einem schwulen Freund, der offen schwul lebt, aber bei seinen Eltern ungeoutet war, witztelt ich: möglicherweise säßen unsere Eltern wohl eines Tages bei Oliver Geissen in seiner täglichen Talk-Show zu dem Thema: "Warum vertrauen sich unsunsere Söhne nicht an?"

So kam mein Geburtstag und ich wollte den Tag mit meiner Mutter verbringen. Wir gingen Mittagessen, spazieren und beschlossen noch in ein Café zu fahren. Das Thema "schwul" war sogar mal angerissen worden, allerdings nicht in Bezug auf mich.
Und so fuhren wir zu einem Café am Rande von Freiburg, und irgendwie kam das Thema auf einen früheren (besten) Freund von mir, der gerade geheiratet hatte (zu dem ich aber keinerlei Kontakt mehr habe). Und fast obligatorisch fragte meine Mutter, während ich rechts in eine Seitenstraße einbog: "Wann heiratest Du wohl?"
Und auch ich antwortete obligatorisch: "Du weißt dich: ich werde nie heiraten." Zumindest dies hatte ich mein ganzes Lebens schon immer zu ihr gesagt.
Sie aber fragte: "Warum? Bist Du schwul?"
Ich wäre fast auf die Gegenfahrbahn geraten. Ich wollte nicht lügen, aber jetzt so mitten in der Rechtskurve... an meinem Geburtstag...?
Uch versuchte mich vor der Antwort zu drücken - und wollte es aber auch irgendwie nicht: "Ach lass doch..."
Meine Mutter hielt inne (sah ich aus den Augenwinkeln). Sie schluckte. "Ja... bis Du schwul!"
"Ja!", hörte ich mich sagen. Meine Mutter war plötzlich ruhig.
"Wirklich?"
"Ja."
Ich parkte ein.

Meine Mutter war sichtlich geschockt. Fast wie in Trance gingen wir zu dem Café in einem Thermalbad. Sie versicherte mir, daß sie NICHTS (!) geahnt hatte. Der gedanke war ihr offenbar nie in den Sinn gekommen. Und ich dachte, sie baue mir Brücken...

In dem folgenden Gespräch erzählte ich ihr alles. Sie hörte zu, fragte immer wieder, ob ich mir sicher sei. Vielleicht bilde ich mir ja alles nur ein. Sie war gefasst, aber geschockt. Sie fragte dies und jenes.
Sie fragte sogar: "Hast Du dann wenigstens einen Freund?"
Nein, natürlich nicht...

Um den Rest zusammenzufassen: meine Mutter verkraftete es nur schwer, sah tatsächlich fast das Ende ihres Lebens gekommen, da nun ihre Aufgaben - z.B. Enkel zu erleben etc. - sehr geschrumpft seien. Gleichzeitig war es ihr wichtig, daß ich "dennoch" glücklich werde.
Sie schämte sich, jemanden anderes von mir zu erzählen, obwohl ich es ihr "erlaubte". Am gleichen Abend, während ich dann noch mit Freunden bei einem Pub-Quiz Geburtstag feierte, war sie noch bei ihrem Therapeuten (bei dem sie seit einiger Zeit wegen ihrer Depressionen war). Er erklärte ihr nun auch einiges über Schwul-Sein etc. Bis heute hat sie sich - soweit ich weis - zwei Freundinnen anvertraut. Sonst schweigt sie über meine Homosexualität. Sie akzeptiert es, wenn sie auch manchmal noch leise nachfrägt "ob ich mir sicher sei". Aber sie frägt viel öfter, ob ich nun einen Freund, einen Partner hätte. Das scheint ihr mittlerweile wichtiger zu sein, und plötzlich komme ich da ihr gegenüber fast schon ein wenig in Druck, da ich ja keinen habe.

Ich schreibe das nieder, da - neben meinem "eigentlichen" CO bei meinen Freunden das CO bei meiner Mutter das andere wichtige Ereignis war. Ich fühle mich seitdem viel freier, denn ich brauche im Prinzip keine Angst mehr haben, daß mich jemand mit anderen Schwulen sieht. Das Doppelleben ist vorbei, wenngleich "es" im Prinzip nur vielleicht 20 Leute von mir wissen. Aber der Rest ist mir nicht so wichtig.

Ansonsten aber fehlt mir dennoch noch eine Art "Dritter Schritt", da ich bald erkannte, daß das Outing sich im Prinzip nur bedingt auf mein Leben auswirkt - mal abgesehen von der Erleichterung und der "neuen prinzipiellen Freiheit". Mit der "Szene" in Freiburg und prinzipiell habe ich so meine Probleme (habe es ja auch oft hier im Forum thematisiert). Ich habe - um dennoch auch schwule Kontakte zu bekommen - einen "Schwulen Filmstammtisch" gegründet, der mal mehr, mal weniger erfolgreich ist. Immerhin ahbe ich dadurch einige nette Jungs und Männer kennengelernt, manche gute Bekanntschaft hat sich daraus - auch über den "Filmstammtisch" hinaus - entwickelt. Ganz enge Freundschaften aber noch nicht. Die genieße ich noch immer (und hoffentlich u.a. auch weiterhin) bei meinen (Hetero)Freunden. Vor allem mit meinem (Hetero)Freund Peter (son nannte ich ihn im ersten Teil "Meiner Geschichte"winking smiley intensivierte sich unsere Freundschaft. Er ist mittlerweile verheiratet und hat einen Sohn, von dem ich sogar Pate wurde. Auch mit seiner Frau, einer Lettin, bin ich sehr gut befreundet und im Prinzip gehöre ich zu ihrer Familie dazu. Die letzten beiden Jahre feierten z.B. meine Mutter und ich bei ihnen Weihnachten, ich war mehrmals mit ihnen im Urlaub, wohnte bei ihren Eltern in Lettalnd sowie bei ihrem Bruder. Vielleicht hilft mir das, um nicht allzusehr darunter zu leiden, daß ich wohl nie eine "ganz normale Familie" mit Kindern etc. haben werde. Ich kann mir hier die positiven Aspekte einer Familie irgendwie herausnehmen, bin manchmal "einfach nur da", helfe und sie helfen auch mir. Ich glaube, daß dies für mich sehr wichtig ist, denn ich bekomme bei ihnen so was wie Geborgenheit.

Ansonsten haben sich andere (Hetero)Freundschaften auch etwas verschlechtert, da viele in Beziehungen leben und man sich zwar noch sieht und was zusammen macht, aber irgendwie ist es nicht mehr wie früher. Früher war man sich wichtiger, jetzt scheint es mir so, als sind sie mir wichtiger als ich ihnen. Eine kleine Feststellung, aber ich leide sehr darunter. Und gäbe es nicht Peter und seine Familie als gutes Gegenbeispiel, so würde ich daran wohl wahrhaft verzweifeln.

Warum ich selber nicht mehr unternehme, um mehr schwule Freunde zu bekommen und vielleicht ja sogar einen lieben Partner, kann ich nur erahnen. Es ist ein ständiger Kreislauf von Tatenfreude, Zurückschrecken, Sich-Akzeptieren. An-sich-Zweifeln, Depression, Neue Hoffnung. Ich habe wohl in Bezug auf Freundschaft und auf Partnerschaft wahninnig hohe Ansprüche, die Viele nicht sofort erfüllen können. Und statt, daß ich ihnen Zeit gebe, statt, daß ich mich mehr um sie bemühe, resigniere ich gleich wieder und wende mich anderen Dingen oder Menschen zu. Und dann ärgere ich mich wieder über mein Verhalten.

Für das aktuelle Jahr habe ich mir nun vorgenommen, dieses blöden Kreislauf zu durchbrechen und arbeite im Moment daran. Aber immer wieder kommen andere Probleme - ein Freund von mir, in Teil 1 erwähnt, leidet an Krebs und es sieht sehr schlecht um ihn aus, obwohl wir noch hoffen / mein Job (ich bin selbstständig tätig) frisst mich manchmal auf etc. -, und es hakt. Ich sehe das Problem, daß ich selbst mein größtes Hindernis bin, aber so richtig das beste Rezept gegen die Barrieren habe ich auch nicht parat. Aber ich bin dran, und am Ende dieses jahres willmich ein paar Schritte (in Vorwärtsrichtung!) weiter sein. Mal sehen...


So, dies eine Art Fortsetzung für die, die es interessiert. So wahnsinnig spannend ist sie vielleicht gar nicht, wenngleich sie mich viel Kraft gekostet hat und kostet. Es ist irgendwie "mein Schwulen-Alltag", der dem CO folgte.

In diesem Sinne danke ich Dir, daß Du bis jetzt "Meine Geschichte" gelesen hast und freue mich natürlich immer über Rückmeldungen.

Ein letzter Text vielleicht noch, der mir in meiner schwulen "Selbstfindung" immer geholfen hat. Er ist nicht von mir. Ich las ihn mal bei EUROGAY, aber ich weis, daß ihn ein Freund eines anderen Forumsmitgliedes hier geschrieben hat.

Er lautet -sinngemäß - folgendermaßen:

Ich lief betrübt durch die Welt. Da traf ich auf Gott. Gott sagte: "Was ist mit Dir? Warum bist Du so unglücklich?"
Ich sagte: "Ich bin schwul."
Gott sagte: "Ja und, warum bist Du nicht glücklich? Liebst Du Dich nicht selber?"
Ich sagte: "Wie kann ich mich lieben, da ich schwul bin? Liebst Du mich denn?"
Gott sagte: "Natürlich. Ich habe Dich ja so gemacht."
--- Von nun an lief ich glücklicher durch die Welt.

Der Text war irgend so ähnlich, ich habe ihn leider nicht mehr im Original. Aber ich fand die Idee dahinter - egal ob man gläubig ist oder nicht - sehr schön.

In diesem Sinne viele Grüße,
sagt Mickey2.

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Re: Meine Geschichte - Drei Jahre später
geschrieben von: Tom19622003 (-)
Datum: 23. Februar 2005 22:51

Hi Mickey2,

ja ... die Zeit vergeht und ich denke, Du hast viel in dieser Zeit erreicht. Für Dich selbst und sicher auch für andere. Es ist schön zu lesen, was Du zu sagen hattest.

Ich habe keinen Grund Dir etwas zu raten aber ich möchte Dir gerne einen Glücksstern senden.
Fange ihn auf und gebe ihn bitte Deinem Freund der an Krebs erkrankt ist. Sende ihm Glück und Genesung.
Ich wünsche ihm sehr, dass er das alles gut und lebenswert überstehen wird. Ich weiss was es bedeutet.

Es ist schön zu lesen, dass Du hohe Anforderungen an andere Menschen bzw. an "den" Menschen für Dein Leben stellst.
Es dürfte nicht verkehrt sein! Vielleicht überwindest Du Dich doch und gehst ein wenig mehr unter Menschen?
Meist triffst Du im beruflichen Umfeld andere Menschen und mit jedem möglichen Kontakt sollten auch Deine Chancen steigen "den" richtigen für Dich zu finden.

Setze Dich nicht selbst unter Druck ...

Viele LG sendet Dir der *Tom* und danke dafür, dass Du uns hast teilhaben lassen.

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: Robin (-)
Datum: 09. März 2005 12:51

Hallo Micky,
deine Geschichte habe ich heute gelesen. Fand Sie sehr rührend und interessant. Habe viele Parallelen zu meinem Leben gefunden. Der einzige Unterschied ist, das ich nicht wahrhaben wollte, was mit mir los ist. Deswegen habe ich mit 30 geheiratet, habe auch 3 süße Mädels. Leider habe ich mich zu spät, was heißt zu spät, besser als nie, geoutet. Lebe jetzt seit ca. 2 Jahren in einer festen Männerbeziehung. Mit der Umgebung und meiner Arbeitsstelle habe ich wenig Probleme. Schade das dies nicht vor 10 - 15 Jahren problemlos ging. Habe meine Homosexualität auch immer versucht zu verheimlichen. Bin jetzt aber froh, so Leben zu können wie es einem zugedacht ist. Auch wenn es in solch einer Beziehung auch Höhen und Tiefen gibt. Denke aber, das dies normal ist. Obwohl ich sagen muß, das eine Männerbeziehung schwieriger ist. So, hoffe bald mal etwas von dir zu hören und bis dann. Robin

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: paco (-)
Datum: 19. März 2005 21:46

Hallo Robin,
ich heisse paco und mich würde deine geschichte interessieren, auch warum du dir dein schwulsein so lange nicht eingestehen wolltest. Ich bin 34 und habe eine
sehr ähnliche erfahrung gemacht. Danke
Gruesse,
paco

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: rené (-)
Datum: 14. April 2005 12:08

Hallo mickey2,

ich bin ganz neu hier und habe gerade deine Geschichte gelesen.

Eigentlich sollte ich hier anfangs auch meine eigene Geschichte erzählen, aber wenn man zur "50plus"-Generation zählt, die eigene Jugend in einer Zeit erlebt hat, wo Sex zwischen Männern eine Strafttat war, dann könnte bei gleicher Schreibfreudigkeit ein ganzer Roman draus werden.

Also ganz kurz: bin 56 Jahre alt, lebe überwiegend in Thüringen, habe meinen gemeldeten Hauptwohnsitz aber immer noch in Frankfurt/Main und reise viel rum, sowohl in Deutschland als auch auf Urlaubsreisen. Seit der Pubertät war mir klar, dass ich mich sowohl von Jungen als auch von Mädchen angezogen fühle. Ich denke, klassischer Fall von "Bi". War nie verheiratet, hatte meinen allerersten Sex mit einer Frau als ich schon Mitte 20 war, hatte meinen allerersten Sex mit einem Mann (über Insereat kennengelernt) mit Mitte 30. Im Laufe der Jahre scheint sich mein "Homo"-Anteil verstärkt zu haben, aus einem Interessenverhältnis von anfangs etwa halbe/halbe dürfte eine Gewichtung 2/3 homo, 1/3 hetero entstanden sein. Meine vage Selbsteinschätzung.

Den homosexuellen Anteil meiner Veranlagung habe ich weitestgehend geheimgehalten und bin zur Zeit dabei, dies aufzuarbeiten. Kaum zu glauben - nach 40 Jahren erotischen Gefühlslebens entsteht das Bedürfnis, die eigene Selbstakzeptanz ganz zaghaft nach außen zu transportieren. Und genau diese Selbstakzeptanz war meine allerwichtigste, sich über Jahre hinziehende Entwicklung. Ich bin überaus dankbar und glücklich, mich heute als liebens-wert zu erleben, halt wert, geliebt zu werden. Auch wenn ich lange Jahre einen wesentlich Teil meiner Persönlickeit verstecken musste oder meinte verstecken zu müssen - mein eigentlicher Kern ist etwas absolut Liebens-wertes.

Und genau deshalb hat mich deine kleine Geschichte, ob Gott mich liebt, so gerührt und veranlasst, diese Zeilen zu schreiben. Ich bin mit 17 Jahren ganz bewusst aus der Kirche ausgetreten, wollte und will mit Religion und Kirche nichts zu tun haben. Aber ich habe immer an eine Schöpferkraft geglaubt, die es gut mit mir meint. Für mich gibt es zwei Arten von "Gott" - den Gott, den die Menschen sich in ihrer Vorstellung erschaffen haben, und den, der in meinem eigenen Herzen wohnt. Und Letzterer lässt mich immer wieder erneut wissen: "Ich liebe dich. Du bist ein wunderbarer Mensch, genau so wie du bist."

So, das wars für heute.
Wär schön, wenn sich mein erster guter Eindruck auch durch Lesen der vielen anderen Beiträge hier bestätigen würde und ich selbst hier niemanden langweile.

Herzlichen Gruß
René

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: Mickey2 (-)
Datum: 14. April 2005 18:15

Hallo Robin,

sorry, habe gerade erst bemerkt, daß Du auf "Meine Geschichte" hin geschrieben hast. Wollte nicht unhöflich sein, war nur im März etwas weniger im Netz...
Schön, daß Du "Deinen Weg" mittlerweile gefunden hast. Ich kann mir sehr gut vorstellen, was Du für einen Kampf mit Dir selber gerungen hast. Umso besser, daß Du es geschafft hast.

Was mich interessieren würde (da ich da ja wiederum sehr unerfahren bin *schäm*): inwiefern findest Du die Beziehung mit Männern schwieriger als mit Frauen? Ich hoffe, das ist jetzt keine dumme Frage und ich kann mir natürlich schon ein paar Antworten denken, fände es aber schön, wenn Du das vielleicht etwas beschreiben kannst...

Dir alles Gute und ganz viele liebe Grüße,
sagt der Mickey2.

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: Mickey2 (-)
Datum: 02. Juni 2009 19:31

Hi zusammen,

mit Schrecken habe ich kürzlich entdeckt, dass ich „Meine Geschichte“ ja schon vor Ewigkeiten – 2002 - hier veröffentlich habe. Und ein Update dann 2005. Wahnsinn, wie die Zeit vergeht. Und irgendwie reizte es mich, einen dritten Teil anzufügen, falls es jemanden interessiert. Wenn nicht, dann ist es einfach eine Gedanken-Sammlung für mich selbst

-------------------------------------------------------------------

Was ist seit 2002 bzw. 2005 (s.o.) alles geschehen?

Der gute Freund, dessen Krebserkrankung u.a. auch mein CO vorantrieb (s.o.), ist mittlerweile leider verstorben. Das war eine schlimme Erfahrung für mich: er kämpfte über fünf Jahre mit seiner Erkrankung und verlor dann doch. Ich bin ihm sehr dankbar, daß er mich trotz seiner Krankheit so unterstützt hat. Erfreulich ist, daß er bei meinem letzten Besuch bei ihm kurz vor seinem Tod noch erfuhr, daß ich (damals) einen Partner hatte. Er freute sich ungemein für mich. Wenige Wochen erlag er dann leider seiner Krankheit.

Meine Mutter, inzwischen 79, hat noch immer Probleme damit, dass ich schwul bin, wenngleich sie mich aber ständig unterstützt. Ihr größter Wunsch ist, so beteuert sie mir immer wieder, dass ich mal einen Partner finde. Aber dennoch wünschte sie sich, alles sei irgendwie anders... Das hängt sicher damit zusammen, dass meine Schwester behindert war, mein Vater zuletzt schwer krank und behindert war und sie sich sicher auch mal einen „normalen“ Lebenslauf gewünscht hätte...

Ich selbst habe mich an den Gedanken sehr gewöhnt, dass ich schwul bin. Inzwischen wollte ich es auch gar nicht mehr anders haben, da es einfach zu meiner Persönlichkeit dazu gehört. Diese Eigenschaft dominiert mich nicht, es geht mir nicht ständig um mein schwules Leben, die Suche nach Sex etc. erfüllt mich keineswegs. Ich habe das Gefühl, dass sind alles nur Nuancen meines Lebens. Daneben gibt es noch unzählige andere.

In meinem Freundeskreis bin ich fast gänzlich geoutet. Ich habe das große – sehr große – Glück, einige wirklich gute und langjährige Freunde zu haben – ein Großteil davon ist hetero und hat auch schon eine eigene Familie. Aber ich bin dort relativ integriert, bin bei zwei engen Freunde der Pate ihrer Kinder, fahre mit ihnen in den Urlaub etc. etc. Das alles war – zumindest für mich – nicht immer einfach. Dadurch, dass ich mir lange dachte, ich bekäme eh keinen Partner und bin ohnehin „beziehungsunfähig“, sattelte ich irgendwann gedanklich um und kümmerte mich um so intensiver um diese Freundschaften. Freundschaften wurde oft das „höchste der Gefühle“, Das Problem dabei: bei den anderen ist es „ein hohes Gefühl“, aber nicht der „Spitzenreiter“. Dieser Unterschied zerriss mich zuweilen auch und belastet mich noch heute zuweilen. Aber anyway: ich sehe diese Freundschaften dankbar als die Fundamente meines Lebens an und könnte ohne sie wohl nicht wirklich existieren. Und trotz der Diskrepanz kommt sehr (!) von meinen Freunden und ihren Familien zurück. Das stützt mich auch in schlechten Tagen.

Zwischenzeitlich hatte ich auch einen sehr lieben Partner, wenngleich die Beziehung selbst - entstanden hier bei CO30 - nur kurz anhielt und sich dann in das verwandelte, was sie anfangs war: eine supergute Freundschaft. Wir haben es geschafft, trotz unserer Trennung dieselbe zu pflegen.
Seither fand ich leider keinen weiteren Partner, was sicher an vielen Faktoren liegt: ich gehe nicht gerne in die „Szene“, mag keine ONSs, möchte potentielle Partner lieber „langsam“ kennenlernen. Auch entdecke ich in mir einen Mechanismus, der es mir besonders schwer macht: interessiert sich jemand für mich, fallen mir tausend Gründe ein, warum der nun gerade gar nichts für mich ist. Und verliebe ich mich (und das geschieht oft), dann ist der andere ganz sicher hetero oder vergeben. Ich weiß nicht, ob da was tief in meinem Kopf immer wieder blockiert und mich davon abhält, eine Partnerschaft zuzulassen?
Gerne stütze ich mich auch, wie in der Vor-CO-Zeit, in die Arbeit und nutze das auch als Vorwand, um nicht aktiver in mein „schwules Leben“ vorzudringen.

Naja, das wird wohl das Aufgabenfeld sein, dass ich in der nächsten Zeit Stufe für Stufe bearbeiten muss... Auch nach dem CO liegt offenbar noch sehr viel Arbeit vor einem.

Ansonsten bin ich zwar „offen schwul“, ohne es aber besonders rauszuhängen. Ich verstecke es nicht mehr, rede offen darüber und da es fast alle meine Freunde wissen, geht das auch.

Wenn ich nun „Meine Geschichte – Teil 3“ so ansehe: Teil 1 und 2 waren sicher spannender und für mich aufregender. Jetzt ist eher „Alltag“ angesagt. Aber ich habe es nie bereut, mich geoutet zu haben. Das war ein guter und richtiger Schritt für mich und es tut mir gut, mich nicht mehr verstecken zu müssen. Und vielleicht klappt es ja auch mal mit dem Teil 4 und der Partnerschaft? Mal sehen...

Dieser Seite - CO30 - und Reveal möchte ich auf jeden Fall auf diesem Wege einmal mehr danken, da ich sie stets als sehr wichtig empfinde, auch wenn ich ab und an mal weniger "hier" bin. Aber es hilft sehr, sich hier mit anderen auszutauschen. Und auf den CO30-Treffen u.a. bei mir in Freiburg aber auch woanders hatte ich die glückliche Gelegenheit, einige der Forumsmitglieder persönlich kennen zu lernen. Zu einigen sind wirklich nette Kontakte entstanden. Nochmals danke!

Liebe Grüße,

sagt
Mickey2

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: george85 (-)
Datum: 02. Juni 2009 20:56

huhu Mickey

na ich kenn ja schon Teil 1 und Teil 2 von dir
zum Teil auch ein bischen Teil III.....
wir kennen uns ja schon eine Weile .....
Die Treffen in Freiburg und so werde
ich nie vergessen sie haben mich damals auch
auf den Weg gebracht.
Vieles was du schreibst könnte ein Teil meiner
Geschichte sein....
Und zum Teil 4 kann ich nur sagen
die Männer in Freiburg müssen blind wie die
Nacht sein einen so liebenswerten Mann wie
dich nicht zu nehmen....bzw. noch frei rumlaufen
zu lassen...... fg ....
Es wird Zeit dass wieder mal die Nacht der Singles
in Freiburg ist .... dann werden die dir sicherlich
nachrennen wenn du durch Freiburg schlenderst...

alles gute dir
lg vom george

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Re: Meine Geschichte
geschrieben von: Mickey2 (-)
Datum: 04. Juni 2009 10:19

Hi George,

danke für Deine lieben Worte )) Da bin ich ja mal gespannt, ob die Freiburger das genauso sehen*lach*

Grüße,
Mickey2

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Meine Geschichte Depression
geschrieben von: bajaz (-)
Datum: 04. Juni 2009 16:03

Die Depression hattest Du nicht trotz Deines Verdrängens, sondern genau WEGEN des Verdrängens!



1 mal bearbeitet. Zuletzt am 04.06.09 16:04.

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Re: Meine Geschichte Depression
geschrieben von: Mickey2 (-)
Datum: 04. Juni 2009 16:26

Hi Bajaz,

welche Depressionen meist Du? Die vor meinem CO? Klar, die hatte ich u.a. wegen des Verdrängens bzw. Ungeoutet-Sein. Dass ich diese seit meinem CO im Jahre 2000 in dieser Form nicht mehr habe, beweist das zusätzlich. Zum Glück ist das nun auch schon fast neun Jahre her...

Grüße,
Mickey2

[Dieser Beitrag wurde am 28.01.2012 - 10:10 von Finn aktualisiert]
Re: Meine Geschichte (3 1/2)
08. Oktober 2012 19:17
Teil 3 1/2

Hi zusammen,

seit längerem halbe ich mal wieder ein wenig "Meine Geschichte" gelesen, und da ich das Gefühl habe, daß sich seit dem letzten Eintrag doch einiges getan hat, wollte ich das mal ergänzen :-)

Naja, alles ist nicht so toll. Meine Mutter hat inzwischen Demenz und ich bin - als einziger Angehöriger - derzeit echt gefordert, platt und gefühlsmäßig sehr gefordert. Wohin dieser Zug, der nicht von heute auf morgen kam, führt, weiß ich leider noch nicht. Ich habe auf jeden Fall diesbezüglich gerade große Angst, fühle mich damit allein und weiß selten weiter. Punkt!

Partnerschaftlich hat sich nichts bis gar nichts getan. Aber doch immerhin hat sich mein "Schwules Leben" etwas gewandelt. Das merkte ich, als ich neulich hier in Freiburg beim "SchwuLesDance" war (die Waldsee-Party). Ich bin ja kein großer Partygänger und ziehe kleinere Gruppen und nette Gespräche bei einem Bier o.ä. dem Tanzen vor. Aber alle paar Monate stolperte ich ja doch mal dorthin. Und war es früher so, daß ich mich dort immer fehl am Platze fühlte und mich dann auch meist so benahm, schaffte ich es zuletzt fast gar nicht mehr zur Tanzfläche, weil ich tatsächlich so viele Leute traf und mit ihnen quatschte, daß ich ständig kleben blieb. Irgendetwas muss sich getan haben.
Ich habe mich in den letzte Jahren, ohne daß ich mein Leben ausschließlich auf meine Homosexualität hin ausrichten würde, doch immer öfters in Gruppen begeben, die mit gut taten und mit denen ich sowohl meinen Hobbys fröhnen als auch nette Kontakte zu anderen Schwulen aufbauen konnte So bin ich seit einiger Zeit bei der hiesigen Schwulen Filmwoche, was mir als Filmfreak natürlich entgegen kommt. 1/3 des Jahres sind dadurch sehr stark geprägt, und das ist zwar oft sehr stressig und ich hechele auch meinen eigenen Erwartungen stets hinterher und schäme mich andauernd, daß ich nicht alles schaffe, was ich sollte, aber es ist gut.
Meinen (Schwulen) Filmstammtisch habe ich ebenso weitergeführt, was mir auch eine nette kleine Clique geschenkt hat, mit der ich ab und an und immer öfters ins Kino gehe. Ich bin froh, daß ich mal vor Jahren einfach damit angefangen habe, diese Treffen zu organisieren. Und das Gute war ja immer: ich konnte es als Organisator auch immer so einrichten, wie es mir passte. Das kam mir sehr zugute.
Und über die Filmwoche kam ich (44) in engen Kontakt mit einige Männern um die Mitte 20. Ich habe das gar nicht gesucht, vielmehr kann ich normalerweise mit Gleichaltrigen sehr viel mehr anfangen (oder mit Männern "ungefähr" in meinem Alter). Auch habe ich mich nie aufgedrängt, sondern wurde nur ständig dazugebeten, immer wieder antelefoniert, ob ich auch dazukommen mag etc. etc. Und dadurch habe ich nun tatsächlich gute Freundschaften mit Männern, die meine Söhne sein könnten - ohne das ich das im Umgang merken würde. Ich habe gelernt, es nicht mehr zu hinterfragen, es ist logsischerweise alles platonisch, aber auch sehr nett und erfrischend.
Und ich bin darüber auch noch in eine Radiosendung gerutscht, der Schwulen Welle (ab und an nerve ich ja hier einwenig mit Programm-Tipps herum ;-)
Ich bin ja leider nicht der beste Sprecher, ich nuschle manchmal doch sehr und rede zu schnell, aber gerade deshalb ist das eine Herausforderung. Wir senden jede Woche einmal mit Ausnahme der jeweils letzten Woche im Monat. Wir interviewen andere Schwule, Organisatoren, machen Reportagen, besuchen dafür Sommercamps, Discos etc. etc. Wir sind im Radio zu Viert, und das schweißt auch sehr zusammen und bislang sind wir ein recht gutes Team.

Irgendwie habe ich das Wenigste so gesucht und bin in Vieles nur so reingerutscht, aber eben der Discobesuch neulich hat mir gezeigt, daß sich seit vor fünf oder mehr Jahren doch sehr viel getan hat. Ich bin nach wie vor kein Fan vom Tanzen, aber so in der Gruppe inkl. "Vorglühen" hat es nun doch tatsächlich ab und an was für mich.

Und was mir gut gefällt: meinen anderen Freundeskreis habe ich auch weiterhin, ich mache sehr viel (auch) mit meinem (Hetero)Freundeskreis. Das ist mir auch weiter sehr wichtig, es ist mein Kern. Sicher gab es hier und dort auch bittere Enttäuschungen und Veränderungen, aber insgesamt gesehen sollte ich diesbezüglich nicht jammern.

Baustelle ist natürlich weiter eine mögliche Partnerschaft, da bin ich nicht wirklich weiter, aber seit meinem Coming Out 2000 hat sich nun doch viel getan. Naja, sind ja auch "nur" 12 Jahre ;-)

Dies mal nach Jahren ein kleiner Zwischenbericht bzw. eine kleine Fortsetzung "meiner Geschichte".

Liebe Grüße in die Runde,
sendet
Mickey2.
Re: Meine Geschichte (3 1/2)
09. Oktober 2012 17:17
Hallo Mickey2,

schön von Dir zu lesen - klingt insgesamt wirklich gut. (Ich meine den Saldo. Die Situation mit Deiner Mutter stelle ich mir stressig vor, da fehlen scheinbar Geschwister mit denen man die "Last" des Begleitens und manchmal Trauer über Verlorenes teilen könnte.)

Eines hat sich mir aber aufgedrängt: wie bekommst Du das alles hin???! Wenn ich mir Deine Aktivitäten durchlese, frage ich mich, was ich eigentlich den lieben, langen Tag so mache smiling smiley
Nun, abends greift keine Familie nach Dir, kein großer Garten etc.
Meinst Du, dass Du überhaupt Zeit für eine Beziehung hättest? smiling smiley Aber klar, irgendetwas verschiebt sich immer im Leben und positive Energien versetzen Berge.

LG
Zeev
Re: Meine Geschichte (3 1/2)
10. Oktober 2012 13:17
Lieber zeevs,

den Garten habe ich vor ein paar Jahren abgegeben, weil ich den gar nicht mehr untergebracht habe ;-))) Und die Familie deckt gerade meine demenzkranke Mutter etwas ab ...

Aber Du hast auch recht: ich weiß manchmal selbst nicht, wie ich mich durch die verschiedenen Aufgaben wühle. Irgendwie klappt es meist irgendwie, aber meist unter meinen Ansprüchen und auf Kosten "richtiger" Freizeit. Das Problem ist, daß ich am ehesten das ablegen könnte, was mir am meisten Spaß macht. Und das, was mich am meisten fordert (Beruf), ist schwer reduzierbar. Wie sagt ein guter Freund oft zu mir: "Geisel: Selbstständigkeit".

Ob ich Zeit für eine Beziehung hätte? Hm, ich denke doch, da ich dafür schon das eine oder andere aufgeben würde. Aber natürlich gebe ich ansich positive Dinge nur ungern auf, damit ganz vielleicht mal irgendwann nach 44 Jahren "Mr. Right" auftaucht. Ich lebe immer so ein wenig nach dem Motto, daß ich es mir JETZT schön mache und nicht so weit in die Zukunft schon (klar, verantwortungstechnisch im Beruf oder in zwischenmenschlichen Bezeihungen z.B. bei Freunden schon, aber eben nicht auf mich persönlich bezogen). Ich mag nicht so gerne nach einem BESSEREN MORGEN schauen sondern lieber nach einem schönen HEUTE. Denn was morgen ist, kann ich ja eh nicht so recht planen. Dazu sind mir schon viel zu viele Pläne und Hoffnungen zerplatzt ...
Aber ich denke oft, wenn ich jetrzt abträte, dann hätte ich das Optimale aus meinen Möglichkeiten herausgeholt und habe mir stets das JETZT versucht, so gut wie möglich zu gestalten. Ich habe gute Freunde, Aufgaben, ein kleines Unternehmen, viele Hobbys - es kann alles immer noch besser sein, aber ich bin im Großen oder Ganzen zufrieden. Klar, einen Partner und auch mal Sex o.ä. wäre schön, aber leider haut es damit nicht so gut hin. Hängt auch damit zusammen, daß ich beim Sex stets mindestens eine Vertrautheit haben möchte, ONSs sind nicht undenkbar, aber reizen mich nicht wirklich. Es müsste schon jemand sein, den ich kenne etc.
Klar, keine Regel ohne Ausnahme, und in dem Moment, wo ich sowas schreibe, könnte ich mir auch wieder versprechen, denn ich bin nicht in allem konsequent und lasse mich ungern festlegen. Aber meine Grundgedanken sind so.

Das mit meiner Mutter, daß nun seit einer Weile schon so ist, jetzt aber definiert ist, gehört natürlich nicht zu dem guten HEUTE, wobei es ja auch tendentiell langfristig eher schlechter wird - vielleicht sehne ich mich ja morgen nach dem heute zurück ...? Ich sehe hier zumindest angstvoll in einen dunklen Tunnel und bin da echt überfordert. Aber ich liebe meine Mutter auch und sie hat sich in ihrem Leben für so viele Pflegefälle aufgeopfert (u.a. war meine Schwester behindert, mein Vater zuletzt auch), deshalb soll auch sie es so lange wie möglich so go gut wie möglich haben. Mal sehen, ob ich das stemmen kann ...? Im Moment weiß ich noch nicht, wie.

Mein positives Saldo oben bezog sich aber vor allem auf mein schwules Leben. Da ist nicht alles gut, aber ich bin doch auch etwas froh darüber, daß ich es als "Nicht-Szenegänger" irgendwie doch durch eine Art Hintertür geschafft habe, mich nun doch auch zwischen anderen Schwulen wohlzufühlen. Irgendwie habe ich zumindest den Jetzt-Zustand geschafft, ohne mich wahnsinnig zu verbiegen. Ich mag nicht so gerne z.B. Tanzen, alle sagten mir immer, ich solle aber unbedingt oft zu Partys gehen, sonst lerne ich nie Leute kennen. Und ich habe es nun auch - zumindest für den Augenblick - geschafft, auch ohne die Annahme dieser Ratschläge meinen Weg zu finden. Und der Witz ist: jetzt mit den anderen gehe ich sogar tanzen. Aber das Tanzen ist das Resultat, nicht aber der Weg :-)

Aber ich habe als Überschrift ja auch "3 1/2" gewählt, weil es nur ein Zwischenbericht ist. Es ist noch nicht alles gut, was da zu glänzen scheint. Es liegt noch weiter viel Arbeit vor mir, dessen bin ich mir bewußt.

Liebe Grüße,
Mickey2 :-)
Re: Meine Geschichte (3 1/2)
10. Oktober 2012 20:31
Lieber Mickey2,

he, Dein letzter Satz!? Ich glaube nicht, dass "weiter viel Arbeit" vor Dir liegt, bzw. wahrscheinlich habe ich den Satz anders aufgefasst, als Du ihn gemeint hast. smiling smiley

Insgesamt finde ich toll, was Du schreibst. Du lebst im Hier und Jetzt und so soll es sein. Ich denke, wer das schafft, der hat damit nicht wirklich Arbeit im belastenden Sinne, sondern dessen positive Energie stemmt das "Carpe diem" (fange den Tag) mit Leichtigkeit, auch wenn man sich manchmal in den Sessel fallen lässt.

Deine Haltung zu Deiner Mutter ehrt Dich und es wird Dir gut tun, Dich um sie zu kümmern. Denke aber bitte auch daran, dass Du ihr nur soweit gut tun kannst, wie es Dir noch gut geht. Selbst wenn Du Dir dabei Hilfe holen musst, dann wirst Du darauf achten, dass diese Hilfe Deine Mutter als Mensch sieht und Du brauchst Dir kein schlechtes Gewissen zu machen. Ich bin sicher, dass Du das gut hinbekommst.
Es gehört zu unserem Leben, dass sich Türen auftun und manche Türen zufallen oder sich ganz langsam schließen.

Alles Gute weiterhin für Dich

Liebe Grüße
Zeev
Re: Meine Geschichte
07. März 2015 18:22
Hi zusammen,

schon wieder sind drei Jahre ins Land gezogen, vielleicht mal wieder Zeit für einen kleinen Zwischenbericht. So richtig Großes ist gar nicht geschehen, wobei ich immer mehr das Gefühl habe, zu mir selbst zu finden und mir mein Leben so einzurichten, wie es FÜR MICH richtig ist.
Einen Partner - um es gleich zu sagen - habe ich weiterhin nicht. Nicht daß ich es mir nicht insgeheim wünschen würde, wobei wohl auch nicht auf Kosten des Erreichten so far.
Ohne wirklich zu suchen gab es im Oktober/November tatsächlich einen Typen, der sich sehr um mich bemüht hat und auch darauf Rücksicht nahm, daß ich zu dem Zeitpunkt gar nicht in der Lage war, mich auf ihn zu konzentrieren, da ich allzu viele andere Dinge zu erledigen waren.
Dann traf ich ihn endlich, er war auch sehr nett, aber was mir seltsam vorkam: ich traf ihn - aus meiner Sicht, und so hatte ich es auch kommuniziert - "einfach so", durfte mir aber gleich mal seine Regeln anhören, wie er sich eine Beziehung mit mir vorstellen könne, was er erwarte etc. etc. Ich muss sagen, mich "Mauerblümchen" irritierte das, denn ich bin gar nicht in das Treffen gegangen mit der festen Aussage: "bis da und da sind wir zusammen", sondern nach einigen Chats wollte ich ihn einfach mal kennenlernen. Und das Treffen war auch nicht so kompliziert, da wir nicht weit auseinander wohnen.

Wie dem auch sei: nach dem Treffen war er erst einmal im Urlaub, und von dort bekam ich dann Schmacht-SMSe, wie toll ich sei und und uns ... Ich fand das zwar toll, denn normalerweise verliebe ich mich eher unglücklich, doch plötzlich war ich in der Situation, daß ich diese Lobeshymnen gar nicht als positiv verbuchen konnte, da mir gar noch nicht klar war, ob ich diesen Typen wirklich als Partner haben wollte. Es war nicht ausgeschlossen, er ist nett, aufmerksam, aber mit dem festen Ziel, es müsse daraus eine Partnerschaft werden, war ich überfordert.

Lange Rede, kurzer Sinn: nach einer Weile habe ich ihm dann mitgeteilt, daß ich diese von ihm fast festgelegte Beziehung so noch nicht sehe und ich gerne eher deutlich unbestimmter in die Sache hineingehen wolle. Es versandete dann nach und nach, er fragte ab und an, ob wir uns mal träfen etc. und ich bot ihm dann auch mal was an, aber inzwischen habe ich aber keinen Kontakt mehr.

Es war aber eine Situation, wie sie andere vielleicht während ihrer Pubertät durchmachen: ich war einfach überfordert. Zumal weil ich ja mit meinem aktuellen Leben trotz Partnerlosigkeit nicht unzufrieden bin. Und ich sah ihn auch nicht wirklich innerhalb meines "Kreises", den ich um mich herum habe.
Es ist immer die Frage, ob ich mir mit meinen vielen guten Freundschaften - hetero oder schwul - nicht auch viel verbaue. Aber ich merke: mit ihnen bin ich glücklich und diese aufzugeben, weil vielleicht auch noch was anderes auf mich warten könnte, fände ich auch falsch.
Es gab in der Zeit auch eine Phase, da ein guter Freund von mir meine Hilfe in einer sehr elementaren Angelegenheit benötigte. Er ist hetero, aber ich muss dennoch gestehen, daß ich mal vor ein paar Jahren - wenn auch völlig hoffnungslos, denn er IST JA HETERO - in ihn verliebt war. Das ist nicht mehr so extrem, aber es ist eine Freundschaft daraus geworden. Auf jeden Fall: als es ihm so schlecht ging, zog er für eine Woche bei mir ein, war selbstmordgefährdet und ich war eine Woche mehr oder weniger für ihn da. Ich merkte: wenn es sein muss, kann ich mich auf eine Person konzentrieren und keine andere Verpflichtung hielt mich davon ab, Es sollte also nicht so sein, daß mein sonstiges Geflecht an Freund- und Bekanntschaften mich wirklich aufhält. Aber ich bin auch niemand, der wegen einer Beziehung enge Freunde vergessen würde.

Meine Mutter ist inzwischen aufgrund ihrer Alzheimer-Demenz in einem Heim, manchmal erkennt sie mich, manchmal nicht - oft weiß sie nicht, daß ich ihr Sohn bin. Das ist nach wie vor eine wichtige Säule in meinem Alltag, denn ich bin ja der einzige und eigentlich letzte Angehörige von ihr.

Aufgrund meiner Arbeit bei der "Schwulen Welle", bei der "Schwulen Filmwoche" etc. etc. und vor allem durch meinen Freundeskreis u.a. mit den jüngeren Männern werde ich oft mitgerissen zu diversen Partys, etwas, was ich mir noch vor fünf Jahren kaum hätte vorstellen können. Ich bewege mich ganz selbstverständlich in den Kreisen und das tut mir gut. Wir fahren mal zur Gaydelight nach Stuttgart, nach Berlin etc. etc. und ich habe manchmal das Gefühl, ich hole ein paar Dinge auf, die ich durch mein spätes Coming Out verpasst habe.

Unabhängig davon ist mir mein Hetero-Kreis nach wie vor wichtig und eine Art Familie - was sogar dazu führt, daß wir gemeinsam Weihnachten feiern, ich Patenonkel bin und und und ... Ich glaube, was mir oft an reinen Schulen-Gruppen stört ist, daß die Gespräch oft - nicht immer - zu schwul sind. Das finde ich zuweilen schön und angenehm, zuweilen gehen mir manchmal meine sonstigen Neigungen, meine Hobbys, mein Beruf etc. verloren, die ja keine "Ersatzbefriedigungen" sind, sondern ernstgemeinte Interessen. Ich glaube, ich brauche auch diese Seite in mir und diesen Freundes-Kreis, um mich zu erden und nicht völlig in der "schwulen Welt" zu verlieren. Denn oft die die "Schwule Welt" in meinen Augen auch schon wieder eine Nische, die zuweilen toll ist, aber meine Interessen sind größer.

Das mal ein weiterer Zwischenbericht zu "Meine Geschichte". Mal sehen, wie alles weitergeht ...

Liebe Grüße,
sendet
Mickey2 :-)
Re: Meine Geschichte
26. Januar 2017 15:33
2017 - Ui, nun steht hier schon fast 15 Jahre meine Geschichte bei CO30. 2000 habe ich mein Coming Out begonnen, seitdem hat sich viel getan. Manches ist geblieben, manches ist neu dazugekommen. Manche Erkenntnisse sind neu, manche blieben die alten.

Um es vorweg zu nehmen: auch nach all' den Jahren habe ich keinen Partner, und da ich irgendwie nicht nach ONSs strebe sondern mir eher wünsche, dass mal aus einer Zuneigung "mehr" wird, aber in dieser Reihenfolge, eiere ich da nach wie vor ziemlich 'rum. Sex mit jemand anderen - eigentlich Fehlanzeige. Diese Situation führt dann dazu, dass mich im vergangenen Jahr ein Kuss ziemlich verwirrte (ich weiß, es ist albern: um mich herum gibt es enge Freunde, die haben in der Woche 2 - 3 Dates und auch Sex mit denen, ohne dass es gleich was "Großes" zu bedeuten hat). Es war auf dem CSD in Saarbrücken, wo ich mit Freunden war (und zum ersten Mal auch auf einem Wagen mitfuhr - Yeah!). Auf dem Straßenfest lernte ich einen anderen Mann kennen, der rund 20 Jahre jünger als ich ist. Ich habe gute (schwule) Freunde in dem Alter - nicht weil ich in dem Alter suche, aber es hat sich so ergeben -, von daher dachte ich mir gar nichts dabei. Mir ist klar, dass ich mit zwanzig Jahren jüngeren sicher eine Ebene habe, weil ich viele gemeinsame Themen mit ihnen habe und mich selbst vom Kopf her eher mit ihnen identifizieren kann als mit machen Gleichaltrigen, der mir davon erzählt, dass er in 15 Jahren in Rente geht und vorrechnte, was er dann bekommt (das hatte ich tatsächlich öfters!). Ich glaube, ich fühle mich noch zu tief im Leben und will auch viele Erfahrungen machen, Spaß haben, mich ablenken (meine in früheren Teilen meiner Geschichte erwähnte Mutter ist noch immer schwer an Alzheimer-Demenz erkrankt, inzwischen liegt sie fast nur noch, weint, erkennt mich kaum noch - das bedrückt mich als einziger Abgehöriger sehr), das Leben einsaugen. Ich will wenig aufschieben und das Jetzt begehen.
Ist es eine Flucht? Vielleicht? Vielleicht aber auch großes Interesse, Spaß, Neugier. In meinem Alter gibt es leider sehr viele, die sich die Hörner schon abgestoßen haben und eher ein sicheres und geordnetes Leben führen wollen. Das passt aber nur bedingt zu mir.
Meine Hetero-Freunde liebe ich nach wie vor, ich bin froh, gute Freunde zu haben. Die meisten haben aber nun Kinder und müssen sich viel um ihre Familien kümmern. Sie können mir nicht so viel Aufmerksamkeit gegenüber aufbringen wie ich umgekehrt tue. Das mag sich mal wieder ändern und ich genieße nach wie vor diese Freundschaften, aber sie erfüllen mich nicht immer völlig.
Darüber hinaus bin ich - davon berichetet ich ja schon - in eine Clique von ca. 30jährigen reingerutscht, die sehr eng ist und mir wird nie das Gefühl gegeben, dass ich so viel älter bin. Ich verreise mit ihnen, gehe mit ihnen aus, tanze auf Partys, diskutiere, lache, weine. Neben meinen besten Hetero-Freunden sind einige von ihnen ganz enge Freunde geworden und das hält nun auch schon bei einigen rund fünf Jahre.

Naja, zurück zu dem Kuss - ein kleiner Kuss für mein Gegenüber, ein großer für mich - ... Ich nenn' ihn mal B. Ich traf B. nun also über Freunde auf dem CSD in Saarbrücken und fand ihn sehr attraktiv, aber schalte auch gleich einen Gang herunter, denn was soll der denn von mir wollen? Und überhaupt: einer aus der Clique (in meinem Alter) schien sich sogar schon für ihn zu interessieren. Warum sollte ich mir da nun was drauf einbilden oder ich mich gar lächerlich machen?
Aber dann geschah was, was ich nicht erwartet hat: B. ließ den anderen aus meiner Clique abblitzen und sorgte dafür, dass ich neben ihm stehe, plauderte angeregt mit mirm besorgte mir ein Kölsch etc. Als ich von meiner Firma sprach und von meiner "Partnerin", schien er plötzlich enttäuscht zus ein, bis er dann merkte, ich rede von meiner GESCHÄFTS-Partnerin. Er fragte mich auch, ob ich später noch mit auf eine Party ginge. Da ich mit Freunden dort war und auch bei denen (etwas entfernt von Saarbrücken) wohnte, sagte ich, dass "wir" wohl eher nicht mehr mitkämen. Er meinte dann: "Mich interessiert vor allem, ob Du mitkommst."
Wir quatschten also und "Klein-Mickey2" schnallte zwar was, aber verbot sich selbst, was zu schnallen. Bis dann B. irgendwann mal sagte: "Sag mal, merkst Du nicht, dass ich Dich die ganze Zeit anmache?"
Dann war er irgendwann plötzlich weg und ich suchte ihn dann, fand ihn dann aber später eher etwas betrunken mit ein paar Mädels.

Nachts schrieb ich ihm dann via Facebook und entschuldigte mich, dass ich etwas begriffsstutzig gewesen sei. Er antwortete dann noch früh morgens und sagte, es sei kein Problem. Dann meinte er sinngemäß: "Ich weiß, ich bin frech, aber mich würde interessieren: bist Du aktiv oder passiv?"
Toll, ich der (fast) keine Erfahrung hat, und dann soll ich das sagen (ich bin da tatsächlich nicht sicher) ;-) Aber genau das schrieb ich dann auch und er fand es süss.
Ich fragte, ob er auch mit auf den Wagen bei der Parade käme. Er wollte eigentlich nicht, aber nun ggf. doch.
Und er kam dann auch auf die Parade mit, wobei ich da das Gefühl hatte, die Stimmung von gestern sei eher verflogen.
Später dann aber hatten wir noch etwas Zeit zum Quatschen und er sagte mir, dass er eigentlich nur auf etwas ältere Männer stünde und mich wahnsinnig sexy fände. Auch sowas kenne ich ja gar nicht und es beeindruckte mich schon, wenngleich klar war, dass ich ja nicht mit zu ihm könne, weil ich später wieder mit meinen Freunden wegführe. Darüber sprachen wir aber auch ganz offen, auch darüber, dass wir uns gerne wiedersehen wöllten und auf jeden Fall in Kontakt bleiben. Er betonte mehrfach, wie toll er mich fände und dass er warten könne. Schließlich bat er aber darum, dass wir uns zumindest noch küssen müssten.
Auch das ist ja nicht gerade Routine bei mir, ganz im Gegenteil. Und wie zwei Schuljungs verließen wir dann das Straßenfest und suchten einen ruhigen Platz an der Saar, wo uns - offenbar war er auch etwas schüchterner als er ansonsten wirkte - keiner sehen könnte. Und dort küssten wir uns mehrfach. Und er sagte nur, dass das Lust auf mehr irgendwann mache.
Danach quatschten wir noch sehr lange und er sagte auch, dass er nicht ganz so gut sei mit mailen etc., er kann besser den direkten Kontakt. Aber auch er wollte dann versuchen, den Kontakt zu halten.
Wir sahen uns dann noch mehrfach an dem Abend und ich war ob des Kusses und der nicht alltäglichen Komplimente auch sehr verwirrt.
Am nächsten Tag ging es wieder zurück nach Freiburg, aber ich versuchte dann, den Kontakt zu halten. Leider fiel er danach wohl in eine Art Depression, und seine Schwäche, zu Mailen, wurde deutlich. Vielleicht war aber auch das Interesse später doch verfolgen, ich weiß es nicht. Ich weiß nur - und das habe ich ihm auch angeboten -, dass er gerne zu mir eingeladen gewesen wäre bzw. ich umgekehrt auch mal problemlos hätte zu ihm fahren können. Sooooo unglaublich weit ist das ja nun auch wieder nicht.
Naja, er hat wohl seine Depression inzwischen überwunden, wir schreiben auch mal ab und an (wenn ich beginne), aber ich glaube, das Ganze hat sich dann doch wieder in Luft aufgelöst. Das Ganze war im Juli, mich hat dieser eine Kuss und die Komplimente aber über den Herbst begleitet und ich merkte, wie schnell ich doch alle Vorsetze über Bord geworfen hätte, wäre er auf eine meiner Einladungen eingangen.
Man sieht aber auch, wie es um mich bestellt ist, dass mich ein Kuss so aufwühlt. Wenn ich da an andere Freunde denke, die manchmal gar nicht mehr wissen, wen sie schon alles bei sich im Bett hatten, ist das ja auch etwas erbärmlich.
Es war aber auch ein wenig so, dass ich zu B. tatsächlich sehr schnell ein großes Vertrauen aufgebaut hatte, was mir oft bei schnellen Bekanntschaften nicht so gelingt. Ich brauche oft eher etwas, aber dann ist es sehr "dicke". Dafür aber schon wieder fast zu "dicke", als dass man zu einem ONS zurückkehren könnte.

Was hat sich sonst bei mir getan? Noch immer arbeite ich mehr oder minder wöchentlich für die Schwule Welle, dazu bei einer Schwulen Filmwoche (demnächst reise ich für diese eine Woche zur Berlinale), meine (schwule) Clique ist ein Glücksfall für mich und in Sachen "Freundschaften" darf ich mich nicht beschweren.
In Sachen "Liebe" allerdings bin ich noch immer ein 12jähriger.
Was mich manchmal wurmt ist, wenn manche Bekannte und Freunde denken, ich "bräuchte" vielleicht gar keinen Sex oder nicht so viel, ich aber ein wenig in meinen Vorstellungen verhaftet stecke, in welcher Reihenfolge das zu geschehen hat. Und ich ja durchaus darunter leider, andere Paare zu sehen, obwohl ich aus meinem Single-Leben natürlich das Beste mache (und es hat ja auch viel Gutes). Man will ja oft das, was man nicht hat und sieht so selten bewusst, was man schon hat.

Naja, seit 15 Jahren nun schreibe ich hier an meiner Geschichte - unglaublich!

To be continued ...!

Viele liebe Grüße
Mickey2
Re: Meine Geschichte
18. Juni 2019 09:47
Hi, mal wieder sind 1 1/2 Jahre vergangen und in regelmäßigen Abständen versuche ich immer mal wieder zu reflektieren, wo ich stehe und wohin ich will.

Um es vorweg zu nehmen: Partnerschaftsmäßig hat sich leider nichts oder wenig getan und oft kratzt das auch am Selbstwertgefühl. Und da ich eigentlich kein Fan von ONSs bin, fehlt da natürlich was in meinem Leben, dass ich ansonsten als recht o.k. bis gut bezeichnen würde. Ich habe tolle Freundinnen und Freunde queer und hetero. Ich habe Freunde in meinem Alter und ebensolche, die etwas bis deutlich jünger sind - das habe ich nie gesucht, aber wie ich schon beschrieb, bin ich vor ein paar Jahren in eine Clique mit rund 15-20 Jahre jüngeren reingerutscht und das hat sich dann verselbstständigt und innerhalb dieser Clique ist das Alter relativ "egal" - eher habe ich ein Problem damit denn die anderen, das merke ich immer, wenn ich mal deswegen etwas herumjammere.
Probleme gibt es höchstens, wenn ich MIT dieser Clique andere von deren Bekannten treffe und dann zunächst nicht ganz klar ist, was ich mit ihnen zu tun habe. Das sind für mich oft eher unangenehme Situationen, aber auch hier ist es wohl eher ein Problem für mich als für die anderen.

Dass ich jüngere, gleichaltrige und auch ältere Freunde habe, bringt mich aber in die tolle Situation, viel vom Leben mitzubekommen und sehr unterschiedliche Aspekte zu erleben - nicht nur auf das schwule Leben bezogen.

Partnerschaftsmäßig - wie gesagt - war aber weiter nicht viel. Ich bin vergangenes Jahr ein wenig in ein Techtelmechtel mit einem (jüngeren) Chinesen gerutscht und das war auch phasenweise (trotz Sprachprobleme und auch räumlichen Abstand - Freiburg und Straßburg) ganz gut. Er war völlig ungeoutet und war dennoch die treibende Kraft. Ich bin eher der Typ, der davon überzeugt ist, gar nicht das Recht zu haben, begehren zu dürfen. Daher in ich dann immer eher überrascht, wenn es dann doch mal passiert.
Dennoch - vielleicht auch durch erhebliche kulturelle Probleme - war das nur knapp ein halbes Jahr und in großen Anständen ein Techtelmächtel.

Ansonsten war fast nichts in dieser Richtung und ich bemerke, dass ich da auch langsam resigniere und überhaupt nicht auf dem Schirm habe, dass sich da mal etwas ändern könnte. Aber die Hoffnung stirbt ja oft zuletzt.

Manchmal denke ich, ich müsste da offensiver sein, aber mein Selbstbewusstsein gibt es wohl nicht her. Wie gesagt: ich denke immer, dass ich "kein Recht" dazu habe, von jemandem "mehr" zu wollen oder aber ich habe Angst, abgewiesen zu werden. Oder beides? Ich denke da viel drüber nach.
Die paar wenigen Male, wo es mehr gab und ich dann "abgewiesen" wurde, habe wohl mein Selbstbewusstsein nicht gerade gestärkt.

Und so bin ich aber froh, einen großen Freundeskreis zu haben. Als meine Mutter vor knapp zwei Jahren starb, waren sie mir nah und fern eine große Hilfe. Als neulich mein Unternehmen vor dem Abgrund stand und ich fast pleite gewesen wäre, griff ebenfalls dieses Netzwerk. Dahingehend darf ich mich nicht beklagen, dieser Teil der Zuneigung zu anderen Menschen ist mir geblieben und da möchte ich auch kaum was dran rütteln.

Queertechnisch bin ich nach wie vor in der Schwulen Filmwoche in Freiburg, ebenso arbeite ich mit zwei (phaseweise vier) Kollegen auch weiter für die Schwule Welle, wir sind die älteste schwule Radiosendung Deutschlands und wurden gerde 30 Jahre alt - das Radio dürfte also nun bei CO30 eintreten ;-)
Ich bin jetzt ein paar Jahre dabei, und obwohl ich nicht zwingend der große Redner bin, macht es Spaß, hier auf dem kurzem Weg Themen zu erörtern oder mit queeren (und auch anderen) Talkgästen zu plaudern. Ich sehe es als ein Privileg an, jemanden z.B. im TV zu sehen oder auf der CSD-Bühne und dann um ein Interview zu bitten.
Spaß machte mir auch ein sehr aufwendiges Feature zum Thema "Queere Weimarer Republik" im vergangenen Jahr, für das ich auch in Berlin recherchierte, mit Experten von der taz, dem Tagesspiegel etc. redete und das ganze versuchte, zu einem knapp 90-minütigen Historiy-Feature zu verarbeiten. Und es machte auch Spaß, mal die Geschichte der queeren Community vor dem Dritten Reich zu beleuchten. Sehr oft wird mir dabei bewusst, wie priviligiert wir doch - trotz aller Probleme - heute in Deutschland leben.
Wobei die jüngsten Hasstiraden mancher Mitbürger dann leider auch wieder zeigen, dass das alles andere als selbstverständlich ist. Auch heute müssen wir - da bin ich von überzeugt - um unsere Rechte kämpfen bzw. auch um deren Erhalt.

Ich habe dieses Jahr den CSD in Saarbrücken besucht, kommendes Wochenende bin ich auf dem Freiburger und Anfang Juli in Köln. Ich halte das für sehr wichtig.

Obwohl ich aber keinen Partner habe, sich mein Leben im Großen und Ganzen bislang nicht allzu sehr verändert hat (also im Bezug auf den Familienstand), bin ich jeden Tag froh darüber, dass ich vor vielen Jahren den Schritt nach langem Zögern und Hadern, versehen mit tiefen Krisen, gewagt hat. Das hat sich auf jeden Fall gelohnt. Es war und ist so, als wäre man von einem Korsett befreit oder einer Ritterrüstung. Man bekommt Luft und kann befreit atmen. Nach wie vor ist meine Homosexualität nicht mein einziges Wesensmerkmal, ich bin sicher vielseitiger und das ist nur ein Aspekt von mir, aber ich bin froh, dass ich diesen Aspekt nicht mehr verbergen muss, auch bei meinen Heterofreunden war es eine Befreiung und es hat unsere Beziehungen eher vertieft.

So, das war es mal wieder ... wie gesagt: viel war es nicht seit dem letzten Mal.

Liebe Grüße,
sagt der
Mickey2.
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