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Hin und Her

geschrieben von Brigitte2020 
Hin und Her
23. Mai 2018 15:56
Hallo,

ich wollte mal etwas zu meiner Geschichte schreiben, weil ich sehr gerne eure Gedanken dazu lesen würde. Vielleicht gibt es hier die eine oder den anderen, die auch solche Erfahrungen gemacht haben und dem Wirrwar des Coming outs über 30 (oder 40) und etwas dazu beisteuern können.

Ich selbst habe die Frauenliebe erst spät für mich entdeckt nach einem heterosexuellen Lebenswandel mit zwei längeren Partnerschaften. Das passierte mit über 40, als ich mich in eine Frau (damals eine Kollegin) verliebte. Es war erst mal für mich selbst nicht so leicht, vollständig zu realisieren, weil es ja alles so neu war und ich diese Gefühle für eine Frau gar nicht so richtig zuordnen konnte. Wir waren dann irgendwann gut befreundet und das Ganze fühlte sich immer irgendwie anders und besonders an, überschritt auch in der Intensität des Kontaktes Grenzen, die ich eigentlich in Freundschaften ziehen würde. Es gab täglichen Kontakt, gemeinsame Reisen, gemeinsame Zeit, alles platonisch aber sehr schön und sehr berührend. Ich kam dann ziemlich plötzlich unter Druck, mich ihr gegenüber zu outen, obwohl ich dazu noch gar nicht so richtig bereit war. Sie hatte damals ziemlich plötzlich für mich und unvorhergesehen etnschieden, eine Stelle im Ausland anzunehmen und ich merkte, dass ich ihr sagen müsste, was ich für sie empfinde. Ich deutete das in einer Mail an und sagte ihr, dass wir darüber reden müssten. Sie war zu dem Zeitpunkt schon sehr am Pendeln zwischen hier und dem Ausland und unsere Begegnungen fand immer mehr in kleinen Zeitfenstern statt. Sie ging damals nicht darauf ein und das Gespräch kam nicht zustande (ich versuchte es ein paar Mal, kam aber nie weiter und war selbst auch so super unsicher, das erste Mal in einer gleichgeschlechtlichen Liebe mit einer Frau, die auch keine lesbische Vergangenheit hatte), worunter ich sehr litt, sie aber dennoch in ihrem Vorhaben und den Veränderungen unterstützte. Es brach mir ziemlich das Herz, dass sie ging und dass sie ja so augenscheinlich nicht mit mir über diese Sache reden wollte. Der Kontakt blieb aber bestehen und wurde dann trotz der nun räumlichen Distanz auch eher immer enger durch viel Austausch und durch gegenseitige Besuche. Sie fing dann irgendwann an davon zu reden, dass ich doch auch nachkommen bzw. dort arbeiten könnte. Wann immer aber wir uns in der Realität begegneten, ging sie auf Distanz, während sie in der Distanz eine ganz andere Nähe und Herzlichkeit mit mir fand. Irgendwann nach einem für mich extrem frustrierenden gemeinsamen Urlaub, wo ich dachte, wir würden die Barrieren zwischen uns vieleicht einmal überkommen und über das Thema eines Umzugs auch für mich über uns und das Gemeinsame reden, dies aber nie zustande kam, fasste ich mir dann nochmal das Herz und schrieb ihr einen unmissverständlichen Brief über meine Gefühle und darüber, wie unklar mir die ihren wären in dem Hin und Her zwischen Nähe und Vertrautheit und dann aber wieder Distanz. Ich bat sie darum, mir nicht länger auszuweichen sondern mir einmal zu erklären, was ihre Gefühle für mich seien.

Die Enttäuschung war groß und es brach mir ein zweites Mal das Herz als sie mir schrieb, sie sei nicht in mich verliebt, aber es wäre schon ein ziemliches Gefühlsknäul. Sie wüsste nicht, ob es wäre weil ich eine Frau sei oder weil sie seit einer lange zurückliegenden unglücklich beendeten Beziehung (zu einem Mann, es liegt 20 Jahre zurück, seitdem hatte sie nur sexuelle Affären keine Beziehungen). Es folgte eine lange Zeit, wo ich sie bat dieses Knäul doch mal für mich oder mit mir zu entwirren, denn dass hier zwischen uns, zwei Frauen, eine sehr besondere Verbindung enstanden wäre, schien ja ohne Zweifel. Sie ging auf Abstand, tauchte ab, da war erst einmal Schweigen, also kein komplettes aber zum Thema, telefonieren wollte sie nicht, wegen der Distanz hatte ich keine Chance sie zu erreichen. Das war schlimm und tat mir sehr weh, weil der so intensive Kontakt nun von ihr komplett erst einmal zurückgefahren wurde. Später kamen dann hier und da mal ein paar Austausche zustande, immer von mir ausgehend, insistierend, dass da was zu klären bliebe. Sie hätte unsere Freundschaft als exklusiv empfunden, ich wäre schon der Mensch mit dem sie an liebsten Ihre Zeit verbracht hätte, aber es bestünde nicht der Wunsch nach etwas Anderem, auch wenn ich glaubte, wir könnten das finden. Es würde nie das werden, was ich mir wünschte. Es gab viele Widersprüche dabei, sie sei ahnungslos und planlos gewesen, hätte nicht gewusst, dass ich so empfände, könne sich nicht an die Mails und meine Versuche zu reden erinnern, dann aber wieder hätte sie es seitdem auch wahrgenommen und es hätte sie verunsichert, es wäre nicht mehr so unbeschwert gewesen und auch einmal, dass mein Annähern sie irritiert hätte. Den Nachfragen, was es denn mit dem Gefühlsknäul auf sich hätte, entzog sie sich, es hätte sie erschrocken, dass ich davon ausginge, dass es etwas mit ihrer Angst vor Beziehungen oder vor der Frauenliebe zu tun hätte, auf meine Worte, dass sie das ja selbst geschrieben hätte, ging sie nicht ein, wie sie überhaupt auf einen Großteil meiner Fragen oder Worte nie einging.

Ich versuchte das alls zu akzeptieren, es blieb ja auch nichts anderes. Oft war ich davor, die Reißleine zu ziehen und die Verbindung enfach abzubrechen, aber es ging irgendwie dann doch immer weiter, auch mit vielen Tränen auf ihrer Seite. In unseren reellen Begegnungen blieb und bleibt es alles so vieeeeel weniger glatt und klar. Wir einigten uns auf Freundschaft, ich wollte das auch versuchen, obwohl mir Vieles an ihrem Zögern, an dem langen Ausweichen, obwohl ja seit meinen ersten Versuchen klar war, dass ich mehr empfinde, sehr weh getan hatte und mir auch ein bisschen wie ein Spiel mit mit meinen Gefühlen vorkam. Es schien mir, als hätte sie die Wärme und Liebe, die ihr ja auch sehr gut tat gerade auch bei dem Neustart in einem anderen, fremden Land immer entgegengenommen, obwohl sie sie ja eigentlich nie so erwidern wollte. Das tat echt weh. Sie weicht immer noch aus, schneidet von sich das Thema nie an, aber wenn ich ihr dann vor allem in der Phase, wo es einfach noch viel zu klären gab, keine Ausweichmöglichkeit ließ, war sie immer sehr tränenreich, nie souverän, konnte mir nie klar sagen, dass sie mich halt nicht so lieben kann. Und wir bleiben immer noch irgendwie schön aber irgendwie auch seltsam verbunden. Der Kontakt ist über die Distanz nicht mehr so rege, aber wieder besser als dazwischen, mir tut es alles nicht mehr so weh, aber trotzdem gehen mir unsere Treffen bei ihren Besuchen immer noch unter die Haut, und immer wieder fühlt es sich so an, als ob das was da zwischen uns ist, eben doch nicht nur eine Freundschaft ist. Während wir uns in vieler Hinsicht wieder sehr offen begegnen, bleibt alles was das Thema romantische Beziehungen oder Träume betrifft tabu. Sie weicht immer aus, wenn ich in die Richtung rede oder frage. Sie fragt nie. Wir reden allerdings locker über Homosexualität, wenn sie ein paar Gläser Wein getrunken hat, wird sie taktiler, aber danach auch gerne wieder kühler und unverbindlich in der Distanz.

Langer Text - mein Anliegen eigentlich ein Austausch, eure Gedanken. Kennt ihr soetwas? Kann man damit abschließen, so lange beide ohne Liebesbeziehung bleiben? Kennt hier jemand diesen vermeindlichen Tango? Was steckt dahinter? Ich leide nicht mehr so sehr darunter, versuche selbst schon länger wieder andere Menschen kennenzulerne, offener dafür, mein Herz an jemanden zu vergeben, der oder die es haben möchte, habe mich auch sehr dazu bekannt, dass das Frauen sein können (und waren die Dates auch oft), aber es gelingt mir immer noch schlecht, mich von dieser Frau zu lösen. Was meint ihr dazu?
Re: Hin und Her
23. Mai 2018 18:12
Hallo Brigitte,
Erstmal herzlich willkommen hier im Forum und danke für diesen wunderbaren Text.

Er hat bei mir Saiten zum Schwingen gebracht.

Obwohl ich erst jetzt mit 54 mein CO habe, empfand ich immer schon sehr stark für Männer. So verliebte ich mich in meiner Jugend mehrmals in andere Jungen und es ging mir mit meinen Gefühlen genau wie du es beschreibst. Mit 16 oder 20 kann man sich ja noch einreden, dass alles nur vorübergehend ist usw. aber ich merkte schon deutlich, dass die Gefühle, die ich entwickelte etwas Besonderes waren und mehr als nur Freundschaft. Ich erlebte das auch nochmal als ich Ende 30 war.

Die Probleme mit den Gefühlen des Gegenübers kann ich auch sehr gut nachvollziehen. Tatsächlich waren diese Freundschaften meistens besonders und gingen emotional weiter als übliche Jungenfreundschaften, aber das Thema wurde im Gespräch nicht berührt. Ich habe mich natürlich oft gefragt, ob ich mir das nur eingeredet habe und die Dinge so sah, wie ich sie eben sehen wollte. Allerdings sagte in einem Fall (dem für mich heftigsten) mein Freund auch, dass er noch nie eine solche Freundschaft gehabt hätte. Gerade diesem gegenüber offenbarte ich mich dann auch irgendwann aber er konnte damit nichts anfangen. Er brach aber auch den Kontakt nicht ab und diesen Kummer, den du beschreibst, kann ich sehr gut nachvollziehen.

Liebe Grüße
Franz
Re: Hin und Her
27. Mai 2018 23:32
Hallo Brigitte,

was du beschreibst würde ich als Liebe definieren. Den Drang, nicht nur emotional sondern auch körperlich das gefühlte umzusetzen. Nun ist es auf dieser Welt leider so, dass diese Gefühle nicht immer erwidert werden.
Vielleicht solltest du deiner Freundin die Zeit geben, die Sache zu verarbeiten. Lasst dieses Thema eine Zeit lang ruhen und baut eure Freundschaft weiter aus, denn diese Zeit habt ihr beide genossen.

Dieses Hin und Her habe ich jetzt noch nicht kennengelernt, stelle es mir aber sehr aufwühlend und stressig vor.

Ich hoffe meine Worte waren nicht zu sinnlos für dich.

LG
Re: Hin und Her
06. Juni 2018 14:12
Vielen Dank euch beiden, für eure Gedanken. Ich konnte mit beiden Beiträgen etwas anfangen. Der von Franz beschreibt ja Ähnliches und dem Rat von Leo33 folge ich ja schon eine ganze Weile. Ich lasse das Thema ruhen, aber mich wühlt es halt doch immer wieder auf. Es ist so wahnsinnig schwierig, mit solchen Wünschen und Gefühlen abzuschließen, wenn man sich doch immer wieder begegnet, wenn gemeinsame Zeit schön ist und ich bei mir sehr einfach feststellen kann, dass der Wunsch nach etwas Anderem mit ihr immer wieder da ist.

Gerade steht mir auch wieder ein Zusammentreffen bevor, danach werden wir uns allerdings lange nicht sehen (sie lebt ja im Ausland). Ich weiß immer nicht, ob ich mit ihr über diese Gedanken und Gefühle reden sollte, ob das dann wieder Druck ausübt (sie schneidet das Thema ja von sich aus nie an), ob ich vielleicht einfach auch in den Raum stellen sollte, dass wir eine Pause im Kontakt ausmachen, weil mich das halt doch alles immer wieder so mitnimmt und aufwühlt. Ich folge ja immer gerne meinem Bauchgefühl bei solchen Sachen, aber hier ist einfach auch ganz viel Verwirrung und mir fehlt seit langem eine wirklich klare Linie. Ich war auch noch nie vorher in der Situation, eine enge Freundschaft mit einem Menschen zu versuchen, für den man eigentlich mehr empfindet und von dem man sich mehr wünscht. Vielleicht geht das auch nur nach einem kompletten "Cut", oder wenn entweder sie glücklich in einer anderen Beziehung wäre (und ich vielleicht endlich verstehen könnte, warum das mit mir keine Option war oder ist), oder in meinem Leben halt jemand diesen Platz eingenommen hat...

Weiterhin ratlos, aber danke an euch beide.
Re: Hin und Her
06. Juni 2018 16:57
Hallo Brigitte!

Ich kann Dein Gefühl des Hin- und Hergerissenseins gut verstehen.

Vielleicht hilft Dir auch der Gedanke, daß Du nicht alleine bist, sondern daß es auch anderen ähnlich geht - hier findest Du z.B. eine ähnliche Geschichte wie Deine:

Das erste Mal verliebt in eine Frau

Das Forum www.liebe-leben-leute.de ist zwar derzeit leider nicht aktiv, d.h. man kann keine Beiträge schreiben, aber lesen kann man immerhin wieder.

Unerwiderte Liebe ist ja auch keine Frage der sexuellen Orientierung. Jemanden zu lieben oder zu begehren, der diese Liebe nicht oder nicht so erwidert, wie man das wünscht, kommt ja nicht nur vor bei unterschiedlicher sexueller Orientierung, das kann es ja auch zwischen heterosexuellen Menschen geben oder auch dann, wenn beide homo- oder bisexuell veranlagt sind, heißt das ja noch nicht, daß sich auch beide ineinander verlieben.

Deine Freundin ist ja offenbar nur zu einer Freundschaft bereit, nicht zu mehr. Ob das daran liegt, daß sie nicht homo- oder bi, sondern hetero ist, oder ob sie sich ihre eventuelle Homosexualität nicth eingestehen will, oder ob sie einfach nicht genauso viel für Dich empfindet wie Du für sie, spielt eigentlich keine Rolle.

Du mußt für Dich entscheiden, wie Du am besten mit dieser Situation umgehst, ob eine Freundschaft Dir gut tut oder ob wegen der unerfüllten Hoffnungen ein klarer Schnitt besser für Dich ist.

Wirklich gute Freunde, mit denen man auf einer Wellenlänge ist, findet man nicht so oft im Leben, aber wenn Dir die Nähe nicht gut tut, ist vielleicht etwas Abstand besser.

Ich wünsche Dir jedenfalls alles Gute!

Klaus
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