Wie geht es weiter ?

Guten Tag und Alles Gute im Neuen Jahr!

Ich bin neu hier und habe mir schon einige Beiträge durchgelesen.
Jetzt möchte ich meine eigene Geschichte hier los werden.
Ich denke , das Schreiben hilft mir evtl meine Gedanken zu sortieren. Vielleicht gibt es auch jemanden, der mir einen Rat, Zuspruch, Kritik oder was auch immer geben kann.

Ich heiße Matthias , bin 36 Jahre, und lebe seit frühester Kindheit in einem kleinen Ort von ca. 900 Einwohnern.
Meine Familie stammt von hier, ich bin beliebt, Mitglied bei der Feuerwehr, im Karnevalsverein und im Sportverein.
Und dass ich schwul bin weiß ich schon seit mindestens der Pubertät. Lange Zeit, bis Ende 20, habe ich das allerdings nicht ausgelebt. Ich hatte aber auch nie eine ernsthafte Beziehung mit einer Frau .
Das ich schwul bin wissen meine Eltern und Geschwister, meine Schwägerin und eine gute Freundin.
Ich hatte auch schon mit ziemlich vielen Männern Sex, mal mehr, mal weniger befriedigend.
Nun habe ich jemanden kennen gelernt für den ich mehr empfinde, und er auch für mich.
Ich stelle mir nun die Frage, ob ich mich bei meinen guten Freunden outen soll. Ich kenne sie zum guten Teil seit Kindheit an.
Spätestens wenn es ernster werden sollte mit meinem neuen Bekannten wird ja doch die Frage aufkommen, wo ich denn am Wochenende bin, wer mich da besucht, etc.
Ich habe aber furchtbare Angst vor blöden Sprüchen und Kommentaren hier im Dorf.
Und davor, dass meine Beziehungen und mein Status hier im Ort sich ändern.
Ich denke mir oft, wäre ich nur mit Anfang 20 weggezogen. Aber hier auf dem Dorf war immer meine Heimat und meine Freunde. Mittlerweile fühle ich aber, dass das Verheimlichen eines wesentlichen Teils der Persönlichkeit einen auf Dauer krank, einsam und unzufrieden machen kann.
Heute Abend treffe ich einen sehr guten Freund. Soll ich ihn einweihen? Oder besser nicht? Erstmal abwarten wie es sich mit meinem Schwarm entwickelt? Wegziehen und "frei" sein? Aber gleichzeitig die besten Freunde im Unklaren lassen? Hab ich meine Jugend verkorkst? Denke ich einfach zu viel nach?
Mir gehen tausend Gedanken durch den Kopf aber ich finde zu keiner Entscheidung. Ich bin nervös und unkonzentriert, schlafe teilweise schlecht und hab zu viel getrunken in den letzten Wochen.
Wie geht es weiter?

Viele Grüße

Matthias

Guden Matthias,

erst mal willkommen!
Wichtig ist, steh zu dir selbst! Alles andere macht dich nur krank. Glaub mir ich weiß wovon ich rede. Siehe meine Geschichte: [www.co30interaktiv.de]
Ok, keine Ahnung, wie das in einem Dorf mit 900 Menschen ist, aber ich kann nur sagen, hier in meiner Stadt ist es ziemlich egal.
Und mal ehrlich, den wichtigsten Menschen hast du es ja schon mitgeteilt, alle anderen können dir gepflegt am A vorbei gehen!
Wenn du magst, dass deine wichtigen Freunde es erfahren, dann sag es ihnen. Spätestens dann wirst du sehen, ob es wirklich Freunde sind!
Und wenn sie falsch reagieren (also ablehnend oder diskriminierend) dann brauchst du diese eh nicht! Stehen diese dir bei schweren Situationen eh nicht zur Seite. Das ist meine Erfahrung und Überzeugung.
Ich hab nen ganzes Leben verschenkt, so fühlt es sich zumindest an, hab mein CO erst mit 46 gemacht und ich ärgere mich immer wieder mal, dass ich es nicht schon viel früher gemacht habe, hab die beste Zeit (naja, wenn man das so sagen mag) verschlafen.
Und ich kann dir noch was sagen. Mein CO ist durchweg positiv ausgefallen. Seit dem fühle ich mich so frei, so selbstsicher, fühle mich so sehr nach mir selbst an, das hab ich so noch nie empfunden!
Mir hat es sehr geholfen hier in diesem Forum meinen Weg zu starten, hat ein langes Jahr gedauert und dann bin ich endlich ausgebrochen aus dem Gefängnis, welches ich mir selbst gebaut hatte. Ich hab nun so viele schwule Freunde, ich kann mich schon gar nicht mehr retten . Ich bin viel in der Szene unterwegs und so viel herzlichkeit hab ich noch nie entgegengebracht bekommen. OK, meine Natur hilft mir da schon sehr, das mag bei anderen anders sein.
Mach nicht den selben Fehler, warte nicht zu lange! 36 ist ein geniales Alter, nutze es und nutze die Zeit. Und wenn es im Dorf keinen Platz mehr für dich gibt, zieh weg in ne Großstadt mit Szene.
Das wichtigste ist, dass du glücklich bist, zu dir selbst stehst und einen gepflegten Haufen auf die Leute machst die dich wegen deiner Sexualität diskriminieren oder im Stich lassen. Du musst nur dir gefallen und niemand anderem!

LG
teoma

Guten Morgen Teoma und alle anderen!

Erstmal Dankeschön für die schnelle Antwort !
Ich hab es einem meiner besten hetero Freunde gestern erzählt.
Er war zwar überrascht, hat aber absolut kein Problem damit und wir sind beide der Meinung, dass das an unserer Freundschaft nichts ändert.
Mir ist eine Tonnenlast vom Herzen gefallen.
Ich werde weiter berichten.

Viele Grüße

Matthias

Hallo Matthias,
Herzlich willkommen hier im Forum. Schön dass du den Weg hierher gefunden hast und dass teoma sich schon so nett um dich gekümmert hat.
Das hört sich doch wunderbar an und wundert mich aber auch nicht. Meine Erfahrung mit meinem CO (erst mit 54) war auch die, dass die allermeisten Leute total positiv reagierten. Ich verstehe deine Bedenken nur zu gut, aber sie sind zum großen Teil unbegründet, wie du sehen wirst. Wir teoma richtig bemerkt hat: Wenn es doch einzelne Leute gibt, die dich deshalb fallenlassen, dann sind sie es nicht wert deine Freunde genannt zu werden.

Ich bin gespannt auf die Fortsetzung ;-)

Franz

Guten Abend,

Ein kleines update: mit meinem coming out bin ich noch nicht viel weiter.
Diese Woche habe ich aber zumindest mal eine schwule Freizeitgruppe in der nächsten Stadt (15 km) besucht, was eigentlich ganz nett und entspannend war.
Dieses Wochenende werde ich mit meinem "Freund" (ich setze das in Anführungszeichen weil ja noch alles offen ist ) eine Städtereise machen.
So weit, hier mit ihm auszugehen bin ich noch nicht. Da fehlt mir der Mut und das Selbstbewusstsein.
Ich bin jedenfalls gespannt wie es wird.
Euch Allen ein schönes Wochenende!

Gruß Mätti

Toll das du aktiv wirst/bleibst und nicht in dich zusammen sinkst. Alles Gute für dich und deinen Schwarm. :-)

Hallo Mätti,

wie war die Städtereise? Hoffe ihr hattet eine schöne Zeit zusammen.

LG
Sarah

Hallo zusammen!

Ich wollte mich mal wieder hier melden. Ich hoffe Euch geht's allen gut so weit.
Meine Beziehung hat nicht lange gehalten, was ich aber gar nicht so schlimm finde. Es war eine schöne Zeit aber so richtig Ernst war es wohl doch nicht.
Bin im letzten Jahr häufiger mal ausgegangen in schwule Bars oder Clubs und fühl mich dort richtig wohl. Allerdings stimmt es mich auch traurig, weil ich dann immer denke: "Das hättest du auch früher haben können!"
Hab auch schon viele nette Leute so kennen gelernt aber eine richtige schwule Clique hab ich leider nicht.
Mein Problem bei der Sache ist, das das Ganze immer noch parallel zu meinem bisherigen Leben läuft. Also doch so ne Art Doppelleben, wobei ich aktiv ja nichts verheimliche.
Ich würd gern meine Freunde einfach einweihen aber bisher hab ich mich nur einem anvertraut, wie ich ja auch schon hier geschrieben habe.
Ich nehm mir immer vor, wenn die Gelegenheit kommt, mich einfach bei meinen Freunden und Kumpels zu outen. Aber leider kommt die Gelegenheit nicht :-(
Ich wünschte, es würde mich einfach mal jemand von ihnen konkret fragen. Versteht Ihr was ich meine?

Eine Frage habe ich jetzt eigentlich nicht, wollte nur mal meine Gedanken los werden. Wenn trotzdem jemand was dazu schreiben will oder einen Rat für mich hat, freue ich mich natürlich!

Schönes Wochenende Euch allen!

Gruß Matthias

Hallo Mätti ,
warum denkst du das "das ganze" parallel läuft? Wird sich vermutlich im Lauf der Zeit immer mehr relativieren.
Die schwule Clique .....wünschst du dir wofür ? Zur Partnersuche ? , zum Austausch ? um mal offen reden zu können ?
Könnte mir schon vorstellen das der ein oder andere deiner Kumpels ohnehin "Bescheid" weis. Im Unterschied zu denen die "es schon immer gewusst haben " haben wir uns schon ein Leben mit dem entsprechenden Umfeld aufgebaut. Ich persönlich möchte diese über Jahre gewachsenen Kontakte auch nicht aufgeben oder durch andere "passende" ersetzen. Für mich ist es mittlerweile so das ich den Spagat zwischen meinem "alten" Leben und der dazugewonnenen Erkenntnis homosexuell zu sein unter einen Hut bringen will. Mit meinen Kindern , meiner Familie......ich bin davon ja kein anderer Mensch geworden .

Lg und freue mich mal wieder von dir zu lesen

Hallo Daniela,

danke für deine Antwort!
Ja, genau dafür wünsche ich mir eine schwule Clique. Es gibt halt manche Themen, Veranstaltungen, Lokalitäten, die interessieren meine heterosexuellen Freunde nicht. Da gehe ich mal von aus.
Es kann gut sein, dass manche meiner Kumpels zumindest was vermuten. Wissen tun es bisher nur zwei und eine gute Freundin.
Auf keinen Fall möchte ich meine bisherigen Freunde und Kumpels durch andere ersetzen. Ich glaube sogar, dass ich bessere nicht mehr finden werde. Es steht halt da unausgesprochen trotzdem was zwischen uns. Am liebsten wär es mir echt jemand würde mich einfach konkret fragen.
Mein Wunsch ist es auch, alles unter einen Hut zu bringen. Auf keinen Fall will ich dauerhaft zwei Freundeskreise haben, die voneinander nix wissen und wo ich dazwischen hin und her pendele.
Kurzum, mit einem Rund-um-Coming-Out würde wahrscheinlich vieles einfacher.
Leider bring ich es irgendwie nicht fertig.

Viele Grüße Matthias

Lieber Mätti82 ,

ein "rundum" Coming out hatte ich auch nicht. Habe mich auf die Menschen / Freunde beschränkt die für mich so wichtig sind das ich auch über private Dinge reden mag. Im privaten Bereich bin ich also geoutet, manche haben das zur Kenntnis genommen und es wird trotzdem nicht darüber geredet, bzw. dazu geschwiegen oder das Thema umschifft. Andere haben damit gar kein Problem.
Für wen brauchst du das ...dich zu outen ? Die Antwort war bei mir ...für mich selber.....damit ich weis das ich hinter mir stehen kann und weis wer ich bin. Ist bei dir ähnlich ?
Im Betrieb ( erzkonservativer Chef von 87 !!!! Jahren und seine Töchter , die immer noch nichts zu melden haben) weis nur ein gute Kollegin/ Freundin bescheid. Hier schien es mit vernünftiger mich zurückzuhalten. Der Chef hat schon Probleme mit Frauen die selbstbewusst auftreten, was soll da werden ? Man muss sich keinen Ärger an´s Bein binden denke ich.
Ich dachte auch mal ich müsste "allen" bescheid sagen, heute sehe ich das differenzierter. Die Entscheidung wem du was wie sagst........das ist es was mich dabei trotzdem nervt.
Liebe Grüße und einen guten Weg

Hallo Daniela,

wahrscheinlich hast Du Recht. Den Menschen, die einem wichtig sind sollte man es sagen. Der Rest erfährt es so oder auch nicht.
Gestern war ich in Trier im Queergarten. Das ist echt gut gemacht und das Bier kühl und gut gezapft. Ich kann es nur empfehlen, falls jemand hier aus der Gegend ist.

Viele Grüße Mätti

....oder wer mal in der Gegend ist.

Finde spontane CO30 Treffen cool


[www.schmit-z.de]

LG Maks



1-mal bearbeitet. Zuletzt am 22.08.20 13:59.

Guten Abend zusammen,

bei mir geht es voran. Bin dabei mich bei meinen Freunden zu outen. Bei den wichtigsten habe ich es in den letzten Tagen getan. Und wie so viele hier vor mir es auch gespürt haben: Es ist eine riesengroße Erleichterung. Ich fühle mich frei und stark. Ich fühle, dass ich endlich in meinem Leben ankomme.
Die Reaktionen meiner Freunde waren durchweg positiv. Fast alle waren aber überrascht. Und ich habe immer gemeint, dass alle sowieso was vermuten.
Ich habe auch den Eindruck, dass mein Coming Out in jedem einzelnen Fall die Freundschaft noch fester gemacht hat.
Vielen, vielen Dank an alle hier, die mir Mut gemacht haben und Zuspruch gegeben haben! Ganz besonders Maks.
Frohe, erholsame Feiertage wünscht Euch allen
Matthias